Lohnabzug durch angebliche Minusstunden

9. Juni 2023 Thema abonnieren
 Von 
go624307-90
Status:
Frischling
(21 Beiträge, 0x hilfreich)
Lohnabzug durch angebliche Minusstunden

Hallo liebe Forenmitglieder, es geht um folgendes fiktives Szenario:

- Anfang August 2022 hat sich der Arbeitnehmer (AN) bei seinem jetzigen Arbeitgeber (AG) beworben. Mündlich wurde vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis offiziell am 15.09.2022 beginnt, der AN aber schon einige Aufträge ab sofort bearbeiten sollte

- Es handelt sich um einen Betrieb mit weniger als 10 Festangestellten

- Es wurde für August mündlich ein Stundenlohn (auf Basis eines bestimmten Brutzoomonatsgehaltes) vereinbart, der AN sollte dazu eine Zeiterfassung erstellen und dem AG übersenden, die erste Zahlung hatte der AN im August 2022 bekommen, jedoch war dies lediglich eine Abschlagszahlung für September 2022, wodurch das eigentliche Septembergehalt niedriger ausgefallen ist

- ein Gehalt oder eine Aufwandsentschädigung für Reise- oder Druckkosten hat der AN selbst nach Einreichen der entsprechenden Nachweise weder im August noch nach Beginn des offiziellen Arbeitsverhältnisses nie bekommen

- Es erfolgte für die Zeit vor Beginn des offiziellen Arbeitsverhältnisses (laut Arbeitsvertrag Mitte September) keinerlei Entlohnung

- der Arbeitsvertrag wurde Anfang Oktober ausgehändigt, das Arbeitsverhältnis besteht seit Mitte September

- Im Arbeitsvertrag gibt es eine Home-Office-Regelung bei der festen Zeit vorgeschrieben sind, laut Aussage des AG war die Einhaltung dieser strikten Zeiten nicht notwendig, solange die "Arbeit stimmt" und die wöchentliche Stundenzahl nicht unterschritten wird

- Auch der AG hielt sich nicht an die vereinbarte Arbeitszeit des Vertrages und rief den AN außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit an oder verlangte Arbeit von diesem

- Im Arbeitsvertrag ist geschildert, dass der AN die genauen Zeiten in denen gearbeitet und Pause gemacht wurde, genau dokumentiert werden müssen, hierfür sollte (ebenfalls laut Arbeitsvertrag) ein vom AG zur Verfügung gestelltes Arbeitszeiterfassungssystem genutzt werden, dieses wurde dem AN nie zur Verfügung gestellt, es musste stattdessen vom AN eine Excel-Tabelle über die geleistete Arbeitszeit geführt werden,

- die im Arbeitsvertrag vereinbarten Provisionen, die Übernahme der Kosten von Dienstreisen oder Spesen wurden nie bezahlt, Nachweise über die Kosten von z.B. Dienstreisen wurden vom AN stets vorgelegt

- Das letzte Gehalt des AN für 2023 betrug lediglich ca. 25 Prozent des eigentlichen Nettogehaltes, auf telefonische Nachfrage teilte der AG dem AN mit, dass der AN in den vergangenen Monaten nicht auf die notwendige wöchentliche Stundenzahl gekommen wäre und er deswegen das Gehalt abgezogen hatte, dies sei u. a. an der mangelnden Arbeitsleistung insgesamt erkennbar einen Lohnbescheid hat der AN nicht erhalten (lediglich von den ersten beiden Monaten der Festanstellung wurde ein Lohnbescheid zugesandt), der An ist dadurch in eine finanziell schwierige Situation geraten, eine Minusstundenansammlung welche die Höhe des Gehaltsabzuges rechtfertigt, ist in keinster Weise durch die Arbeitszeitdokumentation des AN ersichtlich

- Während des Angestelltenverhältnisses der AN selber einen Fehler begangen, da ihm vom AG ein Arbeitslaptop zur Verfügung gestellt wurde, den AN diesen jedoch kaum benutzen konnte (das Modell hat sehr langsam gearbeitet, ist teilweise mitten während der Arbeit eingefroren) und stattdessen den eigenen Laptop mit technisch höherem Stand verwendet hatte. Der AG hat dies herausgefunden (vor ca. einem Monat) und den AN aufgefordert, von eigenen privaten Laptop in einem IT-Service sämtlich arbeitsbezogene Daten löschen zu lassen, dem ist der AN nachgekommen und hatte seitdem nur noch den Arbeitslaptop benutzt

- Zwischen dem AN und dem AG gab es vor einiger Zeit ein Gespräch über eine mögliche Kündigung des AN, woraufhin der AG drohte, ein negatives Arbeitszeugnis auszustellen

Die Frage wäre nun, wie es im Falle eines möglichen Rechtsstreits für beide Seiten aussehen würde und der AN beispielsweise ein zumindest neutral formuliertes Arbeitszeugnis verlangt sowie die Zahlung des Restgehaltes des letzten Monats? Über Anregungen würde ich mich sehr freuen.

