Die Einführung des Rechtsdienstleistungsgesetzes unter besondererBerücksichtigung der Rechtsberatung mittels Telefon und Internet
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Durch die zunehmende Nutzung der Kommunikationsmittel des Telefons unddes Internets bieten sich dem Rechtssuchenden mittlerweileMöglichkeiten abseits der klassischen Rechtsberatung durch einenTermin beim Anwalt, Lösungen für rechtliche Probleme zufinden.
In zwei Grundsatzurteilen vom 26.09.2002 (BGH I ZR 44/00und BGH I ZR 102/00) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dastelefonische Beratung durch einen Rechtsanwalt eine sinnvolleErweiterung des Angebots anwaltlicher Dienstleistungen sein kann.
Auch wenn die Rechtsberatung durch eine Hotline angeboten würde,komme bei Nutzung der Hotline der Beratungsvertrag immer zwischenMandant und Anwalt zustande. So hat der Bundesgerichtshof entschieden,daß ein Geschäftsbesorgungsvertrag, der auf eineRechtsbesorgung und eine sich daraus ergebende treuhänderischeGeldverwaltung gerichtet ist, im Zweifel nur mit denRechtsanwälten, aber nicht mit den Steuerberatern oderWirtschaftsprüfern einer Sozietät zustande komme, derPersonen aus verschiedenen Berufen angehören, weil andernfallswegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz die Gefahrder Nichtigkeit des geschlossenen Vertrages bestünde (BGH, Urt. v.16.12.1999 - IX ZR 117/99, NJW 2000, 1333, 1335).
Dieser Gesichtspunkt kommt auch bei einer Hotline und einem eventuellzwischengeschalteten Unternehmen zum Tragen: Ist den Umständennach nicht eindeutig zu entnehmen, an welchen von zwei möglichenAdressaten sich das Angebot zum Abschluß einesGeschäftsbesorgungsvertrags richtet, ist nur die Auslegung nachbeiden Seiten interessengerecht, die die Nichtigkeit des angestrebtenVertrags vermeidet. Dies bedeutet konkret, daß beiverständiger Würdigung in dem Anruf - in Ermangelung eineserkennbaren entgegenstehenden Willens des Anrufers - das Angebot zumAbschluß eines Beratungsvertrags mit dem jeweils sich meldendenRechtsanwalt zu den in der Werbung im einzelnen wiedergegebenenBedingungen liegt.
Die Abrechnung der Rechtsberatung erfolgt in der Regel über dieTelefongebühren. Der Anrufer, der sich an einen der von derBeklagten vermittelten Rechtsanwälte wendet, erklärt sichdurch seinen Anruf mit der Vereinbarung einer Zeitvergütungeinverstanden. Mit der Zeitvergütung, die heute in vielenBereichen der anwaltlichen Tätigkeit üblich ist, wählendie Parteien des Anwaltsvertrages bewußt eine Berechnungsweise,die sich von der streitwertabhängigen Berechnung vollständiglöst. Dies ist für sich genommen weder bei der üblichenZeitvergütung noch im Streitfall zu beanstanden. Praktisch bietetsowohl die telefonische als auch die Onlineberatung Vorteile, siekönnen im Einzelnen sogar geeigneter sein, als eine Beratung vorOrt. So kann eine Frage sofort beantwortet werden, ein Griff zumHörer reicht, es muß nicht zusätzlich ein Terminvereinbart werden. Dies ermöglicht eine effektivere Bearbeitungdes Mandats, lästige Fahrten sowie der Zeitverlust durch An- undAbfahrt sowie durch eventuelles Warten entfällt. DieTelefonberatung kann sekundengenau abgerechnet werden, man bezahltexakt für die Zeit, die für die Beratung benötigt wirdund nicht mehr. Diese unkomplizierte Möglichkeit vonProblemlösungen ist gerade bei kleineren Angelegenheiten vongeringem Umfang oft sinnvoller als das aufwendigere Gespräch vorOrt. Gleiches gilt für die Online-Beratung, wenngleich einezeitabhängige Vergütung dort in der Regel nicht zum Tragenkommt. Wer unkompliziert und ohne Aufwand Hilfe sucht, ist in beidenFällen gut bedient, denn wie bei der über einenMehrwertdienst finanzierte telefonische Beratung weist auch dieOnline-Beratung dem Ratsuchenden einen einfachen Weg, wie er bei vonvornherein überschaubaren Kosten einen einfachen Rechtsrat odereine einfache Rechtsauskunft erhalten kann (vgl. Antwort derBundesregierung auf eine Große Anfrage, BT-Drucks. 14/3959, S. 10f.). Es ist nicht zu verkennen, daß in der Bevölkerung einBedarf an einer spontanen Beratung über Rechtsfragen des Alltagsbesteht, die mit Hilfe eines telefonischen oderOnline-Beratungsdienstes der hier in Rede stehenden Art befriedigtwerden kann.
Im Gegensatz zum Beratenden ist es dem Ratsuchenden im Regelfallmöglich, anonym zu bleiben. Dies begründet dennoch keineGefahr des Interessenkonflikts. Denn im allgemeinen wird derRechtsanwalt, der die Anfrage entgegennimmt, mit wenigen Nachfagenzuverlässig ermitteln können, ob die Gefahr einesInteressenkonflikts besteht. Soweit er für diese Klärungausnahmsweise den Namen des Anrufers benötigt, muß erfür die Fortsetzung der Beratung die Nennung des Namens verlangen(vgl. BGH I ZR 102/00).
