Haustürgeständnis

7. Dezember 2023 Thema abonnieren
 Von 
go652255-70
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 0x hilfreich)
Haustürgeständnis

Hallo,
ich bin ganz neu hier und bin momentan ein bisschen empört, aber versuche das in irgendwelche produktiven Bahnen zu leiten.

Ich übe eigentlich einen komplett anderen Beruf aus, interessiere mich aber sehr für das Recht, und mir stinkt etwas:
Ich habe einen Strafzettel für eine Geschwindigkeitsverstoß von 5km/h bekommen, richtig und wichtig, ich habe diesen bezahlt, dass hat das Amt aber nicht mitbekommen.
Also hat sich mein örtliches Ordnungsamt dazu entschieden rund eine Woche vor Ablauf der 3-monatigen Frist schnellstmöglich irgendein Geständnis, also eine Benennung des Täters zu erwirken.

Es klingelt an der Tür, ich (krank) nehme den Hörer ab und es stellen sich zwei Beamte vom Ordnungsamt vor. Die sagen, dass sie hier sind wegen eines Geschwindigkeitsvergehens bla bla, ich sage freundlich dass ich keine Angaben machen werde, das akzeptieren die Männer aber nicht und reden immer weiter davon, dass sie hochkommen wollen, ich sage ich werde ihnen keine Aussage geben wenn sie mich nicht staatsanwaltschaftlich vorladen, und ausserdem war die Person nach der sie fragten nicht einmal anwesend (Halter bin nicht ich).

3 Minuten später klingelt es nochmal, ich nehme nochmal den Hörer ab, die Männer vom Ordnungsamt klingeln erneut und wollen unbedingt hochkommen. Ich sage, dass ich ihnen keine Aussage geben werde. Sie drängen mich dazu, dass sie trotzdem hoch kommen.

Oben angekommen werfen die Beamten mir erstmal vor dass ich mich jetzt ja ganz verdächtig mache durch mein Verhalten, und wer ich denn bin, ich sage dass ich mich ihnen gegenüber nicht ausweisen muss, das macht sie noch sauerer und sie fangen an davon zu reden wie verdächtig das alles ist.
Dann wollen sie ein Bild zeigen (das Blitzer Bild) und wollen dass ich sage, ob ich diese Person kenne.

Das geht mir so gehörig auf den Zeiger, dass ich die beiden Frage wann sie mich darüber informieren wollten, dass ich nicht verpflichtet bin mich selber oder Angehörige mit meiner Aussage zu belasten, und was so ein Haustürgeständnis eigentlich soll. Der Ordnungsamtbeamte schwafelt weiter davon wie verdächtig ich mich mache, ich verweigere weiterhin die Aussage, die sagen, dass das jetzt dazu führt dass ich ein Fahrtenbuch führen müsse und ich sage, dass die mir das gerne per Brief schicken können.

So weit, so befremdlich. Das Ding ist aber, dass ist mir so schonmal passiert.

Mein Vater wurde damals geblitzt, hat sich selber im Blitzerfoto nicht wieder erkannt und Einspruch eingelegt.
Eines Tages klingelt es, vier (!) Polizisten kommen die Treppe hoch, halten mir ein Bild meines Vaters in Gesicht und fragen mich ob ich diesen Mann schonmal gesehen habe.
Ich habe natürlich Nein gesagt, aber schon wieder: Keine Aufklärung über meine Rechte, und ganz generell eine extrem ungeeignete Situation um eine Aussage in einem Rechtsverfahren aufzunehmen.

Der Gesetzgeber hat ja 2014 bei der Verbraucherrechtsreform anerkannt, dass Haustürgeschäfte den Bürger besonders unter Druck setzen können, dazu verleiten können Geschäfte einzugehen, die sie im Normalfall mit Vorbereitung und so weiter nicht eingehen würden, und diese deswegen einen besonderen Schutz verdient haben.

Verschärfend kommt noch dazu, dass ein Polizeiwagen und vier Polizisten vor deiner Haustür auf alle Nachbarn so wirken, als hättest du ein schweres Kapitalverbrechen begangen. Da ist der Druck des Bürgers da schnell rauszukommen, also irgendwas zu zugeben oder jemanden zu belasten nochmal deutlich höher, und von so einem Geschäft kann ich nicht eben so zurücktreten. Man wird überrumpelt und zu einer Aussage gedrängt.

Das sie das in Ordnungswidrigkeitsverfahren anwenden ist wahrscheinlich klug, da ein solcher Beweis vor keinem Gericht ernsthaft aufrecht erhalten werden könnte.
Wir leben ja in einem Rechtsstaat in dem die Wahrheit nicht um jeden Preis ermittelt werden darf, und der Fakt, dass diese Polizisten/Ordnungsbeamten bei der Wohnadresse des Betroffenen auftauchen führt ja inhärent dazu, dass die Zeugen entweder die Betroffenen selber sind, oder wahrscheinlich nach §52 StPO das Recht dazu haben ihre Angehörigen nicht zu belasten, dieser Beweis würde wahrscheinlich der Abwägung mit dem Art 6. Absatz 1 GG nicht standhalten.