MFG

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9 Antworten
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#1
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17337 Beiträge, 6462x hilfreich)

Dreh- und Angelpunkt der ganzen Sache ist offenbar der AV vom November. Es bleibt unklar, ob dieser AV am Ende die Vereinbarungen enthält, die du verstreut skizzierst. Und es könnte bedeutsam werden, ob der AV eine Ausschlussklausel vorsieht.

Für den Erfolg vor Gericht ausschlaggebend wird - wie immer - sein, was genau beantragt wird und wie Forderungen bewiesen und belegt werden können.

- Sofern Arbeitseinsätze vor dem Termin der offiziellen Anstellung belegt/belegbar sind, sind die auch zu bezahlen
- Auslagen des AN wie Reisekosten stehen dem AN zu
- Was es mit 'Druckkosten' auf sich hat, wird nicht klar; sollten es z.B. Visitenkarten sein, wäre darzulegen, was dazu vereinbart worden ist.
- Zur Höhe des tatsächlich ausbezahlten Gehalts, steht einerseits an, was der AV dazu hergibt - auf der anderen Seite ist da der Vorwurf des AG, dass AN die Stunden nicht nachgewiesen habe. Es wird darauf ankommen, wer dann vor Gericht was nachweisen bzw. schlüssig darlegen kann.
- AN hat Anspruch auf ein wahres und wohlwollendes Zeugnis.

Dann
- wenn AN sich nicht an die vereinbarten Präsenzzeiten im Homeoffice gehalten hat, wird dieses Versäumnis nicht durch den Einwand aufgehoben dadurch, dass der AG auch außerhalb dieser Zeiten angerufen habe
- Nur weil der Dienstrechner ein lahmes Teil ist, rechtfertigt das nicht, unabgesprochen private Hardware zu benutzen; der Punkt hat aber offenbar keine Bedeutung hinsichtlich erkennbarer Forderungen
- Wenn der AG bestimmte Zeiterfassungssoftware nicht bereitstellt, besagt das nichts, da er ja offenbar Tabellenkalkulationsaufzeichnungen akzeptiert hat.
- Mängel im Stundennachweis sind eine Sache, die Behauptung von Schlechtleistung ist eine ganz andere - das kann nicht in einen Topf geworfen werden; Schlechtleistung rechtfertigt in aller Regel keinen Lohnabzug und schon gar nicht ohne Kommunikation, ohne Abmahnung, ohne Möglichkeit der Nachbesserung ggf.

1x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
go624307-90
Status:
Frischling
(21 Beiträge, 0x hilfreich)

Zitat (von blaubär+):
Dreh- und Angelpunkt der ganzen Sache ist offenbar der AV vom November. Es bleibt unklar, ob dieser AV am Ende die Vereinbarungen enthält, die du verstreut skizzierst. Und es könnte bedeutsam werden, ob der AV eine Ausschlussklausel vorsieht.

Für den Erfolg vor Gericht ausschlaggebend wird - wie immer - sein, was genau beantragt wird und wie Forderungen bewiesen und belegt werden können.

- Sofern Arbeitseinsätze vor dem Termin der offiziellen Anstellung belegt/belegbar sind, sind die auch zu bezahlen
- Auslagen des AN wie Reisekosten stehen dem AN zu
- Was es mit 'Druckkosten' auf sich hat, wird nicht klar; sollten es z.B. Visitenkarten sein, wäre darzulegen, was dazu vereinbart worden ist.
- Zur Höhe des tatsächlich ausbezahlten Gehalts, steht einerseits an, was der AV dazu hergibt - auf der anderen Seite ist da der Vorwurf des AG, dass AN die Stunden nicht nachgewiesen habe. Es wird darauf ankommen, wer dann vor Gericht was nachweisen bzw. schlüssig darlegen kann.
- AN hat Anspruch auf ein wahres und wohlwollendes Zeugnis.


Dann
- wenn AN sich nicht an die vereinbarten Präsenzzeiten im Homeoffice gehalten hat, wird dieses Versäumnis nicht durch den Einwand aufgehoben dadurch, dass der AG auch außerhalb dieser Zeiten angerufen habe
- Nur weil der Dienstrechner ein lahmes Teil ist, rechtfertigt das nicht, unabgesprochen private Hardware zu benutzen; der Punkt hat aber offenbar keine Bedeutung hinsichtlich erkennbarer Forderungen
- Wenn der AG bestimmte Zeiterfassungssoftware nicht bereitstellt, besagt das nichts, da er ja offenbar Tabellenkalkulationsaufzeichnungen akzeptiert hat.
- Mängel im Stundennachweis sind eine Sache, die Behauptung von Schlechtleistung ist eine ganz andere - das kann nicht in einen Topf geworfen werden; Schlechtleistung rechtfertigt in aller Regel keinen Lohnabzug und schon gar nicht ohne Kommunikation, ohne Abmahnung, ohne Möglichkeit der Nachbesserung ggf.





Hallo und danke schonmal für die schnelle Antwort.

