Ist es Bossing? (Vorsicht lang!)

29. Dezember 2021 Thema abonnieren
 Von 
Castro37
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)
Ist es Bossing? (Vorsicht lang!)

Ich wende mich heute an euch, da ich mir selbst nicht mehr zu helfen weiß und gern eine objektive Meinung zum besagten Thema hätte.

Vor ca. 4 Jahren begann ich, für einen großen Lebensmitteldiscounter zu arbeiten. Das erste Jahr in Teilzeit und danach in Vollzeit im Rahmen des Abiturientenmodells für den Einzelhandel. Hier wird man in 3,5 Jahren zum Filialleiter ausgebildet. Ich war in dieser Zeit in verschiedenen Filialen beschäftigt. Es kam immer mal wieder zu kleinen Problemchen und Meinungsverschiedenheiten aber nichts dramatisches, meine Vorgesetzten sind immer gut mit mir zurechtgekommen.
Bis zu meinem letzten Filialwechsel, in der ich eine Einarbeitung zum Stellvertretenden Filialleiter bekommen sollte. Ich habe mich eigentlich sehr auf die Zeit gefreut, zumal mir meine Zukünftige Chefin schon bekannt war (aus dem privaten Bereich). Viele Kollegen, die auch schon mit besagter Chefin zusammengearbeitet haben, warnten mich vor dieser. Ich habe bis zum Schluss die Ansicht vertreten, dass mir nichts passieren kann, ich wusste was ich kann und wenn ich meine Arbeit ordentlich machen würde, hätte ich auch keine Probleme.
Kurz vor dem Filialwechsel bekam ich per WhatsApp von meiner zukünftigen Chefin Sprachnachrichten zugeschickt, in denen sie mir erzählte, dass sie sich mit unserem Verkaufsleiter über mich unterhalten hätte (ihr Vorgesetzter und mein disziplinarischer Vorgesetzter). Sie wollte von ihm wissen, was meine größten Baustellen wären und was sie bei mir abstellen solle. Hier kam zur Sprache, dass ich in manchen Punkten „uneinsichtig" und „nicht kritikfähig" wäre. Hierzu sagte sie zu mir in der Sprachnachricht : „wir werden ein paar Sachen machen, ich werde dir ein paar Dinge an den Kopf knallen und deine Reaktion abwarten. Wenn ich der Ansicht bin, dass eine Diskussion sinnlos ist, sag ich dir das und du musst es so hinnehmen". Weiter kamen Aussagen wie „ich habe ein halbes Jahr Zeit also werd ich dich ein bisschen zur Weißglut bringen in der Zeit". Man beachte, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit ihr zusammengearbeitet habe.
Am ersten Arbeitstag in der neue Filiale stellte sie mich den Mitarbeitern so vor : „das ist Xy, weiß alles und kann nichts". Ich musste schwer schlucken, habe aber darüber gelacht und versucht, es ins lächerliche zu ziehen. Später am Tag ist mir vermehrt aufgefallen, dass mit dem Personal nicht gut umgegangen wird und bei jeder Gelegenheit durch das Headset, sodass alle es hören, kritisiert wird. In den Filialen zuvor ist mein Bewusstsein für Ungerechtigkeiten geschärft worden, sodass ich mich für die Kollegen eingesetzt habe. Ab diesem Zeitpunkt wurde nur noch ich angefeindet. Mit zunehmenden Anfeindungen und unsachlicher, destruktiver Kritik begann ich Fehler zu machen, was für meine Chefin natürlich gefundenes Fressen war. In den meisten Fällen (nicht immer!) kritisiert sie so, dass ich noch nicht einmal weiß, was ich falsch gemacht habe und wie ich es in Zukunft besser machen kann. Auf Nachfragen von mir, was genau ich falsch gemacht habe, oder wie ich es besser machen kann antwortet sie entweder mit Ignoranz oder beantwortet meine Frage nicht.
