Konsequenzen aus Bodenreform- Urteil

26. Januar 2004 Thema abonnieren
 Von 
Zegna
Status:
Frischling
(9 Beiträge, 0x hilfreich)
Konsequenzen aus Bodenreform- Urteil

Sehr verehrte Damen und Herren,

ich wende mich an diese Forum in der Hoffnung ein Paar Antworten auf meine Fragen oder Kommentare von Personen mit ähnlichen Geschichten zu bekommen.

Zuerst möchte ich einmal den Gerichtsentscheid des europäischen Gerichtshofs fü Menschenrechte in der Sache Entschädigungszahlungen für Bodenreform-Opfer begrüssen.

Die erste Frage die sich mir hier stellt ist, was passiert eigentlich mit den ursprünglichen Eigentümern der Grundstücke und Immobilien, welche von der russichen Besatzungsmacht noch während oder nach 1945 enteignet wurden.

Die Bürger der ehemaligen DDR, welche durch die Bodenreform begünstigt wurden und Land zugesprochen bekamen,sind in meinen Augen ja nur die zweiten Opfer.

Mir sind Fälle bekannt, in denen Kleinkinder und Ehefrauen von ehemaligen Deutschen Bauern, welche im zweiten Weltkrieg zu Tode kamen, nachträglich enteignet worden sind. Dies obwohl die
natürliche Erbfolge schon eingetreten war.

Was passiert mit diesem Personenkreis, der schon damals ungerechtfertigt enteignet worden ist und bis heute auf Wiedergutmachung oder Entschädigung klagt?

Dieses Thema zieht sich nun schon circa 50 Jahre von einer Instanz
zur nächsten ohne das jemals eine vernünftige Entscheidung getroffen wurde.

Für Kommentare und Antworten bin ich dankbar.

Guten Tag.




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11 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
maître
Status:
Schüler
(316 Beiträge, 35x hilfreich)

Hallo Zegna,
es ist richtig, dass das Urteil des EGMR von letzter Woche nur die Erben sog. Neubauern betraf, d. h. Erben von Leuten, die im Zuge der Bodenreform Grundstücke zugeteilt bekommen hatten.
Die 1945-1949 entschädigungslos Enteigneten erhalten Entschädigung durch das Entschädigungs- und Ausgleichsgesetz. Allerdings liegt diese Entschädigung erheblich unter dem Verkehrswert. Genau darum wurde gestritten bis zum Bundesverfassungsgesetz, das aber das Gesetz bestätigt hat.
Nächste Woche findet eine mündliche Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Frage der Rechtmäßigkeit des o. g. Gesetzes statt. Nimmt der Gerichtshof die Beschwerden zur Entscheidung an, so wird der Ausgang ebenso spannend, wie das Urteil der letzten Woche. Es spricht viel dafür, dass der Erlass des Gesetzes eine Diskriminierung i. S. d. Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt.
Der Ausgang des EGMR-Verfahrens bleibt abzuwarten, vielleicht kommt diesmal eine "vernünftige" Entscheidung heraus ;) .

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#2
 Von 
Zegna
Status:
Frischling
(9 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo Maitre

ist Dein Wissen auf dem Gebiet professioneller Art oder verfolgst Du das Geschehen rein interessehalber.

Bi selber betroffener Enkel einer Familie die 1945 um 20
hektar Land gebracht wurde.

Meine Grossmuter ist damals (1945) schon von Pontius zu Pilatus gelaufen, um die Enteignung ohne Rechtsgrundlage (Ihr Mann, welcher bei der Wehrmacht war, war schon drei Monate tod bevor Sie und Ihre Kinder enteignet wurden) wieder rückgängig zu machen.

Mittlerweile ist sie nicht mehr unter uns und ich streite mich mit deutschen Ämtern.

Schönen Gruß

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
maître
Status:
Schüler
(316 Beiträge, 35x hilfreich)

Mein Interesse an den "Bodenreform-Prozessen" ist beruflicher Art, persönlich bin ich oder meine Familie nicht davon betroffen.

Konnten Sie denn schon Erfolge im Kampf mit den Ämtern erringen (wenigstens Entschädigungszahlungen nach dem Entschädigungs- und Ausgleichgesetz)?

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#4
 Von 
Zegna
Status:
Frischling
(9 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo Maitre,

bisher hat es keinerlei Erfolge mit Ämtern gegeben. Es gab keine Entschädigungszahlungen, weder nach dem Entschädings- noch nach dem Ausgleichsgesetz.

Da die Zahlen welche für Entschädigungen gehandelt wurden, so niedrig waren, ist dies bisher auch nicht angestrebt worden.

Bisher ist versucht worden den Weg über die Rehabilitation der damals Enteigneten zu gehen.

Vielleicht ein bischen mehr Hintergrund:

Die Enteignung meines "Großvaters" erfolgte im Dezember 1945. Ein mit Schreibmaschiene geschriebener Brief, welcher nicht unterzeichnet war ging bei meiner Großmutter im Dezember 1945 ein. Meine Großmutter bekam im Januar 1946 Post, mit der Nachricht das Ihr Ehemann im Oktober 1945 gestorben war.

