Klage gegen Nullbescheid oder gegen Feststellungsbescheid (Verlustvortrag?)

7. Februar 2021 Thema abonnieren
 Von 
MrDoc
Status:
Frischling
(14 Beiträge, 0x hilfreich)
Klage gegen Nullbescheid oder gegen Feststellungsbescheid (Verlustvortrag?)

Hallo liebe Forumsmitglieder,
ich habe eine interessante Auseinandersetzung mit dem Finanzamt vor dem Finanzgericht. Dabei habe ich eine Klageerwiderung mit einem recht kurzen Inhalt erhalten, von dem ich glaube, dass er eine reine Nebelkerze ist. Wie ist eure Meinung dazu?
Hier der Sachverhalt:

Klageantrag:

"K L A G E

gegen die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommenssteuer zum 31.12.2014 vom XX.XX.2019, sowie die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommenssteuer zum 31.12.2015 vom XX.XX.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom XX.XX.2020. Die Klage richtet sich im Wesentlichen gegen die nicht vollständige Anerkennung eines in der Insolvenz ausgefallenen Gesellschafterdarlehens des Klägers als vortragsfähigen Verlust durch den Beklagten. Die Festellungsbescheide und Einspruchsentscheidung füge ich in Kopie bei.
In der mündlichen Verhandlung werde ich beantragen, die gesonderten Feststellungen der verbleibenden Verlustvorträge für die Jahre 2014 und 2015 in Form der Einspruchsentscheidung insoweit abzuändern, als das Finanzamt 40% des Gesellschafterdarlehens, mithin in einer Höhe von weiteren XX.XXX,XX Euro, geltend gemacht ab Steuerjahr 2014, nicht als Verlust anerkennt, obgleich es gesetzlich ausdrücklich dazu verpflichtet ist. Ebenso wird beantragt, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen."


Klageerwiderung

"...beantrage, die Klage abzuweisen. Der BFH hat in seinen Urteilen vom 16.05.2018 - XI R 50/17 und vom 10.03.2020 - IX R 24/19 entschieden, dass eine eigenständige Prüfung der betreffenden Besteuerungsgrundlagen nicht im Rahmen der Verlustfeststellung, sondern im Rahmen der Einkommenssteuerfestsetzung stattfindet. Klagen gegen die Einkommenssteuerfestsetzungen wurden nicht erhoben."

Hintergrund Bescheide:
Einkommenssteuerbescheid 2014 Änderungs- Nullbescheid, nicht rechtskräftig, nach 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig
Einkommenssteuerbescheid 2015 Änderungs- Nullbescheid, nicht rechtskräftig, nach 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig, Der Vorbehalt der Nachprüfung wird aufgehoben
Bei beiden Bescheiden gab es keine Einspruchsentscheidung, den Bescheiden wurde widersprochen

Entscheidung 16.05.2018 - XI R 50/17
Nicht einschlägig. Hier ging es um Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag. Diese berücksichtigten nicht den geltend gemachten Verlust und konnten nicht mehr geändert werden. Gegen die betreffende Einspruchsentscheidung vom 06.03.2015 hat die Unternehmerin insoweit keine Klage erhoben.

Andere Bescheide, anderer Sachverhalt und rechtskräftige Einspruchsentscheidungen...
Sieht das jemand anders?

Entscheidung 10.03.2020 - IX R 24/19
Diese passt schon eher. Damals ging es aber um einen Verlustrücktrag und der Einkommenssteuerbescheid aus 2010 war bereits rechtskräftig. Anders als im Fall eines Verlustvortrags wird über den nach § 10d Abs. 1 EStG als Verlustrücktrag abgezogenen Betrag nicht im Feststellungsverfahren nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG entschieden, das (erstmals) im Jahr der Verlustentstehung durchzuführen ist, sondern im Rahmen der Entscheidung zur Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte des Rücktragsjahres. (BFH-Beschluss vom 09.02.2017 – X B 49/16, BFH/NV 2017, 721, Rz 14, m.w.N.) Dies spreche dafür, immer im Verlustentstehungsjahr über die Höhe des entstandenen Verlusts zu entscheiden, unabhängig davon, ob nach Verrechnung im Entstehungsjahr und Rücktrag noch ein vorzutragender und festzustellender Verlustteil verbleibe. Die für das Verhältnis von Grundlagenbescheiden zu Folgebescheiden geltenden Vorschriften des § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 FGO gelten entsprechend (§ 10d Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 EStG – "Quasi-Bindung", vgl. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 10d Rz 42). Durch diese gesetzliche Neukonzeption wird der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbescheid in Bezug auf die für die Verlustfeststellung relevanten Besteuerungsgrundlagen zwar nicht zum Grundlagenbescheid für die Verlustfeststellung des betreffenden Veranlagungszeitraums. Sie bewirkt aber eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid. Eine eigenständige Prüfung der betreffenden Besteuerungsgrundlagen findet im Rahmen der Verlustfeststellung grundsätzlich nicht mehr statt (s. z.B. BFH-Urteile vom 10.02.2015 – IX R 6/14, BFH/NV 2015, 812, Rz 13; vom 12.07.2016 – IX R 31/15, BFHE 255, 1, BStBl II 2018, 699, Rz 17; vom 16.05.2018 – XI R 50/17, BFHE 261, 342, BStBl II 2018, 752, Rz 20; Bartone in Gosch, AO § 350 Rz 35).
Laut Urteil liegt eine solche Konstellation nicht vor. Der Kläger begehrt keinen Verlust nach § 17 EStG in einer Höhe, dass nach Durchführung des Verlustrücktrags in das Jahr 2012 zum 31.12.2013 ein gesondert festzustellender Verlustvortrag verbliebe. ... so der BFH.

