Aufklärung des Arztes kommt vor der Einwilligung des Patienten

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Welche Pflichten treffen den Arzt beim Aufklärungsgespräch?

Die Aufklärung des Patienten als rechtlich gebotene ärztliche Pflicht unter Ärzten ist rechtliche Notwendigkeit. Dennoch ist in der täglichen Praxis nach wie vor festzustellen, dass Patienten manchmal gar nicht, häufig aber zumindest nicht korrekt aufgeklärt werden. Aber nur wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt wurde, kann der Patient wirksam in den Eingriff einwilligen. Anderenfalls bleibt dieser rechtswidrig. An Bedeutung gewinnt dieser Umstand immer dann, wenn es nach einer ärztlichen Behandlung zu einem gerichtlichen Zivilverfahren wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld kommt.

Beweislastverteilung

In einem Arzthaftungsprozess muss der Patient beweisen, dass ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt. Die Beweislast hinsichtlich der ordnungsgemäßen Aufklärung trägt jedoch der Arzt. Diese Beweislastverteilung macht die Aufklärungsrüge für den Patienten erst interessant. Gelingt es dem Arzt im Prozess nämlich nicht, nachzuweisen, dass er den Patienten vor dem Eingriff hinreichend aufgeklärt hat, obsiegt der Patient mit seiner Klage.

Der Gesundheitsschaden muss dazu nur auf der Behandlung beruhen, die mangels ordnungsgemäßer Aufklärung rechtswidrig war. Dies gilt auch dann, wenn ein Behandlungsfehler gar nicht gegeben war, sich also zum Beispiel nur ein typisches Risiko der Behandlung verwirklicht hat. Allein die Tatsache, dass der Patient wegen fehlender oder mangelnder Aufklärung nicht wirksam in den Eingriff einwilligen konnte, begründet die Haftung des Arztes.

Aufklärungsinhalt

Die Selbstbestimmungsaufklärung umfasst die Aufklärung über die Diagnose, den Ablauf der vorgeschlagenen Behandlung und die damit verbundenen Risiken:

  • Diagnoseaufklärung: Dem Patienten ist mitzuteilen, dass er an einer behandlungsbedürftigen Krankheit leidet. Nach früherer Rechtsprechung etwa bei einem unklaren, möglicherweise unbegründeten Karzinomverdacht, durfte der Arzt der zu erwartenden Beunruhigung des Patienten den Vorrang einräumen und die Diagnose umschreiben. Nach heutiger Auffassung bei einer Diagnose, die offenlässt, ob zum Beispiel ein Tumor gut- oder bösartig ist, ist der Patient über beide Möglichkeiten aufzuklären.
  • Verlaufsaufklärung: Im Hinblick auf die Behandlung muss dem Patienten nicht im Detail der Ablauf der Diagnostik oder Therapie erläutert werden. Ausreichend ist, wenn er „im Großen und Ganzen“ erfährt, was mit ihm geschehen wird. Hierzu zählt auch die Information über den wahrscheinlichen Grad des Heilungserfolgs beziehungsweise die Möglichkeit, dass die Operation misslingen kann.
  • Risikoaufklärung: In der Praxis am bedeutsamsten und mit den größten Schwierigkeiten verbunden ist die Aufklärung über mögliche vorübergehende oder dauerhafte Nebenfolgen eines Eingriffs, die auch bei Anwendung größter ärztlicher Sorgfalt auftreten können. Auch hier muss der Patient „im Großen und Ganzen“ aufgeklärt werden. Der Arzt hat dem Patienten dabei ein Bild von Schwere und Richtung des Risikospektrums zu vermitteln. Bei Neulandverfahren muss der Patient auch darüber aufgeklärt werden, dass unbekannte Risiken derzeit nicht auszuschließen sind. Komplikationsraten spielen eine untergeordnete Rolle bei der Frage, ob über ein Risiko aufzuklären ist oder nicht. Auch sehr seltene Risiken sind dem Patienten mitzuteilen. Insbesondere, wenn sie eine besonders schwere Belastung für dessen weitere Lebensführung darstellen, dem Eingriff spezifisch anhaften und für den Laien überraschend sind.

Form der Aufklärung

Die Aufklärung muss stets durch den behandelnden Arzt, bei arbeitsteiligen Abläufen durch den jeweiligen Facharzt, einzelfallbezogen in einem Arzt-Patienten-Gespräch, also mündlich durchgeführt werden. Nur so kann sich der Arzt davon überzeugen, dass der Patient alles Wesentliche verstanden hat. Merkblätter können das Aufklärungsgespräch vorbereiten und ergänzen, es aber nicht ersetzen. Auch die unkommentierte Übergabe von Aufklärungsbögen reicht nicht aus, ebenso wenig ein Formular mit einer allgemein gehaltenen Einverständniserklärung. Sprachbarrieren sind durch Hinzuziehung sprachkundiger Dritter zu überwinden.

Zeitpunkt der Aufklärung

Die Aufklärung hat stets vor der Durchführung einer ärztlichen Maßnahme zu erfolgen. Abgesehen von Notfällen muss der Zeitpunkt dabei so gewählt werden, dass dem Patienten genügend Zeit bleibt, das Für und Wider eines Eingriffs abzuwägen und sich frei zu entscheiden. Eine Aufklärung am Vorabend reicht nach ständiger Rechtsprechung hingegen nicht aus, um die Entscheidungsfreiheit des Patienten zu gewährleisten.

Bei ambulanten Behandlungen muss differenziert werden. Der medizinische Fortschritt erlaubt heute ambulante Eingriffe, die weder einfach noch mit geringen Risiken behaftet sind. Bei kleineren ambulanten Eingriffen kann die Aufklärung daher am Tag des Eingriffs noch rechtzeitig sein, wenn zwischen Aufklärung und operativer Phase ein gewisser zeitlicher Abstand liegt.

Tipp für die Praxis.

Wegen der Beweislastverteilung sollten Ärzte einige Punkte beachten, um sich im Fall eines Falles erfolgreich gegen die Behauptung, den Patient nicht ordnungsgemäß aufgeklärt zu haben, verteidigen zu können: Das Aufklärungsgespräch sollte stets umfassend dokumentiert werden. In den Behandlungsunterlagen vermerkt werden sollten stets der Tag der Aufklärung, der wesentliche Inhalt des Gespräches und die Einwilligung des Patienten. Vorgedruckte Aufklärungsbögen können dabei hilfreich sein, müssen aber stets durch handschriftliche Eintragungen individualisiert werden. Ein unterschriebener Aufklärungsbogen ist vor Gericht kein ausreichender Beweis dafür, dass der Patient ordnungsgemäß aufgeklärt wurde, sondern lediglich ein Indiz dafür, dass überhaupt ein Aufklärungsgespräch stattgefunden hat.

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