Die Bodenreform welche die Enteignung jeglichen Grundbesitzes über 100 he vorsah, konnte bei meinen Großeltern eigentlich nicht rechtmäßig sein, da 1. der Grundbesitz unter 100 he groß war, und 2. mein Großvater zum Zeitpunkt der Enteignung schon tod war.

Darüber hinaus sind auch Grundstücke enteignet worden, die niemals meinem Großvater, sondern schon immer meinen damals noch sehr jungen Tanten gehört hatten, enteignet worden.

Meine Großmutter ist dann in der Zeit von 1946 bis 1949 bis zur russischen Generalkommandatur in Berlin gefahren um Ihr Eigentum und das meiner Mutter und Tanten wiederzubekommen. Ohne Erfolg.

Krönung des Ganzen war, dass meine Großmutter für eine neu angeschaffte Immobile nach der Enteignung noch die Tilgung und Zinsen bezahlt hat

Haus, Hof und Land wurden später aufgeteilt und verpachtet.

Ein Besuch beim Grundbucharchiv in Barby brachte nur die Erkenntnis das die für uns wichtigen Seiten mit Grundbuchauszügen für das enteignete Land, nicht vorhanden waren.

Das Land wird heute von mehreren Bauern und der Nachfolgegesellschaft der ehemaligen ortsansässigen LPG bewirtschaftet und die Pacht wird and die Treuhandgesellschaft überwiesen.

Gruß

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
Zegna
Status:
Frischling
(9 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo,

es wäre sehr hilfreich wenn andere Personen noch ein paar Kommentare schreiben könnten.

Danke

0x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
M. Grunow
Status:
Frischling
(4 Beiträge, 0x hilfreich)

Guten Tag Zegna,

neben Grundbesitz über 100 ha wurde im Rahmen der sog. "Demokratischen Bodenreform" in der SBZ auch jeglicher Grundbesitz mit allem darauf befindlichen Inventar von "Kriegsverbrechern und Kriegsschuldigen" (so z.B. in Art. II Nr. 2 der Verordnung über die Bodenreform in der Provinz Mark Brandenburg) konfisziert.

Die Begriffe "Kriegsverbrecher", "Kriegsschuldiger" etc. wurden zum Teil auf lokaler Ebene äußerst weit gefaßt. Selbst die Flucht vor der Roten Armee wurde mancherorts bereits als Zeichen des besonderen Eintretens für den Nationalsozialismus aufgefaßt (vgl. Boris Spix, Die Bodenreform in Brandenburg 1945 - 47, Münster 1997, Seite 51).

Es ist daher vorstellbar, daß die Eigenschaft, (bereits verstorbener) Angehöriger der Deutschen Wehrmacht gewesen zu sein, ausgereicht haben mag, um als "Kriegsschuldiger" enteignet zu werden.

Gruß,

M. Grunow

0x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
Zegna
Status:
Frischling
(9 Beiträge, 0x hilfreich)

Guten Tag Herr Grunow,

vielen Dank für den Beitrag erst einmal.
Das in einer Zeit, wie die des Kriegsendes so ziemlich alles vorstellbar war, ist mit Sicherheit nicht bestreitbar.

Aber ist es nach deutschem und heute auch nach europäischem Recht mit der Verfassung vereinbar, dass eine Frau mit drei Kindern zum damaligen Zeitpunkt (nach Kriegsende)enteignet wurde und das Land heute entschädigungslos im Besitz der Treuhandgesellschaft bzw. der Nachfolgegesellschaft verbleibt.

Ich habe da so meine Schwierigkeiten mit der Rechtsauffassung, welche in verschiedenen Behörden der Bundesrepublik usus ist.

Der Satz "Kriegsverbrechen wurden auf lokaler Ebene zum Teil sehr weit gefasst" interessiert mich im dertail. Könnte es zum Beispiel sein, dass eine Enteignung gar nicht von der russischen Besatzungsmacht angeordnet wurde, sondern von deutschen Opportunisten zum damaligen Zeitpunkt durchgeführt wurde und die Russen ein solches Verhalten duldeten?

Vielen Dank für Ihre Beiträge

Zegna

0x Hilfreiche Antwort

#8
 Von 
M. Grunow
Status:
Frischling
(4 Beiträge, 0x hilfreich)

Sehr geehrter Herr Zegna,
sehr verehrte Damen und Herren!

