Überstunden-Vergütung falls Arbeitszeitkonto ungültig?

16. März 2023 Thema abonnieren
 Von 
RrKOrtmann
Status:
Lehrling
(1531 Beiträge, 672x hilfreich)
Überstunden-Vergütung falls Arbeitszeitkonto ungültig?

Die Vollzeitbeschäftigte Schwester S. fragt sich, ob und wieviele Zeitzuschläge sowie Überstundenentgelt ihr für geleistete Überstunden zustehen. Schwester S. hat in der 1. Woche dienstplanmäßig 50 Stunden gearbeitet ( in der Folgewoche dann dienstplangemäß nur 28 Stunden ).

In ihren Arbeitsvertrag sind folgende AVR einbezogen worden:

"Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich. Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist in der Regel ein Zeitraum von bis zu 24 Wochen oder einem halben Jahr zugrunde zu legen. Beginn und Ende des Zeitraums für die Berechnung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist im Voraus festzulegen."

"Überstunden sind die auf Anordnung geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit für die Woche dienstplanmäßig festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen. Die für die Woche dienstplanmäßig festgesetzten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen, gelten für die Vergütungsberechnung als Überstunden."

"(1)Zur Gestaltung der Arbeitszeit kann eine Dienstvereinbarung mit dem Inhalt der Absätze 2 bis 10 abgeschlossen werden.
(2) Der Arbeitgeber richtet Arbeitszeitkonten ein und führt diese. Auf Antrag wird kein Arbeitszeitkonto eingerichtet.
(3) Abweichend ... gilt für die Berechnung der regelmäßigen Arbeitszeit ein Zeitraum von einem Jahr. Die jährliche regelmäßige Arbeitszeit beträgt 2.034,86 Stunden (39 x 4,348 x 12). Die jährliche Höchstarbeitszeit beträgt 2.504,45 Stunden (48 x 4,348 x 12).
(4) Auf dem Arbeitszeitkonto können bis zu 150 Stunden angesammelt werden. Es darf nicht mehr als 40 Minusstunden aufweisen. Die geleistete Arbeitszeit ist auf einem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. (...)
(5) ... (10)
(11) Die wöchentliche Höchstarbeitszeit ist in der Dienstvereinbarung festzulegen. (...)"

Eine zwischen Dienstgeber und Mitarbeitervertretung geschlossene Dienstvereinbarung zum Arbeitszeitkonto hat lediglich den Inhalt

"1. Für alle Mitarbeiter wird ein persönliches Arbeitszeitkonto geführt.
2. Die Erfassung der Ist-Zeiten erfolgt durch den Dienstplan, der vom Vorgesetzten
geführt wird.
3. Der Stand des Jahresarbeitszeitkontos kann jederzeit auf dem aktuell aushangpflichtigen Dienstplan abgelesen werden.
4. Beanstandungen am Arbeitszeitkonto müssen schriftlich beim Vorgesetzten eingereicht werden. Beanstandungen sind unverzüglich zu bearbeiten und schriftlich zu beantworten."

Die für Schwester S. geltenden kirchengerichtlichen Vorschriften regeln hinsichtlich Dienstvereinbarungen:
"Dienstvereinbarungen dürfen Regelungen weder erweitern, einschränken noch ausschließen, die auf Rechtsvorschriften, Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission, Tarifverträgen und Entscheidungen des Schlichtungsausschusses nach dem Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz nach der Schlichtungsordnung oder allgemeinverbindlichen Richtlinien der Kirche beruhen."

Indem die Arbeitszeitkonten-Dienstvereinbarung nicht den Inhalt hat, wie ihn die AVR-Bestimmung für Arbeitszeitkonten-Dienstvereinbarungen verlangt, schränkt sie die AVR-Bestimmung zum Mindest-Inhalt von Arbeitszeitkonten-Dienstvereinbarungen ein, was sie nach kirchenrechtlichen Regelungen unwirksam macht.

Schwester S. hält deshalb keine wirksame Arbeitszeitkonten-Regelung für sie gegeben. Folglich besteht sie auf der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von durchschnittlich 39 Stunden. Da aufgrund der vermeintlich gültigen Arbeitszeitkontenregelung für sie zur Berechnung des Wochendurchschnitts kein Ausgleichszeitraum im Voraus festgelegt worden war, geht Schwester S. davon aus, dass als Durchschnittszeitraum dann eine Woche gelten muss.

Folgerichtig verlangt Schwester S. für die in Woche 1 planmäßig geleisteten 50 Stunden für 11 Stunden Überstunden-Entgelt plus Überstundenzeitzuschläge.

Die ihr in Woche 2 zu wenig abverlangten 11 Stunden sieht sie für verfallen an.

Wie ist ihre Situation zu beurteilen?

RK

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4 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17427 Beiträge, 6485x hilfreich)

Zitat (von RrKOrtmann):
Wie ist ihre Situation zu beurteilen?
be
Die umtriebige Schwester S wird von ihrem AG einen ablehnenden Bescheid für ihre Forderungen kommen und steht dann vor der Frage, ob sie sich an die caritas-interne Schlichtung wendet oder gleich das Arbeitsgericht bemüht. Alternative: sie gibt Ruhe.

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#2
 Von 
RrKOrtmann
Status:
Lehrling
(1531 Beiträge, 672x hilfreich)

Zitat (von blaubär+):
Die umtriebige Schwester S wird von ihrem AG einen ablehnenden Bescheid für ihre Forderungen kommen


Mit welchen Begründungen wollte ein Rechtsberater des Arbeitgebers diesen überzeugt haben können, dass die Ausführungen von Schwester S. ihren Anspruch nicht tragen?

RK

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#3
 Von 
blaubär+
Status:
Weiser
(17427 Beiträge, 6485x hilfreich)

Eine gestandene Abteilung Personalwesen braucht dafür doch keine Rechtsberatung; sie verweist auf AVR, BV und AV und gut iss - benötigt nicht einmal drei Wochen dazu.

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#4
 Von 
RrKOrtmann
Status:
Lehrling
(1531 Beiträge, 672x hilfreich)

Zitat (von blaubär+):
Abteilung Personalwesen braucht keine Rechtsberatung


Der Arbeitgeber darf sich bis zum wirtschaftlichen Ruin in jeder Kleinigkeit rechtsberaten lassen, wenn er das möchte. Also:

"Mit welchen Begründungen wollte ein Rechtsberater des Arbeitgebers diesen überzeugt haben können, dass die Ausführungen von Schwester S. ihren Anspruch nicht tragen?

"Personalwesen verweist auf AVR, BV und AV und gut iss"

Aber ein vom Arbeitgeber hinzugezogener Rechtsberater wird seinen Auftraggeber nur mit vernünftigen fundierten ausführlichen Begründungen überzeugen wollen, und gerade nicht in TikTok-Schnipsel-Manier mit kurzen flapsigen Floskeln à la "nach AVR, BV und AV sind wir im Recht, und jetzad a Ruh iss!".

RK

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