Außerdem führt ein Einspruch in so einer Ordnungswidrigkeit durch die Unterbesetzung dieser Ämter in vielen Fällen dazu, dass der Fall der Verjährung sehr nahe kommt. Wenn ich also als Bürger mein Recht ausüben möchte einen Einspruch einzulegen wird mir ein empfindliches Übel in Aussicht gestellt, nämlich, dass eine Kolonne von Polizisten bei mir zuhause unangekündigt auftaucht um mich zu befragen, wenn man nicht so ******** ist wie ich es bin ist das vor den Nachbarn schon ganz schön peinlich.
So ein Übel bleibt einem ja bei schwereren Verbrechen auch erspart, da wird man ja zumindestens ordentlich vorgeladen und so weiter, die Nachbarn kriegen das meistens nicht mit.
Das ist schon ein klarer Chilling effect, auch wenn wir beide aufjedenfall schuldig waren :D

Ich hab meine Sachbearbeiterin am nächsten Tag angerufen, die hat 2 Minuten rumgeblättert, erkannt dass ich bereits gezahlt habe und gesagt, dass die Angelegenheit jetzt für sie erledigt ist.
Ich habe sie gefragt wie man einen solchen Vorgang nennt, sie nannte es ein "Ermittlungsersuchen".

Ich werde jetzt mal eine Anfrage nach dem IFG in meiner Stadt stellen, wieviele Ermittlungsersuchen es aufgrund von Geschwindigkeitsverstoßen gibt, um ein bisschen eine Grundlage zu sammeln, aber was kann ich da als Bürger jetzt großartig tun?

Eine Verfassungsbeschwerde wäre ja denkbar, ich werde ja durch das Handeln meiner Behörde in meinen Grundrechten beschnitten, nur was sollen die da ernsthaft urteilen/erlassen was diese Verstöße irgendwie abstellen würde.

Ansonsten könnte ich Dienstaufsichtsbeschwerden schreiben, die interessieren ja nur bekanntlich niemanden und für mich sind die Ordnungsbeamten/Polizisten persönlich nicht daran Schuld, sondern die jenigen die sie dazu bringen solche Maßnahmen zu ergreifen.

Liebe Grüße

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3 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(124069 Beiträge, 40318x hilfreich)

Zitat (von go652255-70):
Sie drängen mich dazu, dass sie trotzdem hoch kommen.

Warum lässt man die denn überhaupt rein?
Und warum macht man dann auch noch die Wohnungstüre auf?



Zitat (von go652255-70):
Das Ding ist aber, dass ist mir so schonmal passiert.
...
Eines Tages klingelt es, vier (!) Polizisten kommen die Treppe hoch

Finde den Widerspruch ...
Es bringt nichts, Äpfel und Birnen zu vergleichen, auch wenn beides Obst ist ...



Zitat (von go652255-70):
Der Gesetzgeber hat ja 2014 bei der Verbraucherrechtsreform anerkannt

Noch mehr Äpfel und Birnen ... ist heute Obsttag?



Zitat (von go652255-70):
Da ist der Druck des Bürgers da schnell rauszukommen, also irgendwas zu zugeben oder jemanden zu belasten nochmal deutlich höher

Schwache Nerven / mangelndes Selbstbewusstsein ... da kann der Gesetzgeber nichts für. Und abstellen kann man es auch.



Zitat (von go652255-70):
da ein solcher Beweis vor keinem Gericht ernsthaft aufrecht erhalten werden könnte.

Keine Ahnung wie man auf eine solche Theorie kommt, aber sie ist schlicht falsch.



Zitat (von go652255-70):
So ein Übel bleibt einem ja bei schwereren Verbrechen auch erspart, da wird man ja zumindestens ordentlich vorgeladen und so weiter, die Nachbarn kriegen das meistens nicht mit.

Noch so eine lebensferne Theorie ...



Zitat (von go652255-70):
aber was kann ich da als Bürger jetzt großartig tun?

Einfach keine Gesetze brechen.
Komischerweise bekommt man für diese einfachste und kostenfreie Lösung nie sonderlich viel Zustimmung ...

Die andere Varianten wäre, den Gesetzgeber dazu zu bringen das die Ermittlungen und Beweis sammeln weiter erschwert wird.
Wobei die Leute die das fordern, das mitunter plötzlich ganz anders sehen, wenn sie selber Opfer werden.



Zitat (von go652255-70):
Eine Verfassungsbeschwerde wäre ja denkbar

Ja, in der Phantasie ist viel denkbar ...



Zitat (von go652255-70):
Ansonsten könnte ich Dienstaufsichtsbeschwerden schreiben, die interessieren ja nur bekanntlich niemanden

Richtig.
Die Relevanz von 99,9% sieht so aus




Zitat (von go652255-70):
für mich sind die Ordnungsbeamten/Polizisten persönlich nicht daran Schuld, sondern die jenigen die sie dazu bringen solche Maßnahmen zu ergreifen.

Auch wieder richtig.


Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

0x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
hiphappy
Status:
Junior-Partner
(5634 Beiträge, 2515x hilfreich)

Zitat (von go652255-70):
Der Gesetzgeber hat ja 2014 bei der Verbraucherrechtsreform anerkannt, dass Haustürgeschäfte den Bürger besonders unter Druck setzen können, dazu verleiten können Geschäfte einzugehen, die sie im Normalfall mit Vorbereitung und so weiter nicht eingehen würden, und diese deswegen einen besonderen Schutz verdient haben.


Richtig.

Wenn die netten Herren vom Ordnungsamt die also auch noch einen Staubsauger aufgequatscht haben, steht dir ein umfassendes Widerrufsrecht zu.

Ansonsten ein Tipp, um nicht wieder in so eine Situation zu kommen: am die Verkehrsregeln halten.

1x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
go652255-70
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 0x hilfreich)

Zitat (von Harry van Sell):
Noch mehr Äpfel und Birnen ... ist heute Obsttag?

Ist jetzt nicht darauf anwendbar, ich bin auch kein Fachmann da kennen sie sich bestimmt besser aus, aber das ist zumindestens so ein Anhaltspunkt dafür, dass jemanden unangekündigt an seiner Haustür anzuquatschen die Leute in eine Position bringt, in der sie ihre Interessen schlechter vertreten können.
Die Realität über die wir reden ist ja auch im Verbraucherrecht die gleiche.
Zitat (von Harry van Sell):
Keine Ahnung wie man auf eine solche Theorie kommt, aber sie ist schlicht falsch.

Ich bin auf diese Theorie gekommen, da so etwas ähnliches mir noch nie in anderen Angelegenheiten untergekommen ist.

Ich wurde mal vorgeladen, da ich Zeuge einer Fahrerflucht war, die ich angezeigt habe, da hat der Polizist sich viel Mühe gemacht mich über meine Rechte aufzuklären (auch dem Zeugnisverweigerungsrecht), und wollte mich den Täter auf einem Bild identifizieren lassen.
Dafür hatte er mehrere Bilder von ähnlich aussehenden Personen gesammelt, und mich gefragt ob ich mich in der Lage Fühle den Täter heute sicher identifizieren zu können. Die Tat war schon mehrere Monate alt, weswegen ich nach langem Grübeln gesagt habe, dass ich mich dazu nicht in der Lage fühle, was der Beamte so auch akzeptiert hat und mir erzählte, wie schwierig solche Zeugenaussagen sind da man sich schnell irren kann.

Das finde ich im Gegensatz dazu was ich beschrieben habe sehr professionell.

Zitat (von Harry van Sell):
Richtig.
Die Relevanz von 99,9% sieht so aus

Ich find das schon relevant wenn, m.M.n, Leute so unter Druck gesetzt werden, dass sie ihre Rechte und Interessen in diesem Verfahren nicht ausüben können. Natürlich kann man da standhaft bleiben und gegenhalten, dann können wir aber auch Paragrafen § 343 StGB abschaffen, muss man nur standhaft genug für sein. (sehr überspitzte Aussage)

Wo soll das denn anfangen und aufhören, wenn man anfängt für solche Geschichten sich alles so zusammenzubiegen, dass die Interessen der Betroffenen nicht mehr ernsthaft gewahrt werden.
Zitat (von Harry van Sell):
Einfach keine Gesetze brechen.
Komischerweise bekommt man für diese einfachste und kostenfreie Lösung nie sonderlich viel Zustimmung ...

Also dann könnte man hier auch zu machen, wenn sich einfach alle an die Gesetze halten.
Und 5 km/h zu schnell + Strafe schon bezahlt, ich fühle mich nicht wie ein Schwerverbrecher :D
Zitat (von Harry van Sell):
Die andere Varianten wäre, den Gesetzgeber dazu zu bringen das die Ermittlungen und Beweis sammeln weiter erschwert wird.
Wobei die Leute die das fordern, das mitunter plötzlich ganz anders sehen, wenn sie selber Opfer werden.

In meinem Beispiel mit der Fahrerflucht wird ja aber so eine Ermittlung nicht angewandt, auch wenn die Opfer ein sehr legitimes Interesse daran haben, dass kann einen ja finanziell ruinieren wenn das in die Länge gezogen wird.

Natürlich hat der Staat ein legitimes Interesse daran, dass sich die Leute im Straßenverkehr an die Regeln halten, aber gegen den Punktehandel wurden bis jetzt auch keine drastischen Maßnahmen ergriffen, die wissen sich auch zu verteidigen, irgendwelche Bürger die auf einmal vier Polizisten vor der Tür stehen haben anscheinend nicht.
Und ich weiss das die 60 Milliarden im Haushalt momentan fehlen, aber meine 20 Euro ändern daran auch nichts :D


Das ist natürlich alles nichts weltbewegendes, ich sage ja auch nicht dass ich jetzt traumatisiert bin oder ähnliches, aber so ganz rechtsstaatlich fühlt sich das nicht an.

0x Hilfreiche Antwort

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