Hallo,
folgender Sachverhalt liegt hier vor:
Vollzeit-Arbeitsverhältnis endete zum 31.08.2021. Ab 01.09.2021 wird ALG II gezahlt.
Der Arbeitgeber hat im August eine Lohnabrechnung erstellt mit einem Nettolohn von 1.700 Euro, hat jedoch zum 31.08.2021 aufgrund eines Fehlers nur Lohn in Höhe von 1.200 Euro ausgezahlt. Zum 08.09.2021 zahlt er die fehlenden 500 Euro nach.
Das Jobcenter fordert nun Kontoauszüge an, um zu klären, wann welches Einkommen erzielt wurde. Nun wird das Jobcenter erkennen, dass im August 1.300 Euro Lohn eingegangen ist. Aber auch die 500 Euro Anfang September in dem schon ALG II zum tragen kommt.
Kann hier nun eine nachträgliche Kürzung des ALG II für September erfolgen, weil im September eine Nachzahlung des Lohns erfolgte, die jedoch regulär dem Monat August zuzuschreiben ist?
Wenn ja, dann wäre das ja völlig ungerecht, denn ich würde aufgrund des Fehlers des Arbeitgebers, im September weniger Leistungen erhalten, obwohl der ursprüngliche Gesamtlohn ja im August hätte komplett gezahlt werden müssen, also zum Zeitpunkt, an dem mir ja eh noch kein ALG II zustand.
Kann mir hier jemand helfen, wie da die Rechtslage ist?
Danke
Zitieren Zitieren
In welchem Monat wird versehentliche Lohnnachzahlung auf ALG II angerechnet?
Bescheid anfechten?
Bescheid anfechten?

ZitatNun wird das Jobcenter erkennen, dass im August 1.300 Euro Lohn eingegangen ist. Aber auch die 500 Euro Anfang September in dem schon ALG II zum tragen kommt. :
Bedeutet, am hat die 500 EUR Einkommen nicht gemeldet?
Dann wird es wohl nicht nur bei einem entsprechenden Abzug vom ALG II bleiben ...
Doch. Die Lohnabrechnung über 1.700 Euro wurde bereits Ende August, gleich nach der Erstellung übermittelt. Dass die Zahlung nicht korrekt ausgeführt werden würde, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt.
Auf Frag-einen-Anwalt.de antwortet Ihnen ein Rechtsanwalt innerhalb von 2 Stunden. Sie bestimmen den Preis.
Da Du ALG II erst ab September beziehst, ist auch ein Geldzufluss erst ab September relevant. Bei ALG II gilt das Zuflussprinzip. D.h. die eingegangene Zahlung im September wird mit dem ALG II für September verrechnet und muss zurückgezahlt werden.ZitatDoch. Die Lohnabrechnung über 1.700 Euro wurde bereits Ende August, gleich nach der Erstellung übermittelt. Dass die Zahlung nicht korrekt ausgeführt werden würde, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. :
@Ricky:
Zitat:Kann mir hier jemand helfen, wie da die Rechtslage ist?
Die Rechtslage ist hier völlig eindeutig und durch unzähligen höchstrichterliche Entscheidungen bestätigt; auch wenn sie Dir sicher nicht gefallen wird. Die Anrechnung erfolgt nach dem Zuflussprinzip, d.h., die 500,00 Euro, die Du (fälschlicherweise) erst im September erhalten hast, werden im September auf den Leistungsanspruch angerechnet. Du wirst also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zunächst eine Anhörung (im Rahmen der Beantwortung kannst Du durchaus mitteilen, dass es sich um einen Fehler des ehemaligen Arbeitgebers handelt) und dann eine Rückforderung bekommen.
Mit ganz viel Glück und bei der chronischen personellen Unterbesetzung mancher Jobcenter, wird das Ganze vielleicht "vergessen". Wichtig hierbei ist zu wissen, dass der Rückforderungsbescheid spätestens innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Jobcenters über die Umstände, die zur Rückforderung berechtigen, erlassen werden muss. Hier dürfte die Jahresfrist mit dem nachweislichen Eingang der Kontoauszüge beim Jobcenter beginnen. Nach Ablauf des Jahres ist eine Rückforderung rechtlich nicht mehr möglich. Dieses nur der Vollständigkeit halber. Ich würde nicht darauf zählen, dass es so (falsch) laufen wird.
