Hallo,
gibt es eine gesetzliche Grundlage, dass von einer Aushilfe im Einzelhandel bei regulärem Arbeitsbeginn von zB. 9 Uhr verlangt werden kann, dass diese um 8.45 Uhr fertig umgezogen mit der Arbeit beginnt und wenn 13 Uhr Arbeitsende ist, dass dann bis 13.15 Uhr weiter gearbeitet werden muss?
Bezahlt wird von 9 bis 13 Uhr.
Das geht jetzt schon seit einem halben Jahr so und alle Mitarbeiter in der Filiale (10 Leute) müssen diese tägliche halbe Stunde dem Arbeitgeber schenken.
Bei einer 100 Stunden Stelle kommen so ca. 11 unbezahlte Überstunden hinzu, die auch nicht mit Freizeit abgegolten werden.
Der Mindestlohn wird so auch unterschritten.
Oder liegt hier ein Verstoß gegen § 266a StGB
(Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen) vor und ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz?
In diesen Viertelstunden wird in der Regel nichts anderes gemacht, wie sonst auch zB. Kleidung sortieren, Kassieren usw.
-- Editiert von tom2143 am 20.11.2017 01:14
Unbezahlte Viertelstunde vor und nach der Arbeit Pflicht?
Arbeitsrechtlicher Notfall?
Arbeitsrechtlicher Notfall?
Zitat:
gibt es eine gesetzliche Grundlage, dass von einer Aushilfe im Einzelhandel bei regulärem Arbeitsbeginn von zB. 9 Uhr verlangt werden kann, dass diese um 8.45 Uhr fertig umgezogen mit der Arbeit beginnt und wenn 13 Uhr Arbeitsende ist, dass dann bis 13.15 Uhr weiter gearbeitet werden muss?
Nein. Aber es gibt eine gesetzliche Grundlage, daß diese Arbeitszeit auch nachträglich noch bezahlt werden muss.
Zitat:
Bei einer 100 Stunden Stelle kommen so ca. 11 unbezahlte Überstunden hinzu, die auch nicht mit Freizeit abgegolten werden.
Der Mindestlohn wird so auch unterschritten.
Oder liegt hier ein Verstoß gegen § 266a StGB (Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen) vor
Nein, die Sozialversicherungsbeiträge werden ja auf das tatsächlich gezahlte Gehalt fällig.
Zitat:und ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz?
Wenn der greift und wenn er unterschritten wird: ja.
Möglicherweise gehört sogar schon das Umkleiden zur AZ (wenn es mehr ist, als den Kittel über zu streifen und wenn der AG anordnet, dass das Umkleiden im Betrieb zu erfolgen habe) dazu Haufe: https://www.haufe.de/personal/arbeitsrecht/arbeitskleidung-umziehen-und-duschen-als-bezahlte-arbeitszeit_76_316644.html
Und 'Arbeit' ist nicht nur das konkrete Tun im Job, sondern genau so Wartezeit, die Bereitschaft, jederzeit die Tätigkeit auszuüben. Folglich kann AG nicht bestimmen, dass vorher und nachher extra und unbezahlt zu arbeiten sei.
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ZitatDas geht jetzt schon seit einem halben Jahr so :
Mal nach Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag Ausschau halten.
ZitatMal nach Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag Ausschau halten. :
Zur Ergänzung:
Das ist nur wichtig für eventuelle Lohnnachforderungen, ändert aber nichts daran, dass die halbe Stunde entweder zu vergüten ist, oder Ihr sie nicht ableisten müsst.
Vielen Dank für eure hilfreichen Antworten.
Nur ein was noch:
Im § 266a StGB
wird ausdrücklich erwähnt, dass es zur Tatbestandsverwirklichung ausdrücklich nicht darauf ankommt, ob tatsächlich Lohn an den Mitarbeiter gezahlt worden ist.
Im Abschnitt 2 des § 266a StGB
wird sogar verschärfend ausgeführt, dass auch der Arbeitgeber bestraft wird, der für die korrekte Berechnung erforderlichen Tatsachen unrichtig oder unvollständig angibt oder diese komplett verschweigt.
Überstunden komplett verschweigen wäre ja so etwas und das wildfremde Mitarbeiter freiwillig umsonst arbeiten ist auch sehr unwahrscheinlich.
Und wenn man diesen Paragraphen so einfach umgehen könnte, indem man Überstunden nur nicht so nennt, dass würde der Gesetzgeber vermutlich nicht zulassen.
Auch in Abschnitt 2 wird noch mal ausdrücklich erwähnt, dass es auf Zahlung des Lohnes an den Mitarbeiter nicht ankommt.
Ich habe sogar von einem Strafverfahren gelesen, in der der Staatsanwalt Anklage wegen § 266a StGB
erhoben hat.
Das Interessante hierbei, es war ein Familienbetrieb in dem der Sohn und ein weiterer Meister gewollte unbezahlte Überstunden geleistet haben.
In Abschnitt 4 des § 266a StGB
wird von Fällen, in dem großer Schaden angerichtet wird gesprochen.
Sehr interessant den Paragraphen komplett zu lesen finde ich.
Wobei ich jetzt nicht näher recherchiert habe, ab wann von einem großen Schaden gesprochen werden kann. Allerdings kommen gesetzt den Fall, mehrere Filialen in der Kette handeln so, schon einiges zusammen.
Ich habe jetzt noch raus gefunden, das laut §3 Mindestlohngesetz jegliche Umgehungen verboten sind.
Wie zB. das laut Arbeitsvertrag Überstunden nach 2 Monaten verwirkt sein sollen, sowas wäre unwirksam, wenn der Mindestlohn dann unterschritten wird.
