Inkassogebühren - was ist erlaubt?

Mehr zum Thema: Experteninterviews, Inkasso, Inkassogebühren, Inkassobüro, Inkassounternehmen, Mahngebühren, Inkassokosten, Kontoführungsgebühren, Mahnung, Rechtsanwaltsgebühren
4 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
33

Brief vom Inkassobüro. Welche Forderungen sollte man zahlen, welche nicht?

Inkassounternehmen berechnen Zinsen, Inkassokosten, Schreibgebühren, Kontoführungsgebühren und vieles mehr. Welche Positionen können sie gerichtlich durchsetzen, welche muss man nicht zahlen? 123recht.de im Gespräch mit Rechtsanwalt Jürgen Vasel über das Mahnverfahren und Eintreiben von Forderungen durch Inkassogesellschaften.

123recht.de: Viele Verbraucher reagieren erschrocken, wenn Sie einen Brief von einem Inkassounternehmen im Briefkasten haben. Aber gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen einer Mahnung vom Vertragspartner und einem Brief vom Inkassounternehmen?

Jürgen Vasel
Partner
seit 2010
Rechtsanwalt
Reinhäuser Landstraße 80
37083 Göttingen
Tel: 0551/43600
Tel: 0170/4669331
Web: http://www.ra-vasel.de
E-Mail:
Vertragsrecht, Baurecht, priv., Mietrecht, Sozialrecht, Familienrecht

Rechtsanwalt Vasel: Der wesentliche Unterschied sind die Kosten. Mahnkosten des Vertragspartners werden von der Rechtsprechung mit höchstens 3,00 € pro Mahnung anerkannt, die Kosten von Inkassounternehmen können wesentlich höher sein.

123recht.de: Ist die Einschaltung eines Inkassounternehmens auch ohne vorherige Mahnung möglich?

Rechtsanwalt Vasel: Dreh- und Angelpunkt ist der Verzug des Schuldners. Ist der Schuldner in Verzug, kann der Gläubiger ein Inkassounternehmen einschalten, dessen Kosten – grundsätzlich – der Schuldner bezahlen muss.

Eine Mahnung ist ein Mittel, den Schuldner in Verzug zu setzen. Für die Mahnung, die den Verzug begründet, kann der Gläubiger übrigens keine Mahnkosten verlangen.

Der Schuldner kann aber auch auf andere Weise in Verzug geraten: wenn z. B. die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmbar ist. Der Mieter, der nicht bis zum 3. Werktag des Monats die Miete gezahlt hat, gerät – ohne Mahnung! – am Folgetag in Verzug.

Der Schuldner kommt auch dann ohne Mahnung in Verzug, wenn er den Rechnungsbetrag nicht innerhalb von 30 Tagen zahlt. Verbraucher müssen darauf allerdings besonders hingewiesen werden, sonst gilt diese Regel nicht.

123recht.de: Ist die Einschaltung eines Inkassounternehmens immer erforderlich?

Rechtsanwalt Vasel: Die Einschaltung eines Inkassounternehmens ist insbesondere dann nicht erforderlich, wenn der Schuldner erkennbar zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig ist. Dann ist der Gläubiger gehalten, gleich einen Rechtsanwalt zu beauftragen.

123recht.de: Es wird in diesem Zusammenhang oft von einer Schadensminderungspflicht des Vertragspartners gesprochen. Was heißt das?

Rechtsanwalt Vasel: Die Schadensminderungspflicht bedeutet beim Forderungseinzug, dass der Gläubiger keine unnötigen Kosten produzieren darf. Insbesondere darf der Forderungseinzug durch ein Inkassounternehmen nicht teurer sein, als die Beauftragung eines Rechtsanwaltes gewesen wäre. Da die Kosten eines Anwaltes nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechnet werden, können diese unschwer ermittelt werden. Kosten des Inkassounternehmens, die darüber liegen, braucht der Schuldner nicht zu zahlen.

