Fehlerhafte Rückforderung von Leistungen nach SGB II

28. August 2023 Thema abonnieren
 Von 
kaskade
Status:
Frischling
(22 Beiträge, 6x hilfreich)
Fehlerhafte Rückforderung von Leistungen nach SGB II

Mein Freund war als Freiberufler bei der Jobcenterabteilung für Selbstständige gemeldet und bezog nach WBA alle 6 Monate jeweils ALG II. Der letzte WBA wurde im Januar 2023 gestellt und im Februar für die Monate März bis August bewilligt.

Ende Mai 2023 erhielt er, für ihn völlig überraschend, einen Aufhebungsbescheid ab Juni 2023. Begründung war, dass mein Freund die Altersgrenze erreicht habe, nun Altersrente erhielte und damit nicht mehr leistungsberechtigt sei.

Herr B. beantragte daraufhin Sozialhilfe, da er völlig mittellos dastand, die auch bewilligt wurde.

Am 20.07.2023 erhielt er dann ein Anhörungsschreiben zur Rücknahme aller Leistungen ab März 2023 mit der Begründung, er habe am 01.03.2023 einen Rentenbewilligungsbescheid erhalten. Es wurde der folgende Vorwurf erhoben:

"Die Entscheidung (gemeint ist der Leistungsbescheid) dürfte wegen Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis der Rechtswidrigkeit zurückzunehmen sein (§ 40 Absatz 2 Nummer 3 SGB II in Verbindung mit § 330 Absatz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III in Verbindung mit § 45 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 SGB X).

Die fehlerhafte Bewilligung dürfte Ihnen bekannt gewesen sein. Sie hätten erkennen können, dass Ihnen Leistungen in dieser Höhe nicht zugestanden haben."


In seiner Antwort darauf erklärte er, dass er bis zum heutigen Tag keinen Rentenbescheid bzw. keine Rentenbewilligung erhalten hat, folglich auch keinerlei Rentenzahlung. Sein Rentenantrag wird derzeit noch bearbeitet.

Men Freund hat in der Tat im April (!) die Regelaltersgrenze erreicht. Er war sich aber nicht bewusst darüber, dass er dazu verpflichtet war, Altersrente zu beantragen.

Das Jobcenter hat ihm lediglich bei einem formlosen mündlichen Gespräch am 27. Dezember 2022 geraten, er solle besser zeitig einen Antrag auf Grundsicherung beim Sozialamt stellen, da pünktlich zu seinem Geburtstag Mitte April die Leistungen nach SGB II eingestellt würden.

Es wurde ihm weder in diesem Gespräch gesagt, dass er zur Antragstellung verpflichtet sei, noch erhielt er eine schriftliche Aufforderung mit Hinweis auf eine Verpflichtung zur Antragstellung. Das JC selbst hat auch keinen Antrag gestellt.

Kurz, mein Freund hat lediglich eine mündliche Empfehlung erhalten.

Da exakt einen Monat danach sein WBA positiv für März bis August 2023 entschieden wurde, mein Freund von seiner Pflicht nicht unterrichtet und auch nicht zur Antragstellung aufgefordert wurde, ging er davon aus, dass mit dem positiven Leistungsbescheid die Sache erledigt sei.

Als Antwort auf die Anhörung kam am 31.07.2023 nun der Bescheid zur Rücknahme, Erstattung und Zahlungsaufforderung, mit derselben Begründung wie oben in blau zitiert. Auf das Argument, dass es keinen positiven Rentenbescheid gibt, wird darin nicht eingegangen, sondern das JC bleibt bei seiner völlig unbegründeten Version von Rentenbewilligung im März.