- Die Arbeitseinsätze wurde in Auftrag gegeben und auch vor tatsächlichem Beginn des Arbeitsverhältnisses erfüllt, hierfür gibt es auch genügend Nachweise durch den AN (bspw. E-Mails)
- Druckkosten beziehen sich bspw. auf Dokumente, auf DinA4-Blättern gedruckt wurden, dies ist im gegenständlichen Fall aber wegen geringer Kosten zu vernachlässigen
- Hätte der AG die Möglichkeit, im Arbeitszeugnis die Nichteinhaltung der offiziellen Arbeitszeit, die er dem AN vorwirft und die angeblichen Minusstunden zu erwähnen?


- Zur Es gibt im AV tatsächlich den Passus: "Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden."


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#3
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17337 Beiträge, 6462x hilfreich)

Vorab: es bläht die Konversationen unnütz auf, wenn du meine gesamte Antwort zitierst. Die bleibt ja vorne stehen.

Zum Zeugnis:
a) Wenn du ohnehin Lohnklage erhebst, kannst du die Klage erweitern um den Punkt, ein gutes Zeugnis ausgestellt zu bekommen. Zumal der AG ja schon mit einem schlechten gedroht hat.
b) Die Formel 'wahr+wohlwollend' schließt aus, dass ein AG ins Zeugnis schreibt: schummelte regelmäßig mit den Stundennachweisen - oder sonst was offenkundig Nachteiliges. Aber natürlich findet ein AG Wege - du musst ja nur goggeln nach Bespielen für gute / schlechte Zeugnisse. Abhilfe schafft a).

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#4
 Von 
go624307-90
Status:
Frischling
(21 Beiträge, 0x hilfreich)

Ok, aber wie ist das jetzt mit den Ausschlussfristen, warum spielt das in diesem Fall eine Rolle?

Es gab weiterhin tatsächlich bereits eine "Mitarbeiterinformation" im November 2022 wo auf angebliche Diskrepanzen in der Arbeitszeiterfassung hingewiesen wurde. Es wurde dabei weiter auf die Einhaltung der Pausenzeiten hingewiesen. Auch hier hat sich der AN nur auf die Aussage des AG verlassen, dass die Arbeitszeit frei eingeteilt werden darf.

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#5
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17337 Beiträge, 6462x hilfreich)

Zitat (von go624307-90):
Auch hier hat sich der AN nur auf die Aussage des AG verlassen, dass die Arbeitszeit frei eingeteilt werden darf.

Da mach' ich Mal den Harry und sage: Mangels Kenntnis der vertraglichen Grundlagen nicht zielführend zu diskutieren. 'Frei einteilen' ist womöglich eine Sache, die andere, die tatsächlichen AZ auch sorgfältig zu dokumentieren resp. nachzuweisen.
(Ausschlussfristen spielen noch keine Rolle, können aber wichtig werden.)

Mir scheint, du zupfst hier ein bisschen und dort, scheust aber eine Entscheidung und entschiedenes Handeln. Es steht doch mehr im Feuer als der Lohn des letzten Monats.

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#6
 Von 
go624307-90
Status:
Frischling
(21 Beiträge, 0x hilfreich)

Zitat (von blaubär+):
Mir scheint, du zupfst hier ein bisschen und dort, scheust aber eine Entscheidung und entschiedenes Handeln. Es steht doch mehr im Feuer als der Lohn des letzten Monats.


Was heißt das genau, es steht mehr im Feuer?
Die Arbeitszeiterfassung wurde dokumentiert und per Excel-Tabelle am Ende des Monats an den AG übersandt. Die Zeiten wurden frei eingeteilt und weichen sowohl was Pausen als auch Arbeitszeit und Beginn vom Vertrag ab. Dies war aber mündlich vereinbart. Die wöchentliche Arbeitszeit wurde stets eingehalten.

0x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17337 Beiträge, 6462x hilfreich)

... und deine Reisekosten schreibst du in den Wind? Oder die Arbeit vor dem off. Starttermin?

0x Hilfreiche Antwort

#8
 Von 
go624307-90
Status:
Frischling
(21 Beiträge, 0x hilfreich)

Das mit den Reisekosten und der mangelnden Entlohnung für August ist natürlich bitter. Allerdings hat der An sich auf die mündliche Aussage des AG verlassen und deshalb viele Abweichungen von der Arbeitszeit, die im AV geregelt ist vorgenommen. Dies könnte doch im Ernstfall bestimmt negativ dem AN zu Last werden oder dass man ihm beispielsweise Arbeitszeitbetrug vorwerfen wird? Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer, was die Zusicherungen des AG betrifft..

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#9
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17337 Beiträge, 6462x hilfreich)

... lass dir von einem alten Mitarbeitervertreter sagen: Alles, was mit dem AV (und generell: Verträgen) zu tun hat, immer und prinzipiell schriftlich; und sei es in Form einer Gesprächsnotiz, eines Aktenvermerks. Besser natürlich, wenn beide Seiten unterschreiben.

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