Spannend wird es dann übrigens bei der Frage, inwieweit hinsichtlich des Geldzuflusses im September Freibeträge zu berücksichtigen sind. Ich bin der Meinung, dass die Erwerbstätigenfreibeträge zu berücksichtigen sind, sodass die Rückforderung lediglich über 320,00 Euro lauten dürfte.
Zitat:Wenn ja, dann wäre das ja völlig ungerecht, denn ich würde aufgrund des Fehlers des Arbeitgebers, im September weniger Leistungen erhalten, obwohl der ursprüngliche Gesamtlohn ja im August hätte komplett gezahlt werden müssen, also zum Zeitpunkt, an dem mir ja eh noch kein ALG II zustand.
Ich kann in dieser Konstellation durchaus gut verstehen, dass Du das als ungerecht empfindest. Dennoch ist das Jobcenter an die beschriebene Rechtslage gebunden und wird nicht anders entscheiden können. Prüfen könnte man ggf., inwieweit der Ex-Arbeitgeber möglicherweise zum Schadenersatz verpflichtet ist. Hierfür wird es meines Erachtens maßgeblich darauf ankommen, wie verbindlich die Fälligkeit des Lohnes Ende August geregelt war und auch wie es zu der fehlerhaften Zahlung gekommen ist. Die Frage solltest Du hier bei Interesse mal im Unterforum Arbeitsrecht stellen. Andererseits wird vermutlich auch die Schadenersatzzahlung dann wieder auf das ALG II anzurechnen sein, sofern Du dann noch im Leistungsbezug bist. Ist also irgendwie auch ein Nullsummenspiel.
Gruß,
Axel
Vielen Dank für die zahlreichen Antworten.
@Axel
Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Gesetzgeber diese Regelung so wollte, wenn es aufgrund eines Fehlers zu einer einmaligen Nachzahlung kommt, der Empfänger von Sozialleistungen dadurch benachteiligt wird. Zumal er selbst nichts dazu kann.
Vielleicht entscheidet, wenn es dazu kommen sollte, das Sozialgericht im Sinne des Benachteiligten.
Hoffentlich nicht. ALG II ist eine einkommensabhängige Sozialleistung, die aus Steuermitteln von der Solidargemeinschaft finanziert wird. Woher das Einkommen eines Hilfebedürftigen kommt, spielt für die Solidargemeinschaft keine Rolle. Bei der Frage nach (sozialer) Gerechtigkeit muss man ab und an auch mal seinen persönlichen Wahrnehmungsbereich verlassen.ZitatVielleicht entscheidet, wenn es dazu kommen sollte, das Sozialgericht im Sinne des Benachteiligten. :
Wie dir Axel schon mitgeteilt hat, könntest du auf dem Zivilrechtsweg einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber geltend machen. Nach meiner Einschätzung hat auch das kaum Aussicht auf Erfolg.
Der Gesetzgeber sieht keine Benachteiligung. Ein Richter am SG kann auch nur nach Gesetz entscheiden. § 11 (3) SGB IIZitatVielleicht entscheidet, wenn es dazu kommen sollte, das Sozialgericht im Sinne des Benachteiligten. :
Für dich gilt:
Dir floss im September die Nachzahlung zu, die aber für August zu erbringen war.
passiert häufig:
AN fällt erst im Oktober in Alg2 und erhält im November die Jahressonderzahlung.
AN erhält die Steuererstattung aus vorigem Jahr im Monat mit Alg2.
Die angeführten Beispiele kann ich alle verstehen. Wenn es reguläre Nachzahlungen gibt. Wenn es sich aber bei dem vorliegenden Sach- und Tatbestand um einen Fehler oder Irrtum handelt, so dürfte es hier keinen Nachteil des Hilfeempfängers geben. Solche Versehen dürfen eigentlich nicht zum Nachteil ohne eigenes Zutun werden.
Da noch gar nichts passiert ist, kannst du doch zur Vorlage der Kontoauszüge gleich noch die Erklärung zum Irrtum/Fehler des AG abgeben. Evtl. Nachweise zu Lohnabrechnungen früherer Monate vorlegen, wo du auch stets 1.700,- netto hattest.ZitatNun wird das Jobcenter erkennen, :
Sollte das JC stur und, wie gesetzlich vorgesehen, nach Zuflussprinzip bescheiden, kannst du Widerspruch erheben. Innerhalb 1 Monat nach Zugang des Bescheides.
