Erlaubte Meinungsäußerung ... oder doch nicht?

5. August 2014 Thema abonnieren
 Von 
figurehead_1
Status:
Frischling
(45 Beiträge, 22x hilfreich)
Erlaubte Meinungsäußerung ... oder doch nicht?

Moin,

nach dem GG darf, salopp ausgedrückt, jeder frei seine Meinung äußern ... ich hoffe in bin daher in diesem Forum richtig.

Wenn man in einem Bewertungsforum über einen Händler als Fazit schreibt: "Ich fühle mich belogen und betrogen" nachdem man die Vorkommnisse sachlich dargelegt hat, gilt dies doch als Meinungsäußerung ... oder etwa nicht?

Ein Urteil des Langerichts Berlin (AZ 27 O 582/09 ) bestätigt dies jedenfalls.

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9 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
BigiBigiBigi
Status:
Junior-Partner
(5398 Beiträge, 1814x hilfreich)

quote:<hr size=1 noshade>gilt dies doch als Meinungsäußerung <hr size=1 noshade>


Das kann man so oder so sehen.

IMO kann man eine Tatsachenbehauptung ("Betrug") nicht durch Umformulierung ("ich fühle mich betrogen") als Meinung kaschieren, reiner Umgehungstatbestand.

Das Gericht differenziert hier ja auch klar:

"Um den Aussagegehalt einer Äußerung zutreffend zu erfassen ist nicht nur vom Wortlaut auszugehen oder von der Bedeutung, die das Lexikon der Aussage zumisst, sondern es ist die Gesamtheit der äußeren und inneren Umstände mit zu berücksichtigen, in deren Kontext die Äußerung gefallen ist (BVerfG NJW 1995,3003 ,3005; NJW 1994, 2943 ; Löffler, Presserecht, 4. Aufl., Rdn. 90 zu § 6 LPG). Dabei darf nicht isoliert auf die durch den Klageantrag herausgehobene Textpassage abgehoben werden (BVerfG NJW 1995, 3003 , 3005; BGH NJW 1998, 3047 , 3048). Vielmehr ist bei der Ermittlung des Aussagegehalts auf den Gesamtbericht abzustellen (BGH a. a. 0.; NJW 1992, 1312 . 1313) und zu prüfen, welcher Sinn sich dem dafür maßgebenden Durchschnitlsleser aufdrängt (BGH a.a.O.; ******-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 4, Rdnr. 4f.). Entscheidend ist weder die subjektive Absicht des Äußernden noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern das Verständnis, das ihr - unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs - ein unvoreingenommenes Durchschnittspublikum zumisst (BGH NJW 1998, 3047 , 3048). "

Ergo: context matters .

"In der Regel stellen sich rechtliche Qualifizierungen - wie der Vorwurf des Betruges - als Meinungsäußerung dar (Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht/Kröner, Kap. 33, Rdnr. 64). Das gilt insbesondere, wenn der Begriff erkennbar laienhaft-alltagssprachlich gebraucht wird (OLG Köln, AfP 2003, 335 ; BGH, NJW 2002, 1193; KG, NJW-RR 2004, 643 ). Abweichendes gilt je nach konkretem Einzelfall dann, wenn der verwendete Rechtsbegriff dem Leser einen durch ihn umschriebenen tatsächlichen Vorgang vermitteln soll (BGH, NJW 1993, 930 ). "

Ergo: Es ist ein Unterschied, ob man "Der Urlaub bei Veranstalter X war eine Enttäuschung, ich fühle mich betrogen " schreibt oder "Die Firma Y hat mir die falsche Ware geschickt, ich fühle mich betrogen".
Im letzteren Fall wird der Betrug auf einen konkreten Vorgang (die (vorsätzlich?) falsche Lieferung) bezogen.

"Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt eine Meinungsäußerung vor. Mit der inkriminierten Äußerung soll nicht ein tatsächlicher Vorgang umschrieben werden, denn es bleibt letztlich der Handlung nach unklar, worin genau der Betrug liegen soll. "

S.o. Beim Urlaubsbeispiel bleibt unklar, wo eine Täuschung behauptet wird. Beim Lieferbeispiel ist es hingegen klar.

quote:<hr size=1 noshade>Wenn man in einem Bewertungsforum über einen Händler als Fazit schreibt: "Ich fühle mich belogen und betrogen" nachdem man die Vorkommnisse sachlich dargelegt hat, gilt dies doch als Meinungsäußerung <hr size=1 noshade>


Dafür kommt darauf an, um welche Vorgänge es konkret geht und auf welchen davon die "Betrugsmeinung" sich beziehen soll - auf generelle Enttäuschung oder auf einen konkreten Straftatsvorwurf.

Man könnte es unjuristischer so formulieren, die Aussage ist dort zulässig, wo man "betrügen" im übertragenden Sinne meint ("durch die schlechte Organisation wurde ich um einige unvergeßliche Eindrücke betrogen").

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2x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
guest-12325.08.2014 10:30:12
Status:
Schüler
(221 Beiträge, 172x hilfreich)

Amazon dürfte uns da nicht fremd sein.