Bei umfangreicheren Mandaten bietet die Onlineberatung Vorteilegegenüber dem persönlichen Kontakt vor Ort. So kann eineFrage Online zu jeder Zeit, also auch nachts oder am Wochenendegestellt werden. Das Anliegen kann dadurch auch wesentlich schnellerbearbeitet werden, da eine Terminvereinbarung entfällt und dasMandat sofort bearbeitet wird. Denn bei einer Terminvereinbarungbesteht das Problem, daß der Termin oftmals zu regulärenArbeitszeiten vereinbart werden muß oder unter Umständensogar ein Urlaubstag geopfert werden muß. Zudem hat man durch denschriftlichen Austausch genügend Zeit, die erforderlichenUnterlagen vorzubereiten oder gegebenenfalls zu ergänzen.
Durch die Nutzung der Telekommunikations- und Onlineberatung wurde dieRechtsberatung damit erheblich ergänzt und vereinfacht. DieseVereinfachung auf dem Markt der Rechtsberatung könnte durchdie Novellierung des Rechtsberatungsgesetzes gesteigert werden. Denn abMitte 2007 soll auch eine kostenlose Rechtsberatung möglich sein.Diese Änderung des Gesetzes muß jedoch kritischdurchleuchtet werden, denn neben Chancen birgt die Änderung desRechtsberatungsgesetzes auch Risiken, die sich auch auf dieQualität der Telefon- und Online-Beratung niederschlagenkönnten.
II. Ziel der Einführung des Rechtsdienstleistungsgesetzes
Die Bundesregierung plant für 2007 die Novellierung desRechtsberatungsgesetzes (RBerG). Das geltende Rechtsberatungsgesetzstammt aus dem Jahr 1935 und soll aufgehoben und durch einezeitgemäße und europafeste gesetzliche Regelung ersetztwerden. Das neue Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) soll Mitte 2007 inKraft treten. Der Reformbedarf ergibt sich zum einen ausverfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere im Hinblick auf Art. 12Abs. 1 und 2 GG. Außerdem wird kritisiert, daß bereits dieGrundbegriffe des geltenden RBerG, wie etwa„geschäftsmäßig" (Art. 1 § 1 Abs. 1 S.1), „Rechtsberatung" (vgl. z.B. Art. 1 § 1 Abs. 1 S.1, § 3 Nr. 1), „Rechtsbetreuung" (vgl. Art. 1 § 3Nr. 1) und „unmittelbarer Zusammenhang" (vgl. Art. 1 §5) in ihrer Bedeutung und ihrem gegenseitigen Bezug unklar sind. Zieleder gesetzlichen Neuregelung sind der Schutz der Rechtsuchenden und dieStärkung des gemeinschaftlichen Engagements. Gleichzeitigsoll eine Deregulierung und Entbürokratisierung erreichtwerden. Dabei sollen die Forderung nach Freigabe der Rechtsberatung undbilligeren Leistungen sowie der Schutz des Verbrauchers auf Sicherheitbei der Rechtsberatung einher gehen.
Auch wenn die Öffentlichkeit das Rechtsberatungsgesetz bisvor kurzem kaum wahrnahm, beschäftigte es doch mehrfach dieGerichte. Denn es sicherte der Anwaltschaft das Beratungsmonopol zu undso konnte jeder, der gegen das Monopol der Rechtsberatungverstieß, von Berufsträgern auf Unterlassung in Anspruchgenommen werden. Das neue Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) soll diesesBeratungsmonopol der Anwälte beseitigen. Zukünftig soll auchanderen Berufsgruppen oder Vereinen die Möglichkeit rechtsberatendtätig zu sein, eingeräumt werden. Zudem soll das Verbot derkostenlosen Rechtsberatung gelockert werden. Rechtsdienstleistungen,die nicht im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Betätigungstehen, sollen freigegeben werden.
Um jedoch die Qualität der Beratung zu sichern, muß dieRechtsdienstleistung unter Anleitung eines Volljuristen, der beidejuristischen Staatsexamina bestanden hat, erbracht werden.Grundsätzlich gilt auch künftig, daß derjenige, derfalsch berät einem Anspruch auf Schadenersatz ausgesetzt ist.Zudem hat das Justizministerium betont, daß der Kern derrechtlichen Beratung und Vertretung - insbesondere vor Gericht - auchkünftig allein Rechtsanwälten überlassen bleiben soll.Um die Notwendigkeit der Neuentwicklung desRechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) einordnen zu können, bedarf eszunächst einer historischen Betrachtung, welche auch dieausschlaggebende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und derInstanzgerichte beleuchtet.
III. Entstehung des Rechtsberatungsgesetzes
Am 7.4.1933 wurde das Rechtsmißbrauchsgesetz erlassen, daßes ermöglichte, Anwaltszulassungen "nichtarischer" Juristen und"Personen, die sich im kommunistischen Sinne betätigt haben"zurückzunehmen. Dieses Gesetz wurde Vorläufer des heutigenRBerG. Der Grundstein und die Zielrichtung des am 13.12.1935 erlassenenRechtsberatungsgesetzes waren damit gelegt. Das Gesetz solltejüdische Anwälte und Regimegegner aus Anwaltschaft, Justizund Verwaltung ausschalten und dadurch jegliche Einflußnahmeeines politisch geprägten Berufsstandes verhindert werden.Dieses Verbot galt auch für Volljuristen, die nichtRechtsanwälte waren. Zudem wurde ein Verbot mit Erlaubnisvorbehaltfür die altruistische Beratung statuiert. So sollte denBefürchtungen, daß "Volksschädlinge" und andere"unzuverlässige Elemente" auch nur kostenfrei rechtsberatendtätig werden könnten, entgegengewirkt werden. Mit diesenGesetzesänderungen ging die Privilegierung der Mitglieder derNSDAP einher, auf welche die neu erlassenen Regelungen keine Anwendungfanden.
