Verfassungsklage gegen die Regelungen zur Berechnung von Kindesunterhalt wegen Diskriminierung

17. September 2020 Thema abonnieren
 Von 
TiSo
Status:
Frischling
(1 Beiträge, 0x hilfreich)
Verfassungsklage gegen die Regelungen zur Berechnung von Kindesunterhalt wegen Diskriminierung

Hallo an Alle

Ich habe eine grundsätzliche Frage zum Thema Kindesunterhalt:
Nach §1606 BGB ist es so, dass der Elternteil, beidem die Kinder nicht wohnen, zum Barunterhalt verpflichtet ist. Dies ist auch soweit ganz ok. Aber wenn der Elternteil, bei dem die Kinder leben, vollzeit arbeiten geht, werden diese Einkünfte überhaupt nicht für den Kindesunterhalt berücksichtigt. Natürlich hat dieser Elternteil die gesamte Zeit die Betreuung der Kinder was natürlich berücksichtigt werden muss. Aber warum bleibt das Einkommen gänzlichst unberücksichtigt?

Wir leben heute in einer Gesellschaft, in dem in den Familien beide Arbeiten gehen. Aber nach einer Trennung wird die gesamte Last, Geld zu verdienen, nur einen Elternteil zugemutet. Das Motto "Einer Verdient - Einer Erzieht" ist längst überholt. Und so stelle ich mit die Frage, ob eine Verfassungsklage gegen die Regelung zur Berechnung des Kindesunterhalts wegen des Verstoßes gegen Art. 3, Abs. 2 GG, gerade unter Berücksichtigung, dass Einkommen beim erziehenden Elternteil nicht berücksichtigt werden, Erfolg hat.


Viele Grüße
Bettina

-- Editiert von Moderator am 18.09.2020 10:08

-- Thema wurde verschoben am 18.09.2020 10:08

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10 Antworten
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#1
 Von 
ratlose mama
Status:
Lehrling
(1346 Beiträge, 508x hilfreich)

Es wurde festgelegt, dass ein Kind Anrecht auf Bar- und Betreuungsunterhalt hat. Beide sind gleichwertig bzw. mit dem gleichen "fiktiven Geldbetrag" angesetzt.

Der eine Elternteil leistet also seinen Beitrag monotär, der andere durch Betreuung und Erziehung.

Wenn würde ich nicht erreichen wollen, dass der betreuende Elternteil auch noch Barunterhalt zahlen muss, sondern andersrum, dass der andere Elternteil auch Betreuung und Erziehung leisten muss und dann eben beide Ansprüche des Kindes geteilt werden. Beide Elternteile zahlen einen Teil an Barunterhalt und beide betreuen zu gleichen Teilen das Kind bei sich zuhause (Wechselmodell). (Dann ist man aber häufig leider bei dem Punkt, dass viel zu oft Väter breuflich eben nicht zurückstecken wollen, um das leisten zu können)

"Einer erzieht- einer zahlt" sollte geändert werden, keine Frage. Aber eben nicht in "einer zahlt - der andere zahlt und betreut", sondern in "beide betreuen und zahlen ihren Baranteil je nach Einkommen"
Dem anderen zusätzlich noch eine Teilpflicht des zahlens aufzuerlegen, ohne dass der andere dann auch Betreuung leisten muss ist ja ebenso unfair, die die jetzige Teilung ;-)

-- Editiert von ratlose mama am 17.09.2020 06:41

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#2
 Von 
smogman
Status:
Student
(2778 Beiträge, 914x hilfreich)

Die Möglichkeit der Barunterhaltshaftung für den betreuenden Elternteil gibt es bereits jetzt: für Fälle in denen der betreuende Elternteil ein Vielfaches vom anderen Elternteil verdient oder in Fällen, in denen der Selbstbehalt des zahlenden Elternteils gefährdet ist und der betreuende Elternteil eigene Einkünfte erzielt. Das ist in allen Unterhaltsleitlinien verankert und Rechtsprechung dazu existiert auch. Wird merkwürdigerweise so gut wie nie eingewendet, wäre aber mit Sicherheit wesentlich einfacher als eine Verfassungsbeschwerde durchzuboxen.