Zu beachten ist auch, dass die außergerichtlichen Gebühren von Anwälten auf die Anwaltsgebühren, die in gerichtlichen Verfahren entstehen, teilweise angerechnet werden. Das führt dazu, dass in Gerichtsverfahren Inkassokosten nur zu einem kleinen Teil anerkannt werden.

123recht.de: In welcher Höhe dürfen Zinsen und Auslagen von Inkassounternehmen geltend gemacht werden?

Rechtsanwalt Vasel: Verzugszinsen dürfen auf jeden Fall in Höhe von 5 %-Punkten (gegenüber Unternehmern: 9 %-Punkten) über dem Basiszinssatz geltend gemacht werden. Da der Basiszinssatz z. Zt. negativ ist (-0,88 %), ist der Verzugszinssatz 4,12 % (bzw. 8,12 %). Der Basiszinssatz wird alle 6 Monate neu festgelegt. In der Vergangenheit lag der Verzugszinssatz auch schon bedeutend höher: in den Jahren 2000-2001 betrug er allgemein 9,26 %.

Wenn der Gläubiger selbst höhere Zinsen bezahlen muss, kann er auch diese verlangen.

An Auslagen kommen insbesondere in Betracht: Kosten von Adressermittlungen und Auskünften aus dem Schuldnerverzeichnis bzw. von Wirtschaftsauskunfteien (SCHUFA etc.). Diese Auslagen müssen allerdings nachgewiesen werden.

123recht.de: Oft werden Kontoführungskosten genannt. Muss man die zahlen?

Rechtsanwalt Vasel: Nein.

123recht.de: Sind Schreibkosten in Ordnung?

Rechtsanwalt Vasel: Nur, wenn diese sich im Rahmen der Postauslagenpauschale von Rechtsanwälten halten (20 % der Inkassogebühr, höchstens 20,00 €).

123recht.de: Was ist mit Inkassokosten?

Rechtsanwalt Vasel: Ja, insgesamt bis zur Höhe der Kosten, die durch Beauftragung eines Rechtsanwaltes entstanden wären.

123recht.de: Dürfen Inkassokosten und Rechtsanwaltsgebühren gleichzeitig gefordert werden?

Rechtsanwalt Vasel: Nein, in der Regel nicht, weil dies gegen die Schadensminderungspflicht verstößt.

123recht.de: Darf das Inkassounternehmen Umsatzsteuer auf alle Rechnungsposten erheben?

Rechtsanwalt Vasel: Nein, wenn – wie in der Regel - der Gläubiger vorsteuerabzugsberechtigt ist.

123recht.de: Wie sollte man in der Praxis vorgehen? Kann man einfach die Hauptforderung bezahlen und den Rest ignorieren?

Rechtsanwalt Vasel: Zunächst sollte man prüfen, ob die Forderung oder Teile davon nicht bereits verjährt sind. Die Verjährungsfrist beträgt in der Regel drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Am 31.12.2020 verjähren also Forderungen, die im Jahre 2017 entstanden sind. Für Darlehensnehmer und Mieter gibt es abweichende Regelungen.

Wenn der Anspruch anerkannt wird, z.B. durch Teilzahlungen, beginnt die Verjährungsfrist jedoch neu zu laufen. Ein Anspruch aus 2015, auf den am 21.09.2017 eine Teilzahlung geleistet wurde, ist daher erst am 22.09.2020 verjährt.

Einfach die Hauptforderung zu bezahlen und den Rest zu ignorieren, ist so nicht zu empfehlen. Inkassounternehmen und auch entsprechend „spezialisierte“ Rechtsanwälte scheuen nicht davor zurück, auch wegen kleinerer Beträge hartnäckig zu bleiben und dadurch die Kosten in die Höhe zu treiben.

Man sollte (ggf. mit Hilfe eines Anwalts) genau prüfen, welche Forderungen, insbesondere Kostenforderungen, gerechtfertigt sind und diese dann unter genauer Bezeichnung der einzelnen Positionen und der dafür bestimmten Beträge überweisen.

123recht.de: Vielen Dank!

