Der Autounfall - Ein Leitfaden für Geschädigte

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Ansprüche an die gegnerische Versicherung

Durch einen Autounfall können sich für Sie diverse Ansprüche gegen die gegnerische Versicherung ergeben, die jedoch nur erstattet werden, wenn Sie diese gegenüberder Versicherung auch geltend machen:

  1. Sachverständiger

    Als Unfallgeschädigter haben Sie in den meisten Fällen einen Anspruch, die Höhe des Schadens durch ein Sachverständigengutachten feststellen zu lassen, und die daraus entstehenden Kosten erstattet zu bekommen.
    Vorsicht ist allerdings dann geboten, wenn es sich offensichtlich nur um Bagatell-Schäden handelt, d.h. die Reparaturkosten übersteigen einen Wert von 500 - ca. 1.000 Euro nicht. In diesen Fällen ist die Einschaltung eines Gutachters nicht verhältnismäßig und widerspricht den Grundsätzen der Schadensminderungspflicht.
    Es ist ebenfalls nicht zu empfehlen, Ihr Fahrzeug über eine größere Entfernung zu Ihrem Wohnort zu transportieren, um es dort begutachten zu lassen. Sollte sich dann herausstellen, dass ein Totalschaden vorliegt, verweigern die Versichererhäufig die Kostenübernahme, mit der Begründung, dass ein Gutachter am Unfallort dies auch hätte feststellen können. Auch der Verkauf des Autos zum Restwert kann problemlos an Ort und Stelle erfolgen. In solchen Fällen kann es dazu kommen, dass die Versicherung lediglich eine Pauschale erstattet, die weit unter den tatsächlichen Kosten liegt.

  2. Reparaturkosten

    Die Reparaturkosten können Sie nach wie vor auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens oder eines Kostenvoranschlags Ihrer Werkstatt abrechnen. Es spielt dabei keine Rolle, ob Sie den Schaden selbst behoben oder eine "Billigreparatur" durchgeführt haben. Für den Fall, dass Sie sich für eine "Billigreparatur" (d.h. freieWerkstatt, Tankstelle, o.ä.) entschieden haben, sollten Sie dies möglichst früh mit der Versicherung klären. Denn diese versuchen häufig, dann auf Grundlage der (niedrigeren) Reparaturrechnung, und nicht mehr auf Gutachterbasis bzw. Kostenvoranschlag einer Vertragswerkstatt abzurechnen.
    Besonders ärgerlich ist ein Unfall für die Besitzer von neuen Fahrzeugen. Oft sind die Fahrzeuge nur wenige Wochen alt und haben eine sehr geringe Fahrleistung. Diese Fahrer wünschen sich nach einem Unfall nicht selten, von der gegnerischen Versicherung mit einem Neuwagen entschädigt zu werden. Dies bleibt aber die große Ausnahme, da ein Neu-Ersatz nach einem Unfall nur vollzogen wird, wenn das Auto nicht älter als vier Wochenist, und die Fahrleistung nicht mehr als 1000 Kilometer beträgt. Nur dann ist noch von einem Neuwagen zu sprechen. In allen anderen Fällen muss sich der Geschädigte mit einer Reparatur zufrieden geben.

  3. Wertminderung

    Obwohl Ihr Fahrzeug fachgerecht repariert worden ist, kann es häufig nicht mehr in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden. Es hat in diesem Fall Reparaturspuren oder gar Restschäden, d.h. es wurde durch den Unfall auf Dauer in seinem Wert gemindert (sog. technische Wertminderung).
    Es gibt aber auch den Fall, in dem Ihr Auto zwar vollständig und fachgerecht wiederhergestellt wurde, es aber nicht auszuschließen ist, dass sich am Wagen nochverborgene Mängel befinden, die sich erst in Zukunft bemerkbar machen. Es liegt nun zwar keine technische Wertminderung vor, der Unfall wird sich aber spätestens in einem geringeren Wiederverkaufspreis niederschlagen (sog. merkantile Wertminderung). Dabei ist zu beachten, dass technische und merkantile Wertminderung nebeneinandergeltend gemacht werden können.
    Einen Anspruch auf Erstattung der Wertminderung haben Sie nicht, wenn:

    • nur ein sog. Einfachschaden vorliegt. Das ist ein Schaden, der mit relativ einfachen Mitteln (ausbeulen, ersetzen, schrauben) so behoben werden kann, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird. Das ist z.B. dann der Fall, wenn ein beschädigtes Teil durch ein Neuteil ersetzt wird (Stoßstange, Kotflügel, u.ä.).
    • das beschädigte Fahrzeug älter als fünf Jahre ist, da dann ein Restschaden auf den Wert des Fahrzeugs keinen Einfluss mehr hat.
    • Ihr Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt eine Laufleistung von mehr als 100.000 km hat, dann gilt es nämlich als so weit abgenutzt, dass eine Wertminderung in der Regel nicht mehr in Betracht kommt.

