Kindeswohlgefährung durch Beschluss Jugendamt

19. Juni 2013 Thema abonnieren
 Von 
KingsGuardian
Status:
Frischling
(1 Beiträge, 0x hilfreich)
Kindeswohlgefährung durch Beschluss Jugendamt

Hallo,
ich betreue im Rahmen meiner Tätigkeit als innewohnender Erzieher bei einem Kinderdorf seit 2009 6 Kinder. Dabei unterstützen mich 2 hinzukommende Teilzeitkräfte. Ich lebe mit meiner Frau in einer Dienstwohnung, an 365 Tage (abzüglich meiner Urlaubstage) im Jahr gemeinsam mit den betreuten Kindern. Wir sind vom Ansatz her eine Pflegefamilie XXL.

Seit 3,11 Jahre betreuen wir u.a. auch 2 Geschwister (C w. 6,2 J, P m. 7,5 J). Beide Kinder sind zu 100% bei uns angekommen. Sie sind emotional und seelisch voll mit uns und unserer Lebenswelt verwurzelt. Im Jahr 2010 beantragte die sorgeberechtigte KM beim Familiengericht die Rückführung in ihren Haushalt. Das Gericht ließ ein psychologische Gutachten erstellen. Ergebnis: keine Rückführung möglich, da die Belastungen und der psychische Gesundheitszustand der KM dies nicht zulassen. Dies wurde im Januar 2012 beim Familiengericht als Beschluss verfasst. Die Sozialarbeiterin des einweisenden Jugendamtes vertritt bis heute auch diese Meinung. Wir auch, obwohl wir die KM nicht so lange wie die Sozialarbeiterin kennen.
Im Oktober 2012 verzog die KM in ein anderes Bundesland. Die Zuständigkeit des Jugendamts wechselte. Der neue Sozialarbeiter vertritt die Meinung, jeder hat eine 2. Chance verdient, obwohl die KM in den vergangenen 4 Jahren nichts getan hat (laut Hilfeplan sollte sie z.B. an einer Erziehungsberatung teilnehmen etc.). Der Grund der Herausnahme war im übrigen der desolate Gesundheitszustand der KM. Damit kam sie jedoch der Herausnahme durch das JA zuvor. Es lagen schon mehrere Anzeigen wegen Kindeswohlgefährdung vor. Die Unterbringung in unser Familienwohngruppe erfolgte sehr bewusst.

Das neue Jugendamt beschloss Ende 11/2012 das Fernziel der Rückführung. Als erster Schritt sollten die Kinder bis März 2013 an jedem ersten Wochenende des Monat bei der KM und deren neuen Lebensgefährten übernachten. Die Leistungen des älteren Kindes in der Schule ließen sofort nach. Im März wurde ich zu einem Lehrergespräch gebeten. Beide Kinder erschienen merklich desolater und kleinkindhafter. Die Auswertung der Umgänge im März entfielt. Auf die Defizite (Hausaufgaben müssen in der Bahn erledigt werden, die Kinder haben kein eigenes Zimmer, müssen die Betten räumen wenn die Tochter des Lebensgefährten zu Besuch ist, Essen wird ins Kinderzimmer gestellt, TV ist frei verfügbar, kein gemeinsames Spiel, Kinder werden nachts allein gelassen, es wird verbal vorangekündigt; dass C. ihren Papa - der bis 08/13 in JVA sitzt - nie wieder sieht etc.) sind dem Jugendamt bekannt. Am 04.05.13 fand einer erneute Hilfekonferenz statt, in welcher der bisherige Umgang nicht ausgewertet wurde, sondern in Hinblick auf die Einschulung der Jüngeren im August 2013 eine Rückführung innerhalb von 6 Wochen, getarnt mit einem "Probewohnen" vom 20. - 30.06.13 durch das JA verordnet wurde.
Nachdem den Kindern dies mitgeteilt wurde, rebellierten sie extrem stark. Sie lehnen diesen Gedanken ab, wollen bei uns ( wo sie seit 2 Jahren ihre Zuhause definieren) wohnen. Beide beschweren sich uns gegenüber über die Lebenswelt der KM, welche traditionell ihre Kinder in ihr von Lügen durchsetztes Lebenskonzept einbezog. Je näher der Termin rückte, umso heftiger die Reaktionen der Kinder (ganztägiges Weinen und Traurigsein, wegen des drohenden Auszuges (verbal benannt), Einnässen, Leistungseinbruch, notorische Unruhe usw.). Dem Jugendamtsmitarbeiter sind diese Dinge mitgeteilt worden. Ebenso wie die Gefahr der Kindeswohlgefährdung durch den bevorstehenden Beziehungsabbruch und die bestehenden Befangenheit durch die biographisch bedingte Co-Abhängigkeit in Bezug auf erfundenen Geschichten der KM. Er jedoch sagt: "Mir ist das Risiko bewusst. Vll. muss ich die Kinder auch in einem halben Jahr wieder herausnehmen, aber das Risiko gehen ich ein." Er kennt die Kinder nicht. Unsere Bitte, die Kinder kennen zu lernen, wurde gekontert mit: " Was ändert es denn? Ich finde mein Vorhaben gut."

