BEHAUPTETER Ladendiebstahl, Fangprämie

14. Dezember 2005 Thema abonnieren
 Von 
Dave Brubeck
Status:
Frischling
(25 Beiträge, 0x hilfreich)
BEHAUPTETER Ladendiebstahl, Fangprämie

Hallo!
Folgende Frage zu einem selbstverständlich rein fiktiven Fall ;)

Eine Frau kauft im Supermarkt ein, u.a. einen Lippenstift im Wert von 6 Euro, den sie im Einkaufswagen in einen ebenfalls gekauften kleinen (offenen) Eimer legt. An der Kasse stellt sie sämtliche Waren auf das Band, einschliesslich des noch im Eimer befindlichen Lippenstifts. Die Kassiererin bemerkte den Lippenstift dort jedoch nicht und scannte nur den Eimer sowie die anderen Artikel. Nach dem Bezahlen wird sie vom Kaufhausdetektiv hinter der Kasse abgefangen und des Diebstahls bezichtigt, was sie entschieden verneint - schliesslich lag auch der Lippenstift auf dem Band, wenngleich auch im Eimer, somit war aber die Absicht, alles gekaufte zu bezahlen, offensichtlich.

Trotzdem kündigt der Detektiv eine Strafanzeige an. Polizei wurde nicht involviert, es gab keine Formulare oder Unterschriften, kein Hausverbot, aber das konsequente Bestreiten einer Diebstahlsabsicht seitens der Kundin.

Einige Wochen später kam eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren, auf das dem entsprechend sinngemäß Stellung genommen wurde. Das Verfahren wurde darauf hin eingestellt.

Nun verlangt der Supermarkt trotzdem - über einen Inkassodienst, der sich als "zum alleinigen Einzug der Forderung befugt" erklärt - eine Fangprämie von 60 Euro + 5 Euro Gläubigerspesen, dies mit äußerst kurzer Fristsetzung von 10 Tagen (vom Briefdatum bis zum Geldeingang...). Die Beschuldigte will die Fangprämie nicht zahlen, weil sie definitiv keine Diebstahlsabsicht hatte und der angeblich entwendete Gegenstand ja auch auf dem Kassenband lag.

Die Steigerung der Story zum Schluss: Exakt am Tag der Zahlungsfristsetzung (also 10 Tage nach Erhebung der Forderung) sendet der Inkassodienst ein zweites Schreiben, in dem festgestellt wird, dass die Forderung noch nicht ausgeglichen ist und dass die Gesamtforderung (inkl. "Bearbeitungsgebühr" und Zinsen über SIEBEN Monate.....)nunmehr EUR 112,- beträgt!

Meine Fragen dazu:

Kann der Supermarkt trotz des keineswegs bewiesenen Diebstahls und der streitigen Sachlage eine Fangprämie verlangen?

Kann der Supermarkt seine Fangprämienforderung einfach über einen Inkassodienst beanspruchen (eine direkte vorherige Forderung des Supermarktes gab es nicht)?

Ist es zulässig, einen solchen Anspruch mit einer Zahlungsfrist von 10 Tagen (Briefdatum bis Zahlungseingang) zu versehen und die Forderung exakt am Tag des Fristablaufes um eine "Bearbeitungsgebühr" sowie Zinsen zu erhöhen?

Vielen Dank im voraus für alle erhellende Kommentare!

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24 Antworten
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#1
 Von 
justice005
Status:
Unparteiischer
(9557 Beiträge, 2352x hilfreich)

Die alles entscheidende Frage lautet? Hat die Kundin den Lippenstift absichtlich in dem Eimer versteckt, um ihn nicht bezahlen zu müssen? Dann wäre es Betrug oder Diebstahl (umstritten, was von beidem)

Falls sie den lippenstift wirklich versehentlich nicht bezahlt hat, dürften die Forderungen unberechtigt sein.

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"justice"

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#2
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9517x hilfreich)

Das sieht das AG Dülmen, in dem mittlerweile berühmten, und afaik von Obergerichten und Kommentarliteratur zitierten Urteil 3 C 271/01 anders.

