Berliner Testament etwas kompliziert

9. Oktober 2004 Thema abonnieren
 Von 
Purzelchen
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 0x hilfreich)
Berliner Testament etwas kompliziert

Ich schreibe hier für einen Freund. Die Familiengeschichte ist etwas verzwickt.
Seine Großeltern haben in Januar 2002 ein Berliner Testament verfasst und seinen Vater(das einzige Kind) als Schlußerben eingesetzt, es gibt keine Klausel für Veränderung nach dem Tod des Erstversterbenden. SIe mochten meinen Freund/ihr Enkelkind und seine Mutter bzw ihre Schwiegertochter nicht besonders.
Im Juli 2002 starb die Großmutter und der Großvater wurde ihr Vollerbe.
Im März 2003 verfasst der Großvater ein Testament in dem er seinen besten Freund als Alleinerben einsetzt, weil er sich mit seinem Sohn entzweit hat.
Im Dezember 2003 starb der Vater meines Freundes.
Im märz 2004 starb der Großvater.

Wer beerbt denn jetzt den Großvater? Ist sein eigenes Testament gültig, weil der begünstigte Dritte aus dem Berliner Testament vor seinem eigenen Tod weggefallen ist? Kann mein Freund anfechten?

Testament oder Erbe?

Testament oder Erbe?

Ein erfahrener Anwalt im Erbrecht gibt Ihnen eine vertrauliche kostenlose Einschätzung!
Ein erfahrener Anwalt im Erbrecht gibt Ihnen eine vertrauliche kostenlose Einschätzung!
Kostenlose Einschätzung starten Kostenlose Einschätzung starten



6 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
hh
Status:
Unbeschreiblich
(47640 Beiträge, 16839x hilfreich)

Auf jeden Fall hat Dein Freund einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbes.

Ob Dein Freund anfechten kann, hängt von der genauen Formulierung im Testament ab. In den meisten Fällen kann zwar der Überlebende das Erbe verbrauchen, wenn er es möchte, er darf jedoch keinen anderen Schlusserben einsetzen.

Ich sehe daher gute Chancen für eine Anfechtung. Abschließend müsste das aber ein Anwalt beurteilen.

0x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
peron30
Status:
Praktikant
(679 Beiträge, 105x hilfreich)

Ich sehe hier auch sehr gute Chancen. Die Großmutter hat ihren Willen bekundet, dass ihr Erbe über den Großvater auf den Sohn übergeht. Der Großvater kann bei einem gemeinsamen Testament im nachhinein nicht einseitig das Testament ändern und somit den Willen der Großmutter umgehen.
Wenn dein Freund Erbe deines Vaters geworden ist, sollte er umgehend einen Anwalt aufsuchen.

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
Purzelchen
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo,
vielen Dank für eure Antworten. Das mit dem Pflichtteilsanspruch ist schon klar, aber ich bilde mir ein, ich hätte irgendwo gelesen, dass wenn der begünstigte Dritte (in dem Fall der Vater meines Freundes) stirbt, die Bindungswirkung des überlenbende Ehegatten an das Berliner Testament aufgehoben ist.
Das Problem ist aber, dass der Großvater eben grade vor dem Tod seines Sohnes neu testiert hat. Wird dieses neue Testament dann mit dem Tod seines Sohnes wirksam?
Es ist alles sehr verwirrend, aber vielen Dank für die Antworten.

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
f!o
Status:
Schüler
(382 Beiträge, 85x hilfreich)

Ich denke die Sache ist hier eindeutig.

Das gemeinschaftliche so genannte "Berliner Testament" bindet beide Ehepartner, ist bereits zu Lebzeiten beider Partner schwieriger abzuändern oder zu widerrufen. Nach dem Tod eines Partners gewinnt die Bindung noch an Stärke und kann die Sicherung des gemeinsamen Willens auch im Falle einer Wiederheirat des überlebenden Partners erreichen.

Wechselbezüglichkeit verleiht dem gemeinschaftlichen Testaments seine besondere Bindungswirkung: Wer eine Verfügung aushebelt, hebelt damit auch die andere aus. Es ist etwa bei der Formulierung "Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein" nicht möglich, dem Ehepartner diesen Anspruch abzuerkennen, ohne auch sich selbst zu enterben. Die Nichtigkeit der einen Verfügung hat die Nichtigkeit der anderen zur Folge, wie § 2270 Absatz 1 BGB klarstellt. In dieser Weise können die verschiedensten Verfügungen in einem Testament zusammenhängen.