Das Rechtsberatungsgesetz (RBerG) ist 1958 unter Entfernung dernationalsozialistisch geprägten Vorschriften aus demRechtsberatungsmißbrauchsgesetz von 1935 hervorgegangen. Am 18.August 1980 wurde das RBerG dahingehend erweitert, daß derErlaubnisvorbehalt des Verbotes der unentgeltlichengeschäftsmäßigen Rechtsbesorgung abgeschafft und diealtruistische Rechtsberatung damit gänzlich verboten wurde.
Am 1.11.1981 wurde der Beruf der sogenannten Vollrechtsbeiständemit der Begründung abgeschafft, daß es an einemBedürfnis für diesen Berufsstand fehle und die Erteilung vonTeilerlaubnissen für bestimmte Sachbreiche sinnvoller sei.Fünf Sachbereiche wurden abschließend festgelegt. EineTeilerlaubnis konnte somit nur Rentenberatern, Frachtprüfern,Versteigerern, Inkassounternehmen und Rechtskundigen in einemausländischen Recht erteilt werden. Insbesondere dieStandesorganisationen der Rechtsanwälte und derRechtsbeistände hatten die Einführung dieser Neuregelungangestrebt.
IV. Der Bundesverfassungsgerichtsbeschluß vom 29. Juli 2004 - 1 BvR 737/00 -
Erst durch die Verfassungsbeschwerde eines pensionierten Richters, derkostenlose Rechtsberatung erteilt hatte, wurde die Notwendigkeit derNovellierung des RBerGs allseits transparent.
Der Beschwerdeführer war pensionierter Richter und im Rahmen einesBußgeldverfahrens von dem Gericht als Wahlverteidiger einesBetroffenen nach § 138 Abs. 2 StPO, § 46 Abs. 1 OWiGzugelassen. Nach Abschluß dieses Verfahrens richtete derBeschwerdeführer an die Staatsanwaltschaft ein als "Selbstanzeigeim Hinblick auf Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG" bezeichnetes Schreiben,in dem er ausführte, er habe nicht nur in den vorliegendenVerfahren, sondern auch in der Vergangenheit "häufig und ingroßem Umfang" rechtsbesorgende Tätigkeiten ausgeübtund wiederholt "andere Bürger in Rechtssachen eingehendindividuell beraten", ohne hierfür eine Genehmigung nach Art. 1§ 1 RBerG zu besitzen oder unter eine Ausnahme nach Art. 1 §3, § 6 und § 7 RBerG zu fallen. Auch in Zukunft werde er sich"einer an ihn gerichteten Bitte von Freunden, Verwandten und inRechtsnot geratenen Bürgern zur Übernahme einerRechtsbesorgung voraussichtlich nicht entziehen".
Die Staatsanwaltschaft verhängte daraufhin eine Geldbuße inHöhe von 600 DM. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte derBeschwerdeführer Einspruch ein. Mit Urteil vom 13. Oktober 1999verurteilte ihn das Amtsgericht Braunschweig zu einer Geldbuße ingleicher Höhe. Das Amtsgericht hatte seine Entscheidung damitbegründet, daß der Begriff der"Geschäftsmäßigeit" der Rechtsbesorgunggemäß der herrschenden Meinung und der ständigenRechtsprechung so ausgelegt werden müsse, daß es der innerenEinstellung des Täters entspreche. Für dieGeschäftsmäßigkeit reiche daher schon die einmaligeTätigkeit aus, wenn der Täter beabsichtige, diese "zuwiederholen und dadurch zu einem wiederkehrenden oder dauerndenBestandteil seiner Beschäftigung zu machen" und im vorliegendenFall habe der Betroffene ausdrücklich erklärt bereitshäufiger tätig geworden zu sein und auch in Zukunftrechtsberatend tätig zu werden. DerGeschäftsmäßigkeit stünde auch nicht entgegen,daß die Rechtsberatung unentgeltlich erfolgt sei, was sich ausArt. 1 § 1 RBerG ergebe. Dieses Verbot sei, nach der herrschendenRechtsprechung, auch nicht dadurch beseitigt worden, daß derBetroffene in dem Verfahren als Verteidiger gemäß § 138Abs. 2 StPO zugelassen war.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit desRechtsberatungsgesetz wurden vom Amtsgericht damit zurückgewiesen,daß die antisemitischen Teile des Rechtsberatungsgesetzes bereitsentfernt worden seien. Zudem seien schon viele Entscheidungen vonOberlandesgerichten zu Regelungen des Rechtsberatungsgesetzes ergangen,ohne die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in Frage zustellen. Gegen dieses Urteil legte der BeschwerdeführerRechtsbeschwerde ein. Das Oberlandesgericht Braunschweig verwarf dieRechtsbeschwerde gemäß § 349 Abs. 2 StPO in Verbindungmit § 79 Abs. 3 OWiG als offensichtlich unbegründet.