Mein Freund soll nun bis zum 12.09.2023 sämtliche Leistungen für die Monate März, April und Mai 2023 zurückzahlen, wobei das Jobcenter den in seiner Anhörung erhobenen Einwand schlicht ignoriert - nämlich, dass er keinen Rentenbewilligungsbescheid erhalten hat und erst recht nicht (wie behauptet) am 01. März 2023. Der mittlerweile gestellte Antrag gilt für Rentenzahlung ab dem Geburtstagsmonat meines Freundes, und das ist der April 2023.

Zumindest die Rückforderung der Leistungen für den Monat März wäre damit ja wohl nicht rechtens.

Es fragt sich aber darüber hinaus aus meiner Sicht, ob man meinem Freund angesichts des Bewilligungsbescheides vom Februar 2023 und des eben keineswegs erhaltenen Rentenbewilligungsbescheids tatsächlich vorwerfen kann, quasi wissentlich zu Unrecht Leistungen bezogen zu haben.

Außerdem erhebt sich die Frage, ob der gesamte Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 31.07.2023 unter diesen Voraussetzungen überhaupt rechtsgültig ist, und was wir jetzt tun können bzw. sollten.

Bescheid anfechten?

Bescheid anfechten?

Ein erfahrener Anwalt im Sozialrecht gibt Ihnen eine vertrauliche kostenlose Einschätzung!
Ein erfahrener Anwalt im Sozialrecht gibt Ihnen eine vertrauliche kostenlose Einschätzung!
Kostenlose Einschätzung starten Kostenlose Einschätzung starten



5 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
muemmel
Status:
Unbeschreiblich
(33389 Beiträge, 17428x hilfreich)

Dass mit Erreichen der Altersgrenze kein Bürgeldanspruch mehr besteht, steht so im Gesetz - daran lässt sich folglich nichts ändern. Insofern wird sich ein Widerspruch wohl auf die Rückforderung für März beschränken müssen.

Signatur:

Bei nur einer Ratte im Zimmer handelt es sich nicht um einen Reisemangel ( Amtsgericht Köln).

0x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
Anami
Status:
Unbeschreiblich
(34345 Beiträge, 5918x hilfreich)

Zitat (von kaskade):
Men Freund hat in der Tat im April (!) die Regelaltersgrenze erreicht.
Er war nicht verpflichtet, Altersrente zu beantragen. Man kann gern auf Rentenansprüche verzichten.

Nach § 7 (Abs.1, Nr.1) SGB II endet trotzdem der Anspruch auf Leistungen nach SGB II mit Erreichen der Altersgrenze.
Tja, Gesetze hat man zu kennen, zumindest sollte man sich in Rentennähe darüber informieren, damit das mit Mittellosigkeit nicht passiert.
Sein Einwand mit dem fehlenden Rentenbescheid ist unerheblich und konnte vom JC ignoriert werden.

Er kann Widerspruch innerhalb 1 Monat erheben. Anspruch auf ALG2 hatte er taggenau bis zum *Renten-Geburtstag*.

Zitat (von kaskade):
ging er davon aus, dass mit dem positiven Leistungsbescheid die Sache erledigt sei.
Was bitte sollte damit erledigt sein? Nach den WBA wird iaR fast automatisch der neue Bewilligungsbescheid erstellt und verschickt. Dass jemand nach dem Dezember-Gespräch die Alters-Info nicht an die Leistungsabteilung weitergab und das System beim WBA nicht die Altersgrenze erkannte --- wird Herr B. nicht für sich verwenden können.
Das JC hat schon im Februar gepennt.

Zitat (von kaskade):
Sie hätten erkennen können, dass Ihnen Leistungen in dieser Höhe nicht zugestanden haben."
Ja, das hätte er auf jeden Fall erkennen können, zumal er zusätzlich und rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht wurde.

Die Rente wird nachgezahlt werden.
Das Sozialamt wird anteilige Sozialhilfe zurückfordern.

Herr B. kann den Widerspruchsbescheid abwarten und sich auch überlegen, ob er bis 12.9. die Forderung begleicht---oder wartet, ob das JC den Vorgang dann an den Inkasso-Service der BA weitergibt...
...oder dem JC dann Ratenzahlung anbietet.