Meine Frage:
Was kann ich tun?
Ich bin Mitarbeiter eines freien Trägers.
Die Kinder signalisieren nach fast 4 Jahren positiv verlaufenener Fremdunterbringung extreme Ängste, wollen die KM besuchen aber bei uns wohnen bleiben.
§ 1632 Abs. 4 BGB , der solche Dinge klar regelte, wurde gestrichen. Wo ist der Ersatzparagraph?
Was kann ich tun, um meine Wohngruppe und deren Mitarbeiter vor solcher Willkür zu schützen ( 1 Kollegin ist bereits seit 4 Wochen krank wegen psychischen Problemen, die andere Kollegin, ich und meine Frau sind nervlich extrem belastet).
Ich empfinde in diesem Fall nur Abscheu gegen den JA-Mitarbeiter, der die Machtrolle auslebt, ohne auf das Wohle der Kinder zu sehen, dabei auch die Kompetenz der früheren Sozialarbeiterin und der deutschen Gerichtsbarkeit degradiert und uns als Fachkräfte zwar anhört, uns aber ebenso abwimmelt: "Ich weiß. Viele meiner Kollegen teilen ihre Ansicht, gerade nach 4 Jahren der Unterbringung. Ich jedoch gehöre nicht dazu. Ich gebe jeder Mutter eine neue Chance. Komisch ist, dass Sie Bauschmerzen haben... Die ehemalige Sozialarbeiterin fand auch, dass eine Rückführung nicht möglich ist... Hm, ich sehe keine Gefährdung des Kindeswohles. Notfalls verlängere ich halt das PROBEWOHNENS (Mittel der systemischen Rückführung - Usus befristet von einer bis sechs Übernachtungen) bis zum 31.07.13 (gleich 6,5 WOCHEN) und versuche eine Familienhilfe zu bekommen."
Meine Meinung: falscher Schauplatz, es geht nur um den Bindungsabbruch und die daraus resultierenden Folgen...

Was kann ich tun? Termin für das nächste Gespräch ist der 27.06.13 ......


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9 Antworten
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#1
 Von 
amako
Status:
Student
(2566 Beiträge, 1413x hilfreich)

Halo,
zuerst einmal solltet ihr professionell an die Sache herangehen und solche heftigen Emotionen wie Abscheu gegen JA-Mitarbeiter außen vor lassen.
Wenn ich es richtig verstanden habe gibt es derzeit einen Beschluss des FamGerichts. Solange dieser besteht kann das JA nichts Gegenteiliges "beschließen".
Das Ziel der Rückführung in die leibliche Familie gehört nun mal zum derzeitigen politischen Willen, auch wenn ich persönlich dies nicht zwingend richtig finde.
Ich kenne mehrere Pflegeeltern, die von diesem Problem betroffen sind. Es ist ganz natürlich, dass man zu den Kindern eine emotionale Verbindung aufbaut, anders herum ist dies euer Job, ihr müsst die rechtliche Lage stets berücksichtigen. Mein Tip wäre sich über den Träger an das betreffende JA evtl. Familiengericht zu wenden, aber letztendlich wird an den Rückführungsversuchen wohl kein Weg vorbei gehen.
Gruß
Andreas

