Wie eine Zeitarbeitsfirma dafür sorgen kann, dass niemand Kurzarbeitergeld bekommt

22. April 2020 Thema abonnieren
 Von 
Sven25
Status:
Frischling
(15 Beiträge, 0x hilfreich)
Wie eine Zeitarbeitsfirma dafür sorgen kann, dass niemand Kurzarbeitergeld bekommt

Hallo,

bin bei einer großen Zeitarbeitsfirma/Personaldienstleister mit vielen Zeitarbeitern in Teil- und Vollzeit. Die Firma bezieht seit März 2020 Kurzarbeitergeld bezieht und es gibt dort diese Praxis, die dazu führt, dass viele kein Kurzarbeitergeld bekommen:

Beispiel: Ein Kunde braucht für alle Tage im März 2020 außer sonntags jemanden an einer Supermarktkasse, weil seine Mitarbeiter an Covid erkrankt sind und wo es auch noch keine Schutzmaßnahmen gibt. Es ist der einzige Job, der gerade durch die Zeitarbeitsfirma angeboten wird, weil die ganze Gastro-Branche geschlossen hat.

Wie wird dieser Job nun an die Zeitarbeiter vergeben und wie führt es zur Sperrung fürs Kurzarbeitergeld?

Fast nie wird eine Mail herumgeschickt, wer den Job macht. Aber es gibt eine Job-App für die Zeitarbeiter, wo dieser Job normalerweise aufgelistet wird und sich jemand bewerben kann, der den Job machen will.

Manchmal ruft das Zeitarbeitsbüro aber sofort seine Zeitarbeiter an, wie in diesem Fall, ohne den Job für alle anzuzeigen und fragt einen direkt, ob man den Job macht. Bei Ablehnung wird das als Arbeitsverweigerung vermerkt und dann bekommt den ganzen Monat kein Kurzarbeitergeld, „weil man hätte ja diesen Kassenjob für alle Tage machen können".

Auf der Lohnabrechnung für März steht dann in den 31 Tageskästen, wo normalerweise die Stundenanzahl festgehalten wird, ein AV (Arbeitsverweigerung) außer für die Sonntage im Monat. (Es gibt kein Kurzarbeitergeld für Sonntage übrigens, also geschenkt)



Folgende Probleme sind doch hier:

Das Büro kann 99 Leute anrufen und erst der 100. nimmt den Job an. Dann bekommen 99 Leute kein Kurzarbeitergeld. Hätte das Büro die Person angerufen, die den Job machen will, würden alle Kurzarbeitergeld bekommen.

Hätte die Zeitarbeitsfirma auf eine Bewerbung auf diesen Supermarktjob über App oder Mail gewartet, hätten alle Kurzarbeitergeld bekommen.

Hätte die Zeitarbeitsfirma, dem Kunden gesagt, dass sie keinen finden und den Auftrag storniert, hätten alle Kurzarbeitergeld bekommen.

Zudem ist das Problem, dass das Büro einen zu Jobs verpflichten kann, die sich nicht lohnen, weil die Anfahrt länger dauert, als der Job geht und die Fahrkosten höher sind, als der Job an Verdienst einbringt. Das heißt, sie können einen immer wieder auch Jobs anbieten, die man ablehnen muss und dann bekommt man kein Kurzarbeitergeld.

Gängige Praxis ist auch, dass man einfach ohne Zusage für einen Job eingetragen wird. Machen sie gerne, wenn man nicht ans Telefon geht. Lehnt man diesen Job dann ab, gibt es für die eingetragenen Arbeitstage kein Kurzarbeitergeld.

Normalerweise hatte eine Arbeitsverweigerung nie eine Konsequenz, weil man durch eigene Auswahl an Jobs versuchte auf seine vertraglich vereinbarten Stunden zu kommen. Jetzt ist die Konsequenz, dass es kein Kurzarbeitergeld gibt.

Somit sind der Willkür durch den Arbeitgeber Tür und Tor geöffnet. Die Personaldisponenten sind unsere Gottkönige und richten unser Schicksal, ob wir unsere Mieten zahlen können oder nicht.

Weitere Details:

Ein 450 Euro Job hilft leider nicht, weil das zu mehr abgelehnten Einsätzen führen wird und dieser sowieso durch das Kurzarbeitergeld abgezogen wird, falls die Zeitarbeitsfirma mal so gnädig ist und keine abgelehnten Einsätze aufschreibt.

Und Sonntage sind von Kurzarbeitergeld ausgeschlossen, obwohl unsere Firma uns „zwingen" kann, sonntags zu arbeiten, indem sie einen fragen, ob man da arbeiten kann oder einfach eintragen. Arbeitsverweigerung kann übrigens zur Kündigung führen, also auch so können sie uns jederzeit kündigen, indem sie das aufschreiben.

Laut Vertrag müssen wir alle Arbeiten annehmen.