Mehrmals habe ich den Versuch unternommen, mit ihr zu sprechen. Sie bügelt Gespräche ab, indem sie sagt „wenn ihr schneller arbeiten würdet, hätte ich mehr Zeit mit euch zu reden" oder „bring du erst mal deine Leistung, dann können wir über den Ausbildungsrahmenplan sprechen". Mir werden zunehmend anspruchsvollere Aufgaben entzogen und ich werde vermehrt mit Reinigungsaufgaben betreut. Dafür bin ich mir auch nicht zu schade, es muss gemacht werden aber auffällig ist, dass ich diese Tätigkeiten aufgebrummt bekomme, auch wenn jemand anderes da ist, der dies übernehmen könnte. Kollegen bekamen in der Vergangenheit die Anweisung meiner Chefin, mich an die Kasse zu setzen. Das Weiss ich, weil auch ich schon von dieser Chefin die Anweisung bekam, eine in Ungnade gefallene Mitarbeiterin lediglich kassieren zu lassen. Ich setzte mich über diese Anweisung hinweg. Auf Fehler reagiert sie cholerisch mit Gebrüll und respektlosen Kommentaren. Spricht man sie auf das respektlose Verhalten an und bittet darum, dies zu unterlassen, wird man als „uneinsichtig" bezeichnet. Mehrmals habe ich versucht zu erklären, dass meine ablehnende Haltung nicht der Kritik zuzurechnen ist sondern wie die Kritik verpackt wird. Sie ist keinesfalls daran interessiert, das Gespräch mit mir zu führen oder sich in meine Lage zu versetzen, meist führt sie Monologe und lässt mich nicht zu Wort kommen.
Da sie einen Ausbildungsauftrag hat, den sie nicht wahrnimmt, habe ich angefangen; im Filialablauf Fragen zu stellen und Unklarheiten zu beseitigen. Von ihr kommt stets: „hör endlich auf, mich ständig zu hinterfragen" oder „weil ich der Chef bin und weil ich es sage!!" oder „ständig stellst du mir fragen, auf die ich keine Antwort habe. Bin ich Jesus oder was????"
Um nochmals zu verdeutlichen, in welchen Situationen wir uns in die Haare bekommen, schildere ich zwei Situationen:
1. Ich habe von meiner Chefin einen Arbeitsauftrag bekommen und musste zwischendrin zur Toilette. Durch das Headset sagt sie „wo ist XY eigentlich?" ich antworte : „ich bin gerade auf der Toilette, wieso brauchst du etwas von mir?" sie antwortet; „weil ich verdammt nochmal der Boss bin und das Recht habe, zu wissen, wo sich mein Personal rumtreibt!!!!"
2. Ich stelle meine Arbeitsutensilien zusammen, muss dann aber zur Kasse. Als ich wieder aus der Kasse komme, sind meine arbeitsutensilien verschwunden und ich frage „wer hat meine Ameise beim Obst weggenommen? Ich wollte das Obst überarbeiten" meine Chefin sagt durch das Headset „die hab ich genommen, sei doch nicht gleich so angepisst, du musst besser auf deine Wortwahl achten". Daraufhin gehe ich auf sie zu und frage, wie ich es hätte besser formulieren sollen. Sie sagt ja zb „hat jemand meine Ameise weggenommen?" daraufhin ist es aus mir hinaus geplatzt. Ich habe gesagt „wenn ich das gesagt hätte, wäre von dir die Aussage gekommen, ich solle nicht so dumme Fragen stellen: wenn sie dort nicht mehr steht, wird sie jemand weggenommen haben." daraufhin ist sie total ausgerastet und hat mich im Lager angeschrien. Auf meine Frage, wann sie endlich mit mir sprechen und das Problem klären möchte, betätigte sie das Headset und meinte „Mädels, XY meint ich hab ein Problem, kann ihr jemand vielleicht mal sagen, dass nicht ich hier drin das Problem bin?" solche Situationen häufen sich, es vergeht kein Tag mehr, andem so etwas nicht passiert. Die für meine Arbeit unerlässlichen Informationen bekomme ich meist von anderen Mitarbeitern, die „unter" mir stehen. Es ist auch des Öfteren vorgekommen, dass Kollegen in meiner Schicht von meiner Chefin Arbeitsaufträge erhielten, sodass diese dann zu mir kamen und meinten „du hast mir morgen nichts zu sagen, ich habe meine Aufträge schon bekommen". Ein Gespräch mit ihrem Vorgesetzten blieb erfolglos, seine Untätigkeit wirkt auf sie wie ein Freibrief, der Aus-und Weiterbildungsleiter weiß auch Bescheid, einen Betriebsrat haben wir nicht, habe mich aber auch schon an den Beauftragten für Mitarbeiter und Soziales gewendet, nichts passiert. Ich verzweifle so langsam aber sicher an mir selber und weiß mir nicht mehr zu helfen.