Gleich hinter der Ladentüre des Supermarkts wartete der Hausdetektiv auf den Kunden, der mit unbezahlter Ware das Geschäft verlassen wollte. Immer wieder beteuerte der Kunde, er habe 'nur das Zahlen vergessen' und nichts stehlen wollen. Trotzdem verhängte der Geschäftsinhaber ein Hausverbot und forderte außerdem von ihm 100 Mark. Diese Summe hatte er nämlich seinen Arbeitnehmern als Fangprämie versprochen, wenn sie Diebe festhielten oder zumindest meldeten. Der vergessliche Kunde zahlte nicht und ließ es auf einen Rechtsstreit ankommen.

Das Amtsgericht Dülmen verurteilte ihn dazu, dem Geschäftsinhaber 108 Mark zu erstatten (3 C 271/01 ). Die Kosten allgemeiner Überwachungsmaßnahmen (wie z.B. Warenhausdetektive, Fernsehkameras etc.) könnten Händler zwar nicht auf erwischte Diebe abwälzen. Die konkreten Kosten der Abwicklung eines 'Vorfalls' müssten diese jedoch ersetzen. Dazu gehörten auch die Fangprämie - 100 Mark seien angemessen - und die Kosten für das schriftlich erteilte Hausverbot von acht Mark (Einschreiben, Rückschein, Porto).

Es könne offen bleiben, ob es sich um Diebstahl oder wirklich nur um ein Versehen gehandelt habe, meinte der Amtsrichter. Wenn ein Kunde mit unbezahlter Ware die Kasse passiere und den Laden verlasse, handle es sich zumindest um eine fahrlässige Verletzung des Eigentums. Deshalb könne ihn der Ladeninhaber für die damit verbundenen Kosten haftbar machen.


Weiterhin kann der Supermarkt die Forderung natürl. an einen Inkassodienst abtreten und dieser eine Zahlungsfrist von 10 Tagen setzen. Ob die Kosten und Zinsen richtig berechnet sind, kann ich von hier aus nicht sagen.



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"<small>da mihi factum, dabo tibi ius-iura novit curia
Gruß,Bob(SozArb. Straffälligen-/Drogenhilfe)"

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#3
 Von 
justice005
Status:
Unparteiischer
(9557 Beiträge, 2352x hilfreich)

Eine interessante Begründung des Amtsgerichts. Dennoch teile ich diese Rechtsauffassung persönlich nicht.

Mag aber auch daran liegen, daß ich zu der ganzen Thematik "Fangprämie" eine eigene Meinung habe, die sich leider nicht mit der Rechtsprechung deckt.

Vielleicht wird es ja irgendwann nochmal eine andere höchtrichterliche Entscheidung geben. ausschließen würde ich das nicht.

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"justice"

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#4
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9517x hilfreich)

Gut find' ich's auch nicht...

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"<small>da mihi factum, dabo tibi ius-iura novit curia
Gruß,Bob(SozArb. Straffälligen-/Drogenhilfe)"

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#5
 Von 
JuR
Status:
Unparteiischer
(9878 Beiträge, 1430x hilfreich)

Wieso nicht? Es entspricht doch dem Gesetz.

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#6
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9517x hilfreich)

Trotzdem finde ich, daß die Läden in Fällen wo Diebstahlsabsicht 'auf der Hand liegend' nicht gegeben ist (z.B. Ware für 150,00 Eur. bezahlt, Artikel für 0,49 Eur. vergessen) zumindest aus Kulanz auf die Erhebung der Fangprämie verzichten könnten.

Das sieht ja i.Ü. auch das Gesetz so (Möglw. Unzulässigkeit der Fangprämie in Bagatellfällen)

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"<small>da mihi factum, dabo tibi ius-iura novit curia
Gruß,Bob(SozArb. Straffälligen-/Drogenhilfe)"

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#7
 Von 
JuR
Status:
Unparteiischer
(9878 Beiträge, 1430x hilfreich)

Da stimme ich dir zu.

