Hätte Jobcenter Antrag ans Sozialamt weiterleiten müssen?

13. März 2016 Thema abonnieren
 Von 
Mohaw
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 0x hilfreich)
Hätte Jobcenter Antrag ans Sozialamt weiterleiten müssen?

Hallo,

folgende Problemstellung: PersonA ist aufgrund drohender Obdachlosigkeit von den Niederlanden zu PersonB nach DE gezogen. PersonA möchte dauerhaft hier bleiben. PersonA ist mittellos und kommt nur durch geliehene Mittel von PersonB über die Runden. PersonA hat inzwischen eine nicht-bedarfsdeckende Beschäftigung und hofft bald ohne staatliche Mittel auszukommen.

Im Januar wurde ein Antrag auf ALG II gestellt, welcher aufgrund eines mangelndem Arbeitnehmerstatus abgelehnt wurde. Als Bürger eines der Staaten, welches das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) ratifiziert hat, steht ihm die selbe sozialrechtliche "Fürsorge" zu, wie die Staatsbürger jenes Landes in dem sie sich aufhalten.

Das BSG entschied am 03.12.2015: "Bürger aus EFA-Staaten haben einen regulären Sozialhilfeanspruch aus dem SGB XII ab dem ersten Tag des Aufenthalts in Deutschland, wenn sie sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten und dem Grunde nach von SGB-II-Leistungen ausgeschlossen sind."

So, nun die Frage: Das Jobcenter war nach dieser Rechtssprechung nicht zuständig Sozialleistungen zu zahlen, sondern das Sozialamt. Hätte das JC den Antrag dementsprechend an das Sozialamt weiterreichen müssen? Und kann man die Sozialleistung rückwirkend einfordern?

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4 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
AntoineDF
Status:
Praktikant
(507 Beiträge, 411x hilfreich)

Hallo "Mohaw",

Zitat:
Hätte das JC den Antrag dementsprechend an das Sozialamt weiterreichen müssen?


ja, das ergibt sich aus § 16 Abs. 2 S. 1 SGB I:

Zitat:
Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten.


Zitat:
Und kann man die Sozialleistung rückwirkend einfordern?


Ja, siehe hierzu bitte § 16 Abs. 2 S. 2 SGB I:

Zitat:
Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist.

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#2
 Von 
AxelK
Status:
Philosoph
(13041 Beiträge, 4439x hilfreich)

@Mohaw:

Die Antwort von AntoineDF ist grundsätzlich richtig, aber:

Seit wann hält sich Person ! in Deutschland auf und - noch viel wichtiger - seit wann wird die Erwerbstätigkeit ausgeübt? Welchen Umfang (Wochenarbeitsstunden und Lohn) hat die Tätigkeit?

Von wann ist der Ablehnungsbescheid des Jobcenters und wurde dagegen Widerspruch eingelegt?

Gruß,

Axel

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
Mohaw
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 0x hilfreich)

Erstmal vielen Dank für die Antworten! :)

PersonA ist nun seit ca. einem halben Jahr in DE. Und hat sich bei Antragsstellung bereits mehr als 3 Monate hier aufgehalten (ich denke darauf wollen Sie hinaus). Es wurde zwar schon kurz nach Einreise ein Antrag gestellt, allerdings wurden die Unterlagen damals nie vollständig eingereicht, weil man sich vom Jobcenter hat abwimmeln lassen (eben wegen dieser 3-Monats-Sperre für Eingewanderte, etc.).

Anfang Januar wurde ein neuer Antrag gestellt, vollständig eingereicht und binnen 2 Tagen abgelehnt. Dabei ging es explizit um das Fehlen des Arbeitnehmerstatus. Widerspruch wurde nicht eingelegt.
Die Tätigkeit wird seit März ausgeübt und ist laut Jobcenter ausreichend um nun einen neuen Antrag stellen zu können. Dies wird auch bereits angegangen.

Dementsprechend geht es hier vielmehr um die Monate Januar und Februar. Nun kommen meines Erachtens zwei Dinge in Betracht: §16 SGB I und §28 SGB X .

Zum Einen hätte dem Jobcenter aufgrund aktueller Rechtslage auffallen müssen, dass das Sozialamt ihm hätte Leistungen zahlen müssen. Allerdings wurde ein Antrag auf ALG II beim Jobcenter gestellt und auch vom Jobcenter bearbeitet. Von daher bin ich mir nicht sicher, ob §16 SGB I tatsächlich so gemeint ist. Für mich klingt das eher so, als würde man bspw. einen Antrag auf ALG II beim Sozialamt stellen und diese bearbeiten ihn dann selbst?

Dementsprechend scheint mir §28 SGB X eher zu zutreffen. Da man bewusst von der Antragsstellung auf Sozialhilfe abgesehen hat, da man ALG II beantragte, dieses jedoch abgelehnt wurde. Nun allerdings weiß, dass man eigentlich Sozialhilfe hätte beantragen müssen.

Viele Grüße

-- Editiert von Mohaw am 14.03.2016 08:59

-- Editiert von Mohaw am 14.03.2016 09:01

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
AxelK
Status:
Philosoph
(13041 Beiträge, 4439x hilfreich)

@Mohaw:

Zitat:
Die Tätigkeit wird seit März ausgeübt und ist laut Jobcenter ausreichend um nun einen neuen Antrag stellen zu können. Dies wird auch bereits angegangen.


Das ist soweit auch korrekt und sollte auf jeden Fall weiterverfolgt werden.

Zitat:
Nun kommen meines Erachtens zwei Dinge in Betracht: §16 SGB I und §28 SGB X .


Sehr gut erkannt.

Zitat:
Allerdings wurde ein Antrag auf ALG II beim Jobcenter gestellt und auch vom Jobcenter bearbeitet. Von daher bin ich mir nicht sicher, ob §16 SGB I tatsächlich so gemeint ist.


Nachdem in der Sache selbst mit dem Ablehnungsbescheid eine Entscheidung getroffen wurde, tendiere ich dazu, mich Deinen Zweifeln anzuschließen. Vermutlich wird die Argumentation mit der Verpflichtung zur Antragsweitergabe tatsächlich nicht (mehr) funktionieren.

Zitat:
Dementsprechend scheint mir §28 SGB X eher zu zutreffen.


Sehe ich im Prinzip auch so. Aber: Als denkbare Ansprüche gegen das Sozialamt kommen lediglich Ansprüch nach dem Dritten Kapitel SGB XII infrage. Dabei handelt es sich um Ermessensleistungen (auch darauf hat das BSG in seinen von Dir genannten Entscheidungen ausdrücklich hingewiesen). Darüber hinaus gilt das Bedarfsdeckungsprinzip. Und da offensichtlich Dein Bedarf in Januar und Februar gedeckt war (wie auch immer), dürfte dieses Ermessen dahingehen ausgeübt werden, dass Dein Antrag abgelehnt werden wird. Eine sogenannte Ermessensreduzierung auf Null ist hier für mich nicht erkennbar.

Gleichwohl kann ein Antrag natürlich nicht schaden und einen Versuch ist's wert. Ob man dann bei einer Ablehnung den Rechtsweg beschreitet, kann man dann immer noch überlegen.

Gruß,

Axel

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