Die Barunterhaltshaftung am Betreuungsumfang festzumachen ist natürlich ein wünschenswertes Modell. Es birgt allerdings das massive Risiko, dass das Kind bei manchen Eltern zum Abakus mutiert. Und schon jetzt schaffen es viele Eltern - selbst bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen - nicht, sich wie normale Menschen zu benehmen, deren Fokus auf der Entwicklung des eigenen Kindes liegt und nicht auf irgendwelchen eigenen monetären Belangen.

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#3
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38354 Beiträge, 13981x hilfreich)

Kommen wir mal zur Frage zurück: die Voraussetzungen für eine Klage vor dem Verfassungsgericht sind sehr eng gefasst. Da müsste der normale Rechtsweg zunächst einmal voll ausgeschöpft sein in einem Einzelfall. Aber auch dann ist der Weg für eine Klage nicht automatisch frei. Viele Fälle werden nicht angenommen, es findet also noch eine Vorprüfung statt. Z.B., weil schon drüber entschieden worden ist, um nur mal ein Beispiel zu nennen.

Und, selbst wenn diese Hürden genommen wären, dann käme man hier immer noch zu keinem Verstoß. Denn Ungleiches darf ungleich behandelt werden. Muss in der Regel sogar, so das BVerfG in einer recht alten aber trotzdem auch heute noch sehr überzeugenden Entscheidung. Dadurch wird nämlich dem Willkürverbot Rechnung getragen.

Aber abgesehen davon ist ein Wechselmodell doch in den seltensten Fällen wirklich praktizierbar. Man muss ganz nahe beieinander wohnen, muss sich in den Erziehungsgrundsätzen einig sein und muss es sich leisten können. Dazu müssen dann auch die Kids es verkraften können. Ich kenne genug Fälle, in denen es den Kindern so gar nicht bekam und sie selbst es im Laufe der Jahre schleichend abgestellt haben. Und, wenn wir wirklich ein Wechselmodell haben, dann hat man doch auch heute schon eine andere Berechnungsweise als beim klassischen Modell.

In Ergänzung zu dem, was Smogman geschrieben hat: in vielen (Führungs)Positionen ist es doch außerdem gar nicht möglich, auf Teilzeit zu gehen. Einerlei, ob der Arbeitnehmer bereit wäre, das zu tun. Und - was immer verkannt wird - das Betreuungselternteil wird in der Regel für viele Jahre auf Karriere verzichten müssen. Weil einfach die Flexibilität fehlt, die schon im mittleren Management erforderlich ist. Auch dieser Fakt ist zu berücksichtigen.

wirdwerden

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#4
 Von 
Anami
Status:
Unbeschreiblich
(31950 Beiträge, 5626x hilfreich)

Zitat (von TiSo):
Wir leben heute in einer Gesellschaft, in dem in den Familien beide Arbeiten gehen. Aber nach einer Trennung wird die gesamte Last, Geld zu verdienen, nur einen Elternteil zugemutet.
Das ist ganz einfach und vor allem so pauschal nicht wahr.
Zitat (von TiSo):
Das Motto "Einer Verdient - Einer Erzieht" ist längst überholt.
Das wiederum ist richtig.

Signatur:

Ich schreibe hier nur meine Meinung.

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#5
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38354 Beiträge, 13981x hilfreich)

Es ist schon deshalb nicht wahr, weil der schlechter Verdienende in der Regel dann wegen der Kinder berufsmäßig zurücksteckt, nicht der besser Verdienende. Und - man hat sich ja gemeinsam für ein bestimmtes Modell entschieden. Das wird ja nicht durch eine Trennung automatisch aufgehoben. Mit den Folgen müssen sich halt beide auseinander setzen.

wirdwerden

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#6
 Von 
Zuckerberg
Status:
Lehrling
(1909 Beiträge, 1138x hilfreich)

Zitat:
"Einer erzieht- einer zahlt" sollte geändert werden, keine Frage. Aber eben nicht in "einer zahlt - der andere zahlt und betreut", sondern in "beide betreuen und zahlen ihren Baranteil je nach Einkommen"
Kann man so sagen. Wie ich zuletzt gehört habe, gibt es (teilweise schon etwas länger) auch dahingehende Bemühungen in der Politik. Wie mehrheitsfähig die sind, sollte man noch abwarten (der Stillstand der letzten vielen Jahre stimmt da etwas skeptisch).