Es freut mich , daß mein Beitrag auf Interesse gestoßen ist.
Im Grunde ist es genauso geschehen, wie von Ihnen im letzten Absatz geschildert: Die Bodenreform wurde zwar von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) initiert, letztlich handelt es sich hierbei jedoch um Unrecht, welches zum größten Teil Deutschen von Deutschen zugefügt wurde.
Lassen Sie mich das näher ausführen.
Am 22./23. 08. 1945 erging (in Zusammenarbeit mit der SMAD) ein Direktive des Zentralkomitees der KPD zur Bodenreform. Ziel war die Auflösung des Großbauerntums als angeblichem "Hort der Reaktion".
Am 02. 09. 1945 hielt Wilhelm Pieck im Kreis Ostprignitz eine Rede, in dem die er der Forderung "Junkerland in Bauernhand" Ausdruck gab. Dieser Tag wird als offizieller Beginn der Bodenreform angesehen.
Zwischen dem 03. und dem 10. September ergingen dann in den Landes- und Provinzialverwaltungen der SBZ Verordnungen zur Bodenreform. Durchgeführt wurden diese durch deutsche Stellen - bedeutsam vor allem: Die Bodenkommissionen auf Gemeinde-, Kreis- und Provinzebene sowie die jeweiligen KPD-Ortsgruppen.
Der von Ihnen geschliderte Sachverhalt bildet ein examplarisches Beispiel für das damalige Vorgehen; bishin zu den nicht auffindbaren Passagen im Grundbuch, jene wurden nämlich generell unkenntlich gemacht oder gar vernichtet, um den "Neubauern" so etwas wie Rechtssícherheit zu vermitteln.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist der Ausschluß der Restitution des damals enteigneten Grundbesitzes deshalb nicht verfassungswidrig, da das Grundgesetz erst 1949 in Kraft trat und erst von diesem Zeitpunkt an Wirkung entfaltet.

Sie stehen mit Ihrer entgegen gesetzten Auffasung jedoch nicht allein da. Obige Rechtsprechung wurde in Vergangenheit häufiger angegriffen.

Momentan läuft vor dem Europäischen Gericht für Menschenrechte ein Verfahren über die Neubauern-Problematik, welches in diesem Jahr zu einer Entscheidung kommen wird. Vielleicht ergeben sich hieraus ja neue Perspektiven bezüglich der Bodenreformgeschädigten.

Mit freundlichem Gruß,

Grunow

-- Editiert von M. Grunow am 14.03.2005 19:44:48

0x Hilfreiche Antwort

#9
 Von 
Zegna
Status:
Frischling
(9 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo Herr Grunow,

die Perspektivlosigkeit hat Formen angenommen. Mit dem Beschluß des EUGH am 30.03.2005 ist aus dem Unrecht der deutschen Politik und ihrem Verhalten Recht geworden. Mit Unverständnis habe ich die Entscheidung zur Kenntnis genommen.

Muss ich mich mit dieser Entscheidung jetzt abfinden oder gibts es noch andere Möglichkeiten?

Für jeden Rat bin ich dankbar.

Einen schönen Tag.



-----------------
" "

0x Hilfreiche Antwort

#10
 Von 
JuR
Status:
Unparteiischer
(9878 Beiträge, 1430x hilfreich)

Guten Morgen,

Sie sind an das Urteil gebunden, welches Schadensersatzforderungen gegen den Bund ausschliesst.


Mit freundlichen Grüßen,

- Roenner -


0x Hilfreiche Antwort

#11
 Von 
M. Grunow
Status:
Frischling
(4 Beiträge, 0x hilfreich)

Guten Tag,

in der Tat bedeutet die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 30.03. in rechtlicher Hinsicht das abschließende Ende der Streitfrage "Bodenreform", da der Rechtsweg nunmehr ausgschöpft ist.

Es bleiben daher für die Betroffenen grundsätzlich nur die Leistungen nach Ausgleichsleistungsgesetz.

Darüber hinaus interessant ist jedoch das "Gesetz über die Aufhebung rechtstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche " (Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz, Bundesgesetzblatt 1997 Bd I, S. 2144).
Vielleicht wissen hierzu andere Forumteilnehmer besser Bescheid als ich; wenn ich das jedoch richtig sehe, so dient dieses Gesetz auch und gerade der Aufhebung von einzelnen Enteignungsexzessen (d.h. solcher Enteignungen im Zuge der Bodenreform, die soagr gegen die damaligen Vorschriften verstießen) vor 1949.

In § 1 I 1 VwRehaG heißt es denn auch: Die hoheitliche Maßnahme einer deutschen behördlichen Stelle zur Regelung eines Einzelfalls ...(im Beitrittsgebiet)...aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1949, die zu ... einem Eingriff in Vermögenswerte ... geführt hat, ist auf Antrag aufzuheben, soweit sie mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar ist und ihre Folgen noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken.
§ 7 besagt in Absatz 1 Satz 1, daß sich die Rückübertragung, Rückgabe oder Entschädigung nach dem Vermögensgesetz richtet (welches ja eigentlich für Bodenreformopfer gerade nicht gilt, vgl. § 1 Abs. 8 lit. a VermG).

Ich glaube, es gibt sogar Fälle, in welchen aufgrund dieser rechtlichen Grundlage ausnahmsweise doch dem Restitutionsbegehren stattgegeben wurde.
Daß dieser Problemkreis noch nicht gänzlich aus der Welt ist, zeigt sich auch daran, daß es Banken gibt, welche die Ansprüche ehedem Enteigneter (mit einem gewissen Abschlag) aufkaufen und diese im eigenen Namen durchzusetzen versuchen.

Mit freundlichem Gruß,

M. Grunow

-- Editiert von M. Grunow am 07.04.2005 17:03:41

-- Editiert von M. Grunow am 07.04.2005 17:06:06

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