Besserer Schutz für Bürgerbegehren in NRW

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Eilverfahren gegen "Fantasie-Kostenschätzungen" möglich

Bürgerbegehren bestehen in Nordrhein-Westfalen immer aus - grob gesagt - vier Teilen: einer Frage, einer Begründung, einer Kostenschätzung und der eigentlichen Unterschriftenliste.

Während Frage und Begründung von der Bürgerinitiative selbst erarbeitet und die Unterschriften mühsam selbst gesammelt werden müssen/dürfen, ist die Kostenschätzung ein Fremdkörper. Sie wird nämlich von der Verwaltung erstellt und muss wörtlich übernommen werden. Das ist häufig Anlass für Verärgerung.

Kostenschätzung zu hoch, Text der Kostenschätzung zu lang?

So gab es bereits Bürgerbegehren, denen regelrechte Fantasie-Kostenschätzungen vorgelegt wurden. Ebenso Kostenschätzungen, die über eine DIN-A4-Seite hinausgingen und auf einem Blatt zur Unterschriftensammlung fast nicht mehr abzudrucken waren.

Eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster hat daher große Bedeutung für alle Bürgerbegehren in Nordrhein-Westfalen. Bislang war nämlich unklar, wann und inwieweit die Kostenschätzung der Verwaltung gerichtlich überprüft werden kann.

Hier ist nun ein Eilverfahren möglich, um die Stadt zur erneuten Kostenschätzung zu verpflichten. Die Frist zur Unterschriftensammlung ist dann bis zur neuen Mitteilung der Kostenschätzung weiterhin gehemmt.

Eilantrag kann die Verwaltung zu neuer Schätzung verpflichten!

Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen festgestellt:

  • Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zulässig.
  • Die Vertreter des Bürgerbegehrens haben ein Interesse daran, eine aus ihrer Sicht unzutreffende Kostenschätzung frühzeitig gerichtlich überprüfen zu lassen. Es trifft zwar zu, dass die Vertreter des Bürgerbegehrens verpflichtet sind, die Kostenschätzung der Verwaltung unverändert zu übernehmen, und eine abweichende Auffassung zu den voraussichtlichen Kosten in einer Art Gegendarstellung in der Begründung darlegen können. Vorausgesetzt ist dabei allerdings, dass die in der Kostenschätzung mitgeteilten Grundlagen der Schätzung zutreffen.
  • Es muss außer Acht gelassen werden, ob das Bürgerbegehren für unzulässig gehalten wird. Denn die Stadtverwaltung - so das Gericht wörtlich - "ist auch unter Zugrundelegung ihrer Rechtsauffassung nach § 26 Abs. 2 Satz 5 GO NRW verpflichtet, eine Kostenschätzung zu erteilen. Weder die Antragsgegnerin noch das Gericht haben in diesem Stadium des Verfahrens eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu treffen. Denn diese Entscheidung trifft nach § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW (zunächst) der Rat."
  • Da die Antragsteller verpflichtet sind, die Kostenschätzung der Verwaltung zu übernehmen und auf den Unterschriftslisten abzudrucken, sind sie auf eine zutreffende Kostenschätzung angewiesen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist hier ausnahmsweise gerechtfertigt, weil eine Entscheidung in der Hauptsache zur Rechtmäßigkeit der Kostenschätzung nichts mehr ausrichten könnte.

Ende gut, alles gut?

Leider bleibt eine Schwachstelle auch im Eilverfahren erkennbar: Sammeln die Bürger mit der beanstandeten Kostenschätzung zunächst keine Unterschriften und verweigert das Verwaltungsgericht den Eilrechtsschutz, ist womöglich wertvolle Zeit zur Unterschriftensammlung verstrichen. Dieses Prozessrisiko sollte nicht unterschätzt werden und macht daher eine schnelle und professionelle Bearbeitung erforderlich.

Das (unnötige) Prozessrisiko könnte nur eine Abschaffung der Kostenschätzung oder der Fristenregelung beseitigen. Letzteres fordert u.a. der Fachverband Mehr Demokratie. Nach dem Vorbild der bayerischen Gemeindeordnung ist beides nicht zwingend für ein Bürgerbegehren erforderlich. NRW könnte sich hieran ein Beispiel nehmen.

(Verwaltungsgericht Münster, Beschluss v. 25.02.2016, Az. 1 L 181/16)

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