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#8
 Von 
justice005
Status:
Unparteiischer
(9557 Beiträge, 2352x hilfreich)

Naja, zu sagen, es entspricht dem Gesetz ist meines Erachtens etwas zu einfach.

Meiner Ansicht nach entspricht eine Fangprämie eben nicht dem Gesetz. In Betracht kommt ausschließlich ein Schadensersatz nach § 823 BGB . Und ich denke, die Fangprämie, die der Inhaber des Geschäfts an den Detektiv zahlt, ist kein Schaden, sondern eine freiwillige Auslobung, die mit dem Diebstahl (oder Betrug) nichts zu tun hat. Somit scheidet ein Schaden bereits begrifflich aus.

Zudem hat die Zielsetzung der Fangprämie nichts mit einem Schadensersatz zu tun. Ziel einer Fangprämie ist es, präventiv + zusätzlich strafend potentielle Diebe zu verschrecken und die Motivation der Detektive zu steigern. ´Das hat nichts mit Schadensersatz im Sinne des § 823 zu tun, denn diese Vorschrift dient nur dem Ausgleich eines Schadens und nicht der Prävention. Erst recht kann es keine strafende Funktion sein, denn das würde das Strafmonopol des Staates unterlaufen. Besondere Bedeutung gewinnt das nämlich in den Fällen, wo gar keine Strafbarkeit vorliegt.

Zusätzlich ist zu berücksichtigen, daß es sich hierbei auch um eine leistungsorientierte Bezahlung der Detektive handelt. Ihre eigentliche Besoldung ist relativ gering, ausgeglichen wird das durch ihre Einnahmen aus den Fangprämien. Dadurch wird genau das umgangen, was auch die Gerichte bereits als nichts zulässig erachtet haben. Das nämlich die Kosten für die Sicherung auf die Diebe abgewälzt werden. Wie kann das alles noch dem § 823 entsprechen?

Darüber hinaus widersprechen sich die Gerichte selbst. So wird zum einen vorgetragen, daß eine Fangprämie nur bis zu einer Höhe zulässig sein kann, zu der ein vernünftiger Eigentümer bereit wäre, die Sache wiederzuerlangen. Andererseits werden pauschale Prämien von 50 Euro als zulässig erachtet, was im Fall des Lippenstifts wohl eindeutig gegen die eigene Argumentation der Gerichte spricht.


Aber Ihre wohl gegenteilige Meinung würde mich interessieren...

mfg


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"justice"

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#9
 Von 
Dave Brubeck
Status:
Frischling
(25 Beiträge, 0x hilfreich)

Da entwickelt sich ja eine interessante und lebhafte Diskussion....

Darf ich noch einmal auf den (wie ich meine) wichtigen Punkt hinweisen, dass der Lippenstift nicht in einer Mantel- oder Handtasche versteckt war, sondern wie allen anderen Waren auf dem Band lag. Jede ALDI Kassiererin würde nicht nur einen Blick in den leeren Einkaufswagen, sondern auch in gekaufte Behältnisse bzw. "Stauräume" wie z.B. hier einen Kosmetikeimer werfen, dabei hätte sie den Lippenstift gesehen und ganz normal gescannt. Man kann also kaum von einem Versteck oder gar von einer Diebstahlsabsicht reden. In besagtem Supermarkt war die Kassiererin halt weniger aufmerksam und hat den im Eimer liegenden Lippenstift ohne ihn zu scannen "durchgeschoben". Die Kundin hat ihrerseits nicht bemerkt, dass der Lippenstift noch im Einer lag und auch nicht fakturiert wurde. Spielt dies denn bei der Tateinschätzung keine Rolle (gezielter Diebstahl versus reines Versehen), zählt tatsächlich nur der Fakt des "unbezahlten" Artikels?