Zitat:
Die Barunterhaltshaftung am Betreuungsumfang festzumachen ist natürlich ein wünschenswertes Modell. Es birgt allerdings das massive Risiko, dass das Kind bei manchen Eltern zum Abakus mutiert.
Ja, dieses Risiko würde ich auch sehen. Ich sehe aber auch jetzt schon ein gewisses Risiko: Der betreuende Elternteil will den Umgang von der 50%-Grenze entfernt halten, insbesondere also das Wechselmodell verhindern, weil er dann im Sinne des Unterhaltsrechts ggf. nicht mehr der (allein) betreuende Elternteil wäre. Auch ist die bisherige Rechtslage und Rechtsprechung, wonach der besonders intensiv/umfangreich den Umgang wahrnehmende Elternteil in finanzieller Hinsicht "der Dumme" ist, nicht gerade ein Anreiz für Umgangselternteile, von dieses Recht intensiv/umfangreich zu nutzen. Ich sehe da also keinen Risikoanstieg, sondern eher den Wandel des bisherigen Risikos in ein anderes Risiko.

Zitat:
Aber wenn der Elternteil, bei dem die Kinder leben, vollzeit arbeiten geht, werden diese Einkünfte überhaupt nicht für den Kindesunterhalt berücksichtigt. Natürlich hat dieser Elternteil die gesamte Zeit die Betreuung der Kinder was natürlich berücksichtigt werden muss. Aber warum bleibt das Einkommen gänzlichst unberücksichtigt?
In diesem Beispiel hat der Unterhalt zahlende Eternteile aber etwas mehr Freizeit.

Zitat:
Und so stelle ich mit die Frage, ob eine Verfassungsklage gegen die Regelung zur Berechnung des Kindesunterhalts wegen des Verstoßes gegen Art. 3, Abs. 2 GG, gerade unter Berücksichtigung, dass Einkommen beim erziehenden Elternteil nicht berücksichtigt werden, Erfolg hat.
Da würde ich mir keine Hoffnung machen. Wobei sich da durchaus Diskussionsansätze finden lassen. Gerade bei Art 3 GG scheint mir das BVerfG auch oft sehr fantasiereich zu sein. Es bleiben aber die hohen prozessualen Hürden und die ernstzunehmende Begründungspflicht. Auch müsste man dann nach einem "Extremfall" suchen, der die Ungleichbehandlung auch wirklich deutlich werden lässt. Wie schon gesagt wurde, sind aber gerade Extremfälle auch schon jetzt in der Rechtsprechung besonders berücksichtigt (sodass es dann ggf. gar nicht bis zur Verfassungsbeschwerde käme).

Vielleicht wollen Sie lieber politisch Druck machen.

0x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38354 Beiträge, 13981x hilfreich)

Mir fehlt im Augenblick immer noch die Aktivlegitimation des Fragestellers, eine Verfassungsklage einzureichen bzw. erfolgreich durchzuziehen.

Auch sollte man sich nicht an Extremfällen "hochziehen." Wenn das betreuende Elternteil deutlich mehr verdient als das andere, dann wird ja auch schon heute das Gehalt des Besserverdienenden mit einbezogen. Hinzu kommt ja noch, dass das BGB eben keine Zahlen nennt, sondern diese ja letztlich durch Tabellen wie die Düsseldorfer konkretisiert werden, und es ja immer noch Einzelfallentscheidungen sind.