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24 Antworten
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#1
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17450 Beiträge, 6492x hilfreich)

Zitat (von Castro37):
Später am Tag ist mir vermehrt aufgefallen, dass mit dem Personal nicht gut umgegangen wird und bei jeder Gelegenheit durch das Headset, sodass alle es hören, kritisiert wird

Damit ist schon mal klar, dass 'Bossing' nicht das Thema ist: die Chefin ist halt so; bzw: sie hat anscheinend eine 'rustikalen' bis autoritären Führungsstil. Ändern wirst du daran nichts; bleibt also, auf Dauer einen anderen Job bzw. eine andere Stelle zu finden.

Angemerkt: du hast recht, deine Problemschilderung ist lang, entschieden länger als notwendig, um zu verstehen.

-- Editiert von blaubär+ am 29.12.2021 14:49

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#2
 Von 
Anami
Status:
Unbeschreiblich
(32218 Beiträge, 5662x hilfreich)

Zitat (von Castro37):
eine objektive Meinung zum besagten Thema ....
Meinung gefragt?

Mach deine Ausbildung mit zusammengebissenen Zähnen und möglichst wenig Berührung mit der Chefin zu Ende.
Dann such dir schleunigst eine andere Stelle.

Signatur:

Ich schreibe hier nur meine Meinung.

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(120222 Beiträge, 39852x hilfreich)

Zitat (von Castro37):
Ist es Bossing?

Nicht eindeutig zu beantworten.

Es kan auch Teil der Ausbildung sein, zu schauen wie die angehende Führungskraft in Stresssituationen agiert.



Zitat (von Castro37):
„wir werden ein paar Sachen machen, ich werde dir ein paar Dinge an den Kopf knallen und deine Reaktion abwarten. Wenn ich der Ansicht bin, dass eine Diskussion sinnlos ist, sag ich dir das und du musst es so hinnehmen". Weiter kamen Aussagen wie „ich habe ein halbes Jahr Zeit also werd ich dich ein bisschen zur Weißglut bringen in der Zeit".

Liest sich so, als würde sie derzeit genau das machen.



Zitat (von Castro37):
Da sie einen Ausbildungsauftrag hat, den sie nicht wahrnimmt,

Das geht natürlich gar nicht.



Zitat (von Castro37):
der Aus-und Weiterbildungsleiter weiß auch Bescheid

Und?



Zitat (von Castro37):
Ich habe von meiner Chefin einen Arbeitsauftrag bekommen und musste zwischendrin zur Toilette.

Nirgendwo abgemeldet?



Zitat (von Castro37):
In den Filialen zuvor ist mein Bewusstsein für Ungerechtigkeiten geschärft worden, sodass ich mich für die Kollegen eingesetzt habe.

Das ist nicht unbedingt das was jeder Discounter von der Führungskraft erwartet.




-- Editiert von Harry van Sell am 29.12.2021 21:12

Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

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#4
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38465 Beiträge, 14009x hilfreich)

Okay, da stellt ein Azubi am ersten Tag in einer neuen Ausbildungsstation fest, was der Chef so alles falsch macht und will das mit ihm diskutieren. Entschuldigung, aber der Azubi hockt nicht auf der Planstelle des Chefs und der Chef auf der Azubi-Stelle. Da hast Du was verwechselt. Auch ist der Arbeitsplatz auch kein Diskutierclub.

Die Chefin hat sich offensichtlich sorgfältig vorbereitet, auch um mögliche Lücken zu schließen bzw. Defizite beim Azubi abzubauen. Das ist lobenswert. Allerdings scheinen Eure Ansichten doch sehr zu klaffen, die rustikalere Art der Personalführung scheint Dir nicht zu liegen. Was tun? Die Zeit bei der Ausbilderin ist ja sehr begrenzt. In der Zeit solltest Du Dich auf Deine Ausbildungsinhalte konzentrieren, Dich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen und auch nicht den Führungsstil Deiner Ausbilder in Angelegenheiten, die Dich nichts angehen, hinterfragen. Das ist ungebührlich und anmaßend. Dann dürfte sich die Restzeit der Ausbildung erträglicher gestalten. Und hinterher kannst Du dann selbst entscheiden, wie Du Deine Filiale führst.

wirdwerden

1x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(120222 Beiträge, 39852x hilfreich)

Zitat (von wirdwerden):
da stellt ein Azubi am ersten Tag in einer neuen Ausbildungsstation fest, was der Chef so alles falsch macht

Ich hatte beim lesen den Eindruck, das das ganze eher über einen längeren Zeitraum geht...