    In allen anderen Fällen ist eine Wertminderung angebracht. Diese muss aber generell in einem Sachverständigengutachten festgestellt werden.

  4. Totalschaden

    Sollte nach einem Unfall Ihr Fahrzeug so stark beschädigt sein, dass die Reparaturkostendie Differenz zwischen Wiederbeschaffungs- und Restwert übersteigen, liegt ein sogenannter Totalschaden vor. Es muss sich dabei nicht unbedingt um einen technischen Totalschaden (d.h. das Fahrzeug lässt sich nicht mehr herrichten) handeln, es reicht schon, dass die Kostender Reparatur einfach nicht mehr im Verhältnis zum Wert Ihres Fahrzeugs stehen (sog.wirtschaftlicher Totalschaden). In einem solchen Fall muss die Versicherung Ihnen nicht die Reparaturkosten erstatten, sondern nur die Differenz zwischen Wiederbeschaffungs- und Restwert.
    Die einzige Ausnahme ist, dass eigentlich ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt, das Auto sich aber trotzdem noch reparieren lässt und die Reparaturkosten nicht mehr als 130% des Wiederbeschaffungswerts betragen.
    Der Wiederbeschaffungswert ist dabei der Betrag, den Sie für ein Fahrzeug bezahlen müssten,das vom Wert her Ihrem Fahrzeug vor dem Unfall gleicht. Dieser Wiederbeschaffungswert darf nichtnur der reine Zeitwert sein, sondern muss auch den Betrag beinhalten, den ein Gebrauchtwagenhändler durchschnittlich als Gewinn machen würde. Weiterhin müssen die örtlichenBegebenheiten berücksichtigt werden, da Gebrauchtwagenpreise regionalen Schwankungenunterliegen.
    Der Restwerterlös ist der Betrag, zu dem das beschädigte Fahrzeug laut Gutachter noch veräußert werden kann. Zu beachten ist dabei, dass Sie ein konkretes Angebot der gegnerischen Versicherung, das höher ausfällt als das des Gutachters, annehmenmüssem. Veräußern Sie das Wrack dennoch zum (niedrigeren) Gutachterschätzwert, darf die Versicherung Ihnen die Differenz in Abzug bringen. Selbiges gilt aber auch, sobald Sie einen höheren Verkaufspreis als den Schätzwert erzielen. Eine Ausnahme ist allerdings der Fall, wenn Sie das beschädigte Fahrzeug einem Händler in Zahlung geben, bei dem Sie ein Ersatzfahrzeug erwerben. Dieser zahlt nicht selten einen höheren Preis als den Schätzwert, weil Sie im Gegenzug ein neues Fahrzeug bei ihm erwerben, und der höhere Preis einen versteckten Rabatt auf das neue Fahrzeug darstellt.
    Hat die gegnerische Versicherung Zweifel an dem von Ihnen vorgelegten Gutachten, hat sie jederzeit das Recht, das Fahrzeug ihrerseits nachbesichtigen zu lassen.

  5. Entsorgungskosten

    Sollte Ihr Fahrzeug einen Totalschaden erlitten haben und Sie nicht in der Lage sein, das Fahrzeug zu einem Restwert zu veräußern, haben Sie nur noch die Möglichkeit, das Wrack verschrotten zu lassen. Die Kosten hierfür können Sie sich gegen Nachweis der Rechnung von der Versicherung des Unfallverursachers erstatten lassen.

  6. Standkosten

    Sollte Ihr Fahrzeug nach einem Unfall mit Totalschaden beispielsweise auf dem Gelände des Abschleppdienstes stehen, wird Ihnen für den Zeitraum, den Sie benötigen, um ein Gutachten einzuholen und zu entscheiden was mit Ihrem Fahrzeug geschieht (verschrotten, verkaufen, reparieren), ca. eine Woche Zeit gegeben, in der die Versicherung die Standkosten übernimmt. Sollte das Wrack einen Restwert haben, und Sie es der Versicherung zum Kauf anbieten, muss diese die Kosten bis zu der Entscheidung, ob sie Ihr Fahrzeug ankauft, ebenfalls tragen.

  7. Umbaukosten

    Haben Sie sich nach dem Unfall ein neues Fahrzeug angeschafft, und Zubehörteile wie Radio, Anhängerkupplung u.ä. vom alten ins neue Fahrzeug umbauen lassen, dann müssen auch diese Kosten gegen Nachweis von der gegnerischen Versicherung übernommen werden.