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#2
 Von 
quiddje
Status:
Master
(4274 Beiträge, 2426x hilfreich)

quote:<hr size=1 noshade>§ 1632 Abs. 4 BGB , der solche Dinge klar regelte, wurde gestrichen. <hr size=1 noshade>
Seit wann das denn?
Hier zum Beispiel wird das Verfassungsgricht zitiert mit
quote:<hr size=1 noshade>„Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 1666 I 1 BGB bei der Weggabe des Kindes in Familienpflege allein die Dauer des Pflegeverhältnisses zu einer Verbleibensanordnung nach § 1632 IV BGB führen kann, wenn eine schwere und nachhaltige Schädigung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens des Kindes bei seiner Herausgabe an die
Eltern zu erwarten ist" <hr size=1 noshade>

Mir wäre nue, dass sich da etwas geändert haben sollte.

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#3
 Von 
altona01
Status:
Weiser
(17802 Beiträge, 8078x hilfreich)

quote:
Er kennt die Kinder nicht. Unsere Bitte, die Kinder kennen zu lernen, wurde gekontert mit: " Was ändert es denn? Ich finde mein Vorhaben gut."


Das wäre für mich ein Anlass für eine Dienstaufsichtsbeschwerde. Er kennt die Kinder nicht mal und weiß, was für diese richtig ist. So geht das nicht. Außerdem hätte hier m.E. zwingend ein Gutachten des jugendpsychiatrischen Dienstes eingeholt werden müssen.
Die Leistungsentwicklung in der Schule sollten Sie sich vom Lehrer schriftlich bestätigen lassen. Könnte noch sinnvoll sein.

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#4
 Von 
amako
Status:
Student
(2566 Beiträge, 1413x hilfreich)

Hallo,
die Beschwerde gegen den MA des JA ist zwar möglich, aber wird sie in der Sache nichts bringen. Der Sachbearbeiter des JA bewegt sich ja nicht im rechtsfreien Raum und das langfristige Ziel der Rückführung ist nun mal (leider) der politisch gewollte Weg. Das beruht einmal auf den Ansichten, das Kinder am besten in der leiblichen Familie aufgehoben sind, andererseits kostet die Unterbringung in einer Pflegefamilie und erst recht in so einer sogenannten Erziehungsstelle oder sozialpädagogischen Lebensgemeinschaft die Ämter einfach viel Geld, das sie lieber sparen möchten, das will übrigens auch der Bürgermeister oder Landrat, bei dem man sich beschwert.
Gruß
Andreas

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#5
 Von 
ToWa
Status:
Beginner
(106 Beiträge, 48x hilfreich)

Zitat:
Die Leistungen des älteren Kindes in der Schule ließen sofort nach.


Was will man denn auch anderes erwarten? Die Kinder wurden von den leiblichen Eltern entfremdet. Nun sollen sie damit klar kommen wieder zurück geführt zu werden.

Generell sehe ich das so: Ein Amt für Kinder, Jugendliche und Familien, hat nicht das Recht Familien auseinander zu bringen, sondern ihnen zu helfen, wenn Hilfe benötigt wird!

Das die Kinder ihr gewohntes Umfeld nun verlassen sollen, ist für sie mehr als nur schlimm. Hätte man sich wohl vorher überlegen sollen, bevor man die Kinder aus der leiblichen Familie nimmt.

Aber was schreibe ich? Als die Kinder aus ihrer leiblichen Familie gerissen wurden, haben sie mit Sicherheit auch nicht gleich "Juchuh" geschrien.

Eine Pflegefamilie ist nun mal das, was sie ist: ---> Eine Pflegefamilie! Ansprüche auf "fremde" Kinder, hat sie nicht zu stellen.

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-- Editiert ToWa am 20.06.2013 19:11

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#6
 Von 
altona01
Status:
Weiser
(17802 Beiträge, 8078x hilfreich)

@amako,
die Tatsache, dass hier ein Kollege eine derart gravierende Entscheidung fällt, ohne je Kontakt zu den Kindern gehabt zu haben, das ist ein Grund für eine Dienstaufsichtsbeschwerde.
Der Mitarbeiter des JA bewegt sich tatsächlich nicht im rechtsfreien Raum, es gibt massig Verfahrensvorschriften, die u.a. regeln, das Kinder bei der Hilfeplanung zwingend miteinzubeziehen sind. Der Umfang der Beteiligung ergibt sich aus dem Alter der Kinder.