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#10
 Von 
justice005
Status:
Unparteiischer
(9557 Beiträge, 2352x hilfreich)

Ich fürchte, der Vorsatz spielt in diesem fall keine Rolle. Auch nicht die Manteltasche oder der Eimer. Wird eine Sache in die Manteltasche gesteckt, ist der Diebstahl bereits durch das Einstecken vollendet, da man den Gegestand in eine Gewahrsamsenklave verbracht hat, auf die der Berechtigte keinen Zugriff mehr hat.

Ist die Sache im Eimer, ist der Diebstahl erst dann vollendet, wenn man den Kassenbereich verläßt, weil erst dan der Gewahrsam gebrochen wurde. Das ist hier aber irrelevant.

Es liegt ja keine Strafbarkeit vor mangels Vorsatz. Somit kann man den Aspekt ruhig vernachlässigen. Offensichtlich wurde deswegen ja auch das Verfahren eingestellt.

Zivilrechtlich ist es nur das Problem, daß für die Schadensabwicklung kein Vorsatz gefordert wird, sondern einfache Fahrlässigkeit ausreicht. Das ist wie beim Unfall: Es spielt keine Rolle, ob ich absichtlich oder versehentlich in ein anderes Auto krache, der Kotflügel, den ich bezahlen muß kostet in beiden Varianten gleich viel.

Deswegen kann auch die Fangprämie erhoben werden, obwohl gar keine Straftat vorliegt.

Alerdings könnte man möglicherweise daran denken, daß das (fahrlässige) Verschulden der Kundin möglicherweise als zu gering anzusehen ist, aber das ist zweifelhaft.

Wie gesagt, ich selbst bin der Überzeugung, daß überhaupt kein Schaden vorliegt, da man die Fangprämie nicht als Schaden qualifizieren kann, aber diese Ansicht wird von der Rechtsprechung wohl überwiegend nicht vertreten.

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"justice"

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#11
 Von 
Dave Brubeck
Status:
Frischling
(25 Beiträge, 0x hilfreich)

Danke, justice. Was die Berechtigung einer Fangprämie angeht, sehe ich das genau so. Eine gewisse Fahrlässigkeit mag ja im Spiel gewesen sein, dies würde aber gleichermassen für den Markt selbst gelten, schliesslich war auch die Kassiererin unaufmerksam (es war eben kein Aldi Markt...).

Ich denke, die Kundin würde/wird sich in diesem Fall auch standhaft gegen eine Zahlung wehren, auch wenn die Erfolgsaussicht ungewiss ist - einfach aus Prinzip und im Bewusstsein, nicht wissentlich oder absichtlich Unrecht begangen zu haben.

Übrigens: Der Markt hat niemals selbst eine Fangpräömie verlangt. Erst die Inkassofirma erklärte, dass sie "mit dem alleinigen Einzug der im Betreff genannten Forderung betraut" ist. Kann denn eine Inkassofirma 7 Monate nach der "Tat" eine Zahlung verlangen, wenn der "Geschädigte" selbst vorher überhaupt keine Forderung erhoben hat?? Und dann zusätzlich noch Zinsen auf die Fangperämie für 7 Monate beanspruchen?

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#12
 Von 
JuR
Status:
Unparteiischer
(9878 Beiträge, 1430x hilfreich)

Hallo justice,

Ihre Auffassung deckt sich mit früherer Rechtsprechung wie die des OLG Koblenz NJW 1976, 63 ff; OLG Braunschweig NJW 1976, 60 ; AG Essen NJW 1976, 55 ; AG Mettmann NJW 1976, 56 und Teilen der Literatur. Es ist im Grunde zwar richtig, dass die Kosten für Maßnahmen des Geschädigten, mit denen er sein Eigentum vor Diebstahl schützt, grundsätzlich von ihm selbst getragen werden müssen und nicht auf den Dieb abgewälzt werden können. Das hat auch der BGH so gesehen. Das gilt jedenfalls für Maßnahmen, die nicht die Verhinderung oder Abwehr eines bevorstehenden konkreten Eingriffs im Auge haben, sondern das Eigentum allgemein gegen Diebe sicher machen sollen (Spiegel, Fernsehmonitore u dergl). Solche Vorkehrungen sind in der Regel im Verhältnis zum Schädiger schon deshalb der Sphäre des Geschädigten zuzurechnen, weil ihnen der Bezug zur konkreten Rechtsverletzung fehlt, so daß sich der auf die einzelne Rechtsverletzung entfallende Anteil der aufgewandten Kosten nicht zureichend ermitteln läßt. Denn sie wenden sich nicht nur gegen den, der sich über sie hinwegsetzt, sondern auch und gerade an den potentiellen Dieb, der sich von seinem Tatentschluß durch sie abbringen läßt. Eine gerechte Kostenüberwälzung müßte deshalb auch diesen Umstand berücksichtigen, der sich indes näherer Feststellung entzieht.