Rechtsanwalt Jürgen Vasel
Reinhäuser Landstr. 80
37083 Göttingen
Tel. 0551/43600
Fax 0551/43620
e-mail anwalt@ra-vasel.de
www.ra-vasel.de
Leserkommentare
von thehellion am 16.09.2013 17:29:32# 1
Hallo :)

Habe selbst einige Jahre bei dem Inkassounternehmen acoreus ( Masseninkasso ) gearbeitet
Dort ist es meines Wissens nicht ein einziges mal zu einer Klage expl wg vorgerichtlicher Inkassogebühren gekommen

Die Rechtsprechung ist teilweise sehr inkassofreundlich :

AG Dieburg Entscheidungsdatum: 20.07.2012 Aktenzeichen: 20 C 646/12
AG Bremen, Urteil vom 30.08.2012, 9 C 173/12:
AG Brandenburg Entscheidungsdatum: 27.08.2012 Aktenzeichen: 31 C 266/11
AG Essen-Borbeck · Urteil vom 10. April 2012 · Az. 6 C 101/11
AG Köln, Urteil vom 03.11.2010, 118 C 186/10
AG Berlin Mitte vom 01.09.2009 Geschäftsnr. 8 C 118/09)
AG Kehl Urteil vom 26.4.2011, 4 C 19/11

Lt AG Dieburg ist RVG nur für Rechtsanwälte anwendbar und nicht für Inkassounternehmen

".....Das RVG kann deshalb zur Rechtfertigung von Inkassokosten nicht herangezogen werden. Es handelt sich hierbei um ein Sondergesetz, das nur für Rechtsanwälte anwendbar ist und diese als Teil der Rechtsordnung privilegiert.Inkassobüros prüfen die einzutreibenden Forderungen nicht. Hierzu besteht weder ein Wille der Auftraggeber noch eine Verpflichtung der Inkassounternehmen. Mangels juristischer Ausbildung fehlte es an der Fähigkeit der Inkassounternehmen und der Erlaubnis, da die Rechtsberatung den Rechtsanwälten per Gesetz vorbehalten ist...."

Als Gläubiger ist es deswegen allemal besser im Verzugfall gleich einen "echten" RA zu beauftragen um nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben

gruß
    
von Herkulisa am 18.09.2013 13:50:52# 2
@thehellion

Ich habe vor Jahren in diesem Forum deine Beiträge bzgl. Inkasso gelesen und deine Tips und Ratschläge befolgt und NUR die Hauptforderung + ca. 10,-EUR (Zinsen, Mahnkosten) DIREKT an den Gläubiger überwiesen. Inkasso hat mir wochenlang gedroht, hat mir sogar einen gerichtlichen Mahnbescheid geschickt. Auch da habe ich auf dich "gehört" und Widerspruch gegen den Mahnbeschied eingelegt. Nach 2 weiteren Briefen des Inkassounternehmens, mit Aufforderung "umgehend den Widerspruch zurückzunehmen sonst...", hat Inkasso aufgegeben und ich habe nie wieder was von denen gehört!
Ich wollte dir das schon eeeeeewig mal schreiben und DANKE sagen! Toll, dass du auch weiterhin so aktiv diesbzgl. bist und so einen großen Teil zur Aufklärung der leider sehr "unwissenden" Normalbürger beiträgst!

LG Nicole
    
von GerrySt am 19.09.2013 18:57:42# 3
- "Am 31.12.2013 verjähren also Forderungen, die vor dem 01.01.2010 enstanden sind."
- "Ein Anspruch aus 2009, auf den am 02.01.2010 eine Teilzahlung geleistet wurde, verjährt also erst am 31.12.2014."

Müsste es hier nicht heißen:
- "Spätestens am 01.01.2013 verjähren also Forderungen, die vor dem 01.01.2010 enstanden sind."
- "Ein Anspruch aus 2009, auf den am 02.01.2010 eine Teilzahlung geleistet wurde, verjährt also erst am 01.01.2014."
?

Gruß
Gerry
    
Mehr Kommentare ansehen (7)
Das könnte Sie auch interessieren
Zivilrecht Inkassogebühren Verzugskosten Anwaltsgebühren