Ausbildungsrechtl. Fragen

25. September 2003 Thema abonnieren
 Von 
Fortran
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 0x hilfreich)
Ausbildungsrechtl. Fragen

Hallo! Ich representiere die Intressen von 6 Azubis (volljährig) in unserer Firma (Softwareentwicklung, ca 45 Mitarbeiter, kein Betriebsrat), und bräucht vielleicht einen fachlichen Rat zu unserer Situation im ganzen.

Mehrarbeit:

-Im Normalfall leistet jeder von uns von Mo-Fr ca. 47 Std. Arbeit. Je nach Einsatz kann diese Zahl leicht auf ca 60 Std. kommen.
-Ausserdem wird oft verlangt dass man am Wochenende und an Feiertagen reinkommt.
-Unsere Arbeitszeitrückmeldungen erfassen wir in eine interne Software. Wir haben vor kurzem unsere Stunden überprüft, und mussten entsetzt feststellen dass unsere übertragene Wochenend-und Feiertagsstunden aus dem System gelöscht wurden.
-Mehrarbeit wird auch in weder durch Lohn oder Freizeit vergütet (die berühmte Klausel: "Mehrarbeit wird durch den Bruttolohn abgegolten").

Vergütung:

-Die Ausbildungsvergütung erfolgt nach einem sog. "Leistungsprinzip". Obwohl etwas über dem Tarif, hat nur ein Azubi eine Gehaltserhöhung erhalten, die ihm nach der Probezeit erst überhaupt auf den Anfangsgehalt der Anderen brachte (Weihnachtsgeld war dazwischen). Mittlerweile sind fast alle Azubis im 3 Lehrjahr, und haben trotz überdurchschnittlicher Leistung nichts gesehen.

Firmenpolitik:

-Jeder Auszubildener wird beim Kunden abgerechnet als vollwertiger Mitarbeiter mit dementsprechenden Stundensatz. (Heisst in ein Monat macht ein Azubi der Firma ein Gewinn = sein Monatsgehalt * Faktor 30). Dem Azubis wurde untersagt im Kundengespräch zuzugeben dass die im Ausbildungsverhältnis stehen.
-Fast die gesamte Entwicklungsabteilung besteht aus Azubis. Unser Ausbildungsbeauftragter ist Kaufmännischer Geselle. Ausserdem ist die mündl. Aussage der Firmenführung dass die Abteilung auch künftig nur aus Azubis und Studenten bestehen soll.
-Uns wurde niemals eine Ausbildungsordnung zum Arbeitsvertrag beigelegt. Der Fachliche Inhalt unserer Ausbildung bestand darin unserer Firmeneigene Software mit Hilfe eines unvollständigen Handbuches zu erlernen.
-Dabei haben einige von uns uns auch mit Fremdsoftware befasst, was einige Mitarbeiter nicht sehr erfreute. "Die Azubis dürfen sich nicht soviel Wissen aneignen" war zB. ein Spruch.
-Einige von uns wurden von der Geschäftsführung angeschrien und mündlich beleidigt (für Gründe wie zb. aufsteigende- statt absteigende Sortierung in einer Excel Tabelle).
-Einer hatte von uns den Wunsch geäussert, dass er sich gerne mit einer höheren Programmiersprache befassen würde im Betrieb(wir sind alle Anwendungsentwickler). Es wurde ihm daraufhin gesagt dass er das Zeug nicht dazu habe, und er durfte 2 Wochen an der Pforte arbeiten.

Abmahnungen & Kündigung:

-Einer von uns hatte letztes Jahr die Berufschule eher sporadisch besucht. Zum Teil war er Schuld, aber er war auch fast jeden Tag an einem Firmenprojekt von 8:00 Morgens bis 10:00 Uhr Nachts.
-Er wurde abgemahnt wegen Unterrichtsteilnahme und weil er auf Dauer immer verschlafen hatte und um 9:30 Morgens zur Arbeit kam. (Die Firmen Kernzeiten sind von 10:00 bis 16:00). Diese Abmahnung hatte er unter Druck und ohne rechtl. Informationen unterschrieben.
-Der Azubi hat sich dieses Jahr gebessert, und kommt nun pünktlich zur Arbeit & Schule. Trotzdem haben wir aufgedeckt dass bereits eine zweite Abmahnung und Kündigungsschreiben gegen ihm geschrieben (aber noch nicht eingesetzt) wurden.

