Allgemeine Frage: Notwehr und Vortäuschen einer Straftat

7. Dezember 2022 Thema abonnieren
 Von 
guest-12308.12.2022 19:50:12
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 0x hilfreich)
Allgemeine Frage: Notwehr und Vortäuschen einer Straftat

Guten Abend,

als Betriebswirt besitze ich naturgemäß ein grundlegendes juristisches Verständnis ( insbesondere als Steuerrechtsexperte), im Bereich Strafrecht sind jedoch meine Kenntnisse nur sehr begrenzt. Daher hier eine allgemeine Frage, die mir bestimmt eine/r hier beantworten kann.

Person A zielt mit einer offensichtlichen Schusswaffe auf das Gesicht von Person B, wahrend er auf diesen zuläuft. Durch diese Bedrohung mit dem Tode ist hier typischerweise das Tatbestandsmerkmal der Bedrohung erfüllt. Eventuell ist hier auch ein versuchter Raub erkennbar. In beiden Fällen darf sich Person B im Rahmen einer Notwehr wehren, und das in so einem Fall wahrscheinlich auch sehr massiv und heftig (schließlich hat er verständlicherweise schreckliche Todesangst und die üblichen milderen Mittel (im Auto einschließen, Pfefferspray) sind hier wirkungslos).

Und hier die Frage: ist eine Notwehr auch dann juristisch gegeben bzw. überhaupt möglich, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Schusswaffe gar nicht echt war (sondern nur eine Attrappe oder eine Gaspistole)? Ich gehe davon aus, dass dies weiterhin der Fall ist. Nur wenn die Schusswaffe eindeutig und auch für Laien als unecht erkennbar ist (z. B. durch die markante Farbe einer Trainingswaffe, wobei es ja auch echte Schusswaffen in rosa gibt), würde ich den Sachverhalt eventuell anders beurteilen.

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8 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
hh
Status:
Unbeschreiblich
(47640 Beiträge, 16840x hilfreich)

Zitat (von Späti):
ist eine Notwehr auch dann juristisch gegeben bzw. überhaupt möglich, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Schusswaffe gar nicht echt war (sondern nur eine Attrappe oder eine Gaspistole)?


Ja

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#2
 Von 
DeusExMachina
Status:
Lehrling
(1497 Beiträge, 310x hilfreich)

Zitat (von Späti):
Nur wenn die Schusswaffe eindeutig und auch für Laien als unecht erkennbar ist (z. B. durch die markante Farbe einer Trainingswaffe, wobei es ja auch echte Schusswaffen in rosa gibt), würde ich den Sachverhalt eventuell anders beurteilen.
Richtig erkannt.

Zitat (von Späti):
In beiden Fällen darf sich Person B im Rahmen einer Notwehr wehren, und das in so einem Fall wahrscheinlich auch sehr massiv und heftig
Dazu benötigen wir mehr Kontext. Es macht einen Unterschied, ob der Täter mit vorgehaltener Waffe sagt: "Wo geht es zum Rathaus?" oder "Ich bringe Dich jetzt um!".

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
eh1960
Status:
Senior-Partner
(6271 Beiträge, 1501x hilfreich)

Zitat (von Späti):
Und hier die Frage: ist eine Notwehr auch dann juristisch gegeben bzw. überhaupt möglich, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Schusswaffe gar nicht echt war (sondern nur eine Attrappe oder eine Gaspistole)?

Ja. Notwehr greift nicht nur bei einem tatsächlichen Angriff, sondern uneingeschränkt auch dann, wenn der Notwehr ausübende irrtümlich annimmt, er befände sich in einer Notwehrsituation - sofern er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte.

Zitat:
Nur wenn die Schusswaffe eindeutig und auch für Laien als unecht erkennbar ist (z. B. durch die markante Farbe einer Trainingswaffe, wobei es ja auch echte Schusswaffen in rosa gibt), würde ich den Sachverhalt eventuell anders beurteilen.

"Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft."
§33 StGB

Notwehr setzt einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff voraus. (Gegenwärtig = bereits im Gange oder unmittelbar bevorstehend.)

Wenn der Notwehr ausübende von Anfang an erkennt, daß keine Notwehrsituation vorliegt, kann er denklogisch auch keine Notwehr ausüben...

Der Notwehr Ausübende muss dabei kein Risiko für sich eingehen, nach dem Motto "Na ja, vielleicht ist es ja doch gar keine echte Waffe..."