Der Beschwerdeführer wandte sich mit seiner Verfassungsbeschwerdeerfolgreich gegen die instanzgerichtlichen Entscheidungen. Insbesonderemachte er eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG in seinerAusprägung als allgemeine Handlungsfreiheit geltend. DieVerurteilung bewirke einen unverhältnismäßigen Eingriffin dieses Grundrecht. Die Auslegung des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerGdahin, daß auch die unentgeltliche, aus altruistischenBeweggründen geleistete Rechtsberatung, die aus einem besonderenAnlaß erfolgt sei, von dem Verbot erfaßt werde, sei durchdie mit dem Rechtsberatungsgesetz verfolgten Gemeinwohlziele nichtgerechtfertigt. Das Amtsgericht habe den Begriff der"Geschäftsmäßigkeit" zu weit ausgelegt und damit dieverfassungsrechtlichen Vorgaben mißachtet. Hätten dieGerichte die Auslegungskriterien beachtet, so hätten sie die"Geschäftsmäßigkeit" verneinen müssen. DerGrundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht hinreichendbeachtet worden. Die Gerichte hätten versäumt zu prüfen,ob der Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes überhaupt verletztworden ist. Es hätte nämlich geprüft werden müssen,ob die durch das Rechtsberatungsgesetz geschütztenRechtsgüter überhaupt beeinträchtigt worden sind. DieUmstände, daß der Beschwerdeführer vom Gerichtgemäß § 138 Abs. 2 StPO als Verteidiger zugelassenwurde und über eine juristische Qualifikation verfügt,würden dafür sprechen, daß den geschütztenRechtsgütern hinreichend Rechnung getragen worden ist. DieGerichte hätten im konkreten Fall bei der Auslegung des RBerGnicht beachtet, daß der Begriff der"Geschäftsmäßigkeit" eine Auslegung erfordere, welchedie unentgeltliche Rechtsbesorgung durch einen berufserfahrenenJuristen nicht erfasse. Aufgrund der juristischen Qualifikation und derBerufserfahrung des Beschwerdeführers hätte geprüftwerden müssen, ob eine einschränkende Auslegung gebotengewesen wäre, so daß eine Abwägung zwischen denSchutzzwecken des Rechtsberatungsgesetzes und dem Grundrecht desBeschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG hätte vorgenommenwerden müssen.
Das Bundesverfassungsgericht folgte der Argumentation desBeschwerdeführers, hielt es nicht für ausgeschlossen,daß die Instanzgerichte bei Beachtung der sich aus dem Grundrechtder allgemeinen Handlungsfreiheit und dem Grundsatz derVerhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen zu einemanderen Ergebnis gekommen wären und verwies die Sache an dasAmtsgericht zurück, welches sich später den Maximen desBundesverfassungsgerichts anschloß.
V. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 7 A 363/00 -
Parallel zum Bußgeldverfahren vor dem Amtsgericht Braunschweigbeantragte der Kläger im April 2000 beim Landgericht Braunschweigdie Erteilung eines sog. Negativattests, wonach ihm bescheinigt werdenmüsse, daß die von ihm auch zuvor getätigteunentgeltliche Rechtsbesorgung bzw. Rechtsberatung unabhängig vonder Häufigkeit nicht das Tatbestandsmerkmal der"Geschäftsmäßgkeit" erfülle. Die Ablehnung diesesAntrags wurde damit begründet, daß derartiges im RBerG nichtvorgesehen sei. Zudem könne, ohne Kenntnis über die konkreteTätigkeit im Einzelfall, nicht festgestellt werden, ob es sich umeine erlaubnispflichtige Tätigkeit handle oder nicht. Vielmehrwürde es sich dann um eine unbeschränkte Erlaubnis fürgeschäftsmäßige Tätigkeiten im Sinne des RBerGhandeln, welche durch das Gesetz nicht vorgesehen seien. Der gegendiese Entscheidung gerichtete Widerspruch wurde aus den gleichenGründen zurückgewiesen. Auch das Verwaltungsgericht wies diegegen den Widerspruchsbescheid gerichtete Klage zurück, weil diebeabsichtigte und bereits ausgeübte Tätigkeit unter denBegriff der Geschäftsmäßigkeit falle, so daß eineErlaubnis nicht erteilt werden könne, weil die unbeschränkteRechtsberatung nur Rechtsanwälten zustehe. Eine auf den Bereichder Strafverteidung oder auf bestimmte Delikte beschränkteTeilerlaubnis komme nicht in Betracht.