Jedoch weist die Fangprämie ungeachtet ihres Standorts im allgemeinen Vorsorgesystem und Kontrollsystem und dessen Präventivzwecks insoweit einen konkreten Bezug zum einzelnen Ladendiebstahl auf, als sie im Grundsatz erst durch diesen und erst deshalb erwächst, weil die konkrete Bedrohung des Eigentums durch den Ladendieb Anlaß zu dem Eingreifen gegeben hat, das durch die Prämie honoriert werden soll. Soweit die Prämie auf solche Maßnahmen zur Verhütung des konkrete Schadensfalls zielt, bestehen die erwähnten Hinderungsgründe für die Zurechnung von Schutzvorkehrungen zum konkreten Einzeldelikt im Grundsatz nicht. Ebensowenig steht der Schutzzweck der Haftungsnorm solcher Zurechnung entgegen; er umfaßt auch Aufwendungen, die der Eigentümer macht, um sein Eigentum vor einem konkret drohenden Schaden zu schützen, sofern sie vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen aus hierfür zweckmäßig und geeignet erscheinen. Dieser schadensrechtlich zu beachtenden Eignung steht auch nicht der Einwand entgegen, daß das Verkaufspersonal, an das sich im Streitfall die Zusage der Fangprämie gerichtet hat, schon arbeitsvertraglich zum Schutz der Ware gegen Diebstahl verpflichtet sei.

Zu den als Folgeschäden erstattungsfähigen Kosten der Rechtsverfolgung gehören, freilich in den Grenzen des wirtschaftlich Angemessenen, auch Belohnungen, die der Bestohlene nach geschehener Tat aussetzt, um die gestohlenen Gegenstände wieder zu erlangen.

Allerdings dient die Fangprämie direkt dem Eigentumsschutz und hat nur mittelbar ein Abschreckungsinteresse. Dem Anliegen, den ertappten Dieb durch Zurechnung der Prämie nicht über die Aufwendungen zur Abwehr des durch seine Tat heraufbeschworenen Schadens hinaus auch mit Aufwand zu belasten, der anderen Zwecken dient, kann deshalb nicht durch Verneinung sondern nur durch Begrenzung der Ersatzpflicht Rechnung getragen werden. Die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Fangprämie darf nicht dazu führen, den Schadensumfang über das durch den konkreten Eingriff in das Eigentum festgelegte Ausgleichsinteresse des Geschädigten hinaus zu erhöhen, um den Ladendieb von künftigen Diebereien abzuschrecken oder andere hiervon abzuhalten, oder um gar auf diesem Wege doch Ersatz für die Mühewaltung bei der Bearbeitung des Schadensfalls zu erhalten. Ein über den Schadensausgleich hinausgehender Zuschlag zur Erhöhung der Abschreckungswirkung wird durch den zivilrechtlichen Schadensersatz nicht, auch nicht bei vorsätzlicher Schädigung, gedeckt. Ebenso ist, wie ausgeführt, bei der Bemessung des erstattungsfähigen Aufwands dem Grundsatz Rechnung zu tragen, daß der ertappte Warendieb nicht für die Erscheinung des Warendiebstahls als eines Massendelikts, sondern nur für den eigenen Tatbeitrag einzustehen hat.