Ansonsten folge doch auch der Empfehlung aus #3 und mache deinen 500€-Schaden zivilrechtlich bei deinem ehemaligen AG geltend.
Also nicht Sozialgericht, sondern Amtsgericht.
Mir ist nicht bekannt, ob die Gesetze des SGB II nach regulären und versehentlichen Nachzahlungen unterscheiden.
Mir ist bekannt, dass grundsätzlich nach Einnahmen/Zufluss geschaut wird und ---klickklick-- im System das zu berücksichtigende Einkommen hinterlegt wird und der Auszahlungsbetrag Alg2 sich entsprechend vermindert.
Wer hat dem AG denn seinen Irrtum bekannt gegeben? Du ? Oder hat er es selbst gemerkt?
ZitatSollte das JC stur und, wie gesetzlich vorgesehen, nach Zuflussprinzip bescheiden, :
Das JC ist in diesem Falle nicht stur, es würde einfach die Gesetze befolgen.
Zitatkannst du Widerspruch erheben. :
Zeit und Geldverschwendung.
ZitatAnsonsten folge doch auch der Empfehlung aus #3 :
Die da wäre?
Zitatund mache deinen 500€-Schaden zivilrechtlich bei deinem ehemaligen AG geltend. :
Es gibt keinen Schaden. Das wäre aber überhaupt die Voraussetzung für Schadenersatz.
Wenn es so weit ist, werde ich Widerspruch und ggf. Klage vorm SG einreichen. Das werde ich definitiv überprüfen lassen.
Der AG hat eine Lohnabrechnung über Gesamtlohn mit Valuta zum 31.08. erstellt. Was anderes wäre gewesen wenn von vornherein ein geringerer Lohn berechnet und ausgezahlt worden wäre und es im Nachhinein eine Korrektur gegeben hätte.
Wenn z.B. eine Bank versehentlich eine Auszahlung zum 1. anstelle 31. ausführt, kann man den Hilfeempfänger dafür nicht in Haftung nehmen und wirtschaftlich bestrafen. So meine Rechtsauffassung.
Es gibt immer wieder mal erstinstanzliche abweichende Entscheidungen vom SG die in Einzelfällen getroffen wurden. Habe vor Jahen selbst 1x so eine Einzelfallklage erfolgreich bestritten.
Zeit ist nicht das Problem. Und Kosten entstehen vorm SG keine.
Ich werde weiter berichten.
ZitatWenn es so weit ist :
ZitatDa noch gar nichts passiert ist, kannst du doch zur Vorlage der Kontoauszüge gleich noch die Erklärung zum Irrtum/Fehler des AG abgeben. :
Vielleicht geht es dann auch ohne Widerspruch.
---------------------------------------------------------------
Ich korrigiere: #4ZitatDie da wäre? :
ZitatIch werde weiter berichten. :
Ja bitte, das wäre schön.
Es ist immer hilfreich für uns, wenn das Thema fortgeführt wird und nicht einfach so abrupt endet.
@Ricky:
Zitat:Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Gesetzgeber diese Regelung so wollte, wenn es aufgrund eines Fehlers zu einer einmaligen Nachzahlung kommt, der Empfänger von Sozialleistungen dadurch benachteiligt wird.
Das der Gesetzgeber konkret solche Konstellationen im Blick hattte, als die gesetzlichen Regelungen eingeführt wurden, denke ich auch nicht. Das ändert aber nichts daran, dass die Gesetze halt so sind, wie sie nunmal sind und gerade im Hinblick auf das Zuflussprinzip die Sozialgerichte dieses vom BSG unumstößlich angewandte Prinzip sehr stringent zur Anwendung bringen.
Zitat:Vielleicht entscheidet, wenn es dazu kommen sollte, das Sozialgericht im Sinne des Benachteiligten.
Vor Gericht und auf hoher See....
Ja, es gibt immer wieder mal erstinstanzliche Entscheidungen, die nicht unbedingt zu 100% mit Gesetz und höchstrichterlicher Rechtsprechung im Einklang stehen. Ob ein Jobcenter in der hier diskutierten Konstellation eine solche Entscheidung akzeptieren würde, erscheint zweifelhaft und die Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung ist im Sozialgericht besonders gut zu begründen und stellt in jedem Fall einen absoluten Revisions-Zulassungsgrund dar.
