Entfristung bei Heranziehung zu Diensten nach eigentlichem Vertragsende?

3. März 2022 Thema abonnieren
 Von 
paranoid68
Status:
Frischling
(45 Beiträge, 2x hilfreich)
Entfristung bei Heranziehung zu Diensten nach eigentlichem Vertragsende?

Guten Abend zusammen,

im Kollegenkreis wird folgendes Szenario skizziert (Daten rein fiktiv):

Ein tarifbeschäftigter Arzt (TV Ärzte Uniklinik) hat einen Vertrag bis 24. Februar. Von seinem Chef erhält er frühzeitig die Zusage einer Vertragsverlängerung um drei weitere Jahre, welche an die Personalabteilung übermittelt wird. Letztere braucht sehr lange mit der Ausfertigung des neuen Vertrages. Der besagte Beschäftigte wird daher auch über das bisherige Vertragsende am 24. Februar hinaus im Dienstplan geführt und auch zu Diensten herangezogen, bevor er am 12. März endlich seinen Vertrag unterschreibt.

Ist es in diesem Zusammenhang zutreffenden, dass sich durch die Heranziehung zu Diensten bzw. die Inanspruchnahme der Arbeitskraft nach Ende des alten und vor Unterschrift des neuen Vertrages ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis begründet?

Herzlichen Dank für eure Einschätzung!


Viele Grüße

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8 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(119425 Beiträge, 39725x hilfreich)

Zitat (von paranoid68):
Ist es in diesem Zusammenhang zutreffenden, dass sich durch die Heranziehung zu Diensten bzw. die Inanspruchnahme der Arbeitskraft nach Ende des alten und vor Unterschrift des neuen Vertrages ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis begründet?

Nö.
Aber es könnte sein, das ein unbefristetes AV entstanden ist.



Zitat (von paranoid68):
wird daher auch über das bisherige Vertragsende am 24. Februar hinaus im Dienstplan geführt und auch zu Diensten herangezogen

Das war Personalverantwortlichen bekannt?


Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

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#2
 Von 
paranoid68
Status:
Frischling
(45 Beiträge, 2x hilfreich)

Zitat (von Harry van Sell):
Nö.
Aber es könnte sein, das ein unbefristetes AV entstanden ist.


Und unter welchen Voraussetzungen wäre ein solches entstanden?

Zitat (von Harry van Sell):
Das war Personalverantwortlichen bekannt?


Das kann ich nicht sagen. Aber würde dies eine Rolle spielen?

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17355 Beiträge, 6464x hilfreich)

Da sind noch einige Fragen offen:

Zitat (von paranoid68):
Von seinem Chef erhält er frühzeitig die Zusage einer Vertragsverlängerung um drei weitere Jahre, welche an die Personalabteilung übermittelt wird.

- und der Chef ist auch zuständig solche Zusagen zu machen, bzw. zuständig für solche Personalentscheidungen?
- wieso für 3 Jahre? Handelt es sich um Befristung mit Sachgrund? Und wenn rein zeitliche Verlängerung: gibt es ggf. für Ärzte tarifliche Bestimmungen, dass über die sonst max. 2 Jahre Befristung ohne Sachgrund hinaus befristete AV abgeschlossen werden können/dürfen?

Zitat (von paranoid68):
Beschäftigte wird daher auch über das bisherige Vertragsende am 24. Februar hinaus im Dienstplan geführt und auch zu Diensten herangezogen, bevor er am 12. März endlich seinen Vertrag unterschreibt.

- dass er im Dienstplan weiterhin auftaucht ist ohne Belang, dass er tatsächlich weiter gearbeitet hat schon. Besonders, wenn sein Chef davon weiß und der auch zu Personalentscheidungen befugt ist. (Es reicht nicht, dass er tatsächlich gearbeitet hat - Personalverantwortliche müssen das bemerkt und geduldet haben.
- Befristete AV müssen vor Arbeitsaufnahme schriftlich vereinbart worden sein. Wenn also der Vertrag verspätet vorgelegt worden ist, hat der Arzt schon deswegen einen unbefristeten AV. Es ist also nicht so sehr entscheidend, wann der Arzt unterschrieben hat (er könnte die Unterschrift ja auch absichtlich verzögert haben), sondern wann die Verwaltung den AV zur Unterschrift überstellt hat.

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
paranoid68
Status:
Frischling
(45 Beiträge, 2x hilfreich)

Zitat (von blaubär+):
- und der Chef ist auch zuständig solche Zusagen zu machen, bzw. zuständig für solche Personalentscheidungen?
- wieso für 3 Jahre? Handelt es sich um Befristung mit Sachgrund? Und wenn rein zeitliche Verlängerung: gibt es ggf. für Ärzte tarifliche Bestimmungen, dass über die sonst max. 2 Jahre Befristung ohne Sachgrund hinaus befristete AV abgeschlossen werden können/dürfen?


Ja, der Chef entscheidet und das Klinikum (bzw. die Universität) schließt den AV im Einvernehmen mit dem Chef.

Ich bin mir nicht sicher, auf welcher Grundlage Befristungen (auch unabhängig von der evtl. maximalen Anstellungsdauer laut WissZeitVG) abgeschlossen werden dürfen. Es ist aber durchaus nicht unüblich, dass mehrmals hintereinander für 2 oder drei Jahre verlängert wird. Oft an etwaige Schwerpunktweiterbildungen o.ä. gebunden.

Zitat (von blaubär+):
- dass er im Dienstplan weiterhin auftaucht ist ohne Belang, dass er tatsächlich weiter gearbeitet hat schon. Besonders, wenn sein Chef davon weiß und der auch zu Personalentscheidungen befugt ist. (Es reicht nicht, dass er tatsächlich gearbeitet hat - Personalverantwortliche müssen das bemerkt und geduldet haben.