Zitat (von wirdwerden):
Die Chefin hat sich offensichtlich sorgfältig vorbereitet

Nein, das hat sie offensichtlich nicht, denn sonst hätte sie den Ausbildungsplan nicht ignoriert. Das Teil ist ja kein dekoratives Element, sondern ein - je nach Unternehmen - sehr verbindliches Teil.


Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

0x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38465 Beiträge, 14009x hilfreich)

Harry, ich hatte es so verstanden, dass er schon am ersten Tag die Defizite analysiert hatte, und eben etwas später darauf hingewiesen hatte, wegen Ungerechtigkeiten (?) gegen andere mit der Ausbilderin diskutieren wollte. Das geht doch gar nicht.

wirdwerden

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#7
 Von 
Puffelschnuffel
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 1x hilfreich)

Zitat (von Castro37):
Auf Fehler reagiert sie cholerisch mit Gebrüll und respektlosen Kommentaren. Spricht man sie auf das respektlose Verhalten an und bittet darum, dies zu unterlassen, wird man als „uneinsichtig" bezeichnet. Mehrmals habe ich versucht zu erklären, dass meine ablehnende Haltung nicht der Kritik zuzurechnen ist sondern wie die Kritik verpackt wird. Sie ist keinesfalls daran interessiert, das Gespräch mit mir zu führen oder sich in meine Lage zu versetzen, meist führt sie Monologe und lässt mich nicht zu Wort kommen.


Definitiv ist es Bossing und zwar von einer sog. toxischen Führungskraft. Solche Leute wollen vor allem eins: Macht und Kontrolle! Von solchen Soziopathen sollte man sich fernhalten oder wenn das - wie in deinem Fall nicht geht - sie mit ihren eigenen Waffen schlagen:

1. Regel: Keine persönlichen Informationen preisgeben, die gegen dich verwendet werden können.
2. Regel: Niemals sich auf deren Niveau herablassen (Brüllen, respektlose Kommentare)
3. Regel: Gehe zum Gegenangriff/Offensive über! Entweder offen (Unterstützung durch höhere Vorgesetzte oder Betriebsrat o. ä.) oder verdeckt (z. B. anonyme E-Mails/SMS oder Mitteilungen wie z. B. Zettel auf deren Schreibtisch oder Toilette mit kurzen prägnanten "Hinweisen" auf deren Fehlverhalten, die aber keine Rückschlüsse auf deine Person zulassen.

Viel Erfolg!

Signatur:

"Jeder treibt die Kunst, die er versteht." Aristophanes, 445 - 385 v. Chr. griechischer Dichter

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#8
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17450 Beiträge, 6492x hilfreich)

Zitat (von wirdwerden):
Die Chefin hat sich offensichtlich sorgfältig vorbereitet, ...

Zitat (von Harry van Sell):
Nein, das hat sie offensichtlich nicht, ...


.... beide Aussagen stehen nicht im Widerspruch - sie beziehen sich bloß jeweils auf etwas ganz anderes.
Die Chefin versteht sich und ihren Auftrag anscheinen in der Weise, dass sie Castro 'schleifen' müsse - samt Vorabrecherche, was seine größten Baustellen seien usf.. Über Ausbildung will sie erst reden, wenn Castro spurt und performt.

Und Castro hat die Ansagen nicht gehört, nicht verstanden oder nicht ernst genommen - er will 'diskutieren'.
Das kann nicht gutgehen, da prallen zwei Welten aufeinander. Oder Kulturen, wenn man so will.
Da Castro seine Chefin kaum wird ändern können, bleibt ihm a) seine Einstellung und sein Verhalten zu ändern, oder b) zu gehen.