Unser Vorgehen und Fragen:

Im Grunde wollen die meisten von uns (im 3 Lehrjahr) einfach den Vertrag zu Ende leisten und abhauen. Wir befürchten aber dass unsere Prüfungen durch die Politik der Firma schwer beeinträchtigt werden. Nachdem wir das Thema angesprochen hatten, wurden wir mit mündl. Zusagen bombardiert (aber geändert hat sich nichts). Ausserdem möchten wir der Firma irgendwie klarmachen dass wir sehr viel für den Betrieb getan haben (und tun), und dass wir etwas für unsere Arbeit sehen möchten. (Viele von uns haben auch durch die verlangte Mehrarbeit einige private Probleme eingehandelt.)

Danke im Voraus an jedem der hier ein Tipp hätte!

Arbeitsrechtlicher Notfall?

Arbeitsrechtlicher Notfall?

Ein erfahrener Anwalt im Arbeitsrecht gibt Ihnen eine vertrauliche kostenlose Einschätzung!
Ein erfahrener Anwalt im Arbeitsrecht gibt Ihnen eine vertrauliche kostenlose Einschätzung!
Kostenlose Einschätzung starten Kostenlose Einschätzung starten



7 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Habakuk
Status:
Beginner
(64 Beiträge, 15x hilfreich)

hallo fortran,

ich rate euch dringend, euch an die für euch zuständige gewerkschaft zu wenden. welche das ist, kannst du beim dgb erfragen.

bei verdi ist es so, dass azubis sofort ohne wartezeit sogar rechtsschut haben, wie das bei anderen gewerkschaften aussieht weiß ich nicht.

bei der fülle von verstößen, die euer ag macht, sehe ich keine chance für euch, ohne vernünftigen rechtsrat etwas zu ändern.

warte nicht, sondern handle jetzt bald, es ist eure ausbildung und die ist wichtig.

good luck

0x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
Dirk26
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 1x hilfreich)

Hallo Fortran.

Das hört sich alles katastrophal an! -- hätte gar nicht gedacht, daß es heute noch sowas gibt!
Vor allem hätte ich nicht gedacht, daß es heute noch Arbeitnehmer gibt, die sich so ver*******rn lassen (sorry).

Die Sache ist relativ einfach.
Das schlimmste was einem Arbeitgeber neben der Insolvenz passieren kann, ist, daß seine Arbeitnehmer einen Betriebsrat fordern.
Sobald ein Betrieb eine gewisse Grösse überschreitet (mindestens 5 ständige Arbeitnehmer), muß der Arbeitgeber einen Betriebsrat errichten, sobald dies auch nur von einigen Arbeitnehmern gefordert wird.
Dem Arbeitgeber entstehen durch einen Betriebsrat sehr hohe Kosten (arbeitsfreistellung von Mitarbeitern zur ausübung der Betriebsratstätigkeit etc.) und ausserdem haben Betriebsräte (leider) in unserem Rechtssystem soviel "Macht" in Form von Mitbestimmungsrechten, daß der Arbeitgeber personelle Entscheidungen nur noch unter Zustimmung des Betriebsrates durchsetzen kann.
Mit anderen Worten: bei der Androhung von der Errichtung eines Betriebsrates, läuft jedem Arbeitgeber ein kalter Schauer den Rücken herunter, weil durch einen Betriebsrat nicht mehr der Geschäftsführer, sondern die Arbeitnehmer das Sagen in der Firma haben ( etwas überspitzt ausgedrückt).