VI. Das Urteil des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts - 8 LB 119/03 -
Erst die gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweigeingereichte Berufung war erfolgreich. Das NiedersächsischeOberverwaltungsgericht verpflichtete den Präsidenten desLandgerichts Braunschweig außerdem, dem Kläger einNegativattest auszustellen, wonach die von ihm beabsichtigteRechtsbesorgung nicht erlaubnispflichtig im Sinne des Art. 1 § 1RBerG ist. In Anwendung und Fortführung derBundesverfassungsgerichtsentscheidung legte das niedersächsischeOberverwaltungsgericht den Begriff "Geschäftsmäßigkeit"in Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG restriktiv aus. Im Wege derteleologischen Reduktion sei die verdeckte Regelungslücke des Art.1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG dahingehend zu ergänzen, daßdie unentgeltliche Rechtsbesorgung durch einen berufserfahrenenVolljuristen nicht "geschäftsmäßig" erfolge und damitder Erlaubnisvorbehalt nicht gelte. Es gäbe keinen Anhaltspunktdafür, daß bei Einführung des Verbots derunentgeltlichen geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung diesesauch für Volljuristen gelten sollte. Aus den Gesetzesmaterialiensei nicht erkennbar, daß dem Gesetzgeber dieses Problemüberhaupt bewußt war. Zudem spreche für dieserestriktive Auslegung, daß im Koalitionsvertrag vom November 2005eine Reform des Rechtsberatungsgesetzes vorgesehen sei und daher demgegenwärtigen Willen des Gesetzgebers entspreche. EineRegelungslücke läge deshalb vor, weil die unentgeltlicheRechtsberatung durch Volljuristen - entgegen des Wortlautes - nicht vomErlaubnisvorbehalt erfaßt werden solle und diese Auslegungaufgrund der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs.1 GG auch verfassungsrechtlich geboten sei. Ein Verbot könne auchnicht mit dem Schutz der Anwaltschaft begründet werden. Esläge nämlich außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung,daß eine Großzahl beruflich erfahrener Volljuristenunentgeltliche Rechtsberatung erteile. Außerdem würde derunentgeltliche Rechtsrat zu einem Großteil ratsuchende Gruppenerreichen, die ansonsten keine Rechtsberatung in Anspruch nehmenwürden bzw. könnten, wie z.B. Sozialhilfeempfänger oderAsylbewerber. Die vorgenommene Auslegung stünde auch nicht demVerbraucherschutz entgegen weil der Volljurist, der kein Rechtsanwaltsei, keiner Berufsaufsicht unterliege und daher keine Verpflichtung zumAbschluß einer Haftpflichtversicherung treffe. Der Ratsuchendesei bereits dadurch ausreichend geschützt, daß der Beratendeihn im Vorfeld auf die Risiken seiner Rechtsberatung in finanziellerHinsicht wie auch aufgrund des fehlenden Zeugnisverweigerungsrechts unddes Fehlens eines Beschlagnahmeverbots für beratungsbezogeneMitteilungen und Unterlagen, aufmerksam mache. Dem Ratsuchenden bliebedann immer noch die Entscheidung, ob er die Rechtsbesorgung dennochannimmt.
Mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und desniedersächsischen Oberverwaltungsgerichts war eine gesetzlicheNeuordnung des Marktes der Rechtsberatung schließlichüberfällig geworden, weil offenbar wurde, daß dasbislang geltende Rechtsberatungsgesetz den Ansprüchen einesliberalen und transparenten Marktes nicht mehr genügen würde.Den technischen Neuerungen der Telefon - und Onlineberatung als auchden Anforderungen des europäischen Dienstleistungsmarktes versuchtdas Rechtsdienstleistungsgesetz mit seinen Neuerungen nunmehr gerechtzu werden.
VII. Die wichtigsten Neuerungen im Überblick
1. Die Anwaltschaft behält die umfassende Rechtsdienstleistungsbefugnis
Eine umfassende Rechtsberatung ist auch weiterhin nur durch einenVolljuristen möglich. Volljurist ist, wer beide juristischeStaatsexamen bestanden hat. Weitere Voraussetzung ist die Zulassung alsRechtsanwalt. Auch das RDG erteilt keine umfassendeRechtsberatungsbefugnis für Fachhochschulabsolventen (hier vorallem Diplom-Wirtschaftsjuristen) oder Absolventen nur des erstenjuristischen Examens. Diplomjuristen, die ursprünglich mit derAussicht auf eine abhängige Beschäftigung in Verwaltung oderWirtschaft ausgebildet wurden, können zukünftig jedoch ingewissem Umfang selbständig tätig werden. Denn durch dieEinführung des Begriffs der Rechtsdienstleistung, die Ausweitungder erlaubten Nebenleistungen und die Möglichkeit beruflicherZusammenarbeit gibt es auch für Diplomjuristen einen neuenWirkungskreis.
2. Unentgeltliche Rechtsdienstleistungen
Durch § 6 RDG sollen zukünftig unentgeltlicheRechtsdienstleistungen grundsätzlich zulässig sein. Damitsoll die unentgeltliche Rechtsberatung im Familien- und Freundeskreissowie die altruistische, karitative Rechtsberatung ermöglichtwerden. Jedoch sind „kostenlose" Serviceangebote (etwa dievon einer Bank für den - potentiellen - Kunden kostenlos undunverbindlich angebotene Testamentsberatung) ohnehin nichtunentgeltlich im Sinne des RDG, weil sie im Zusammenhang mit dementgeltlichen Hauptgeschäft stehen, für das geworben werdensoll. Dabei muß die Rechtsdienstleistung unter Anleitung einesVolljuristen erbracht werden. Es bleibt zum Schutze der Rechtsuchendenvorbehalten, Personen oder Einrichtungen, die außerhalb desFamilien- und Bekanntenkreises dauerhaft unqualifizierten Rechtsraterteilen, die unentgeltliche Rechtsdienstleistung zu untersagen.
3. Rechtliche Beratung durch Vereine
Künftig soll nach § 7 RDG allen Vereinigungen dieRechtsberatung ihrer Mitglieder gestattet sein. Bisher war dies nurberufsständischen und berufsstandsähnlichen Vereinigungen wieGewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Grundeingentümer-und Mietervereinen möglich. Die Rechtsberatung darf jedoch nichtHauptzweck der beratenden Vereinigung sein. Zudem muß auch indiesen Fällen eine juristisch qualifizierte Person an der Beratungbeteiligt sein. Weiterhin muß die Vereinigung personell, sachlichund finanziell angemessen ausgestattet sein. Auch hier gilt, daßdie Erbringung von Rechtsdienstleistungen in bestimmten Fällenuntersagt werden kann.
