Als Druckmittel die Abnahme bei Werkverträgen verweigern? So einfach ist es nicht (mehr)

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Neuregelungen zur Abnahme im neuen Werkvertragsrecht

Bei der Abnahme eines Werks gibt es eine zentrale Neuerung. Ziel des Gesetzgebers war es, die Abnahmefiktion effektiver zu gestalten und die Kooperation unter den Vertragsparteien zu fördern. Die Neuerung ist Bestandteil der Reform des zivilen Bauvertragsrechts, die am 1.1.2018 in Kraft getreten ist. Dadurch sind zahlreiche neue Regelungen zum Bauvertrag ins BGB aufgenommen worden. Nahezu täglich erscheinen derzeit neue Bücher, Kommentare und Aufsätze als Diskussionsbeiträge zum neuen Bauvertragsrecht. Aber nicht nur das Bauvertragsrecht, sondern auch das allgemeine Werkvertragsrecht wurde in zentralen Bereichen reformiert, so die Regelung zur Abnahme.

Was ist eine Abnahme?

Die Abnahme nach § 640 BGB ist definiert als die körperliche Entgegennahme der vollendeten Leistung verbunden mit der Anerkennung (Billigung) des Werks als eine in der Hauptsache vertragsgemäße Leistungserfüllung. Der Auftraggeber akzeptiert das übergebene Werk und bestätigt, dass es im Wesentlichen den vertraglich festgelegten Eigenschaften entspricht. Die Abnahme ist damit der wichtigste Meilenstein bei der Umsetzung eines Werkvertrags, klassisch als Dreh- und Angelpunkt bezeichnet oder neuer und meines Erachtens treffender als Wasserscheide.

Andreas Neumann
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Denn Auftraggeber (Besteller oder Erwerber) entscheidet mit der Abnahme, ob das Vertragsziel erreicht ist. Wasserscheide bezeichnet in der Geologie den Grenzverlauf zwischen zwei benachbarten Flusssystemen. Sie entspricht der Grenze zwischen den Einzugsgebieten von zwei Flüssen hinsichtlich des abfließenden Regenwassers. Aufgrund der erheblichen Abnahmewirkungen passt dieser Begriff auf die Abnahme besser als die hergebrachte Bezeichnung als „Dreh- und Angelpunkt“. Insbesondere scheidet die Abnahme die Phase der Erfüllung (allgemeines Schuldrecht) von der Phase der Nacherfüllung (Gewährleistung des Werkvertragsrechts).

Man unterscheidet die ausdrückliche und die förmliche Abnahme von der konkludenten Abnahme (ausführlich dazu mein Rechtstipp zu den Abnahmeformen.

Die Abnahmefiktion

Unter bestimmten Umständen kann eine Abnahme fingiert werden. Das neue Recht schreibt hierfür eine bestimmte Vorgehensweise vor und ermöglicht dem Auftragnehmer bei Bauverträgen unter bestimmten Umständen eine Zustandsfeststellung.

Die Zustandsfeststellung nach § 650g BGB ist keine Abnahmeform. Sie führt aber zu einer Beweiserleichterung und unter Umständen auch zur Beweislastumkehr zugunsten des Auftragnehmers. Der Auftragnehmer kann eine solche gemeinsame Dokumentation des Zustands des Werks verlangen, wenn die Abnahme unter Angabe zumindest eines Mangels verweigert worden ist. Die Dokumentation soll mit Datum versehen und von beiden Vertragspartnern unterschrieben werden. Wirkt der Auftraggeber daran nicht mit, ohne sich zu entschuldigen, so kann der Auftragnehmer sie auch einseitig durchführen. Dem Auftraggeber ist dann eine Abschrift zur Verfügung zu stellen. Für Mängel, die in der Zustandsfeststellung nicht aufgeführt sind, wird vermutet, dass sie erst nach der Dokumentation entstanden und vom Auftraggeber zu vertreten sind. Dies wiederum kann vom Auftraggeber widerlegt werden, wenn der Mangel nach seiner Art nicht von ihm verursacht worden sein kann, wie etwa Materialfehler oder auch Verstöße gegen die anerkannten Regeln der Technik.