2x Hilfreiche Antwort

#9
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38465 Beiträge, 14009x hilfreich)

Nun ja, Puffelschnuffel hat uns gerade gezeigt, wie man dem Ausbilder eine Steilvorlage bietet für eine fristlose Kündigung. Nochmals zur Erinnerung: es handelt sich hier um kein klassisches Ausbildungsverhältnis. Und es ist wohl unstreitig, dass sich die Ausbilderin falsch verhält. Aber, man kann nicht verkennen, dass sich der Fragesteller als ewiger Besserwisser aufgespielt hat, Sachen, die ihn nichts angehen, diskutieren wollte u.s.w. Es wäre vielleicht wirklich eine Superidee, sich für die letzten Monate auf den Abschluss seiner Ausbildung zu konzentrieren, ganz ohne das Risiko einer Kündigung durch den Arbeitgeber und sich zu überlegen, was man hinterher machen will. Wenn niemand einen Anlass zum Eingreifen sieht, denn er ist ja schon von Pontius zu Pilatus gerannt, dann wird sich da in den letzten Monaten auch nichts ändern.

wirdwerden

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#10
 Von 
Castro37
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo, vielen Dank schon mal für eure Antworten! Ihr habt mir schon sehr geholfen.
Das stimmt, ich habe in den ersten Tagen die Situation auf mich wirken lassen, wahrscheinlich konnte ich meinen Unmut/Fassungslosigkeit auch nicht vollkommen verbergen aber solang es erträglich war, habe ich meine Klappe gehalten. Bis zu einem Zeitpunkt, zu dem es einfach nicht mehr ging. Ich habe das Gefühl, nur mit ihr auskommen zu können, wenn ich mein Gehirn zuhause lasse, alle Befehle ausführe und nicht hinterfrage. Sie verlangt bedingungslosen Gehorsam, das Personal darf keine eigene Meinung haben und wird auch nicht nach danach gefragt, es sei denn es dient zur Bestätigung ihrer Meinung. Ihrer Ansicht nach bin ich wahrscheinlich der „Quertreiber" und habe es durch mein Verhalten auch nicht verdient, von ihr ausgebildet zu werden.

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#11
 Von 
Castro37
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)

Zum Thema Ausbildung; meine Chefin ist ein sehr leistungsorientierter, ehrgeiziger Mensch. Alles dreht sich um die Kennzahl der möglichst hohen Stundenleistung. Wer aber Mitarbeiter ordentlich einarbeitet und ausbildet, fährt automatisch erst mal eine niedrigere Stundenleistung. Das Problem wird so gelöst, dass neue Mitarbeiter unzureichend eingearbeitet und Azubis schlecht ausgebildet werden. Es werden sogar teilweise ganze Abschnitte des Ausbildungsrahmenplans weggelassen, wenn meine Chefin der Ansicht ist, dass sie bestimmte Dinge nicht können müssen. Dadurch macht sie sich auch selbst unabdingbar und wichtig, denn Wissen ist Macht und ihre Bereitschaft, das Wissen weiterzugeben ist nicht da.
In den vergangenen zwei Jahren hatten wir zwei Azubis und einen Abiprogrammler (wie ich). Keiner von denen hat die Aus-bzw. Weiterbildung bis zum Ende durchgezogen. Sie wurden vorher rausgemobbt, auch einige Kollegen haben gekündigt. Da oben weiß man von den Problemen also Bescheid nur schuld sind irgendwie immer die anderen.

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#12
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17450 Beiträge, 6492x hilfreich)

Du hast vollkommen Recht: Du bist nicht verantwortlich.
Deine Skizze einer Situationsanalyse dürfte zutreffen; liest sich aber wie von außen geschrieben. Bloß dass du mittendrin steckst. Die Frage ist dann nicht mehr, Recht zu haben, sondern damit zu leben.
Oder anders gefragt: Was willst du? Die Ausbildung abschließen oder nicht?

Zur Situation und zur "Pädagogik" in deinem Laden sind mir uralte Sätze aus dem Griechischen und Lateinischen eingefallen:
- Durch Härte zu den Sternen (per aspera ad astra)
- Der Mensch, der nicht geschunden wird, wird auch nicht erzogen (Ὁ μὴ δαρεὶς ἄνθρωπος οὐ παιδεύεται)
Diese Grundsätze sind sooo lange noch gar nicht überwunden, offenbar / wahrscheinlich ... oder wohl nicht allenorten.
Mit einigem Sarkasmus: Um Filialleiter eines deutschen Lebensmitteldiscounters sein zu können, bedarf es offenbar (immer noch) einer enormen Leidensfähigkeit, man muss Masochismus studiert haben.