Die Wechselbezüglichkeit kann auch, wenn sie nicht ausrücklich aus dem Testament hervorgeht, nachträglich durch Auslegung festgestellt werden. Dies ist der Fall, wenn anzunehmen ist, dass eine Verfügung nicht ohne die andere getroffen worden wäre. Überdies stellt das Gesetz in § 2270 Absatz 2 BGB wiederum eine Vermutungsregel dahingehend auf, dass "im Zweifel" eine Wechselbezüglichkeit der Verfügungen dann anzunehmen ist, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken und für den Fall des Überlebens eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit einem der Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

Die im gemeinschaftlichen Testament festgelegten Schlusserben bleiben auch bei Familienstreitigkeiten oder bei erheblichem Zuwachs des Vermögens Schlusserben. Nur, weil ein Kind etwa mit dem überlebenden Elternteil Streit bekommt, darf das Elternteil das gemeinschaftliche Testaments noch lange nicht ändern. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass es dem gemeinschaftlichen Willen der Eltern entspricht, dass der überlebende Elternteil zu einer Änderung des Testaments berechtigt sein soll, wenn es nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehegatten zu einem Vermögenszuwachs oder zu Familienstreitigkeiten kommt (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg, Aktenzeichen: 6 U 51/99 ).

In diesem Fall liegen die Voraussetzungen des § 2270 Abs. 2 BGB vor, da in dem hier gegebenen sehr häufigen Fall, dass die Eheleute einander und für den Fall des Todes des überlebenden Ehegatten die gemeinsamen Kinder zu Erben einsetzen, ist nach § 2270 Abs. 2 BGB die Erbeinsetzung der Frau zugunsten des Erblassers wechselbezüglich sowohl mit der Erbeinsetzung des Erblassers zugunsten der Ehefrau als auch mit der Erbeinsetzung des Erblassers zugunsten der Kinder (vgl. BayObLG FamRZ 1988, 879 , 880).

In derartigen Fällen ist die erforderliche innere Abhängigkeit zwischen der gegenseitigen Einsetzung der Eheleute zu Alleinerben und der Einsetzung der Kinder zu Erben des Längstlebenden gegeben, weil in einer intakten Familie die Vorstellung herrschen dürfte, dass das im Zeitpunkt des Todes des längstlebenden Ehepartners vorhandene Vermögen von diesem auf die gemeinsamen Kinder übergehen soll. Dieses Ziel ist aber nur zu erreichen, wenn die hier beiderseitigen Verfügungen zugunsten der Kinder im Sinne einer Wechselbezüglichkeit miteinander verbunden sind. (vgl. OLG Oldenburg MDR 1998, 231 und Urteil vom OLG Hamm AZ 15 W 88/01 vom 27.09.2001).

Damit sollte das neue Testament einen klaren Verstoß gegen das Berliner Testament darstellen und ist damit unwirsam. Am besten Antrag auf Ausstellung eines Erbscheines stellen (möglichst notariell) und dann im Falle eines Erbstreites entsprechend begründen.

Es wäre sicherlich sinnvoll hier einen RA aufzusuchen.

Gruss!

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
f!o
Status:
Schüler
(382 Beiträge, 85x hilfreich)

Nochmal ein kurzer Nachtrag:

Habe gerade etwas im Anwaltshandbuch geblättert und bin noch auf folgendes gestossen:

In einem solchen Fall (gegenseitige Einsetzung zu Alleinerben und Schlusserbenstellung) im Berliner Testament ist dem Überlebenden nur gestattet, über das beiderseitige Vermögen unter Lebenden von Todes wegen frei zu verfügen, mithin also nur eine Vereinbarung unter Beteiligter Dritter mit Wirkung auf den Todesfall (vgl. Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht C.H. Beck 2002 Seite 1187), nicht jedoch eiseitige, letztwillige testamentarische Verfügungen.

0x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
Purzelchen
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo,
also vielen Dank, fühle mich noch leicht überrollt von der Fülle der Informationen. Es ist sehr nett, dass sich jemand so viel Mühe gibt um die Frage zu beantworten.
Vielen Dank nochmals

0x Hilfreiche Antwort

Und jetzt?

Für jeden die richtige Beratung, immer gleich gut.
Schon 268.149 Beratungen
Anwalt online fragen
Ab 30
Rechtssichere Antwort in durchschnittlich 2 Stunden
108.355 Bewertungen
  • Keine Terminabsprache
  • Antwort vom Anwalt
  • Rückfragen möglich
  • Serviceorientierter Support
Anwalt vor Ort
Persönlichen Anwalt kontaktieren. In der Nähe oder bundesweit.
  • Kompetenz und serviceoriente Anwaltsuche
  • mit Empfehlung
  • Direkt beauftragen oder unverbindlich anfragen
Alle Preise inkl. MwSt. zzgl. 5€ Einstellgebühr pro Frage.

Jetzt Anwalt dazuholen.

Für 60€ beurteilt einer unserer Partneranwälte diese Sache.

  • Antwort vom Anwalt
  • Innerhalb 24 Stunden
  • Nicht zufrieden? Geld zurück!
  • Top Bewertungen
Ja, jetzt Anwalt dazuholen