Wie genau muss er es denn merken und dulden? Muss man ihm explizit mitteilen, dass man ohne unterschriebenen Vertrag tätig wird? Oder reicht es aus, während dieser Zeit beispielsweise ein Gespräch mit ihm zu führen, um merkbar darzustellen, dass man arbeitet?

Auf welcher rechtlichen Grundlage fußt denn eigentlich die Tatsache, dass man dann plötzlich unbefristet angestellt ist?

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
spatenklopper
Status:
Gelehrter
(10633 Beiträge, 4199x hilfreich)

Zitat (von paranoid68):
Oder reicht es aus, während dieser Zeit beispielsweise ein Gespräch mit ihm zu führen, um merkbar darzustellen, dass man arbeitet?


Das wäre ausreichend.
Unter Umständen wäre es auch ausreichend, wenn er einen auch einfach nur während der Tätigkeit sieht.

Zitat (von paranoid68):
Auf welcher rechtlichen Grundlage fußt denn eigentlich die Tatsache, dass man dann plötzlich unbefristet angestellt ist?


Ist vereinfacht gesagt darin begründet, dass Arbeitsverträge immer unbefristet sind, es sei denn sie werden explizit befristet abgeschlossen.
Und da Arbeitsverträge auch mündlich oder durch konkludentes Handeln geschlossen werden können, ohne etwas schriftlich festzuhalten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass hier ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vorliegen könnte, zumindest gegeben.

-- Editiert von spatenklopper am 03.03.2022 09:50

0x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
paranoid68
Status:
Frischling
(45 Beiträge, 2x hilfreich)

Zitat (von spatenklopper):
Ist vereinfacht gesagt darin begründet, dass Arbeitsverträge immer unbefristet sind, es sei denn sie werden explizit befristet abgeschlossen.
Und da Arbeitsverträge auch mündlich oder durch konkludentes Handeln geschlossen werden können, ohne etwas schriftlich festzuhalten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass hier ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vorliegen könnte, zumindest gegeben.


Sehr interessant, danke! Und wie müsste in solche einem Fall anschließend vorgegangen werden, damit anschließend auch ein unbefristeter Vertrag fixiert wird?

0x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
Holperik
Status:
Praktikant
(506 Beiträge, 166x hilfreich)

Rechtliche Grundlage ist grundsätzlich § 15 Abs.5 TzBfrG (Teilzeit und Befristungsgesetz).

Der Arbeitnehmer muss das Arbeitsverhältnis mit Wissen des Arbeitgebers fortsetzen. Dem Arbeitgeber muss also bekannt sein, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung weiterhin erbringt, ein bloßes Kennenmüssen reicht nicht. Die Kenntnis muss beim Arbeitgeber selbst oder einer zum Abschluss bzw. zur Kündigung von Arbeitsverträgen berechtigten Vertretungsperson vorhanden sein, dies wäre aus meiner Sicht auch der Chefarzt, ggf. auch der LOA, wenn dieser auch Personalverantwortung trägt. Es reicht also nicht, wenn lediglich Kollegen des Arbeitnehmers oder Fachvorgesetzte von seiner Weiterarbeit wissen.

Zum weiteren Fortgang kann sich der AN erstmal entspannt zurück lehnen und auf die Übersendung eines AV warten. Denn die Zeit läuft für ihn. Zwar wäre der AN im Falle eines Rechtsstreits grundsätzlich beweispflichtig dafür, dass er das AV entsprechend § 15 Abs. 5 mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt hat. Aber dieser Beweis wird ihm umso leichter gelingen, je länger der Zustand andauert und er den Personalverantwortlichen über den Weg läuft. Und die Gerichte lassen hier auch kurze Zeiträume zu. Ausserdem erschwert er damit, dass der AG unverzüglich der Fortsetzung widerspricht. Rein vorsorglich würde ich als AN mal für den Monat den Dienstplan und den Stundennachweis aufheben.
Kommt nun ein AV, der -erneut- befristet ist, wird dieser erst nach Fortsetzung unterschrieben und will sich der AN auf die unwirksame Befristung berufen, so kann er sich auch hier Zeit lassen, wenn er möchte. Denn gegen die Befristung kann er auch noch bis zu 3 Wochen nach Ende des befristeten AV Klage erheben. Wenn dies z.B. nach drei Jahren erst erfolgt, steht der AG vor dem Problem, dass er kaum eine zeitgerechte Befristung wird beweisen können, denn die Unterschriften sprechen schon mal gegen ihn. Dann kann er sich zwar darauf berufen, die Parteien hätten immer nur ein befristeten AV schließen wollen, aber das muss er natürlich beweisen. Wenn es darüber keine Aufzeichnungen gibt, wird es schwer.

1x Hilfreiche Antwort

#8
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17355 Beiträge, 6464x hilfreich)

Zitat (von paranoid68):
Sehr interessant, danke! Und wie müsste in solche einem Fall anschließend vorgegangen werden, damit anschließend auch ein unbefristeter Vertrag fixiert wird?

In der Praxis wird AN abwarten, ob der AG von der Befristung am Ende Gebrauch macht - dann ist es an der Zeit, die Befristung anzugreifen durch entsprechende Klage vor dem Arbeitsgericht.

Angemerkt: Da und insoweit der Chef selbst den Arzt weiter beschäftigen will und das entsprechend in die Wege geleitet hat, wird die Sache mit der Kenntnis &pipapo eher 'akademischer' Natur sein. Hier war faktisch die Verwaltung zu langsam.



-- Editiert von blaubär+ am 03.03.2022 12:54

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