4. Begrenzung des Geltungsbereichs auf die außergerichtliche Tätigkeit und Reglementierung echter Rechtsanwendung
Nach dem Wortlaut des aktuellen Entwurfs des Rechtsberatungsgesetzesunterliegt jede Erledigung fremder Rechtsangelegenheiten demgesetzlichen Erlaubnisvorbehalt. Im Ergebnis bedeutet dies, daßalle dadurch bezeichneten Tätigkeiten nur durch Rechtsanwälteoder Personen mit einer besonderen Erlaubnis wie Steuerberater oderInkassounternehmen vorgenommen werden können. Das RDG führtden Begriff der Rechtsdienstleistung in § 2 Abs. 1 RDG ein, derdie Begriffe Rechtsberatung, Rechtsbetreuung und Rechtsbesorgung, diebislang der Auslegung bedurften, ersetzt. Nach § 2 Abs. 1 RDG istRechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremdenAngelegenheiten, sobald sie eine besondere rechtliche Prüfung desEinzelfalls erfordert. Den Vorgaben der Rechtsprechung desBundesverfassungsgerichts folgend ist nur noch die echteRechtsanwendung dem Anwalt vorbehalten. Dies bedeutet, daß derBegriff der Rechtsdienstleistung nicht die Recherche der Lektüre,deren Wiedergabe und die rein schematische Anwendung von Rechtsnormenerfaßt, wie dies bei:
- der allgemeinen Aufklärung über rechtlicheHintergründe, wenn z.B. ein Hauseigentümerverein durch einRundschreiben alle Mitgleider über die nach dem BGB bestehendenMinderungsrechte bei Modernisierungsmaßnahmen aufklärt,
- der Geltendmachung einfacher Ansprüche, wenn z.B. EineKfz-Werkstatt mit der gegnerischen Versicherung nicht nur dieReparaturkosten abrechnet, sondern für den Geschädigtengleichzeitig auch die Schadenpauschale geltend macht.
- der Mitwirkung bei Vertragsabschlüssen oderVertragskündigungen, wenn z.B. ein Versicherungsmakler fürseinen Kunden bestehende Energieversorgungsverträge kündigt und neueVerträge abschließt,
der Fall ist.
Allerdings fällt jede juristische Prüfung, auch einfacherSachverhalte, unter den Begriff der Rechtsdienstleistung. Bei einfachgelagerten Fällen, können allerdings auch Nichtanwälteberatend tätig werden, sofern es sich nach § 5 RDG um einezulässige Nebenleistung handelt.
5. Rechtsdienstleistungen als Nebenleistungen
Gem. § 5 Abs. 1 RDG können auch andere BerufsgruppenRechtsdienstleistungen erbringen, wenn diese im Zusammenhang mit eineranderen beruflichen Tätigkeit stehen. Die Rechtsdienstleistungmuß also eine Nebenleistung sein, die sich aus dem Berufs- oderTätigkeitsbild ergibt oder zu den Pflichten derHaupttätigkeit gehören. Dabei wird jedoch nicht mehrvorausgesetzt, daß die Haupttätigkeit ohne dieRechtsdienstleistung überhaupt nicht fachgerecht ausgeführtwerden kann. Dennoch darf die Rechtsdienstleistung nach ihrem Gewichtund ihrer Bedeutung nicht im Mittelpunkt des Leistungsangebotes stehen.
Zulässige Nebenleistungen können daher sein:
- Sanierungs- oder Insolvenzberatung durchDiplom-Betriebswirte, Diplom-Kaufleute oderDiplom-Wirtschaftsjuristen;
- Beratung über Fragen des Baurechts oder der Sachmängelhaftung durch Architekten;
- Beratung über Gestaltungsmöglichkeitenbei der Vermögens- oder Unternehmensnachfolge durch Banken
- Mitwirkung bei der Vorbereitung eines Erbscheinsantrags durch Erbenermittler.
Ausdrücklich als Nebenleistung in den Gesetzesentwurf aufgenommenwurde die Testamentsvollstreckung - die der Erblasser künftig auchBanken, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern übertragenkann - und die Fördermittelberatung, die im Bereich derUnternehmensberatung eine wichtige Rolle spielt.
Ob im Einzelfall eine Nebenleistung vorliegt oder nicht wird von denGerichten geklärt werden müssen. Entscheidungskriterien nachdem RDG sind Umfang und Inhalt einer Tätigkeit und ihre Bedeutungfür den Rechtsuchenden, ob hierfür die umfassende rechtlicheAusbildung des Rechtsanwalts oder seine besondere Pflichtenstellung imRechtssystem erforderlich ist, oder ob die juristische Qualifikationdes nichtanwaltlichen Dienstleisters ausreicht.
6. Neue Formen der Zusammenarbeit der Anwaltschaft mit anderen Berufsgruppen
Nach § 5 Abs. 3 RDG soll ein Rechtsanwalt für einzelnejuristische Fragen hinzugezogen werden können, bei denen es sichnicht mehr um bloße Nebenleistungen handelt. Auch eine festeZusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Personen andererBerufsgruppen soll künftig ermöglicht werden. Dies giltallerdings nur für Rechtsanwälte, die selbständig undeigenverantwortlich arbeiten. Ein Unternehmensjurist darf auchweiterhin keine Rechtsdienstleistungen vornehmen.
