GG Art. 16 (2) unvollständig? (Auslieferung)

28. September 2011 Thema abonnieren
 Von 
nutzer546
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)
GG Art. 16 (2) unvollständig? (Auslieferung)

Liebe Forumsmitglieder,

im Art. 16 (2) GG heißt es, ein deutscher Staatsbürger könne von Deutschland aus an einen anderen Mitgliedstaat der EU ausgeliefert werden. Es steht kein Wort davon, dass eine Auslieferung des Deutschen von Deutschland aus an die USA möglich sei. Doch es gibt ein Auslieferungsabkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten von Amerika von 2009 (ersetzte ein Abkommen von 2003). Auf der Internetseite europa.eu/legislation_summaries/justice_freedom_security/judicial_cooperation_in_criminal_matters/jl0053_de.htm stehen Sachverhalte zu diesem Abkommen. Dort wirkt es so, als ob deutsche Staatsbürger von Deutschland aus an die USA ausgeliefert werden dürfen. Stimmt das? Das würde bedeuten, EU-Recht (Auslieferungsabkommen EU/USA) stünde höher als das nationale Recht (Grundgesetz Art. 16 (2). Warum steht im Grundgesetz nirgends, dass deutsche Staatsangehörige von Deutschland aus an die USA ausgeliefert werden dürfen? (wenn dem so ist)

Und gleich noch ein Widerspruch: Im Auslieferungsabkommen der EU mit der USA von 2009 heißt es, "Übermitteln die Vereinigten Staaten ein Auslieferungsersuchen für eine Person, für die auch ein Übergabeersuchen nach dem Europäischen Haftbefehl beantragt wurde, so entscheidet die zuständige Behörde des ersuchten EU-Mitgliedstaats, welchem Staat die Person gegebenenfalls übergeben wird". Beim Gesetz zum Europäischen Haftbefehl gibt es jedoch
§ 83h Spezialität (1) 2 "Von einem Mitgliedstaat übergebene Personen dürfen nicht an einen dritten Staat weitergeliefert, überstellt oder in einen dritten Staat abgeschoben werden". Gilt dieser Passus der Spezialität nicht in Bezug zu den USA? Warum steht im Gesetz zum Europäischen Haftbefehl nirgends, dass eine Auslieferung in den Drittstaat USA möglich ist?

Ich blicke in dieser komplizierten Sache nicht mehr durch.
Vielleicht könnt ihr, liebe Forumsmitglieder, mir da helfen.

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5 Antworten
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#1
 Von 
guest-12322.08.2012 17:44:40
Status:
Senior-Partner
(6927 Beiträge, 2505x hilfreich)

quote:<hr size=1 noshade>Ich blicke in dieser komplizierten Sache nicht mehr durch. <hr size=1 noshade>


Das ist nicht kompliziert.

Selbstverständlich gilt Art. 16 II GG . Dt. Staatsbürger werden vom Abkommen nicht erfasst, nur Ausländer.

Die Regierung darf sowieso nicht in Grundrechte eingreifen, sogar wenn sie das wollte.

Die unterfallen der Ewigkeitsklausel, Art. 79 III, 1 III GG. Sogar der Gesetzgeber könnte den Kernbereich nicht antasten.

Das geht auch nicht auf dem Umweg über die EU, siehe Art. 23 GG .

2 BvR 2236/04

Deutsche Staatsangehörige sind durch das Grundrecht aus Art. 16 Abs. 2 GG vor Auslieferung geschützt (a). Dieser Schutz kann allerdings nach dem zweiten Satz dieser Vorschrift durch Gesetz für bestimmte Fälle eingeschränkt werden (b). Bei der Einschränkung unterliegt der Gesetzgeber verfassungsrechtlichen Bindungen. Diese Bindungen ergeben sich sowohl aus dem Tatbestand des Gesetzesvorbehalts als auch aus dem besonderen Schutzgehalt des Grundrechts und aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