Biggi, einfach gut!

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2x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(120222 Beiträge, 39852x hilfreich)

quote:<hr size=1 noshade> "Ich fühle mich belogen und betrogen" nachdem man die Vorkommnisse sachlich dargelegt hat, gilt dies doch als Meinungsäußerung ... oder etwa nicht? <hr size=1 noshade>

Genau, oder etwa eventuell auch nicht ...

Die Grenze zwischen Erlaubter Meinungsäußerung und Verunglimpfung/Beleidigung sind fliesend.
Jeder Fall ein Einzelfall der anhand der Umstände gewürdigt werden muss.


Die vom LG Berlin "erlaubte" Äußerung gilt nur für diesen einen Fall, eine Pauschalisierung sollte nicht vorgenommen werden.





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"Meine persönliche Meinung/Interpretation! Im übrigen verweise ich auf §675 Abs. 2 BGB ."

2x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
guest-12325.08.2014 10:30:12
Status:
Schüler
(221 Beiträge, 172x hilfreich)

Quote:

Genau, oder etwa eventuell auch nicht ...

Keiner kann sagen was morgen ist und das ist auch gut so. Man stelle sich vor der Mensch könnte in die Zukunft schauen.

MfG

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2x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
Blaki
Status:
Praktikant
(861 Beiträge, 752x hilfreich)

Guten Abend,

"nach meiner Meinung ist das nicht in Ordnung", "ich fühle mich enttäuscht" .... sind sicher Äußerungen, die in einem dazu veranlassenden Sachverhalt nicht zu beanstanden sind.

Die von Ihnen formulierte Darstellung könnte, wenn schriftlich und öffentlich geäußert, verfänglich sein.

Die freie Meinungsäußerung findet da seine Grenzen, wo andere Belastet werden könnten. Ein öffentlicher Leser könnte nicht überprüfen, ob der von Ihnen dargelegte Sachverhalt auch zutreffend richtig ist.

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2x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
NinaONina
Status:
Lehrling
(1504 Beiträge, 1226x hilfreich)

quote:
Ein öffentlicher Leser könnte nicht überprüfen, ob der von Ihnen dargelegte Sachverhalt auch zutreffend richtig ist.


Darauf kommt es nicht an; solange die Behauptung beweisbar wahr ist, darf man auch schreiben "hat mich betrogen".

Und für Meinungsäußerungen ("schmeckte versalzen", "war viel zu heiß") kann man logischerweise auch nicht als Leser überprüfen, ob das auf objektiven Kriterien fußt oder Überempfindlichkeit des Schreibers war, darauf kommt es aber auch nicht an bei Meinungsäußerungen.

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2x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
Plumpsack
Status:
Beginner
(65 Beiträge, 58x hilfreich)

"Ergo: Es ist ein Unterschied, ob man "Der Urlaub bei Veranstalter X war eine Enttäuschung, ich fühle mich betrogen " schreibt oder "Die Firma Y hat mir die falsche Ware geschickt, ich fühle mich betrogen".
Im letzteren Fall wird der Betrug auf einen konkreten Vorgang (die (vorsätzlich?) falsche Lieferung) bezogen."

Hm!
Jeder sollte die Methoden der Werbeindustrie kennen, wo beispielshalber gezielt gewisse Produkte dem Käufer angeboten werden, und irgendwo im kleingedruckten versteckt steht dann sowas wie:"Produkt ähnlich der Abbildung" oder sonst Dinge in dieser Art, womit sie den ahnungslosen Käufern hinterher kommen, das es doch eindeutig da stand, das dieses garnicht das ist, was sie wirklich anbieten, sondern diesem nur wie auch immer ähnelt.
Das Kunden nicht nur in solchen Fällen sehr berechtigt ihren Unmut in Form von:"Ich fühle mich getäuscht, belogen und Betrogen" kund tun, ist da aus meiner Sicht mehr nur als berechtigt, und sehr wohl ihre Meinung, das sie dieses Empfinden haben, und keineswegs mit dem Betrugsvorwurf gleichzusetzen ist, da dieses ja auf der Empfindung als auf dem Verdacht des Betruges basiert, und habe die "Vermutung" das du da mit deiner Annahme irrst!


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-- Editiert Plumpsack am 12.09.2014 18:12

-- Editiert Plumpsack am 12.09.2014 18:15

2x Hilfreiche Antwort


#9
 Von 
Yogi1
Status:
Student
(2030 Beiträge, 934x hilfreich)

Sich "belogen und betrogen fühlen" ist in meiner Gegend eine "Redensart" für: ich bin tief enttäuscht.
Wenn man das sagt, will man damit dem anderen keineswegs Lüge oder gar Betrug vorwerfen, sondern das ist nur ein Ausdruck für tiefe Enttäuschung.
Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass man deswegen belangt werden kann.

Das wär ja, als würde ich sagen: ein blindes Huhn findet auch ein Korn. Und dann kann der andere mich belangen, weil ich ihn als blind und Huhn bezeichnet habe, obwohl ich eigentlich nur sagen wollte: Glück gehabt.


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