7. Angleichung der Regelungen über die Prozeßvertretung vor Gericht in allen Verfahrensordnungen
Das Rechtsdienstleistungsgesetz regelt ausschließlich dieaußergerichtlichen Rechtsdienstleistungen. Damit unterscheidet essich von dem geltenden RBerG und hat zur Folge, daß die einzelnenVerfahrensordnungen wie ZPO, FGG, ArbGG, VwGO, SGG und FGO umRegelungen über die Vertretungsbefugnis in den gerichtlichenVerfahren ergänzt werden müssen. Der Schutz der gerichtlichenRechtspflege erfordert dabei, daß an die Vertretungsbefugnishöhere Anforderungen gestellt werden als bei denaußergerichtlichen Rechtsdienstleistungen. DieVertretungsbefugnis im Zivil-, Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs- undFinanzgerichtsprozeß soll daher nur in geringerem Umfangfreigegeben werden. Der Anwaltszwang in bestimmten Gerichtsverfahrenwird daher beibehalten. Muß sich der Mandant jedoch nichtanwaltlich vertreten lassen, so kann er sich entweder selbst vertretenoder einen professionellen Vertreter wählen.
Neben der entgeltlichen Vertretung durch die Anwaltschaft, könnenauch Personen, die bestimmte Qualifikationsanforderungen erfüllengerichtliche Vertretungen vornehmen Herrscht kein Anwaltzwang, so sollkünftig eine gerichtliche Vertretung auch
- durch Beschäftigte der Prozeßpartei,
- durch unentgeltlich tätige Familienangehörige der Prozeßpartei,
- durch unentgeltlich tätige Volljuristen oder
- durch unentgeltlich tätige Streitgenossen
möglich sein. Erfüllt eine Person nicht diese Anforderungen,so kann das Gericht diese künftig als Beistand in derGerichtsverhandlung zulassen, sofern ein Bedürfnis dafürbesteht.
VIII. Kritik
Das neue Gesetz muß drei verfassungsrechtlich legitimierte Ziele verfolgen:
a) Der Schutz der Rechtsuchenden vor unzuverlässigen, nichtausreichend qualifizierten, nicht unabhängigen und nichtausschließlich am rechtlich legitimen Interessen orientiertenBeratern (Verbraucherschutz),
b) Die Tätigkeit von Gerichten und Behörden soll durch dasAuftreten sachunkundiger Vertreter nicht erschwert werden (Schutz derRechtspflege),
c) Der Erhalt einer funktionsfähigen Anwaltschaft alsleistungsfähige Berufsgruppe zur Verwirklichung des Rechtstaats(Schutz der Rechtspflege).
Die Bundesrechtsanwaltskammer sieht diese Schutzzwecke durch dieEinführung des Rechtsdienstleistungsgesetz gefährdet undäußert insbesondere folgende Kritik:
1. Unzureichend sei die Ausdehnung möglicherRechtsdienstleistungen auf alle Volljuristen oder Juristen auchgeringerer Qualifikation. Denn diese unterstehen nicht den Pflichteneines Rechtsanwaltes, nämlich:
a) der Unabhängigkeit
b) der Verschwiegenheitspflicht und
c) dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen
So könnte ein Volljurist zwar qualifizierten Rechtsraterteilen, der aber unzuverlässig ist, weil er mehr dem Interessedes Rechtsberaters als dem des Rechtsuchenden entspricht, wie bei einerRechtsberatung durch Rechtsschutzversicherer bzw. deren Juristen wegender unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen der Vertragspartner.Während der Versicherungsnehmer seine Rechtsansprüche ohneRücksicht auf die Kosten durchsetzen möchte, will derRechtsschutzversicherer die Kosten der Rechtsverfolgung möglichstniedrig halten.
2. Die unentgeltliche Rechtsberatung sollte nur in den Grenzen desFamilien- und Bekanntenkreis ermöglicht werden. Denn Hintergrunddieser Rechtsberatung ist eine soziale Verpflichtung zur Hilfe.Der Rechtssuchende kann in einem solchen Fall nicht den Eindruck einerverbindlichen Rechtsauskunft gewinnen. Außerhalb des Familien-und Bekanntenkreises ist jedoch keine unentgeltliche Rechtsberatung zugewähren, da dies vor allem dem Verbraucherschutz entgegensteht.
3. Auch im außergerichtlichen Bereich soll die Rechtsberatungdurch einen Anwalt erfolgen müssen, da eine optimaleRechtsberatung nur mit prozeßrechtlichen Kenntnissen undforensischen Erfahrungen erfolgen könne, um die Folgen einermöglicherweise folgenden gerichtlichen Streitigkeit einbeziehen zukönnen. Eine qualifizierte Rechtsberatung sei ohne Kenntnisse derin einem späteren Prozeß geltenden Darlegungs- undBeweislastregeln, nicht möglich. Eine unqualifizierteRechtsberatung könne außerdemzu überflüssigen gerichtlichen Verfahren führen undsomit die Rechtspflege unnötig belasten.
IX. Auswirkungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes auf Telefon- und Onlineberatung
Insbesondere die in Zukunft vorgesehenen Möglichkeiten derVornahme von unentgeltlichen Rechtsdienstleistungen und die vorgesehenerechtliche Beratung durch Vereine läßt angesichts dervielfältigen technischen Möglichkeiten und der schwierigenÜberprüfung des tatsächlich angebotenenLeistungsspektrums eine Zunahme der Verbreitung unzulässigerAngebote von Rechtsdienstleistungen erwarten.
Da nach § 6 RDG unentgeltliche Rechtsdienstleistungen, die nichtim Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit stehen, erlaubtsind, ist anzunehmen, daß Online-Dienste den Beratungsmarktüberschwemmen werden, die kostenlose Rechtsberatung zwecksGenerierung von Besucherströmen anbieten, um mittels kommerziellerWerbung oder weiterer Angebote vom Aufruf ihrer Webseiten zuprofitieren.