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#13
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38465 Beiträge, 14009x hilfreich)

Castro, bei Dir sind ja irgendwie auch immer die anderen schuld. Hast noch nicht mal das eigene Verhalten kritisch reflektiert. Also, entweder, Du hältst die paar Monate noch durch, oder Du orientierst Dich jetzt um. Und nochmals, die klassischen Regeln für die Ausbildung gelten bei Dir nicht, einfach, weil Du kein Azubi bist.

wirdwerden

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#14
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17450 Beiträge, 6492x hilfreich)

Zitat (von Castro37):
Da oben weiß man von den Problemen also Bescheid

So ist es. Und im Zweifel haben eben diese Leute da oben die Frau auch in die Position gebracht. Kritik an dieser Person ist am Ende Kritik an den Entscheidungsträgern. Und die Kennzahlen für die Filiale stimmen doch ....

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#15
 Von 
Castro37
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)

Dass bei mir immer andere schuld sind, sehe ich nicht so. Natürlich mache ich mir auch meine Gedanken und überlege, inwieweit ich für die Situatuon verantwortlich bin. Deshalb waren mir eure Meinungen ja auch so wichtig.

0x Hilfreiche Antwort

#16
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17450 Beiträge, 6492x hilfreich)

Zitat (von Castro37):
Dass bei mir immer andere schuld sind, sehe ich nicht so.

Das habe ich jedenfalls nicht gemeint; die Ansage 'du bist nicht verantwortlich' soll dich vielmehr entlasten dahingehend, dass du dich auf das beschränkst, was zu tun du imstande bist. Genz im Sinne des 'Gelassenheitsgebets' von R. Niebuhr:

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

1x Hilfreiche Antwort

#17
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(120222 Beiträge, 39852x hilfreich)

Zitat (von Castro37):
Ich habe das Gefühl, nur mit ihr auskommen zu können, wenn ich mein Gehirn zuhause lasse, alle Befehle ausführe und nicht hinterfrage.

Das ist korrekt, genau das.



Zitat (von blaubär+):
Und die Kennzahlen für die Filiale stimmen doch ....

Die dürften sogar bestens sein ...



Zitat (von blaubär+):
Mit einigem Sarkasmus: Um Filialleiter eines deutschen Lebensmitteldiscounters sein zu können, bedarf es offenbar (immer noch) einer enormen Leidensfähigkeit, man muss Masochismus studiert haben.

Kommt immer darauf an, an welchen Ausbilder man gerät. Gewisse "Traditionen" lassen sich nicht von heute auf morgen beseitigen.
Aber mit Castro37 wäre dann wieder einer der neuen Generation da ...


Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

0x Hilfreiche Antwort

#18
 Von 
Castro37
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)

Blaubär+ dich habe ich schon richtig verstanden. Weiter oben hatte noch jemand geschrieben, dass bei mir auch immer anderen schuld wären und ich nicht in der Lage sei, die Situation bzw. das Problem kritisch zu reflektieren. Ich weiß, dass ich nicht fehlerlos bin. Meine Welt stellt sich auf den Kopf, da ich bis zu diesem Zeitpunkt für meine Motivation, die Eigenverantwortlichkeit und fürs „Mirdenken" gelobt wurde. . Und plötzlich sind diese Einstellungen und Verhaltensweisen Fehl am Platz: Zumal meine Chefin ja auch diejenige ist, die bestimmt, wie es mit mir weitergeht (wenn es denn weitergehen soll, im Moment bin ich mir da alles andere als sicher).
Hätte ich die ganze Situation stillschweigend hingenommen, hätte man möglicherweise kritisiert, dass ich die erforderliche Führungsreife nicht besitze und in den entscheidenden Momenten nicht eingeschritten bin. Trotzdem seid ihr euch ja denke ich in einem Punkt einig: einfach die Füße still halten; Weiterbildung beenden und tun, was auch immer von einem verlangt wird. Das werde ich in Zukunft auch genau so handhaben:)

0x Hilfreiche Antwort

#19
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38465 Beiträge, 14009x hilfreich)

Die Chefin bestimmt, wie es mit Dir weitergeht bis zum Ende der "Ausbildung." Ich habe so langsam den Verdacht, Du hast auch das Lob der vorherigen Ausbilder wohl etwas falsch verstanden. Denn ansonsten wäre das wohl etwas anders an die jetzige Verantwortliche weiter gegeben worden. Wenn Dir jemand sagt, ist sei ja großartig, dass man sich so Gedanken mache, aber .....
Dann ist das kein Lob.

