Wirksamkeit von Berliner Testament

29. Dezember 2019 Thema abonnieren
 Von 
Animis
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 2x hilfreich)
Wirksamkeit von Berliner Testament

Hallo liebe Foren-Gemeinschaft,

ich komme zu euch um eure Rechtsauffassung und eure Meinungen zu folgendem Sachverhalt zu erfahren. Vater A lebt mit Mutter B in Ehe, sie haben zwei gemeinsame Kinder C und D. Die Mutter B stirbt, bei der Testamentseröffnung wird im Wortlaut das folgende Berliner Testament eröffnet:

Zitat:
Wir, Herr A, geb. -.-.-, und Frau B, geb -.-.-, setzen uns im Falle des Todes des einen Ehepartners zum alleinigen Nacherben ein. Im Falle des Ablebens von Herr A und Frau B erfolgt folgende Erbteilung: Kind C, geb. -.--, erhält Haus und Grundstück W1 , . Kind D., geb. .-.-.-, erhält Haus und Grundstück W2 . Beiden Kindern werden außerdem die Eigentumswohnungen W3 und W4 vererbt, deren Besitz sie beide einvernehmlich regeln sollen. Wohnort, den -.-.-.


Das Testament ist wirksam und tritt laut Testamentseröffnung in Kraft. Keines der Kinder fordert einen Pflichtteil ein. Die Wohnung W1 wird an C per notarieller Schenkung überschrieben mit lebenslangem Nießbrauch für A. Gleichermaßen wird Wohnung W2 mit selbigen Bedingungen an D verschenkt.

Einige Jahre später heiratet der Vater A erneut. Seine neue Ehefrau ist Frau E., die alles tut um die Kinder vor dem Vater schlecht zu reden und ihn vollständig von der Familie isoliert und Kontakt unterbindet. Er verkauft die Wohnungen W3 und W4 und schenkt seiner neuen Ehefrau ein neues Haus und Grundstück in erheblichem Wert. Er verfasst ein neues Testament mit unbekanntem Inhalt.

Das wirft für uns als Familie die folgenden Fragen auf:

1. Handelt es sich bei obigem Testament um ein Berliner Testament das die gemeinsamen Kinder rechtlich als Schlusserben (zumindest für die genannten Wohnungen) einsetzt?

2. Ist es korrekt dass mit dem Tod der Mutter dieses Testament unveränderlich wirksam ist und der Vater A zumindest kein neues Testament mit widersprechendem Inhalt anfertigen kann? Nach unserem Kenntnisstand ist eine Anfechtung des alten Testaments nach Wiederheirat nicht erfolgt (die 1-Jahresfrist ist verstrichen).

3. Wie ist damit umzugehen, dass offensichtlich in größerem Umfang Vermögen an die Ehefrau E verschenkt wird? Nach unser Rechtsauffassung ist es so dass zumindest zu Lebzeiten von A hier nichts unternommen werden kann. Jedoch sollte es dann möglich sein Schenkungen die dem ursprünglichen Berliner Testament entgegen stehen rück-abzuwickeln?

4. Sind die Schenkungen von W1 und W2 an C und D die vor mehr als 10 Jahre erfolgt sind aufgrund des eingetragenen Nießbrauchs zu berücksichtigen? In anderen Worten: Beginnt die 10-Jahresfrist für Anrechnungen von Schenkungen (10% degressiv pro Jahr) erst mit Aufgabe des Nießbrauchs?

Ich liefere gerne noch weitere Informationen sofern irgendetwas unklar ist. Vielen Dank für eure Beiträge!

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2 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
hh
Status:
Unbeschreiblich
(47638 Beiträge, 16838x hilfreich)

Das Testament ist zwar wirksam, jedoch sehr unglücklich formuliert. Ich nehme aufgrund der Formulierung an, dass es sich um ein privatschriftliches Testament handelt.

Das geht damit los, dass sich die Ehegatten gegenseitig als Nacherben eingesetzt haben ohne einen Vorerben benannt zu haben. Ich vermute jedoch, dass bei beiden Ehegatten eine grobe Fehlvorstellung darüber bestand, was denn ein Nacherbe ist. Gemeint war wahrscheinlich Alleinerbe oder Vollerbe.

Die Erbeinsetzung der Kinder kann man auch so verstehen, dass sie nur bei gleichzeitigem Versterben beider Ehegatten gelten soll. Auch da gehe ich davon aus, dass das nicht gemeint war.

zu 1.: Darüber kann man sich prächtig streiten. Genau genommen sind die Kinder nämlich gar nicht als Erben eingesetzt worden, sondern nur als Vermächtnisempfänger.

zu 2.: Es ist richtig, dass das Testament unveränderlich ist. Allerdings steht der neuen Ehefrau die Möglichkeit der Testamentsanfechtung nach § 2079 BGB zu.

zu 3.: Aufgrund der unklaren Formulierungen im Testament erfordert es eine Auslegung dessen, was die Eltern tatsächlich gemeint haben. Dabei müsste die Auslegung zum Ergebnis führen, dass das Testament nicht entsprechend seines Wortlautes auszulegen ist. Das ist im konkreten Fall zwar durchaus denkbar, da die falsche Begriffsverwendung offensichtlich ist. Dennoch muss man davon natürlich auch einen Richter überzeugen.