Ich hoffe, dass war jetzt keine Anleitung für fiese Personaldisponenten. Ich glaube, die schneiden ihrer Firma dadurch sowieso ins eigene Fleisch, wobei deren Gehalt unberührt bleibt. Es ist auf jeden Fall hochgradig unfair und ich wünschte, ich wäre nicht ans Telefon gegangen, um den Job abzulehnen.


tl;dr: Zeitarbeitsfirma kann euch abgelehnte Einsätze aufschreiben und ihr bekommt weder Lohn noch Kurzarbeitergeld.

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5 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
guest-12330.04.2020 12:15:00
Status:
Student
(2415 Beiträge, 604x hilfreich)

Viel Text für eine einzige relevante Aussage.

Zitat (von Sven25):
Bei Ablehnung wird das als Arbeitsverweigerung vermerkt
Wieso meinen Sie, eine Einsatzstelle einfach ablehnen zu können? Sie haben doch wohl einen Arbeitsvertrag mit der Zeitarbeitsfirma und diesen haben Sie zu erfüllen.

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#2
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(119504 Beiträge, 39733x hilfreich)

Zitat (von Sven25):
Zeitarbeitsfirma kann euch abgelehnte Einsätze aufschreiben und ihr bekommt weder Lohn noch Kurzarbeitergeld.

Das nennt sich dann erst mal Arbeitsverweigerung. Wer nicht arbeiten will bekommt kein Geld.



Zitat (von Sven25):
Normalerweise hatte eine Arbeitsverweigerung nie eine Konsequenz

Nett, aber ich fürchte da wird man nur schwerlich einen Anspruch in Form "betriebliche Übung" raus ableiten können.



Zitat (von Sven25):
Hätte das Büro die Person angerufen, die den Job machen will, würden alle Kurzarbeitergeld bekommen.

Ja, nur ohne Hellseher - wie soll man da die 99 die "kein Bock" haben rausfiltern können?



Zitat (von Sven25):
Gängige Praxis ist auch, dass man einfach ohne Zusage für einen Job eingetragen wird. Machen sie gerne, wenn man nicht ans Telefon geht. Lehnt man diesen Job dann ab, gibt es für die eingetragenen Arbeitstage kein Kurzarbeitergeld.

Das dürfte rechtswidrig sein.



Zitat (von Sven25):
Somit sind der Willkür durch den Arbeitgeber Tür und Tor geöffnet.

Nö, es gibt Gesetze und es gibt Gerichte die notfalls für die Einhaltung der Gesetze sorgen.


Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

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#3
 Von 
Schalkefan
Status:
Lehrling
(1269 Beiträge, 211x hilfreich)

Das sehe ich genauso.
Nur weil es bisher wegen einer Fülle von Jobs die bequeme Möglichkeit gab, sich den "passendsten" selber auszusuchen, so ist das doch keine Garantie auf die Ewigkeit.

Bis vor kurzem hatte ich selber noch bei einer ANÜ gearbeitet (Ok, ich hätte keine wechselnden Einsätze, weil der Entleiher mich die ganze Zeit beschäftigt hatte, aber es hätte auch anders sein können).
In meinem Vertrag steht klipp und klar - und so wird es auch bei allen anderen ANÜ sein - dass ich innerhalb eines bestimmten Radius (und der hätte durchaus auch mit sehr länger Anfahrt sein können) eingesetzt werden kann. Das unterschreibst man, und mir war das auch völlig bewusst. Wie man da auf die Idee kommen kann, einen Einsatz einfach abzulehnen, zu dem man sich vertraglich verpflichtet hat, erschliesst sich mir nicht. Was soll das denn sonst sein, wenn nicht Arbeitsverweigerung?

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
Sven25
Status:
Frischling
(15 Beiträge, 0x hilfreich)

Es geht einfach nur um die Praxis, dass die nicht auf denjenigen warten, der den Job braucht, sondern willkürlich alle anrufen, ohne den Job für alle anzuzeigen/auszuschreiben.

Eine noch größere Humanität würde das Disponenten-Büro beweisen, wenn sie dann in dem Pool an Leuten, die den Job haben wollen, nochmal nachschauen, wer den Job am dringendsten braucht. Ich bräuchte ihn z.B. gar nicht und Covid spielt auch eine große Rolle, weil ich damit Leben aufs Spiel setzen würde aufgrund meines Umfelds.

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(119504 Beiträge, 39733x hilfreich)

Zitat (von Sven25):
Es geht einfach nur um die Praxis, dass die nicht auf denjenigen warten, der den Job braucht,

Ich glaube man hat da etwas wesentliches im Prinzip der Zeitarbeit nicht verstanden.
Es ist Arbeit zum Zeitpunkt X da, die muss gemacht werden. Auf denjenigen zu warten der den Job braucht ist da ziemlich weit an der Realität vorbei, so einen Luxus kann mam sich nicht leisten.



Zitat (von Sven25):
Eine noch größere Humanität

Man scheint Zeitarbeit irgendwie mit einer Caritativen Maßnahme zu verwechseln.
Ist es nicht, das ist knallhartes Geschäft. Wenn die Zeitarbeitsfirma nicht liefert, dann bekommt die nächste Zeitarbeitsfirma den Auftrag.


Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

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