Rücktritt vom Kaufvertrag bei einem Unfallfahrzeug

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Rücktritt vom Kaufvertrag bei einem Unfallfahrzeug

Häufig stellt sich nach dem Kauf eines gebrauchten PKW’s heraus, dass das Fahrzeug einen Unfallschaden hatte. Handelt es sich hierbei nicht um einen kapitalen Unfallschaden, sondern um einen Blechschaden, stellt sich für den Käufer die Frage, kann ich dennoch vom Vertrag zurücktreten?

1. Zunächst wird der Käufer gut beraten sein, wenn er in seinen Kaufvertrag schaut. Dort sollte er überprüfen, ob die Unfallfreiheit als Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 I 1 BGB vereinbart wurde.

Patric Nühlen
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Fachanwalt für Verkehrsrecht, Fachanwalt für Erbrecht
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2. Aber selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, sind die Voraussetzungen für einen berechtigten Rücktritt nicht schlecht.

3. So musste sich der BGH 2007 [VIII ZR 330/06 (LG Berlin)] mit Rücktrittsansprüchen bei einem unfallgeschädigten PKW, auch ohne Beschaffenheitsvereinbarung zur Unfallfreiheit auseinandersetzen.

a) Der BGH prüfte in diesem Zusammenhang die gewöhnliche Verwendung und Beschaffenheit, die man üblicherweise bei Sachen der gleichen Art als Käufer erwarten können muss. Er kam zu dem Ergebnis, dass sich ein gebrauchter Pkw für die gewöhnliche Verwendung nur dann eignet, wenn er keine technischen Mängel aufweist, die die Zulassung am Straßenverkehr hindern oder die Gebrauchsfähigkeit aufheben oder beeinträchtigen. Diese Voraussetzung war im zu entscheidenden Fall erfüllt.

Der BGH verwies auf frühere Rechtsprechung und führte wie folgt aus:

„Bei einem Gebrauchtwagen ist, sofern keine besonderen Umstände gegeben sind, jedenfalls der normale alters- und gebrauchsbedingte Verschleiß üblich und hinzunehmen (vgl. Senat, NJW 2006, 434 = NZV 2006, 82 [unter II 1a bb] m.w. Nachw.). Welche Beschaffenheit üblich ist, hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalls ab, wie beispielsweise dem Alter und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung; für das, was der Käufer erwarten darf, kann ferner der Kaufpreis oder der dem Käufer erkennbare Pflegezustand des Fahrzeugs von Bedeutung sein (OLG Düsseldorf, SP 2007, 32; Palandt/Weidenkaff, § 434 Rdnrn. 29, 30; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rdnr. 1236)."

b) Allerdings erkannte das Gericht, dass das Fahrzeug im von ihm zu entscheidenden Fall durch den Unfallschaden, nicht eine Beschaffenheit aufgewiesen hatte, die bei einem Gebrauchtwagen üblich war und die der Käufer erwarten konnte.

Der BGH stellte fest, dass es bei Beschädigungen/Unfällen eines Pkw für die Unterscheidung, ob es sich um einen möglicherweise nicht unüblichen und daher hinzunehmenden „Bagatellschaden" oder um einen außergewöhnlichen, nicht zu erwartenden Fahrzeugmangel handelt, auf die Art des Schadens und die Höhe der Reparaturkosten ankommt. Hierbei könne

„zur Abgrenzung zwischen einem „Bagatellschaden" und einem Sachmangel i.S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf die ständige Rechtsprechung des BGH zur Offenbarungspflicht von Schäden und Unfällen beim Gebrauchtwagenkauf zurückgegriffen werden kann. Danach muss der Verkäufer eines Gebrauchtwagens einen Schaden oder Unfall, der ihm bekannt ist oder mit dessen Vorhandensein er rechnet, grundsätzlich auch ungefragt dem Käufer mitteilen, wenn er sich nicht dem Vorwurf arglistigen Verschweigens aussetzen will, es sei denn, der Schaden oder Unfall war so geringfügig, dass er bei vernünftiger Betrachtungsweise den Kaufentschluss nicht beeinflussen kann. Die Grenze für nicht mitteilungspflichtige „Bagatellschäden" ist bei Personenkraftwagen sehr eng zu ziehen. Als „Bagatellschäden" hat der Senat bei Personenkraftwagen nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden anerkannt, nicht dagegen andere (Blech-)Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering (in einem Falle aus dem Jahre 1961 332,55 DM) war (Senat, WM 1987, 137 [unter II 2b] und WM 1982, 511 [unter II 2a, b], jew. m.w. Nachw.; vgl. Senat, NJW 1967, 1222). Ob das Fahrzeug nach dem Unfall fachgerecht repariert worden ist, ist nicht von Bedeutung (vgl. Senat, WM 1983, 934 [unter II 2]). Alleine die Tatsache, dass das Fahrzeug bei einem Unfall einen erheblichen Schaden erlitten hat, stellt einen Sachmangel i.S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar. Auch beim Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs kann der Käufer, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden" gekommen ist."

4. Jedenfalls bei einem knapp fünfeinhalb Jahre alten Fahrzeug mit einer Laufleistung von rund 54000 km, bei gutachterlich festgestellten Reparaturkosten von ca. 1770,00 € und Spachtelauftragungen im Bereich der Lackbeschädigungen von mehr als 5 mm sieht es der BGH als Pflicht des Verkäufers an, auf einen solchen Unfallschaden ungefragt hinzuweisen.

Dies ist kein Bagatellschaden.

Der Verkäufer ist gezwungen einen derartigen Schaden ungefragt zu offenbaren. Tut er dies nicht, kann der Käufer vom Vertrag gemäß §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 326 V, 323 BGB zurücktreten, auch wenn eine Unfallfreiheit im Kaufvertrag nicht angegeben worden ist.

 

Rechtsanwalt Patric Nühlen
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht
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