Es wird zwar eine pauschalierte, durchschnittliche Fanprämie von EUR 50,- als zulässig erachtet, was aber nicht bedeutet, dass, wie Sie darlegten, dieses zwingend auch auf Bagatellfälle angewandt werden muss. Im Gegenteil: Eine derart nach oben begrenzte Pauschale kann nicht erstattet verlangt werden in Fällen, in denen wegen des sehr geringfügigen Werts der entwendeten Ware die Zusage einer pauschalierten Fangprämie außer Verhältnis zu dem im konkreten Fall bestehenden Haftungszweck erscheint. Die durch die Aufgabe des Haftungsrechts gezogene Grenze wäre überschritten, wenn eine am Durchschnittsfall orientierte Prämienpauschale auch bei Entwendung von Waren von ganz unbedeutendem Wert, zB bei der Entwendung geringwertiger Süßigkeiten durch Jugendliche, dem Schädiger in Rechnung gestellt werden würde. In solchen Fällen kann auch der Zwang, schon vor Begehung der Tat eine Prämie zu versprechen, keine Beachtung verdienen. Vielmehr verlangt ihre Orientierung am Haftungszweck von dem Geschäftsinhaber hier, die Zusage von vornherein unter einen entsprechenden Vorbehalt zu stellen, will er nicht in solchen Bagatellfällen mit der Fangprämie belastet bleiben. Es fällt somit in den Verantwortungsbereich des Geschäftsführers, wenn er bei Bagatellen eine Fangprämie in hohem Wert auslobt. Denn hier wird, wie bereits erläutert, bei Bagatellen eine Einschränkung vorgenommen. Bei der so gebotenen Ausgrenzung der Erstattungsfähigkeit der Fangprämie ist zu berücksichtigen, daß das im konkreten Einzelfall betroffene Bewahrungsinteresse und Ausgleichsinteresse grundsätzlich die Zusage der Fangprämie auch schon zu einem Zeitpunkt rechtfertigt, in dem über den Wert der im konkreten Fall entwendeten Ware nichts bekannt ist. Gleichwohl muß das den Geschäftsinhaber nicht immer veranlassen, von der Aussetzung einer pauschalierten Prämie abzusehen und statt dessen eine am Warenwert orientierte, in einem Prozentsatz zur Diebesbeute ausgedrückte Prämie zu wählen, wie das bei der Auslobung einer Belohnung zur Wiederbeschaffung bereits gestohlener Gegenstände oft geschieht. In vielen Geschäftsbereichen, so auch hier, würde wegen des meist geringen Werts der entwendeten Ware bei solcher prozentualen Bemessung der Anreiz zu höherer Aufmerksamkeit allgemein verloren gehen und damit das Aussetzen einer Prämie insgesamt zwecklos werden. Oft hat der Geschäftsinhaber ein schutzwürdiges Interesse an einer durch solche Belohnung besonders geförderten Einsatzbereitschaft seines Personals auch dann, wenn dieses zunächst nur die Entwendung geringwertiger Waren beobachtet, denn solche Beobachtung kann zur Aufdeckung eines umfangreichen Diebstahls oder gar dazu führen, daß entwendete Waren aus früheren Diebstählen wiedererlangt werden können. Deshalb muß es ihm gestattet sein, eine vom Wert der Diebesbeute nicht abhängige Pauschale auszusetzen. Indessen darf auch in solch pauschalierter Belohnung der Bezug zu den Interessen an der im konkreten Fall betroffenen Ware nicht verloren gehen. Hierauf muß auch die Anreizfunktion der Prämie gerichtet bleiben. Denn nur wenn und soweit die soeben dargestellten Sachzwänge eine vom Wert der Diebesbeute im Einzelfall losgelöste Pauschale verlangen, wird sie durch den Haftungszweck gedeckt. Aus diesen rechtlichen Erwägungen kann eine Pauschale bis EUR 50,- für vertretbar angesehen werden. Höhere Pauschalen sind nicht unbedingt erforderlich, um der Prämie die Anreizfunktion zu erhalten; dann aber läßt der Zweck der Haftung es nicht zu, den Dieb ohne Rücksicht auf den Wert der entwendeten Ware mit solcher Prämie pauschal zu belasten.