Also: es reich warscheinlich aus, wenn Du bei nichtbehebung Eurer Probleme laut darüber nachdenkst (nicht drohen) einen Betriebsrat zu fordern. Ändert sich an der Situation nichts wendest Du dich, wie von meinem Vorgänger beschrieben, an eine Gewerkschaft.
Der Gewerkschaft wird es eine Freude sein, Euch bei der Errichtung eines Betriebsrates zu helfen.

Eigentlich gehöre ich nicht zu den Befürwortern von Betriebsräten und Gewerkschaften, aber in Eurem Fall scheinen mir diese "Mittel" angebracht zu sein.

Laßt Euch nicht alles gefallen. Gruß Dirk

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
Habakuk
Status:
Beginner
(64 Beiträge, 15x hilfreich)

hallo dirk,

ich gehör(t)e auch nicht zu den befürwortern der gewerkschaften, aber leider sieht es so aus, als ob manche arbeitgeber meinen, weil die arbeitsmarktlage bald icht mehr desolater sein kann, sie dürften sich alles herausnehmen, weil die arbeitnehmer schon still halten nur um ihren job zu behalten.

ich denke, dass in fortran's firma die arbeitnehmer schon so eingeschüchtert sind, dass da vorläufig nicht mit der gründung eines betriebsrates zu rechnen ist.

ist die gewerkschaft erstmal im hause finden sich vielleicht doch noch ein paar mutige, die konstruktiv an der verbesserung des arbeitsverhältnisses arbeiten wollen. sie müssen nur mal über ihre rechte informiert werden. daher mein tipp mit der gewerkschaft, da bekommt man flott und kompetent rat und hilfe und falls es ganz dike kommt auch den nötigen rechtsbeistand.

da ich glaube, dass es bei fortran höchste zeit ist, was zu unternehmen, denke ich, dass das mit hilfe der gewerkschaft am bestn zu lösen ist.

gruß

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
Dirk26
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 1x hilfreich)

Nabend Habakuk.

Ich wollte Deinen Vorschlag mit der Gewerkschaft nicht kritisieren, sondern mit der Betriebsratsgründung noch eine weitere Möglichkeit aufzeigen.
Ich sehe die Situation von Fortran eigentlich genauso wie Du und wie ich vorher ja auch schon geschrieben habe, bin ich eigentlich überrascht / schockiert, wie wenig die Arbeitnehmer in einigen Betrieben über ihre Rechte wissen. Hatte bis jetzt immer gedacht, daß sowas längst der Vergangenheit angehört.

Meiner Meinung nach höchste Zeit, daß sich die Arbeitnehmer/Azubis organisieren um ihre Rechte durchzusetzen.

Gruß Dirk

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
kleebi
Status:
Frischling
(45 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallöle!!

Kann mich den Anderen nur anschließen, ist ja gruselig eure Umstände :(

Ich würde vielleicht auch mal bei der IHK anrufen und eure Lage schildern.
Außerdem könntet ihr euch an das Gewerbeaufsichtsamt wenden, die sind für die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitszeitschutzes zuständig. Vielleicht kann euch ja eine der beiden Stellen auch einen Rat geben wie ihr am besten vorgeht :)

Viel Glück!

Nina

0x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
MadDoc
Status:
Frischling
(8 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo!

Na das klingt ja alles ganz prima. Diese Situation könnt Ihr auf keinen Fall hinnehmen!