Du hattest nach Einschätzungen zur Rechtslage gefragt, Die wurden hier in seltener Übereinstimmung von mehreren Usern abgegeben. Die Erfolgsaussichten für eine Klage sehe ich bei Nahe Null.
Zitat:Wenn es so weit ist, werde ich Widerspruch und ggf. Klage vorm SG einreichen. Das werde ich definitiv überprüfen lassen.
Das steht Dir selbstverständlich dennoch frei und wenn Du das ganze ohne anwaltliche Hilfe machst, entstehen in der Tat auch keine Kosten. Es sei denn, das Gericht verhängt eine sogenannte Mutwillensgebühr, die allerdings zuvor mit entsprechender Begründung und Aufforderung zur Rücknahme der Klage angekündigt werden muss. Die Gebühr beträgt mindestens 150,00 Euro.
Zitat:Ich werde weiter berichten.
Das wäre in der Tat sehr wünschenswert.
@Anami:
Zitat:Ansonsten folge doch auch der Empfehlung aus #3 und mache deinen 500€-Schaden zivilrechtlich bei deinem ehemaligen AG geltend.
Ich denke, es wäre nicht das Amtsgericht, sondern das Arbeitsgericht zuständig. Allerdings scheint dieser Weg für den TE ja ohnehin keine Option zu sein.
@Harry:
Zitat:Es gibt keinen Schaden. Das wäre aber überhaupt die Voraussetzung für Schadenersatz.
Klar gibt es einen Schaden. Nämlich exakt den Betrag, den der TE aufgrund der fehlerhaften Lohnauszahlung und der allein dadurch entstehenden Anrechnung auf den Leistungsanspruch weniger an Lohn/Leistungen erhält. Also, den Schaden nachzuweisen, dürfte völlig unproblematisch sein. Ob die sonstigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Schadenersatzforderung bestehen, bleibt zu prüfen.
Gruß,
Axel
Ich teile diese Auffassung. Hier liegt mMn nicht nur kein finanzieller Vermögensschaden vor (auch wenn man das in der Summe subjektiv vielleicht so empfinden mag), es mangelt auch an weiteren Voraussetzungen für einen solchen Anspruch.ZitatEs gibt keinen Schaden. Das wäre aber überhaupt die Voraussetzung für Schadenersatz. :
Ich hab nach etwas Recherche gefunden, dass diese Fallkonstellation bereits vorm BAG behandelt wurde. Kann man sich also schenken.
BAG, Urt. v. 17.1.2018 – 5 AZR 205/17
Im Falle des Verzugs des Arbeitgebers mit der Entgeltzahlung hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt und auf dem Verzug beruhenden zusätzlichen Leistungen nach dem SGB II. Bei zeitlicher Kongruenz von Arbeitsentgelt und Sozialleistung geht der Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe der bezogenen Sozialleistung auf den Leistungsträger über, bei zeitlicher Inkongruenz entfällt der Anspruch auf die Leistung nach dem SGB II rückwirkend, sofern der Arbeitnehmer wegen des nach Bewilligung der Sozialleistung zugeflossenen Arbeitsentgelts im Bezugszeitraum oder Teilen davon objektiv nicht hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II war. Deshalb ist es ausgeschlossen, eine berechtigte Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II wegen verspätet gezahlten Arbeitsentgelts als Schaden des Arbeitnehmers zu werten.
-- Editiert von smogman am 22.09.2021 08:16
Und jetzt?
- Keine Terminabsprache
- Antwort vom Anwalt
- Rückfragen möglich
- Serviceorientierter Support
- Kompetenz und serviceoriente Anwaltsuche
- mit Empfehlung
- Direkt beauftragen oder unverbindlich anfragen
Jetzt Anwalt dazuholen.
Für 60€ beurteilt einer unserer Partneranwälte diese Sache.
- Antwort vom Anwalt
- Innerhalb 24 Stunden
- Nicht zufrieden? Geld zurück!
- Top Bewertungen
Wir schreiben Ihre Widerspruchsbegründung. Dabei entstehen für Sie keine Kosten.