Verlust der Sehkraft nach Falschdiagnose

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Der fast vollständige Verlust der Sehkraft infolge einer verspätet erkannten diabetischen Retinopathie stellt einen groben ärztlichen Behandlungsfehler dar und begründet Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegenüber dem behandelnden Arzt. Schmerzensgelderhöhend wirkten insbesondere die schweren psychischen Beeinträchtigungen des Patienten und die Uneinsichtigkeit des behandelnden Arztes, entschied das Landgericht Koblenz mit Urteil vom 24.03.2006 (Az. : 10 O 244/04).  

Der 53 Jahre alte Kläger begab sich im Juni 2002 wegen Sehstörungen in die augenärztliche Behandlung des Beklagten. Dieser untersuchte den Kläger, stellte fest, dass er an Diabetes leidet und verordnete ihm eine Brille. Die Beschwerden des Klägers verstärkten sich in der Folgezeit, so dass er den Beklagten im Juli und September 2002 erneut aufsuchte. Am 19.09.2002 erfolgte eine Eilüberweisung in die Augenklinik. Dort wurde eine diabetische Retinopathie (Netzhauterkrankung mit Netzhautblutungen) festgestellt. Es wurden sofort eine Laserflächenkoagulation und eine Retinokryokoagulation durchgeführt. Trotz dieser Behandlung trat beim Kläger eine ausgeprägte Sehschärfenminderung an beiden Augen ein. Er ist infolge der Sehbehinderung auf beiden Augen zu 100 Prozent sehbehindert. Das in einem selbständigen Beweisverfahren eingeholte medizinische Sachverständigengutachten stellte fest, dass bereits bei der Erstvorstellung des Klägers beim Beklagten sehr wahrscheinlich eine diabetische Retinopathie vorgelegen hat. Der Beklagte hätte zeitnah den Augenhintergrund beim Kläger untersuchen müssen. Trotz dieser gutachterlichen Feststellungen zahlte die Haftpflichtversicherung des Beklagten zunächst nicht. Erst nach Vorlage des Gutachtens im Prozess, in dem 150.000 Euro Schemerzensgeld und eine monatliche Rente verlangt wurden, erkannte die Haftpflichtversicherung die Ansprüche des Klägers dem Grunde nach an und zahlte einen Abschlag in Höhe von 40.000 Euro.

Verspätete Diagnose ist grober Behandlungsfehler
Das LG Koblenz verurteilte mit Urteil vom 24.03.2006 den Beklagten zur Zahlung von 100.000 Euro abzüglich der bereits gezahlten 40.000 Euro. Der Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger alle materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden zu ersetzen, die diesem infolge der fehlerhaften ärztlichen Behandlung entstanden seien. Die verspätete Diagnose der diabetischen Retinopathie beim Kläger sei ein grober ärztlicher Behandlungsfehler gewesen. Bei der Bemessung des Schmerzensgelds nach dem § 253 Abs. 2 BGB seien das Verschulden des Beklagten sowie die Vermögensverhältnisse der Beteiligten und das Bestehen einer Haftpflichtversicherung berücksichtigt worden. Schmerzensgelderhöhend würden die erheblichen psychischen Beeinträchtigungen beim Kläger ins Gewicht fallen, da der Kläger vollständig auf fremde Hilfe angewiesen sei. Das Schmerzensgeld sei wegen der Uneinsichtigkeit des Beklagten zu erhöhen gewesen, da der Beklagte beziehungsweise seine Haftpflichtversicherung trotz des eindeutigen Sachverständigengutachtens eine Einstandspflicht abgelehnt hatten.