Als besonders problematisch wird sich dabei die Tatsache erweisen,daß die angebotene kostenlose Beratung keinerleiQualitätsmaßstäben unterliegen muß und überLändergrenzen hinausgehen und sich damit bundesdeutscherJurisdiktion entziehen kann. Auch die Bundesrechtsanwaltskammermoniert, daß die Unentgeltlichkeit von Rechtsberatung ohne jedeBedeutung für den Schutz der Rechtsuchenden ist, weil dieUnentgeltlichkeit der Dienstleistung selbst in keiner Weise Schutzgewährleistet, da sie kein Kriterium des Verbraucherschutzesdarstelle. Die Freigabe der Rechtsbesorgung ohne Erlaubnis nur weil sieunentgeltlich angeboten und ausgeübt wird, wird denVerbraucherschutz verringern.
Dies wird insbesondere durch Angebote im Internet, sei es fürRechtsdienstleistungen per e-mail oder per Telefon der Fall sein, weildie sich hinter diesen Angeboten verbergenden Dienstleister entwedermangels Geltung bundesdeutschen Rechts nicht überprüftgeschweige denn belangt werden können oder eine denkbareInanspruchnahme gesetzeswidriger Anbieter im Inland annachvollziehbaren Zuordnungskriterien scheitert. Schließlich wirdsich auch die gesetzeskonforme kostenfreie Rechtsberatung mangelsqualitativer Maßstäbe für den Verbraucher alsunzuverlässig erweisen.
Denn die durch kostenlose Rechtsberatung erfolgende Ersparnisdürfte in Fällen unqualifizierter Rechtsberatung schnellaufgezehrt sein. Tatsächlich existiert schon heute ein Marktfür die Erteilung von von kostenlosem Rechtsrat in zahlreichenInternetforen, in denen selbsterkorene Spezialisten mit anderen„Fachleuten" diskutieren und nicht selten kostenfreieRechtsberatung in Einzelfällen erteilen. Wer sich als Rechtsanwalteinmal aus Neugier durch derartige Foren gearbeitet hat, mußanhand vieler offensichtlicher Fehleinschätzungen derInternetratgeber erkennen, daß eine gesetzeskonforme Freigabe vonunentgeltlicher Rechtsberatung mit Verbraucherschutz nicht dasgeringste zu tun hat.
Wie auch die Rechtsanwaltskammer betont, ändert sich an derfür Verbraucher durchaus bedrohlichen Ausgangslage nichts dadurch,daß der Rechtsuchende angeblich wisse, daß er bei einerunentgeltlichen Rechtsbesorgung nicht dieselbe Qualität erwartenkönne wie bei einem entgeltlich tätig werdenden Rechtsanwalt.Denn die Aussicht auf eine Kostenersparnis wird in den meistenFällen trotz dieses angeblichen Wissens nicht dazu führen,zusätzlich zu dem unentgeltlichen Rechtsrat noch anwaltlichen Rateinzuholen. Dieser Rat oder gar eine Vertretung wird in der Regel dannvon Nöten sein, wenn die Befolgung kostenfreien aber qualitativunbrauchbaren Rechtsrats zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrensgeführt hat.
Wer auf den - in Foren oftmals anzutreffenden - Ratschlag seineskostenfreien Rechtsberaters gehört hat, eine Abmahnung wegen einesRechtsverstoßes im Internet deshalb nicht beachten zumüssen, weil der Abmahnende den Zugang des Abmahnschreibens nichtbeweisen könne, wird sich spätestens vor Gericht vom dannnotwendigen Anwalt darüber aufklären lassen müssen,daß zur Vermeidung der Kostenfolge des § 93 ZPO lediglichdie Versendung der Abmahnung nachzuweisen ist und es zur Verurteilungnicht einmal einer Abmahnung bedarf.
Als Vorausschau für den Bereich der Telefon- und Onlineberatungläßt sich schon jetzt prognostizieren, daß die in den§§ 6 TDG und 10 Abs. 2 MDStV normierte Impressumspflicht alsauch die transparenten Datenbanken der Domainverwaltungsstellen wie derDENIC an Bedeutung gewinnen werden, wenn man die Beschränkungendes neuen Rechtsdienstleistungsgesetzes ernst nimmt und sich amLeitbild des Verbraucherschutzes orientieren will. Schon jetzt gilt dieNichteinhaltung der sich aus § 6 TDG ergebendenInformationspflichten als Wettbewerbsverstoß, der dazuführt, daß ungleiche Wettbewerbsbedingungen gegenüberMitbewerbern herbeigeführt werden, weil ein derartigerNormverstoß geeignet ist, einen Wettbewerbsvorsprung zu erhalten.Sollten sich die Anbieter kostenfreien Rechtsrats im Internet nicht andiese Vorschriften halten, die oftmals die einzige Handhabe seinwerden, um die gesetzliche Konformität von Internetangeboten aufdem Rechtsdienstleistungsmarkt an Hand greifbarer Kriterein zuüberprüfen, werden anwaltliche Mitbewerber derartigerAnbieter vermehrt auf die Einhaltung dieser Vorschriften achtenmüssen. Denn weil auch künftig gilt, daß derjenige, derfalsch berät, einem Anspruch auf Schadenersatz ausgesetzt ist,wäre eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung zu berfürchten,sollten unqualifizierte und kostenfreie Rechtsberatungendurchgeführt werden, ohne daß man des tatsächlichenAnbeiters mittels ordnungsgemäßen Impressums habhaft werdenkann.
Rechtsanwalt Ralf Moebius
LL.M. Rechtsinformatik
Am Ortfelde 100
D - 30916 Isernhagen
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