Das schließt indes nicht aus, bei höherwertigen Waren den Dieb mit einer über EUR 50,- hinausgehenden Prämie zu belasten, wenn diese für solche Fälle etwa nach einem Prozentsatz zur konkreten Diebesbeute zugesagt worden ist. Auch mag eine Pauschale von mehr als EUR 50,- dort angemessen erscheinen, wo angesichts der Art des Warenangebots (Uhren, Juwelen) in jedem Einzelfall ein Schaden von mindestens EUR 50,- und in den meisten Fällen von erheblich mehr als EUR 50,- zu erwarten ist. Daß der Bestohlene andererseits auch eine Pauschale von EUR 50,- nur ersetzt verlangen kann, wenn er nachweist, daß er sie in dieser Höhe vor dem Diebstahl zugesagt hatte, ist selbstverständlich. Diese gemachten Ausführungen sichern, dass kein Ladendieb über sein Handeln hinaus schwerwiegend belastet wird.

Ich kann mithin einen mangelnden Bezug zu § 823 BGB nicht erkennen.


Mit freundlichen Grüßen,

- Roenner -


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#13
 Von 
meharis
Status:
Praktikant
(531 Beiträge, 68x hilfreich)

Ist denn nicht ebenfalls die Schuldfrage erheblich ? Als Käufer im Supermarkt hat man doch an der Kasse dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche Waren aufs Warenband kommen - mit dem Zweck das alle Waren erfasst und anschliessend bezahlt werden können.

Die ganze Situation ist doch eben wegen dem fahrlässigen Handeln der Käuferin entstanden, denn es kann nicht Aufgage der Kassierin sein sämtliche (auf dem Warenband) versteckte Waren ausfindig zu machen um so zu erfassen.

Somit sehe ich schon, dass die Käuferin die alleinige Schuld an Ihrer Situation trägt.

Ist dass denn nun vollkommen irrelevant ?

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#14
 Von 
Lambion
Status:
Beginner
(132 Beiträge, 35x hilfreich)

Es kann doch nicht die Pflicht eines Kunden sein, zu überprüfen, ob die Kassiererin auch alle Waren eingescannt hat, die man auf´s Band gelegt hat. Wenn das so ist, ist man doch gezwungen, den Kassenbon genaustens zu checken, ob nicht ja etwas fehlt.
Wenn der Einkaufswagen richtig voll ist, muss man den Wagen komplett nochmal ausräumen und alles abhaken. Wenn das alle machen, ist Chaos doch vorprogrammiert.


Ich hatte neulich den Fall im Supermarkt, dass ich eine Getränkekiste unten im Einkaufswagen hatte. Ich hab an der Kasse meinen Einkaufskorb angehoben, um der Kassiererin einen Blick in den Wagen zu ermöglichen. Trotzdem hat sie die Kiste nicht abgezogen.
Könnte man mir jetzt einen Ladendiebstahl anhängen?
Muss man mir dafür nachweisen, dass ich gemerkt hab, dass die Kassiererin die Kiste nicht abgezogen hat?
Kann ein Nachweis darüber erfolgen, dass die Höhe der Rechnung zu gering ist, dass man schon Kopfrechenlegastheniker sein muss, um nicht zu merken, dass da ein größerer Posten fehlt?
Wenn ein Nachweis über die Plausibilität der Rechnung erfolgen kann, können dann je nach mathematischer Vorbildung unterschiedliche Anforderungen an jemanden gestellt werden, zu erkennen, dass mit der Rechnung was nicht stimmt?

Ist es überhaupt die Pflicht eines Kunden, alles zu tun, damit die Kassierin alle Waren abziehen kann. Und ist der Pflicht genüge getan, wenn man alle Waren aufs Einkaufsband legt bzw. bei schwereren Gegenständen, die man i.A. im Einkaufswagen belässt, den Verkäufer auf diese Gegenstände aufmerksam zu machen?