  8. Zulassungskosten

    Die bei einer Neuzulassung entstehenden Kosten für Gebühren, neue Kennzeichen, u.ä. müssen ebenfalls von der Versicherung ersetzt werden. Dabei können Sie entweder gegen Nachweis oder pauschal durch Vorlage des neuen Kfz-Scheins abrechnen. Bei der pauschalen Abrechnung werden je nach Region zwischen 40 - 70 Euro erstattet.

  9. Auslagenpauschale

    Für Telefongespräche, Briefporto, Fahrtkosten u.ä. werden Ihnen pauschal 25 Euro (regional unterschiedlich) von der Versicherung ersetzt. Sollten Sie höhere Auslagen gehabt haben, werden diese gegen konkrete Nachweise (Telefonrechnung u.ä.) ebenfalls erstattet.

  10. Mietwagen

    Sobald Ihr Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall nicht mehr fahrbereit oder zumindest nicht mehr verkehrssicher ist, können Sie sich für die Dauer der Reparatur bzw. bis zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs ein Leihfahrzeug anmieten. Es ist dabei zu empfehlen, das Angebot eines renommierten Autovermieters wahrzunehmen und ein Fahrzeug zumieten, das eine Klasse niedriger einzustufen ist als das Beschädigte (z.B. Polo statt Golf).
    Entscheiden Sie sich dazu, ein Fahrzeug der gleichen Klasse anzumieten, müssen Sie damit rechnen, dass die Versicherung die Kosten nicht in voller Höhe übernimmt, sondern ca. 15% der Mietkostensumme abzieht. Diese 15% gelten als Eigenersparnis, also dafür, dass Ihr eigenes Fahrzeug während dieser Zeit keinem Verschleiß und somit laufenden Kosten unterliegt. Einen derartigen Abzug können Sie durch die Anmietung eines kleineren Fahrzeugs vermeiden.
    Die Gefahr, Mietwagenkosten nicht erstattet zu bekommen besteht dann, wenn Sie Wenigfahrer sind, und es günstiger gewesen wäre, für diese Fahrten ein Taxi zu benutzen. Zu beachten ist weiterhin, dass die Kosten in der Regel nur über einen Zeitraum von ca. 14 Tagen erstattet werden. Zwei Wochen gelten allgemein als ausreichend, um ein Fahrzeug instandzusetzen bzw. ein Ersatzfahrzeug zu erwerben. Gegebenenfalls ist die Dauer der Gutachtenerstellung hinzuzurechnen. Eine Erstattungspflicht für die Kosten einer Vollkaskoversicherung besteht nur dann, wenn Ihr eigenes Fahrzeug ebenfalls in diesem Umfang versichert war. Wenn nicht, wird in der Regel nur die Hälfte gezahlt.
    Abschließend muss darauf hingewiesen werden, dass die Zahlung der Versicherung erst dannfällig ist, wenn Sie die Reparatur bzw. die Neuanschaffung nachgewiesen haben. Dies geschieht in der Regel durch Vorlage der Reparaturrechnung oder eines Fotos mit einer Tageszeitung als Datumsnachweis. Wenn Sie sich ein neues Fahrzeug angeschafft haben, müssen Sie der Versicherung eine Kopie des neuen Fahrzeugscheins zukommen lassen.
    Sollte die Reparatur Ihres Autos bzw. die Neuanschaffung des gleichen Typs unverhältnismäßig lange dauern (exotischer Typ, Oldtimer o.ä.), kann die Versicherung die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs (Übergangsfahrzeug) verlangen, um den Grundsätzen der Schadensminimierungspflicht Rechnung zu tragen.

  11. Nutzungsausfallentschädigung

    In dem Fall, dass Sie auf die Anmietung eines Kraftfahrzeugs verzichten, steht Ihnen als Eigentümer oder ständigen Nutzer des beschädigten Fahrzeugs eine Nutzungsausfallentschädigung zu, deren Höhe sich nach dem Typ Ihres Fahrzeugs richtet.
    Die Vorraussetzungen dafür sind, dass das Fahrzeug beschädigt und nicht mehr fahrbereit ist. Weiterhin muss der Willen vorhanden sein, das Fahrzeug weiter zu nutzen. Sollte sich der Fahrer z.B. aufgrund eines Unfall-Schockerlebnisses dazu entschließen, kein Auto mehr fahren zu wollen, steht ihm auch die Entschädigung nicht zu.
    Ein Anspruch auf Nutzungsausfall kann entfallen, wenn Sie einen Zweitwagen besitzen, oder aufgrund von Verletzungen gar nicht in der Lage sind, ein Fahrzeug zu führen.
    Für die Bemessung der Dauer, die Beweiserbringung bei Reparatur oder Neuanschaffung gelten die gleichen Regeln wie bei Mietwagen.