@Towa,
wenn zwei Kleinkinder vom JA aus einer Familie genommen werden, dürfte dafür ein massiver Grund vorgelegen haben.
Diese Kinder 4 Jahre später derselben Situation auszusetzen, dürfte das zweite Trauma für sie werden. Klar ist das politische Ziel der Schutz der Familie, was im Ergebnis auch Rückführungen von Kindern mit sich bringen kann, aber ohne je mit den Kindern zu reden und diese Aktion durch den jugendpsychiatrischen Dienst begleiten zu lassen, ist das Handeln des JA hier m.E. fahrlässig.



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0x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
ToWa
Status:
Beginner
(106 Beiträge, 48x hilfreich)

quote:
wenn zwei Kleinkinder vom JA aus einer Familie genommen werden, dürfte dafür ein massiver Grund vorgelegen haben.


Möchte ich auch gar nicht in Frage stellen.

Nur hat eine Pflegefamilie objektiv zu bleiben und nicht ihre eigenen Interessen im Auge zu behalten. Dies scheint mir eben hier der Fall zu sein.

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0x Hilfreiche Antwort

#8
 Von 
Yogi1
Status:
Student
(2030 Beiträge, 938x hilfreich)

quote:
Meine Meinung: falscher Schauplatz, es geht nur um den Bindungsabbruch und die daraus resultierenden Folgen...


Ich dachte, es geht um die Kinder? Tut mir leid, wenn ich das so hart schreibe, aber ich finde, das Einzige, was hier relevant ist, ist, ob die KM immer noch "unfähig" ist oder ob die Kinder bei ihr ein Heim haben können? Zwar vielleicht kein perfektes, aber wenn man alle Kinder aus Familien holen würde, wenn die Eltern sie vorm "Fernseher parken" etc. , dann wären die Heime voll. Ich finde, jede Mutter hat das Recht auf eine zweite Chance. Und dass die Kinder jetzt so reagieren ist völlig logisch.
Aufgabe einer Pflegefamilie wäre hier in meinen Augen, den Kindern den Übergang und Abschied so einfach wie möglich zu machen. Das scheint mir hier nicht der Fall.
Ich würde meine Energie eher darauf verwenden zu belegen bzw. Beweise zu fordern oder was immer, dass sich bei der KM was geändert hat. Der Beziehungsabbruch an sich ist in meinen Augen kein Beleg für eine Kindeswohlgefährdung. Das war abzusehen, dass die Unterbringung nicht von Dauer ist und eine professionelle Pflegefamilie sollte da weniger auf sich selbst schauen, sondern den Kindern den Abschied erleichtern.
Dass diese jetzt verzweifelt sind, ist doch völlig klar.
Ich finde, das Einzige, was hier relevant ist, ist der Zustand der Mutter.

LG

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0x Hilfreiche Antwort

#9
 Von 
amako
Status:
Student
(2566 Beiträge, 1413x hilfreich)

Hallo,
@hambrgerin
Natürlich gibt es Gründe für eine Beschwerde, die Frage bleibt ob das am Grundproblem etwas ändert.
Die Rückführung wird vom JA weiter betrieben werden, will sie nun einmal Ziel des ganzen Vorgangs ist.
Ich kenne Familien in denen Pflegekinder aus familiären Mißbrauchsfällen zu ihren leiblichen Familien zurückgeführt wurden. Die emotionale Bindung die Pflegeeltern zu ihren Schützlingen aufgebaut haben sind dabei nicht von Belang und umgekehrt leider nur sehr bedingt. Man mag davon halten was man will, solange die Lage so ist, dass davon ausgegangen wir, das leibliche Familie und Kinder die beste Lösung sind wird sich daran nichts ändern. Außerdem liegt die Entscheidung nicht beim JA sondern beim FamGer. Der oben erwähnte Beschluss des Gerichts scheint nicht aufgehoben, aber lässt wohl scheinbar die Möglichkeiten, welche das JA hier nutzt zu. Das meinte ich mit dem nicht rechtsfreien Raum, ganz abgesehen von den einzuhaltenden Vorschriften.
Gruß
Andreas

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