Eine Führungskraft zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass sie in hohem Maß flexibel ist und auch mal ungerechtfertigte Kritik wegstecken kann, eigenes Verhalten kritisch überdenkt. Und eben jede Arbeit ausführt. Zeig Deine Anpassungsfähigkeit und dass Du im Lauf der Ausbildung gewachsen bist. An Erkenntnissen, wie so ein Laden zu führen ist.

wirdwerden

0x Hilfreiche Antwort

#20
 Von 
eh1960
Status:
Senior-Partner
(6268 Beiträge, 1500x hilfreich)

Zitat (von Puffelschnuffel):
Definitiv ist es Bossing

Nein.
Zitat:
und zwar von einer sog. toxischen Führungskraft. Solche Leute wollen vor allem eins: Macht und Kontrolle!

Jede Führungskraft muss Macht und Kontrolle haben wollen und Macht und Kontrolle ausüben. Das ist das Wesen von Führung.

Macht haben und Kontrolle ausüben wollen ist an sich überhaupt nichts negatives. Negativ wird es erst, wenn die Kontrolle zum manischen "Mikro-Management"* wird und wenn Macht nicht im Interesse der Sache positiv genutzt wird, sondern negativ.

(* Ganz allgemein gilt: Gute Führung beruht auf der "Auftragstaktik", schlechte auf der "Befehlstaktik". Davon gibt es einzelne, wenige Ausnahmen, aber generell sollte eine Führungskraft ihre Nachgeordneten mit guter Ausbildung und klaren Einsatzregeln befähigen, möglichst viele Aufgaben eigenverantwortlich zu erledigen. Denn das ist in der Regel am effektivsten. "Mikromanagement" ist dagegen Ressourcenverschwendung.)

Signatur:

Eine "UG" gibt es nicht. Es gibt nur die "UG haftungsbeschränkt".

1x Hilfreiche Antwort

#21
 Von 
eh1960
Status:
Senior-Partner
(6268 Beiträge, 1500x hilfreich)

Zitat (von wirdwerden):
Eine Führungskraft zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass sie in hohem Maß flexibel ist und auch mal ungerechtfertigte Kritik wegstecken kann, eigenes Verhalten kritisch überdenkt. Und eben jede Arbeit ausführt. Zeig Deine Anpassungsfähigkeit und dass Du im Lauf der Ausbildung gewachsen bist. An Erkenntnissen, wie so ein Laden zu führen ist.

Ungefähr so.

Allerdings muss, wer gute Mitarbeiter mit Führungsqualitäten ausbilden will, auch Gegenrede und Widerspenstigkeit aushalten können.

Zum Jahresausklang: https://www.youtube.com/watch?v=95_TWoEctnc

Der "Managertest" aus Doris Dörries "Männer". "In a nutshell", wie die Amerikaner sagen.

Signatur:

Eine "UG" gibt es nicht. Es gibt nur die "UG haftungsbeschränkt".

0x Hilfreiche Antwort

#22
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38465 Beiträge, 14009x hilfreich)

Widerspenzigkeit aushalten bedeutet aber nicht, dass der Anzulernende das Ausbildungsprogramm bestimmt. Und mit der Chefin über Ungerechtigkeiten von wem gegen wen auch immer diskutiert. Darauf hat die Chefin reagiert und das ist doch in Ordnung.

wirdwerden

0x Hilfreiche Antwort

#23
 Von 
guest-12321.03.2022 17:40:03
Status:
Lehrling
(1312 Beiträge, 184x hilfreich)

@Castro37

In einer Firma herrscht keine Demokratie wo jeder Mitarbeiter nach eigenem Gutdünken mitreden und mitdiskutieren kann. Zwar ist Eigeninitiative und Mitdenken erwünscht, aber halt nur in dem Rahmen der von der Firmenleitung vorgegeben ist.

Ich deinem Fall ist es wirklich schwer zu sagen ob die "Schikane" der Vorgesetzten nun wirklich persönliche Schikane oder Teil des Ausbildungsprogramms für künftige Filialleiter ist. Denn als Chef muss man auch mit Mitarbeitern umgehen können (und dies auch erlernen) die einem nicht liegen, denn ebenso wie der Fußballtrainer nicht die ganze Mannschaft austauschen kann, so kann der Chef auch nicht seine ganze Belegschaft vergraulen, denn letztendlich wird er von seinen Vorgesetzten am Geschäftsergebnis der Filiale gemessen.

PS: ich zum Beispiel möchte nicht mein eigener Chef sein!

0x Hilfreiche Antwort

#24
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17450 Beiträge, 6492x hilfreich)
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