Insofern denke ich, dass ich nicht gegen den Einkommenssteuerbescheid, sondern gegen den Feststellungsbescheid klagen muss und alles richtig gemacht habe. Immerhin mache ich keinen Verlustrücktrag geltend sondern es geht hier um den Verlustvortrag. Der ist nach §17d (4) EStG: Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag ist gesondert festzustellen. also damit der Feststellungsbescheid

Konkludent dazu Bundesfinanzhof, IX-R-3/19 Urteil vom 30.06.2020:
Ist die Besteuerungsgrundlage im Steuerbescheid berücksichtigt (positive Bindungswirkung), besteht jedoch Streit über die Frage, ob sie den verbleibenden Verlustvortrag erhöht (hier: Altersentlastungsbetrag), muss die Klage gegen den Verlustfeststellungsbescheid gerichtet werden. Im Steuerbescheid wird nicht über die Berechnung des Verlustvortrags entschieden.

Was denkt ihr? Wenn ich falsch liege, was wäre zu tun? Klageerweiterung? Hier ist aber anzumerken, dass es keine Einspruchsentscheidung gibt.

Danke Euch fürs Feedback!

-- Editiert von MrDoc am 07.02.2021 20:56


-- Editiert von MrDoc am 08.02.2021 01:43

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6 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
MrDoc
Status:
Frischling
(14 Beiträge, 0x hilfreich)

Ich weiß Leute, das ist keine einfache Materie, aber vielleicht hat jemand eine Idee und es reizt etwas zu erfahren, ohne dass man auf Anhieb eine Antwort weiß und man etwas recherchieren und nachdenken muss? :)
Auf etwas zu antworten worauf man die Antwort schon kennt ist ja einfach ...

Ideen? Irgendwas?

0x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
Tom998
Status:
Student
(2067 Beiträge, 1188x hilfreich)

In welchem VZ ist denn nun der Ausfall des Gesellschafterdarlehens (§ 17 EStG?) materiell-rechtlich zu erfassen? 2014?

Zudem, wenn ich es richtig verstehe, sind doch ohnehin die ESt-Bescheide 2014 und 2015 angefochten worden, so dass durch Fortführung dieser Verfahren (zumindest 2014) der gewünschte Verlust im GdE abgebildet werden kann. Eine EE gibt es wohl nicht. Eine fehlende Beschwer macht das FA auch nicht geltend. Sie wären dann formell auf der Linie des FA. Dann bleiben eben die Gerichtskosten hängen...Pech.
Wegen IX R 24/19 (2. Leitsatz und Rz. 31) sehe ich keine Nebelkerze.

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
MrDoc
Status:
Frischling
(14 Beiträge, 0x hilfreich)

Zitat (von Tom998):
In welchem VZ ist denn nun der Ausfall des Gesellschafterdarlehens (§ 17 EStG?) materiell-rechtlich zu erfassen? 2014?


Steuerjahr 2014

Zitat (von Tom998):
Zudem, wenn ich es richtig verstehe, sind doch ohnehin die ESt-Bescheide 2014 und 2015 angefochten worden, so dass durch Fortführung dieser Verfahren (zumindest 2014) der gewünschte Verlust im GdE abgebildet werden kann.



Richtig, angefochten wurden die Einkommensteuerbescheide mit Einspruch. Aber der Verlust ist zunächst gem. §10d (4) Satz 1 EStG laut gesondertem Festtellungsbescheid zu ermitteln, gegen diesen muss (M.E.) die Klage erfolgen, um auch im Einkommensteuerbescheid eine Korrektur zu erwirken. Das ist ja hier gerade die Kernfrage um die es geht.
Also ja, angefochten sind die Einkommensteuerbescheide mittels Einspruch, aber sie sind nicht Klagegegenstand in den Klageanträgen.
Das FA könnte natürlich jederzeit den Einkommensteuerbescheid korrigieren und den Verlust dort anders feststellen.... aber das macht es ja gerade nicht....