  12. Schmerzensgeld

    Wurden Sie bei einem Unfall verletzt, sollten Sie so schnell wie möglich einen Arzt aufsuchen, da Ihnen je nach Schwere der Verletzung Schmerzensgeld zusteht. Da Sie in diesem Punkt beweispflichtig sind, sollten Sie vermeiden, eine Verletzung zu "verschleppen", da es dann vielleicht nicht mehr gelingt, diese in Zusammenhang mit dem Unfall zu bringen. Dies ist häufig bei einem Schleudertrauma der Fall, das sich oft nur durch leichte Kopfschmerzen ankündigt und erst später stärkere Schmerzen verursacht.

  13. Heilungskosten

    Nach einem Unfall gehören auch die Heilungskosten (Arzt-, Krankenhaus-, Kur-, Medikamentenkosten u.ä.) zu den erstattungsfähigen Beträgen. Besuchskosten näherer Angehöriger werden ebenfalls ersetzt, sobald diese wichtig für Ihren Heilverlauf sind. Dieses muss allerdings von einem behandelnden Arzt bescheinigt werden.
    Sollten Ihre Verletzungen nach dem Unfall so stark ausfallen, dass Sie nicht mehr in der Lage sind, Ihren alten Beruf auszuüben und eine Umschulung durchgeführt werden muss, ist der Schädiger u.U. auch für diese Kosten verantwortlich.
    Müssen Sie zur Wahrung Ihrer Ansprüche ein oder mehrere Arztgutachten einholen, werden auch diese Kosten erstattet.
    Sind Sie Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, dann können Sie nur Beträge geltend machen, die von Ihrer Versicherung nicht erstattet werden.

  14. Anwaltskosten

    Sobald Sie das Gefühl haben, es könnte irgendwelche ernsten Probleme bei der Regulierung des Schadens geben, oder Sie fühlen sich von der gegnerischen Versicherung übervorteilt, ist es zu empfehlen, einen Rechtsanwalt mit der Vertretung Ihrer Interessen zu beauftragen. Die Kosten hierfür sind grundsätzlich erstattungsfähig.
    Vorsicht ist geboten bei dem Umfang des Schadens, den Sie geltend machen wollen. Macht Ihr Anwalt Ihren kompletten Schaden geltend, obwohl eine Teilschuld absehbar ist, müssen Sie eventuell diese Mehrkosten tragen. Es ist aber die Pflicht Ihres Anwalts, Sie darauf hinzuweisen.
    Sollte die gegnerische Versicherung die Schadensabwicklung verzögern, und müssen Sie deshalb Ihre eigene Kaskoversicherung in Anspruch nehmen, sind auch die Anwaltskostenerstattungsfähig, die bei der Durchsetzung dieser Ansprüche gegen Ihre eigene Versicherung entstehen.
    In diesem Zusammenhang ist es immer von Vorteil, auf die Leistungen einer Verkehrsrechtsschutzversicherung zurückgreifen zu können. Sie minimiert Ihr Kostenrisiko und kann behilflich sein, Ihre Ansprüche durchzusetzen.
    Sollte bei dem Verkehrsunfall eine Person ernstlich verletzt oder gar getötet worden sein, ist es in jedem Fall ratsam, einen Rechtsanwalt einzuschalten.

  15. Zeitaufwand

    Ein Unfall kostet Zeit. Sie müssen Behördengänge unternehmen, Ärzte aufsuchen, Gespräche mit Anwälten führen, Werkstätten und Autohändler besuchen und vielesmehr. Aber selbst wenn Sie dadurch einen Verdienstausfall (ein oder mehrere Tage Urlaub) erleiden, ist dieser nicht erstattungsfähig.
    Die einzige Ausnahme ist, wenn Sie ein Kleinkind zu versorgenhaben, das Sie nicht alleine lassen können, während Sie Ihr beschädigtes Fahrzeugin eine Werkstatt bringen. Die Babysitterkosten für diesen Zeitraum müssen von der gegnerischen Versicherung erstattet werden.

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    Seiten in diesem Artikel:
    Seite  1:  Autounfälle - Ein Leitfaden für Geschädigte
    Seite  2:  Unfall als unabwendbares Ereignis
    Seite  3:  Verhalten am Unfallort
    Seite  4:  Was Sie notieren sollten
    Seite  5:  Die Schadensmeldung
    Seite  6:  Ansprüche an die gegnerische Versicherung