Wortlaut:
Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.
ZitatWie zB. das laut Arbeitsvertrag Überstunden nach 2 Monaten verwirkt sein sollen, sowas wäre unwirksam, :
Nö, da hat man was falsch interpretiert.
Der Mindestlohn bezieht sich auf den Stundenlohn.
Ich wollte Euch nur mitteilen, dass die Stunden schon lange (relativ schnell nach Darstellung der Rechtslage) komplett bis auf den letzten Cent nachgezahlt wurden.
Grundlage war:
1. § 3 Mindestlohngesetz (Mindestlohn verjährt nach 3 Jahren, andere Vereinbarungen sind unzulässig)
2. § 266a StGB
(keine Lohnnebenkosten abgeführt)
3. Verdacht des Betruges, da möglicherweise von Anfang geplant war arbeiten zu lassen, ohne zahlen zu wollen, bzw. den Eindruck zu erwecken, dass alles so seine Richtigkeit hat, mit der Folge, dass die Mitarbeiter Ihren rechtmäßigen Lohn nicht einfordern.
4. Benachteiligung der Mitbewerber, welche sich an Gesetze halten
Fazit: Wenn Stunden nicht gezahlt werden, man aber keinen Streit auf Arbeit möchte, würde ich einfach 2,5 Jahre so arbeiten und dann nachfordern.
Da Mindestlohn insoweit erst nach 3 Jahren verjährt und sich der Arbeitgeber erheblichen Gefahren aussetzt, weil er zu wenig Krankenkassen- und Rentenbeiträge abführt.
Denn diese Beiträge werden sofort am Monatsende fällig, da die Arbeit geleistet wurde, nicht erst wenn der AG gedenkt zu zahlen.
Natürlich müssen hier handfeste Beweise gesichert werden, wann genau mehr gearbeitet wurde (Stechkarten, Zeugen usw.)
-- Editiert von tom2143 am 29.09.2018 08:10
Schön und zufrieden stellend. Und schön auch, dass du das Ergebnis mitteilst.
Dann kann der Threat aber auch geschlossen werden, oder?
Ich habe noch vor Ansprüche (wenn ich mal Zeit habe) nach § 288 Abs. 5 BGB
geltend zu machen.
Da würde ich gerne noch das Ergebnis mitteilen, deswegen könnte man den Tread noch offen lassen.
Generell wäre ein Offenlassen für weitere Diskussionen sinnvoll, da og. Problem gar nicht so selten ist
Vorweg Danke für die Rückmeldung! Es ist immer hilfreich hier zu erfahren, wie es weitergeht.
Ein Offenlassen des Threads wird hier wohl eher wie üblich dazu führen, dass ein Durcheinander entsteht, weil viele User einfach die Ausgangsfrage beantworten wollen, ohne auf das Datum zu achten. Ich bin für Schließen.
Wie das mit dem Schadensersatz weiter geht, wäre denke ich auch interessant, denn man hat ja schon ganz schön Arbeit damit, sich zu Informieren, einen Schriftsatz auszuarbeiten und dann noch mit der Geschäftsleitung rumzudiskutieren.
Da wäre es unfair, wenn sich der Arbeitgeber nur zurücklehnt und nach Diskussionen endlich das zahlt, was er sowieso müsste.
Deswegen ist das mit den vom Gesetzgeber eingeführten Schadensersatz nur gerecht, zumal die Gebühr für jeden einzelnen Verstoß extra ausgelöst wird.
Und die Gerichte es seit 2016 ausdrücklich bejahen, dass § 288 Abs. 5 BGB
auf Arbeitsverhältnisse Anwendung findet (auch wenn nur teilweise zu wenig gezahlt wird).
Btw: Ich lese immer die Treads komplett, um zu sehen, wie sich alles entwickelt und antworte dann, sonst antwortet man möglicherweise an der Frage vorbei.
ZitatDeswegen ist das mit den vom Gesetzgeber eingeführten Schadensersatz nur gerecht, zumal die Gebühr für jeden einzelnen Verstoß extra ausgelöst wird. :
Und die Gerichte es seit 2016 ausdrücklich bejahen, dass § 288 Abs. 5 BGB auf Arbeitsverhältnisse Anwendung findet (auch wenn nur teilweise zu wenig gezahlt wird).
Leider eine schlechte Nachricht diesbezüglich, denn bis und mit erster Instanz sind im Arbeitsrecht die Kosten von den jeweiligen Parteien selber zu bezahlen:
Zitat:
Der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sorgte nun für Klarheit in der Praxis, indem er die Klage [auf Schadensersatz] eines Arbeitnehmers abwies (Urt. v. 25.09.2018, Az. 8 AZR 26/18 ). Bisher liegt nur die Pressemitteilung der Erfurter Richter vor. Darin begründen sie ihre durchaus praxisgerechte Entscheidung so:
§ 12a Abs. 1 S. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) schließe als Spezialregelung nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch (der Anwaltskosten) der obsiegenden Partei in der ersten Instanz aus, sondern auch einen entsprechenden materiell-rechtlichen Anspruch auf Kostenerstattung. Und als solcher sei auch der Anspruch auf Verzugspauschalen nach § 288 Abs. 5 S. 1 BGB einzuordnen.
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bag-8azr2618-keine-verzugspauschale-im-arbeitsrecht/
Vielen Dank für das letztinstanzliche frische Urteil.
Schön das es hier nun endlich Klarheit gibt.
Mir war die Problematik mit dem § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG
bekannt und dass es bis letzte Woche lediglich bis zum Landesarbeitsgericht ausgeurteilt war.
Dann kann man die Sache jetzt auch gedanklich abschließen
und der Thread geschlossen werden.
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