Blaue Karte trotz Niederlassungserlaubnis?

25. März 2024 Thema abonnieren
 Von 
go662716-94
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 0x hilfreich)
Blaue Karte trotz Niederlassungserlaubnis?

Hallo zusammen!

Eigentlich besitze ich schon seit 15 Jahren eine Niederlassungserlaubnis nach 18c (1), möchte aber sehr gerne zusätzlich eine EU Blaue Karte (zum ersten Mal) beantragen, weil man jetzt damit die Eltern hierher holen darf. Die Voraussetzungenwären erfüllt. Meine Fragen wären:

1) Geht es prinzipiell gleichzeitig mit diesen zwei Aufenthaltstitel?
2) Wären die "Blaue-Karte-Eltern" dann freiwillig gesetzlich versichert wie die Rentner? Oder wird wirklich eine PKV zugemutet?

Vielen Dank im Voraus falls jemand Bescheid weiß oder Erfahrungen teilen könnte!

LG

-- Editiert von User am 25. März 2024 23:10

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3 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Felicite
Status:
Lehrling
(1251 Beiträge, 1513x hilfreich)

Zitat (von go662716-94):
1) Geht es prinzipiell gleichzeitig mit diesen zwei Aufenthaltstitel?

Schwierige Frage. Ich kenne ein Gerichtsurteil, in dem festgestellt wurde, dass es prinzipiell möglich ist, zwei verschiedene Aufenthaltstitel (AT) zu haben. Im Urteil wurden aber die Gründe dargelegt, weshalb gerade die vom Kläger beantragte Niederlassungserlaubnis (NE) als zusätzlicher Aufenthaltstitel gewährt werden soll. Dafür braucht es also eine Begründung, die nicht allein in den Vorteilen für den Antragsteller bestehen kann. Dass jemand mit einer NE einen zusätzlichen befristeten AT wollte, wäre da neu. Im Zweifel müsstest du versuchen, das gegen die Behörden durchzufechten (am besten vorher mit Beratung durch einen Fachanwalt).

Da die gesetzliche Regelung ganz neu ist, kann man auch noch kaum etwas zur Auslegung sagen. Ich wäre mir aber nicht so sicher, ob man mit einer zusätzlichen Blauen Karte EU Anspruch auf den erleichterten Familiennachzug hätte. Ich zitiere mal den neuen Absatz, § 36 Abs. 3 AufenthG:

Zitat:
(3) Den Eltern eines Ausländers, dem am oder nach dem 1. März 2024 erstmals eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte oder ein Aufenthaltstitel nach den §§ 18a, 18b, 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, nach § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 erteilt wird, kann eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilt werden; dies gilt auch für die Eltern des Ehegatten, wenn dieser sich dauerhaft im Bundesgebiet aufhält. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 1 kann nur erteilt werden, wenn die Voraussetzung nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 erfüllt ist.

Abgewartet werden muss hier, wie "erstmals" ausgelegt wird. Es werden verschiedene Aufenthaltstitel verbunden mit "oder" aufgezählt. Wenn einer der genannten Titel erstmals ab dem 1.3.24 für die Ausübung einer qualifizierten Arbeit erteilt wird, dann gilt die besondere Regelung beim Nachzug. Das kann man durchaus so interpretieren, dass es für Antragsteller gilt, die erstmals einen dieser AT für eine qualifizierte Beschäftigung erhalten. Es würde dann nicht gelten für Antragsteller, die früher schon einen AT nach § 18 hatten und nach dem 1.3. zu einer Blauen Karte wechseln.

Da du eine NE nach § 18 Abs. 1 hast, musst du vorher einen AT aus dem Bereich § 18 gehabt haben. Also solltest du erstmal abwarten, ob dir eine zusätzliche Blaue Karte überhaupt etwas bringen würde. Da kann man abwarten, bis z.B. Gesetzeskommentare oder Anwendungsbestimmungen für Behörden veröffentlicht werden oder bis es erste Urteile gibt, weil Leute vor Gericht gegangen sind.

Mit dem Gesetz sollen wohl zusätzliche Fachkräfte geworben werden. Es wäre schwer vorstellbar, dass der Gesetzgeber sich hier vorgestellt hat, dass man durch AT-Hopping in den Genuss der Regelung kommen soll. Aber manchmal erweist sich eine Gesetzeslücke erst dann, wenn sie (gerichtlich bestätigt) genutzt werden kann. Bei so "frischen" Gesetzen ist manches noch offen,

Zitat (von go662716-94):
2) Wären die "Blaue-Karte-Eltern" dann freiwillig gesetzlich versichert wie die Rentner? Oder wird wirklich eine PKV zugemutet?

Wieso "zugemutet"? Die gesetzliche Krankenkasse basiert darauf, dass die Menschen während ihren aktiven Arbeitsjahren viel einzahlen und dafür im Alter für geringe Beträge abgesichert sind. Da sollte es doch selbstverständlich sein, dass man im höheren Alter, wenn die Wahrscheinlichkeit von Krankheiten zunimmt, die Einnahmen aber geringer sind, nicht so einfach als Nutznießer in das (bereits arg strapazierte) Solidarsystem eintreten kann. Der Wechsel in die GKV ist auch für Deutsche ab einem gewissen Alter kaum mehr möglich. Es mag bei Ausländern Sonderregelungen geben je nach der Kassenmitgliedschaft in der Heimat, aber das ist nicht mein Gebiet (das wäre ein Fall für das Sozialversicherungs-Forum).