Wenn er unvermeidbar annimmt, es könnte sich um eine echte Waffe handeln, darf er Notwehr ausüben. Anders als bei "Notstand" (§34, 35 StGB) gibt es bei Notwehr auch keine "Verhältnismäßigkeit der Mittel". Der Angegriffene darf jedes Mittel verwenden, das geeignet ist, den gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff sofort zu beenden. Nur wenn es mehrere gleich wirksame Mittel gibt, muss das mildeste Mittel gewählt werden, aber auch nur, wenn der Angegriffene sich dabei nicht selbst in Gefahr bringt, er muss kein Risiko für sich bei der Abwehr des Angriffs eingehen.

Signatur:

Eine "UG" gibt es nicht. Es gibt nur die "UG haftungsbeschränkt".

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#4
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38476 Beiträge, 14009x hilfreich)

Das Zauberwort heisst "Putativnotwehr." Spannend wird es eigentlich erst beim "Putativnotwehrexzess."

wirdwerden

1x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
Zuckerberg
Status:
Lehrling
(1909 Beiträge, 1138x hilfreich)

Wer mit einer täuschend echt aussehenden Waffe bedroht wird und daher verständlicherweise um sein Leben fürchtet, für den gilt das hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Erlaubnistatbestandsirrtum

Mit § 33 hat das nichts zu tun. Mit einem "Putativnotwehrexzess" ebenfalls nicht.

Notwehr hingegen setzt voraus, dass es den Angriff auf das Rechtsgut des Opfers tatsächlich geben muss. Und zumindest das Rechtsgut "Leben" ist bei Vorhalten einer Spielzeugwaffe (egal wie diese aussehen mag) nicht wirklich gefährdet. Insofern liegt also kein Angriff vor.

Man mag in einem solchen Fall argumentieren, dass diese Pistole (egal ob echt oder nicht) jedenfalls dafür ausreicht, dem Opfer Angst einzujagen, ihm zu drohen oder auf seine Willensbildung Einfluss zu nehmen. Insofern kann man dann schon einen Angriff annehmen, aber eben nicht auf das Leben des Opfers. Das kann einen Unterschied dafür machen, wie weit genau das Notwehrrecht des Opfers geht.

Am Ende läuft das aber wohl ziemlich alles darauf hinaus, dass das Opfer (nur mit jeweils unterschiedlicher Begründung) straffrei ausgehen wird, ganz egal wie es sich gegen den Angreifer mit der Pistole (echt oder nicht) wehrt. Nur die Begründung ist dann ggf. eine andere.

Weder das Gesetz noch die das Gesetz anwendenden Richter haben besondere Sympathien für jemanden, der mit täuschend echt aussehenden Waffen droht. Größer dürfte das Verständnis für den armen Kerl sein, der auf diese Täuschung hereinfällt. Damit ist klar, wie die Sache am Ende ausgeht.

1x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
guest-12308.12.2022 19:50:12
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 0x hilfreich)

Das ist ja sehr interessant. Wir haben hier drei verschiedene Begründungen, die alle das gleiche Ergebnis haben.

0x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
Dirrly
Status:
Student
(2022 Beiträge, 533x hilfreich)

Zitat (von Späti):
Wir haben hier drei verschiedene Begründungen


Die sehe ich so nicht wirklich. Zuckerberg spricht vom Erlaubnistatbestandsirrtum, die von wirdwerden genannte Putativnotwehr ist eine "Unterform" dieses Erlaubnistatbestandsirrtums, die den Irrtum genauer eingrenzt und auch eh1960 schreibt darüber, dass jemand irrtümlich annimmt in einer Notwehrsituation zu sein.

Daher sagen eigentlich alle drei irgendwie das Gleiche nur mit verschiedenen Worten, imho.

-- Editiert von User am 7. Dezember 2022 21:33

0x Hilfreiche Antwort

#8
 Von 
DeusExMachina
Status:
Lehrling
(1497 Beiträge, 310x hilfreich)

Zitat (von Dirrly):
Daher sagen eigentlich alle drei irgendwie das Gleiche nur mit verschiedenen Worten, imho.
Da hat er recht.

Zitat (von wirdwerden):
Putativnotwehrexzess
Da ist mir nicht ein einziger Fall bekannt - außer als beliebtes Prüfungsthema.

Zitat (von wirdwerden):
Putativnotwehr
Praktisch ein heißes Eisen, das - unter der Annahme der Wahrung des Rechtsfriedens (da sich Bürger nicht gerne in die Psyche von Beschuldigten hineinversetzen u.a.) - weitaus seltener zum Tragen kommt als gemeinhin angenommen. Der populärste (erfolgreiche) Fall in den letzten Jahren dürfte die Tötung eines SEK-Beamten sein, der sich bei der Stürmung der Wohnung nicht zu erkennen gab.

-- Editiert von User am 7. Dezember 2022 22:55

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