Zitat (von Tom998):
Eine EE gibt es wohl nicht.

Selbstverständlich gibt es die, darin wurde der volle Darlehensverlust angesetzt, von dem das FA aber nur 60% anerkannt hat. Die Steueränderung kam im Steuerjahr 2015, ab da konnte man tatsächlich nur noch 60% geltend machen.... das ist Hintegrund der Klage... aber darum geht es mir gerade nicht, mir geht es um die Klageanträge des FA in dem es behauptet, ich müsse gegen den Einkommensteuerbescheid klagen. Ich behaupte, das muss man nur bei einem Verlustrücktrag, bei einem Verlustvortrag der im Verlustentstehungsjahr zu berechnen ist (hier 2014, Ausfalljahr des Gesellschafterdarlehens) muss die Klage gegen den Verlustfesttellungsbescheid gerichtet sein .. (siehe Urteil BFH IX-R-3/19 oben). Denn gem §10d (4) Satz 1 wird der Verlust gesondert per Feststellungsbescheid festgestellt

Zitat (von Tom998):
Eine fehlende Beschwer macht das FA auch nicht geltend. Sie wären dann formell auf der Linie des FA. Dann bleiben eben die Gerichtskosten hängen...Pech.


Das ist es ja gerade. In den Erstbescheiden hat das FA mich aufgefordert meine Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide wegen fehlender Beschwer (Nullbescheide) zurückzunehmen. Dem bin ich (zum Glück!) nicht gefolgt. Jetzt macht es geltend, ich würde nicht gegen die Nullbescheide klagen, sondern gegen den Feststellungsbescheid... worin das FA einen Fehler sieht.
Wie meinen Sie das, ich sei formell auf Linie des FA? Was für Gerichtskosten bleiben hängen und für wen? Ich verstehe Ihre Angabe nicht.

Zitat (von Tom998):
Wegen IX R 24/19 (2. Leitsatz und Rz. 31) sehe ich keine Nebelkerze.

Wie meinen Sie das? Sind Sie auch der Meinung wie das FA und der Auffassung, ich müsste gegen den Einkommensteuerbescheid klagen, statt gegen den Feststellungsbescheid? Wenn Sie das meinen, können Sie das genauer erklären?

Vielen Dank


-- Editiert von MrDoc am 09.02.2021 18:49

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
MrDoc
Status:
Frischling
(14 Beiträge, 0x hilfreich)

Es kommt noch dazu, dass es keine Einspruchsentscheidung zu den Einkommensteuerbescheiden gibt. Ich habe diese zwar angefochten, aber es gibt wie gesagt keine Entscheidung.
Insofern ist es formal gar nicht möglich, gegen die Einkommensteuerbescheide zu klagen, denn:

Nach § 44 I FGO ist die Anfechtungsklage dann, wenn nicht ausnahmsweise der Einspruch unstatthaft ist, zulässig, wenn das Einspruchsverfahren erfolglos geblieben ist. Erfolglosigkeit meint dabei Unbegründetheit wie Unzulässigkeit. Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Einspruchsentscheidung gefunden hat (§ 44 II FGO).
Hinweis: Eine Klage ohne vorheriges Einspruchsverfahren ist in zwei Fällen zulässig: bei der Sprungklage und bei der Untätigkeitsklage:


Was das FA da fordert dürfte also mithin völliger Unsinn sein.... Kann das wirklich so diletantisch vorgetragen worden sein, oder übersehe ich da etwas?

IX R 24/19 2. Leitsatz auf dass sich das FA beruft bezieht sich ausschließlich auf den Fall, dass gegen den Verlustrücktrag geklagt wird.... das mache ich ja nicht.

-- Editiert von MrDoc am 09.02.2021 19:09

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
Tom998
Status:
Student
(2067 Beiträge, 1188x hilfreich)

Wenn Sie bei der ESt 2014 einen Verlust von 100 geltend gemacht haben, das FA aber nur 60 anerkennt, ist für den Rest von 40 selbstverständlich eine EE zu erlassen. Zudem kann das FA wohl kaum behaupten, dass weder gegen den einen noch den anderen Bescheid mangels Beschwer ein Einspruch zulässig wäre.

0x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
MrDoc
Status:
Frischling
(14 Beiträge, 0x hilfreich)
0x Hilfreiche Antwort

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