Vorsorgevollmacht
Mehr zum Thema: Sozialrecht, Vorsorgevollmacht, Selbstbestimmung, Betreuungsgericht, Betreuer, VordruckEin individuell zu gestaltendes Instrument der Vorsorge
Bedingt durch den demographischen Wandel in unserer Gesellschaft, werden sogenannte Vorsorgeurkunden für immer größere Teile der Gesellschaft immer wichtiger, um auch im Alter und in Abhängigkeit von „fremder“ Hilfe selbstbestimmt existieren zu können. Die jährlich steigende Zahl von registrierten Vorsorgevollmachten bei der Bundesnotarkammer zeichnet hier ein deutliches Bild. Betreuungsgerichte greifen durchschnittlich 20.000 mal pro Monat auf das Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer zu (Quelle: Bundesnotarkammer).
Die bedeutendste Vorsorgeurkunde ist die Vorsorgevollmacht. Ihre individuelle Gestaltung bedarf einer sorgfältigen und frühzeitigen Formulierung.
I. Rechtscharakter
Mit einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigt nach deutschem Recht eine Person eine andere Person, im Falle einer Notsituation alle oder bestimmte Aufgaben für den zu erledigen. Der Vollmachtnehmer entscheidet an Stelle des nicht mehr entscheidungsfähigen Vollmachtgebers. Deshalb setzt eine Vorsorgevollmacht auf persönlicher Seite ein unbedingtes und uneingeschränktes Vertrauen zum Bevollmächtigten voraus. Die Rechtsgrundlage für das Handeln bzw. die rechtsgeschäftliche Vertretung aufgrund der Vollmacht begründet §§ 164 ff. BGB, das Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem ist rechtlich ein Auftrag nach §§ 662 ff. BGB.
II. Vorzüge der Vorsorgevollmacht
Ein besonderer Vorteil der Vorsorgevollmacht ist, dass eine rechtliche Betreuung durch sie weitgehend vermieden werden kann. In einer solchen Erklärung gibt die betroffene Person in gesunden Tagen für den Fall einer später eintretenden Geschäfts- und/oder Einwilligungsunfähigkeit einem anderen die Vollmacht, im Namen der betroffenen Person zu handeln. Nach § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB ist dann die Bestellung eines rechtlichen Betreuers auch bei Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen (§ 1896 Abs. 1 BGB) entbehrlich, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen durch eine Vollmacht ebenso gut erledigt werden können. Aus verschiedenen Gründen ist hier neben der Schriftlichkeit zudem eine notarielle Beurkundung der Vollmacht angezeigt (s.u.).
Ein weiterer Vorteil der Vorsorgevollmacht besteht darin, dass der Bevollmächtigte sofort nach Kenntnis von einer eingetretenen Notsituation handeln kann und nicht erst eine gerichtliche Betreuerbestellung abwarten muss. Der Bevollmächtigte unterliegt auch nicht der Kontrolle des Betreuungsgerichtes bei der Vermögensverwaltung wie ein gerichtlich bestellter Betreuer. Hier bietet die Vorsorgevollmacht Gestaltungsspielraum für individuelle Regelungen, die sorgfältig ausgestaltet werden sollten
Auch im gesundheitlichen und höchstpersönlichen Bereich bietet die Vorsorgevollmacht als Instrument der Ausgestaltung des Selbstbestimmungsgrundrechts grundsätzlich Raum für Regelungen, die Ihrer persönlichen Situation entsprechen. Bei der Formulierung ist allerdings darauf zu achten, dass über §§ 1904, 1906 BGB Vorschriften des Betreuungsrechts auch für den Vorsorgebevollmächtigten Geltung beanspruchen. So müssen u.a. Regelungen zu freiheitsentziehenden und freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nicht nur schriftlich in der Vollmachturkunde fixiert werden, sondern es ist auch darauf zu achten, dass hier das Betreuungsgericht einen gesetzlichen Genehmigungsvorbehalt besitzt. Unterbringungen und weitere freiheitsentziehende bzw. freiheitsbeschränkende Maßnahmen müssen vom Gericht genehmigt werden. Gleiches gilt für gefährliche ärztliche Behandlungen.
Der herausragende Vorteil der Vorsorgevollmacht gegenüber der gesetzlichen Betreuung ist insbesondere darin zu sehen, dass mit der Vollmachtserteilung das Grundrecht auf Selbstbestimmung zum Ausdruck gebracht wird. Hierzu ist es möglich, individuell auf die jeweilige Situation angepasste und sorgfältig nach rechtlichen Gesichtspunkten abgewogene Formulierungen zu treffen. Auf diese Weise ist es möglich, auch für eine Zeit im Alter, in der die selbst durchgeführte Sorge der eigenen Angelegenheiten nicht mehr möglich ist, die eigenen Angelegenheiten nach eigenen Vorstellungen regeln zu lassen.
III. Zu beachten gilt es ….
Eine Vorsorgevollmacht kann nur dann individuell wirksam auf die jeweilige Situation passend erstellt werden, wenn der Vollmachtgeber zu dem Zeitpunkt der Vollmachtgabe geschäftsfähig ist.
Vollmachten sind zwar grundsätzlich formfrei zulässig. Die Schriftlichkeit aus Praktikabilitätsgründen und eine notarielle Beurkundung aus Rechtsicherheitsgründen sind aber ratsam. So stellt der Notar bei der Beurkundung die Identitäten der Beteiligten für den Rechtsverkehr fest und führt auch eine Geschäftsfähigkeitsprüfung des Vollmachtgebers durch (§ 11 Beurkundungsgesetz). Dies ist insbesondere gegenüber Banken, Vermietungsgesellschaften und Grundstücksgeschäften hilfreich und zum Teil sogar erforderlich. Außerdem können von notariell beurkundeten Vorsorgevollmachten bei Verlust der Originalurkunde Ausfertigungen erstellt werden, die das Original im Rechtsverkehr gleichwertig ersetzen können.
Da der Bevollmächtigte in finanziellen Angelegenheiten nicht durch das Betreuungsgericht kontrolliert wird, ist es zudem ratsam sorgfältig formulierte Kontrollmaßnahmen in die Vorsorgevollmacht aufzunehmen. Auch hier ermöglicht die Vorsorgevollmacht den Rahmen für passende, individuell formulierte Regelungen.
IV. Abschließend bleibt festzuhalten …. .
Sollten Sie sich für das Instrument der Vorsorgevollmacht entscheiden, sollten Sie in der eigenen Formulierung Ihrer Wünsche und Anliegen die stets zu beachtenden rechtlichen Aspekte und Komponenten berücksichtigen. Es ist in diesem Kontext angezeigt, anwaltlichen Rat einzubeziehen.
Das bloße Ausfüllen eines Vollmachtsvordrucks kommt einem Massenprodukt gleich, in dem in Regel individuelle Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt werden können. Denn ohne Zweifel ist der Vorteil der Vorsorgevollmacht gegenüber der Betreuung ohne vorsorgliche Verfügung, dass sie individuell auf die persönliche Situation zugeschnitten werden kann.
Sofern Sie deshalb bei der Formulierung Ihrer Vorsorgevollmacht anwaltlichen Rat in Anspruch nehmen wollen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.