Eine zwingende Voraussetzung für einen Nachzug der Eltern wird im letzten Satz von § 36 Abs. 3 AufenthG nochmal betont:

Zitat:
Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 1 kann nur erteilt werden, wenn die Voraussetzung nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 erfüllt ist.

Normalerweise wird die Gültigkeit anderer Gesetze nicht in jedem Gesetz extra betont. Aber hier wird es besonders klar gemacht: § 5 Abs. 1 Nr. 1 besagt:

Zitat:
(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass
1. der Lebensunterhalt gesichert ist, (...)

Zum Lebensunterhalt gehört natürlich auch ausreichender Krankenversicherungsschutz.

-- Editiert von User am 26. März 2024 14:51

1x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
go662716-94
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 0x hilfreich)

Danke Felicite für so viel Zeit und Geduld! Bin sehr überrascht und beeindruckt, daß man in diesem Forum so ausführliche und professionelle Interpretation der Gesetze lesen kann.

Die "Eltern-Mitnahme-Regelung" ist für viele, vor allem Einzelkinder aus China, eine emotionale Herzenssache. Wenn es jetzt direkt mit jedem Wort im kalten Gesetzbuch konfrontiert wird, wirkt es besonders interessant leider auch oft schmerzhaft. Ich versuchte die Intention der Gesetzgeber zu verstehen und finde Du hast vollkommen Recht, daß es Lücken gibt und die Neuerungen bzgl. Blauer Karte sich noch in der Praxis zeigen müssen. Wir hatten bisher Erstgespräche mit drei RA geführt, allerdings ohne diesen Aspekt. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Das mit der PKV interessiert mich in sofern, als es eigentlich nicht zu der Blauen Karte passen kann. Sollte der Sinn der Gesetzänderung darin liegen, mehr Ausländer anzusprechen und die Schwellen zu senken, stimmen die Anpassungen an den Voraussetzungen, was das Einkommen und die Sprachkenntnisse angeht. Was den Eltern- sogar Schwiegerelternnachzug angeht soll auch ein großer Pluspunkt werden, wäre faktisch aber keiner. Es sei denn, die Zielgruppe ist ausschließlich Fachkräfte, die selber nicht besonders viel verdienen, deren Eltern sich aber die PKV (überhaupt finden! und auch) leisten können... Ich verstehe es voll und ganz, daß Deutschland nicht ein Sozialstaat für alle sein kann, die noch nie zum Wohlstand beigetragen haben. Aber die meisten Eltern (kann ich nur vermuten) geht's auch nicht darum, sich in Deutschland zu bedienen, sondern einfach nicht alleine im Altersheim zu sterben. (Auch vielen Dank für den guten Tipp mit dem Sozialversicherungsforum!) Aber seitens Gesetzgebung sollte man doch keine Hoffnung machen und sogar damit werben, ohne durchdacht zu haben. Ich hatte sehr gehofft, daß hinter § 36 Abs. 3 eine praktikable Lösung für die Krankenversicherung steht... Es bleibt spannend.

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
Anami
Status:
Unbeschreiblich
(37084 Beiträge, 6235x hilfreich)

Zitat (von go662716-94):
Das mit der PKV interessiert mich in sofern, als es eigentlich nicht zu der Blauen Karte passen kann.
Es gibt keine Blaue-Karte-Eltern, es gibt lediglich eine aktuelle Gesetzesänderung.

Zitat (von go662716-94):
Was den Eltern- sogar Schwiegerelternnachzug angeht soll auch ein großer Pluspunkt werden, wäre faktisch aber keiner.
Ich sehe das durchaus positiv, aber du würdest mE kein *neuer Zuwanderer mit Anspruch auf die BC* werden.

Idee:
Evtl. beantragst du mal mit deiner NE auch noch die BC ? Deine zuständige ABH wird dir antworten...
Und das wäre noch weit entfernt von etwaigem Familiennachzug mit unüberschaubaren Kosten.

Zitat (von go662716-94):
Aber die meisten Eltern (kann ich nur vermuten) geht's auch nicht darum, sich in Deutschland zu bedienen, sondern einfach nicht alleine im Altersheim zu sterben.
Ja, nur ist das auf die Entscheidung des Ausländers zurückzuführen, sein Herkunftsland und die Eltern zu verlassen, nicht auf den Gesetzgeber.

Zitat (von go662716-94):
Aber seitens Gesetzgebung sollte man doch keine Hoffnung machen und sogar damit werben, ohne durchdacht zu haben
Ich meine, der macht weder falsche Hoffnung noch Werbung, sondern ergänzt den seit 2007 mehrfach geänderten § 36 AufenthG mit dem neuen Abs. 3 .

Zitat (von go662716-94):
Ich hatte sehr gehofft, daß hinter § 36 Abs. 3 eine praktikable Lösung für die Krankenversicherung steht.
Hattest du gehofft, als Familienversicherter in der GKV dann auch die nachziehenden Eltern/Schwiegereltern mit in die Familienversicherung der GKV nehmen zu können?

Signatur:

Ich schreibe hier nur meine Meinung.

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