-- Editiert von User am 28. August 2023 16:57

Signatur:

Ich schreibe hier nur meine Meinung.

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
AxelK
Status:
Philosoph
(13115 Beiträge, 4456x hilfreich)

In § 7a SGB II kannst Du - gestaffelt nach Geburtsjahr - genau nachlesen, wann die Altersgrenze erreicht wurde. Im Monat, in dem diese erreicht wird, entfällt der Leistungsanspruch nach dem SGB II, unabhängig davon, ob Altersrente tatsächlich bezogen wird, oder auch nur beantragt wurde oder nicht.

Werden Leistungen bereits für Zeiträume vor erreichen der Altersgrenze zurückgefordert, ist ein Widerspruch auf jeden Fall erfolgversprechend. Wurde die Altersgrenze bereits im März erreicht, macht ein Widerspruch keinen Sinn.

Das Jobcenter musste auf diese Umstände auch nicht gesondert hinweisen und auch die (vermutlich) falsche Leistungsbewilligung von März bis August ändert nichts. An falsche Entscheidungen ist das Jobcenter selbstverständlich nicht gebunden. Und - wie andere hier schon schrieben - Gesetze hat man zu kennen. Insbesondere die, die man selbst für sich in Anspruch nimmt. Darüber hinaus hast Du, bzw. Dein Freund, ziemlich sicher bei Erstantragstellung ein Merkblatt erhalten und den Erhalt auch quittiert. Auch darin ist das mit der Altersgrenze erläutert. Zur Beratung ist das Jobcenter nur auf Nachfrage verpflichtet, oder dann, wenn sich ein Beratungsbedarf offensichtlich aufdrängt. Und bei dieser Thematik sehe ich solches aufdrängen nicht.

Gruß,

Axel

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
kaskade
Status:
Frischling
(22 Beiträge, 6x hilfreich)

Zitat (von AxelK):
Wurde die Altersgrenze bereits im März erreicht, macht ein Widerspruch keinen Sinn.


Die Regelaltersgrenze wurde zum 1. April erreicht. Die Rückforderung für März ist demnach falsch.

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
Anami
Status:
Unbeschreiblich
(34345 Beiträge, 5918x hilfreich)

Zitat (von kaskade):
Die Rückforderung für März ist demnach falsch.
Ja, dagegen sollte sich der Widerspruch richten.
Ab dem 1.4.23 besteht kein Leistungsanspruch nach SGB II mehr.

Signatur:

Ich schreibe hier nur meine Meinung.

1x Hilfreiche Antwort

Und jetzt?

Für jeden die richtige Beratung, immer gleich gut.
Schon 277.773 Beratungen
Anwalt online fragen
Ab 30
Rechtssichere Antwort in durchschnittlich 2 Stunden
112.206 Bewertungen
  • Keine Terminabsprache
  • Antwort vom Anwalt
  • Rückfragen möglich
  • Serviceorientierter Support
Anwalt vor Ort
Persönlichen Anwalt kontaktieren. In der Nähe oder bundesweit.
  • Kompetenz und serviceoriente Anwaltsuche
  • mit Empfehlung
  • Direkt beauftragen oder unverbindlich anfragen
Alle Preise inkl. MwSt. zzgl. 5€ Einstellgebühr pro Frage.

Jetzt Anwalt dazuholen.

Für 60€ beurteilt einer unserer Partneranwälte diese Sache.

  • Antwort vom Anwalt
  • Innerhalb 24 Stunden
  • Nicht zufrieden? Geld zurück!
  • Top Bewertungen
Ja, jetzt Anwalt dazuholen
Wurde Ihr Pflegegrad zu niedrig eingestuft?
Wir schreiben Ihre Widerspruchsbegründung. Dabei entstehen für Sie keine Kosten.