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#2
 Von 
justice005
Status:
Unparteiischer
(9557 Beiträge, 2352x hilfreich)

quote:<hr size=1 noshade>Dort wirkt es so, als ob deutsche Staatsbürger von Deutschland aus an die USA ausgeliefert werden dürfen. Stimmt das? <hr size=1 noshade>


Nein, das stimmt nicht. Das gilt nur für Ausländer des jeweiligen Staates. Das bedeutet nicht, dass Deutsche aus Deutschland ausgeliefert werden.

quote:<hr size=1 noshade>Selbstverständlich gilt Art. 16 II GG . Dt. Staatsbürger werden vom Abkommen nicht erfasst, nur Ausländer. <hr size=1 noshade>


So sehe ich das auch.

quote:<hr size=1 noshade>Die Regierung darf sowieso nicht in Grundrechte eingreifen, sogar wenn sie das wollte.

Die unterfallen der Ewigkeitsklausel, Art. 79 III, 1 III GG. Sogar der Gesetzgeber könnte den Kernbereich nicht antasten. <hr size=1 noshade>


Das sehe ich anders, denn Art 16 unterliegt nicht der Ewigkeitsklausel. 2/3 Mehrheit im Bundestag und Bundesrat reichen für eine Änderung.

Außerdem wurde ja der oben zitierte Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG auch nachträglich eingefügt. Nichts spricht dagegen, auch noch einen 3. oder 4. Satz einzufügen oder wieder zu streichen, wenn die entsprechende Mehrheit das will.





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"justice"

1x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
guest-12322.08.2012 17:44:40
Status:
Senior-Partner
(6927 Beiträge, 2505x hilfreich)

quote:<hr size=1 noshade>Das sehe ich anders, denn Art 16 unterliegt nicht der Ewigkeitsklausel. 2/3 Mehrheit im Bundestag und Bundesrat reichen für eine Änderung. <hr size=1 noshade>



So ist das nun auch nicht. Der Kernbereich der GR ist unantastbar, Art. 79 III verweist auch auf Art. 1 III GG .

Wie weit dieser Kernbereich geht, das ist die Frage, die dann letztendlich das BVerfG zu entscheiden hat.

Dann passiert eben das: 2 BvR 2236/04

Das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehlsgesetz – EuHbG) vom 21. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt I Seite 1748 ) verstößt gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 , Artikel 16 Absatz 2 und Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes und ist nichtig.



quote:<hr size=1 noshade> quote:Dort wirkt es so, als ob deutsche Staatsbürger von Deutschland aus an die USA ausgeliefert werden dürfen. Stimmt das?

Nein, das stimmt nicht. Das gilt nur für Ausländer des jeweiligen Staates. <hr size=1 noshade>


Es gilt für alle Ausländer, nicht nur US-Bürger.

Hier hat das BVerfG z.B. die VB eines NL-Staatsbürgers gegen seine Auslieferung an die USA abgelehnt:

BVerfG

Das wäre auch nach der neuen EU-Rechtslage nicht anders.



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-- Editiert flawless am 29.09.2011 11:10

1x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
Ilsa1939
Status:
Bachelor
(3728 Beiträge, 1170x hilfreich)

quote:<hr size=1 noshade> Das sehe ich anders, … <hr size=1 noshade>


Ich auch.

Die Ewigkeitsgarantie in Art. 79 Abs. 3 GG umfasst die „Artikel 1 und 20" nicht die „Artikel 1 bis 20", d.h. die Grundrechte, auch Art. 16 GG , könnten geändert werden.

Ansonsten volle Zustimmung für flawless.


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1x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
guest-12322.08.2012 17:44:40
Status:
Senior-Partner
(6927 Beiträge, 2505x hilfreich)

quote:<hr size=1 noshade>Die Ewigkeitsgarantie in Art. 79 Abs. 3 GG umfasst die „Artikel 1 und 20" nicht die „Artikel 1 bis 20" ... <hr size=1 noshade>



Dazu Art. 1 III GG :

Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Ergänzend Art. 19 II GG :

In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

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