Zuallererst zum Thema Betriebsrat: Auszubildende können keinen Betriebsrat gründen. Die Möglichkeit einer JAV (Jugend- und Auszubildendenvertretung) besteht, jedoch kann diese ihre Positionen nur sinnvoll durch einen Betriebsrat durchsetzen. Was sagen denn die anderen normalen Mitarbeiter Eurer Firma? Geht`s denen genauso? Wenn ein paar engagierte Mitarbeiter da sind, die die Zustände verbessern wollen, dann sind sie in der Lage, einen Betriebsrat zu gründen und dann (auf Kosten der Arbeitgebers) wieder normale Zustände herzustellen. Die Gründung eines Betriebsrates kann der Betrieb nicht verhindern.
Als allererstes schaut doch einfach mal in Euren Arbeitsvertrag, was da drin steht. Zu mehr seit Ihr gesetzlich nicht verpflichtet. Dann besorg Dir mal eine Ausgabe des Arbeitszeitschutzgesetzes und leg das Deinem Chef vor.
Für jeden Beruf gibt es übrigens einen festgelegten Ausbildungsrahmenplan, an den sich jeder ausbildende Betrieb halten muss. Diesen Plan muß Dir Dein Arbeitgeber zeigen. Notfalls kannst Du ihn auch bei der IHK einsehen. Diese würde ich auch mal über die Zustände bei Euch informieren.
Wenn das alles nicht hilft, kommst Du/Ihr nicht drumherum, mit der Betriebsleitung auf Konfrontationskurs zu gehen. Die Drohung mit der Gewerkschaft hilft da oft schon. Wenn nicht, dann holt Euch Verstärkung von Eurer zuständigen Gewerkschaft! Weist Euren Chef daraufhin, das es Gesetze gibt, die auch er einhalten muss.
Das wird schwer und wird Euch den Chef sicherlich nicht zum Freund machen, aber ich glaube nicht, dass einer von Euch nach Abschluß der Ausbildung in diesem Saftladen bleiben will, oder?

0x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
Fortran
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 0x hilfreich)

Danke für die schnelle Antwort!
Ich bin froh dass sich einige Sachen bestätigt haben. Ihr liegt dabei richtig dass die Mitarbeiter eingeschüchtert sind. Leider heisst es auch dass es sich auch niemals genug Leute für ein Bertribsrat engagieren werden. Daher wäre die Gewerkschaft, bzw. IHK die besten Ansprechpartner.
Ich werde mich dementsprechend engagieren im Sinne der neuen Azubis im Betrieb.

In der nächsten Besprechung mit meinem Chef werde ich ihm einfach mal Fragen wie er sich die Zukunft vorstellt. Sehr guter Zeitpunkt, da ich gerade efuhr, dass wegen seiner Politik (und die folgende Qualität der Software), wollen 70% unserer Referenzkunden bereits abspringen. Da ich das einizge grüne Referenzprojekt in der Firma alleine durchführe (mangels know-how der anderen MA), bin ich in einer guten Position Druck zu machen.

Noch eins zum Thema Übernahme: Es ist keiner von uns bereit noch ein Tag länger als notwendig für diese Firma zu arbeiten.

Ein Punkt zur Ironie: Ich habe bereits ein inoffizielles Angebot von meinem Kunden in der Hand. Mein jetztiger Chef wird sich bestimmt sehr "freuen" wenn er mich auf der anderen Seite des Verhandlungstisches wiedersehen darf.

Nochmals Danke!!!!!

0x Hilfreiche Antwort

Und jetzt?

Für jeden die richtige Beratung, immer gleich gut.
Schon 268.043 Beratungen
Anwalt online fragen
Ab 30
Rechtssichere Antwort in durchschnittlich 2 Stunden
108.309 Bewertungen
  • Keine Terminabsprache
  • Antwort vom Anwalt
  • Rückfragen möglich
  • Serviceorientierter Support
Anwalt vor Ort
Persönlichen Anwalt kontaktieren. In der Nähe oder bundesweit.
  • Kompetenz und serviceoriente Anwaltsuche
  • mit Empfehlung
  • Direkt beauftragen oder unverbindlich anfragen
Alle Preise inkl. MwSt. zzgl. 5€ Einstellgebühr pro Frage.

Jetzt Anwalt dazuholen.

Für 60€ beurteilt einer unserer Partneranwälte diese Sache.

  • Antwort vom Anwalt
  • Innerhalb 24 Stunden
  • Nicht zufrieden? Geld zurück!
  • Top Bewertungen
Ja, jetzt Anwalt dazuholen