Verlangt der Auftragnehmer unter Setzung einer angemessenen Frist die Abnahme, muss der Auftraggeber künftig aktiv werden, wenn er die Abnahmefiktion verhindern will. Dafür muss er bei Abnahmeverweigerung binnen der Frist auch mindestens einen Mangel benennen bzw. mitteilen, an welcher Stelle das Werk seiner Ansicht nach nicht vertragsgemäß ist. Die Anforderungen an diese Mitteilung dürfen im Hinblick auf die Symptom-Rechtsprechung des BGH nicht überspannt werden. Einerseits reicht es künftig also nicht mehr aus, einfach nur die Abnahme zu verweigern. Andererseits genügt zur Verhinderung der Abnahmefiktion grundsätzlich die Angabe jedweden Mangels.

Einer Verbraucherin oder einem Verbraucher gegenüber kann die Abnahmefiktion aber nur eintreten, wenn sie oder er über diese Rechtsfolge bei der Fristsetzung korrekt und verständlich in Textform belehrt worden ist.

Abnahmefiktion auch bei wesentlichen Mängeln möglich

Die Abnahmefiktion tritt künftig auch bei Vorliegen wesentlicher Mängel ein, sofern denn das Werk nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien als „fertig“ anzusehen ist. Dies ist nach der Gesetzesbegründung der Fall, wenn die im Vertrag genannten Leistungen abgearbeitet beziehungsweise erbracht sind – unabhängig davon, ob wesentliche oder unwesentliche Mängel vorliegen oder nicht. Wesentlich ist ein Mangel dann, wenn es dem Auftraggeber nicht zugemutet werden kann, sich mit den Mängelrechten zu begnügen. Ob dies der Fall ist, bemisst sich anhand aller Umstände des Einzelfalls. Der Gesetzgeber will die häufigen Streitigkeiten über die Wesentlichkeit von Mängeln eindämmen.

Diskutiert wird, ob eine erfolgreiche Abnahmeverweigerung auch bei Benennung eines unwesentlichen oder tatsächlich nicht vorhandenen Mangels eintritt. Nach der Gesetzesbegründung kann die Benennung eines nur vorgeschobenen Mangels rechtsmissbräuchlich sein, so dass die Abnahmefiktion dadurch nicht verhindert wird. Ob die Abnahmefiktion wie vom Gesetzgeber beabsichtigt wirklich effektiver wird und die Parteien zu mehr Kooperation anhält, wird die praktische Umsetzung dieser Neuregelung zeigen.

Abnahme-Aufforderung

Hierzu empfehle ich das folgende Muster einer Abnahme-Aufforderung zur Herbeiführung der Abnahmefiktion mitsamt der nötigen Verbraucher-Belehrung. Ein Hinweis auf die Zustandsfeststellung ist entbehrlich, da die Zustandsfeststellung gerade nicht Folge des Fristablaufs ist, sondern einer erfolgten Abnahmeverweigerung (anders Palandt/Sprau, § 640 Rn. 17).

„Sehr geehrter (Besteller/in),

am … habe ich Ihnen wie vereinbart das fertiggestellte (Werk) … übergeben.

Ich fordere Sie auf, mir bis zum (angemessene Frist, regelmäßig zwei Wochen) die Abnahme zu erklären, also das Werk als in der Hauptsache vertragsgemäß anzuerkennen. Erklären Sie sich bis dahin nicht zur Abnahme, so gilt das Werk als abgenommen, § 640 Abs. 2 BGB.

Diese Rechtsfolge tritt auch dann ein, wenn Sie die Abnahme binnen der Frist zwar verweigern, aber dabei nicht zumindest auch einen konkreten Mangel bzw. zumindest ein konkretes Mängelsymptom benennen.

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