Zur Auslegung eines Testaments: Vermächtnis oder Erbeinsetzung"

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Nicht selten finden sich Testamente, die im Hinblick auf den Nachlass lückenhaft, unvollständig oder gänzlich unbrauchbar sind. Soweit das Testament jedoch formell ordnungsgemäß erstellt wurde, bleibt den Nachlassgerichten nur die Auslegung des Testaments.

Als Beispiel dafür wie eine solche Auslegung von statten geht soll der folgende vom OLG München entschiedene Fall dienen, bei der eine Erblasserin einer weiten Verwandte eine Vorsorgevollmacht und eine Kontovollmacht über den Tod hinaus  erteilte und in Ihrem Testament der weiten Verwandte die gesamte aber wertlose Wohnungseinrichtung zusprach. Des Weiteren sollte die weite Verwandte ein Vermächtnis in Höhe von 500 € an einen Freund der Verstorbenen erfüllen. Weitere Anordnungen traf sie in dem Testament nicht, obwohl sie neben der völlig wertlosen Wohnungseinrichtung ein Vermögen von 50.000 € aufwies. Die weite Verwandte beantragte beim Nachlassgericht einen Erbschein, der sie als Alleinerbin, also auch bzgl. der 50.000 € ausweisen sollte, obwohl sie nur mit der wertlosen Wohnungseinrichtung bedacht worden war. Die weite Verwandte begründete Ihre Ansicht alleinige Erbin geworden zu sein damit, dass die Verstorbene ihr eine umfangreiche Kontovollmacht erteilt hatte und sie sich um die Abwicklung des Vermächtnisses kümmern wollte.

Unterschied Erbe / Vermächtnis:

Vorab sei an dieser Stelle nochmals kurz  der Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnis erläutert:

Das Vermächtnis ist die Zuwendung eines einzelnen Vermögensvorteils sodass der mit einem Vermächtnis Bedachte im Unterschied zur Erbeinsetzung nicht Erbe wird.

Gegenstand eines Vermächtnisses kann sein die Zuwendung von Vermögenswerten wie Sachen, Geld, Forderungen, Wohnrechten, oder von Handlungen (Tun oder Unterlassen) des Beschwerten, also auch von Dienstleistungen oder dem Erlass einer Forderung.

Das OLG hat den obigen Fall dahingehend entschieden, dass die weite Verwandte nicht Erbin geworden ist und begründete die Entscheidung wie folgt:

Damit die weite Verwandte hätte Erbin werden können, müsste sie in dem Testament zur Erbin eingesetzt worden sein.

Ausdrücklich hatte sich dies nicht aus dem Testament ergeben, da sie lediglich mit der wertlosen Wohnungseinrichtung bedacht und auch sonst niemand zum Erben eingesetzt worden war. Daher stellte sich dem Gericht die Frage, ob das Testament durch Auslegung zugunsten der weiten Verwandten als Erbeinsetzung ausgelegt werden kann:

Auslegung eines Testaments:

Bei der Auslegung eines Testaments ist zunächst festzuhalten, dass es allein auf den wirklichen Willen des Erblassers ankommt, nicht etwa danach wie es ein objektiver Dritter zu verstehen hätte. Dies deshalb, weil das Testament anders als beispielsweise ein Vertrag eine einseitige Anordnung ist und nicht einem anderen als Erklärung zuzugehen braucht.

Zur Auslegung bedienen sich die Gerichte zweier Methoden:

Zunächst wird an den Wortlaut der Erklärung angeknüpft und daraus ermittelt, was der Erblasser damit wirklich zum Ausdruck bringen wollte. (sog. erläuternde Auslegung). Erst wenn dies keinen Erfolg verspricht und das Testament eine Lücke aufweist greift die sog. ergänzende Auslegung ein, bei der der hypothetische Wille des Erblassers ermittelt wird, also was der Erblasser wohl angeordnet hätte, wenn er bei der Testamentsentrichtung das Problem bedacht hätte.

Insoweit wurde vom Gericht zuerst ermittelt, was anhand des testamentarischen Wortlautes „der gesamten Wohnungseinrichtung“  erklärt werden sollte: Das Gericht führte hierzu aus, dass auch die Zuwendung eines Gegenstandes eine Erbeinsetzung sein kann, wenn der Nachlass sich darin erschöpft oder der Wert des Gegenstandes das übrige Vermögen erheblich übertrifft, sodass dies als der wesentliche Nachlass angesehen werden kann. Entscheidend ist dabei, ob der Erblasser seine wirtschaftliche Stellung durch die eingesetzten Personen fortgesetzt wissen wollte und den Nachlass regeln sollten.

Auszugehen ist bei der Auslegung immer vom Zeitpunkt der Testamentsentrichtung.

Da im vorliegenden Fall die Wohnungsgegenstände völlig wertlos waren und vielmehr das Vermögen von 50.000 € den wesentlichen Erbteil darstellten, war die Einsetzung der weiten Verwandten nicht als Alleinerbin anzusehen.

Aber auch im Rahmen einer ergänzenden Auslegung lässt sich keine Intension der Erblasserin erkennen, dass auch das Geldvermögen an die weite Verwandte hätte gehen sollen:

Aus der Erteilung einer Kontovollmacht über den Tod hinaus lässt sich nämlich nicht feststellen, ob die Erblasserin bei der Testamentsentrichtung fälschlicher Weise davon ausgegangen ist, dass sie deshalb das Vermögen von 50.000€ im Testament nicht mehr erwähnt hätte. Denn dies ergibt sich eben nicht aus dem Testament sondern nur durch den Vortrag der weiten Verwandte. Für eine solche ergänzende Auslegung muss sich nämlich zumindest ein vager Anhaltspunkt finden.

Finden die individuelle Auslegung nicht zum Erfolg, finden die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 2066 ff BGB Anwendung. Gemäß §  2087 II 2 ist die Zuwendung nur einzelner Gegenstände im  Zweifel aber nicht als Erbeinsetzung sondern vielmehr als Vermächtnis anzusehen.

Demgemäß hatte die Erblasserin die weite Verwandte nicht zur Erbin eingesetzt. Es besteht kein Anspruch auf die 50.000 €. Mangels Erbeinsetzung findet die gesetzliche Erbfolge Anwendung.

Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass offene Fragen und Lücken in einem Testament zunächst durch eine erläuternde, dann eine ergänzende Auslegung erfolgen. Dabei können einzeln vermachte Gegenstände auch eine (Allein)Erbschaft begründen, wenn sie das wesentliche Vermögen ausmachen. Läuft eine individuelle Auslegung leer, greifen die gesetzlichen Auslegungsregeln. Dabei bestimmt das Gesetz, dass die Zuwendung einzelner Gegenstände im Zweifel nicht als Erbeinsetzung anzusehen ist!