Sollte es gelingen, das Testament als Berliner Testament mit Schlusserbeneinsetzung zu werten, da müsste es im nächsten Schritt zudem gelingen, die Schenkungen an die neue Ehefrau als böswillige Schenkungen im Sinne des § 2287 BGB werten zu lassen. Das alles ist durchaus möglich, aber kein Selbstläufer.

Im Hinblick auf eine mögliche Anfechtung nach § 2079 BGB wäre das Ganze aber ohnehin hinfällig, denn dann greift die gesetzliche Erbfolge. Der Beschluss des OLG Hamm vom 28.10.2014 (Az.: 15 W 14/14) behandelt einen ähnlichen Fall.

zu 4.: Für was sollen die Schenkungen berücksichtigt werden?

-- Editiert von hh am 29.12.2019 20:34

2x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
Animis
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 2x hilfreich)

Vielen dank schonmal für diese sehr sachdienlichen Hinweise. In der Tat handelt es sich um ein privatwirtschaftliches Testament.

Zitat (von hh):
Das geht damit los, dass sich die Ehegatten gegenseitig als Nacherben eingesetzt haben ohne einen Vorerben benannt zu haben. Ich vermute jedoch, dass bei beiden Ehegatten eine grobe Fehlvorstellung darüber bestand, was denn ein Nacherbe ist. Gemeint war wahrscheinlich Alleinerbe oder Vollerbe.


Ich denke auch dass diese Formulierung insgesamt sehr unglücklich ist, und Rechtsbegriffe hier falsch und unpassend verwendet werden. Vermutlich war wohl Alleinerbe oder Vollerbe gemeint, ja.

Zitat (von hh):
Die Erbeinsetzung der Kinder kann man auch so verstehen, dass sie nur bei gleichzeitigem Versterben beider Ehegatten gelten soll. Auch da gehe ich davon aus, dass das nicht gemeint war.


Das könnte man sicherlich so hineinlesen, auch hier wurde doppeldeutig formuliert. Dennoch würde ich sagen dass diese Interpretation sich nicht unbedingt zuvorderst aufdrängt, denn dann hätte man das Testament im Wesentlichen auch mit diesem Satz beenden können.

Zitat (von hh):
zu 1.: Darüber kann man sich prächtig streiten. Genau genommen sind die Kinder nämlich gar nicht als Erben eingesetzt worden, sondern nur als Vermächtnisempfänger.


Ich würde argumentieren, dass die Formulierung "Erbteilung" durchaus auf eine tatsächlich Erbabsicht abzielt, denn wäre nur ein Vermächtnis gemeint hätte man sicherlich bessere Formulierungen wählen können ("Ich vermache/hinterlasse meinem Kind ..."). Insofern muss man dieses Wort im Kontext sehen in dem es enstanden ist (nämlich in einem Laienkontext, "das Erbe wird wiefolgt geteilt" -> Erbteilung), und das spricht nach meiner Auffassung auch dafür dass hier eine Schlusserben-Regelung mit Einheitslösung vorliegt.

Weiterhin würde ich sagen, die Tatsache, dass nur kurz nach dem Tod der Mutter B, der Vater A die Wohnungen W1 und W2 notariell auf die Kinder überschrieben hat (mit Nießbrauch für A), bekundigt eindeutig den Willen die Kinder letztendlich zu begünstigen.

Zitat (von hh):
zu 2.: Es ist richtig, dass das Testament unveränderlich ist. Allerdings steht der neuen Ehefrau die Möglichkeit der Testamentsanfechtung nach § 2079 BGB zu.


Dieses müsste innerhalb von einem Jahr nach Kenntnis der Existenz des Berliner Testaments erfolgen, diese Frist ist nach meinen Informationen verstrichen. Allerdings ist es in der Praxis wohl schwer den Zeitpunkt der erstmaligen Kenntnis zu beweisen. Was gibt es hier für Möglichkeiten das zu beweisen?

Zitat (von hh):
Sollte es gelingen, das Testament als Berliner Testament mit Schlusserbeneinsetzung zu werten, da müsste es im nächsten Schritt zudem gelingen, die Schenkungen an die neue Ehefrau als böswillige Schenkungen im Sinne des § 2287 BGB werten zu lassen. Das alles ist durchaus möglich, aber kein Selbstläufer.


Welche wichtigen und häufigen Gründe gibt es die regelmäßig gegen eine "böswillige Schenkung" sprechen?

Zitat (von hh):
zu 4.: Für was sollen die Schenkungen berücksichtigt werden?


Die Frage ist ob diese beiden Schenkungen für mögliche Pflichtteilsergänzungsansprüche der Ehefrau E gegenüber den Kindern C und D relevant sind oder ob die Schenkungen bereits zu lange her sind. Denn so oder so bekommt E. am Ende ihren Pflichtteil wenn ich mich nicht täusche.

2x Hilfreiche Antwort

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