Dämpfer für Musikindustrie

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Kanadischer Richter: Tauschbörsen nicht illegal

Urheberrechtlich geschützte Musikdateien im Internet zur Verfügung zu stellen ist in Kanada nicht strafbar. Provider müssen daher die Daten von Tauschbörsen-Nutzern nicht offenlegen. Der Federal Court of Canada wies diese Woche einen entsprechenden Antrag auf Identifizierung von 29 Tauschbörsenmitgliedern der Vereinigung der kanadischen Musikindustrie CRIA ab. Die CRIA hatte von den Providern die Freigabe der Benutzerdaten 29 angeblicher „music swapper“ gefordert, um Klagen wegen Urheberrechtsverletzung gegen sie einleiten zu können. Den fraglichen Tauschbörsen-Nutzern wird von der CRIA vorgeworfen, geschützte Musikdateien zu tauschen. Richter Konrad von Finckenstein begründete seinen Entschluss damit, dass er in dem Verhalten der in das Visier von CRIA geratenen Personen nichts Illegales sehe.

Es sei nach kanadischem Recht keine Urheberechtsverletzung erkennbar, so der Richter. Die Mitglieder von Tauschbösen hätten lediglich für andere User einsehbare Musikdateien auf ihrer Festplatte gelagert. Wenn jemand auf die Festplatten zugreift, um sich Musik runterzuladen, könne man es den Betreffenden nicht anlasten. Eine Urheberechtsverletzung würde erst dann vorliegen, wenn der User die Musikdatein selbstständig verschicken oder annoncieren würde, dass er sie anbietet.

Richter von Finckelstein verglich Tauschbörsen mit einer Leihbibliothek. Schließlich würde es auch keine Urheberrechtsverletzung darstellen, wenn dort ein Kopierer stehe. Auch damit wäre für jeden die Möglichkeit gegeben, die ebenfalls urheberrechtlich geschützten Bücher zu kopieren, argumentierte von Finckenstein. Der Richter bezog sich damit auf einen Fall, der vor einem kanadischen Supreme Court verhandelt worden war: Bibliotheken würden Kopierer nur unter der Vorraussetzung aufstellen, dass sie zu legalen Zwecken genutzt werden. Ein ähnliches Prinzip gelte für Tauschbörsen, sagte Konrad von Finckenstein. Die Bereitstellung allein sei noch nicht strafbar.

Die von der CRIA vorgebrachten Beweise gegen die angeblichen Raubkopierer wären nicht ausreichend, um einen solchen Eingriff in die Privatssphäre, wie ihn CRIA fordert, zu rechtfertigen. Der Richter bestätigte damit das Urteil der vorangegangenen Instanz.

CRIA-Anwalt Richard Pfohl zeigte sich mit dem Urteil unzufrieden. Man werde die Entscheidung eingehend prüfen und sie sehr wahrscheinlich anfechten. „Unserer Ansicht nach erlaubt das kanadische Urheberrecht nicht, dass jemand hunderte oder tausende Musikdateien zum Kopieren, Übertragen und Verteilen ins Internet stellt.“

Netzaktivisten begrüßten die Entscheidung. Howard Konpf, Experte für Internetrecht an der Universität Ottawa, sagte: „Das ist ein großer Sieg für die Technik und das Internet und alle Menschen, die Technik und das Internet gebrauchen.“

Das nordamerikanische Land hat die Verträge der World Intellectual Property Organisation (WIPO) noch nicht umgesetzt, weshalb es keine gesetzlichen Beschränkungen zum Downloaden und Kopieren gibt. Die WIPO-Verträge besagen, dass geistiges Eigentum, darunter auch Musik, nur vom Urheber kopiert und verteilt werden darf. Stattdessen wird in Kanada eine Sondersteuer auf CD-Rohlinge, Leerkassetten und ähnlichem erhoben, die der Musikindustrie zum Ausgleich für die Verluste durch Raubkopierer zukommen.

Das Urteil von Finckensteins ist zwar nur in Kanada gültig, jedoch kann es auch international Auswirkungen auf ausstehende Entscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen haben. Auch der amerikanische Verband der Musikindustrie (RIAA) strebt zur Zeit Klagen gegen Tauschbörsianer an.

Der weltweite Feldzug der Musikindustrie gegen Urheberechtsverletzungen wird auch in Deutschland ausgetragen. Gerd Gebhardt, der Vorsitzende der deutschen Phonoverbände (IFPI) kündigte am Montag Klagen gegen 68 Internetnutzer an, die gegen Urheberrecht verstoßen haben sollen. Es gehe jedoch nicht darum, möglichst viele Tauschbörsen-Nutzer zu verklagen. Vielmehr wolle man ein Zeichen setzen, dass die Musikindustrie die Umsatzeinbußen nicht mehr tatenlos mitansehe, so Gebhardt.

Quelle: nytimes.com, heise-online, spiegel-online