Ich sehe die Gefahr, dass der Anreiz zur Arbeit neben der Kindererziehung dann ganz flöten geht, und man lieber ganz zu Hause bleibt. Wir haben diesen "roll back" in die Zeit von vor 100 Jahren ja schon jetzt. Nach drei Jahren Babypause will die Masse der Betreuungselternteile doch gar nicht in den Beruf zurück. Ist zumindest die Beobachtung der großen Arbeitsrechtskanzleien. Da geht es dann um das Aushandeln einer Abfindung. Oder die Frau wird gleich wieder schwanger.

Was ich als positive Entwicklung sehe, ist die aufkommende Flexibilität bei den gerichtlichen Entscheidungen. Unterhaltsreduzierungen gibt es nicht mehr nur bei einer 50/50 % Betreuung des Kindes, sondern auch schon bei einer anderen Gewichtung. Wobei man da natürlich bei Urlaubsregelungen, klassischen Wochenendbetreuungsregelungen keine Änderung erwarten kann, die sind in die Zahlbeträge eingearbeitet wie auch umgekehrt die Fälle, in denen der Zahlende keinen Kontakt zum Kind hat. Auch da hat das betreuende Elternteil keinen Anspruch auf höheren Unterhalt.

wirdwerden

0x Hilfreiche Antwort

#8
 Von 
Anami
Status:
Unbeschreiblich
(31950 Beiträge, 5626x hilfreich)

Zitat (von wirdwerden):
Aber abgesehen davon ist ein Wechselmodell doch in den seltensten Fällen wirklich praktizierbar.
Von *Wechselmodell* hat der TE gar nichts geschrieben. Das scheint auch nicht seine Intention zu sein.
Zitat (von wirdwerden):
Auch sollte man sich nicht an Extremfällen "hochziehen."
Wer tut das denn?
Zitat (von wirdwerden):
Ich sehe die Gefahr, dass der Anreiz zur Arbeit neben der Kindererziehung dann ganz flöten geht,
Wann denn? Und bei wem? Weil jemand hier nach der Erfolgschance einer V-Klage fragt, eher nicht.
------------------------------------------------------
Zitat (von TiSo):
Und so stelle ich mit die Frage, ob eine Verfassungsklage gegen die Regelung zur Berechnung des Kindesunterhalts wegen des Verstoßes gegen Art. 3, Abs. 2 GG, gerade unter Berücksichtigung, dass Einkommen beim erziehenden Elternteil nicht berücksichtigt werden, Erfolg hat.
Höchstwahrscheinlich nicht.

Signatur:

Ich schreibe hier nur meine Meinung.

0x Hilfreiche Antwort

#9
 Von 
R.M.
Status:
Bachelor
(3879 Beiträge, 2381x hilfreich)

Die Ausgangsfrage impliziert , dass nur ein Elternteil Barunterhalt zahlt und der betreuende Elternteil lediglich die Betreuung und Erziehung übernimmt, aber keine Kosten hat. Das ist schlicht falsch. Zwar hat der betreuende Elternteil keinen Barunterhalt zu leisten. Das wäre auch Quatsch, denn diesen Barunterhalt bekäme er sodenn (solange das Kind minderjährig und im Haushalt lebend) wiederum er selbst.
Das betreuende Elternteil leistet Naturalunterhalt. Der beschränkt sich nicht nur auf die Betreuung und Erziehung sondern beinhaltet Wohnraum einschl. Wohnnebenkosten (für das Kinderzimmer und die anteilige Mitbenutzung gemeinsamer Räume), Ernährung, Bildung, Freizeit, Kleidung, Körperpflege, Fahrtkosten (Bus/Bahn und elternliche Taxidienste) usw. usf.
Je höher das Einkommen des betreuenden Elternteils, destso höher der Lebensstandard, destso höher auch die Ansprüche des Kindes. Diese Unterhaltsleistungen passen sich sozusagen automatisch an. Und aus eigener Erfahrung: der Natural-Unterhalt, wenn man ihn mal monetär umrechnet, liegt schnell deutlich höher als der Barunterhalt des anderen Elternteils.
Deshalb kann ich keine Diskriminierung erkennen.

Signatur:

lg.
R.M.

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