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#15
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9517x hilfreich)

Oh, Lambion beherrscht plötzlich wieder sowohl Rechtsschreibung, als auch Satzbau und Zeichensetzung.

Was war das denn für ne Nummer die Tage, mit der angebl. gef. KV. ???

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"<small>da mihi factum, dabo tibi ius-iura novit curia
Gruß,Bob(SozArb. Straffälligen-/Drogenhilfe)"

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#16
 Von 
Lambion
Status:
Beginner
(132 Beiträge, 35x hilfreich)

Das war mein Mitbewohner, mit dem ich mir den PC teile. Der hat jetzt echt Muffensaußen bekommen. Wohl auch zurecht.

Aber das ist ein anderes Thema und ein anderer Thread

0x Hilfreiche Antwort

#17
 Von 
guest123-1108
Status:
Schüler
(375 Beiträge, 168x hilfreich)

--- editiert vom Admin

0x Hilfreiche Antwort

#18
 Von 
holiday357
Status:
Praktikant
(739 Beiträge, 114x hilfreich)

Ich denke schon, dass der Kunde in der Pflicht ist zu überprüfen ob alles bezahlt wurde, egal ob dann Chaos hinter der Kasse herrscht oder nicht.
Hab schon öfter von Fällen gehört, zuletzt war es ein Bekannter, der in einem Baumarkt einen größeren Einkauf tätigte und ein einzelner Bohrer wurde übersehen, obwohl er auf dem Band lag. Irgendwie bekam das der zugehörige Detektiv mit und folgte meinem Bekannten bis zu Auto, es folgte eine Anzeige wegen Diebstahls...

Kann nur dazu raten zu checken ob man alles bezahlt hat, sonst ist das m.E. schon ne Art "fahrlässiger Diebstahl".

Gruß Holger

0x Hilfreiche Antwort

#19
 Von 
mega
Status:
Praktikant
(522 Beiträge, 137x hilfreich)

Zum Diebstahl gehört immernoch die Absicht, sich etwas rechtswidrig zuzueignen.

Wenn man allerdings merkt, dass die Kassiererin etwas vergessen hat - und man nimmt es trotzdem mit - war die Absicht ja wohl auch gegeben.

0x Hilfreiche Antwort

#20
 Von 
JuR
Status:
Unparteiischer
(9878 Beiträge, 1430x hilfreich)

Danke sehr privatim!


Mit freundlichen Grüßen,

- Roenner -


0x Hilfreiche Antwort

#21
 Von 
Lambion
Status:
Beginner
(132 Beiträge, 35x hilfreich)

> Zum Diebstahl gehört immernoch die
> Absicht, sich etwas rechtswidrig
> zuzueignen.

> Wenn man allerdings merkt, dass die
> Kassiererin etwas vergessen hat - und man
> nimmt es trotzdem mit - war die Absicht ja
> wohl auch gegeben.

Wenn zu einem Diebstahl der Vorsatz gehört, dann muss einem dieser Vorsatz doch nachgewiesen werden oder? Und wie soll so ein Nachweis erfolgen?
Man kann doch immer sagen, dass man der Ansicht war, die Kassiererin hat den bewussten Gegenstand abgezogen.
Und selbst wenn die Rechnung deshalb vollkommen sinnfrei wird, dann war man so zerstreut, dass man den Betrag gar nicht richtig registriert hat.

-- Editiert von Lambion am 15.12.2005 15:10:18

0x Hilfreiche Antwort

#22
 Von 
mega
Status:
Praktikant
(522 Beiträge, 137x hilfreich)

Sagen kann man allerhand. Zu welcher Überzeugung das Gericht aufgrund der eigenen Aussage und der weiteren Tatumstände kommt, ist doch offenkundig eine andere Frage.

Man muss einen Diebstahl nicht geplant haben, um ihn zu begehen. Wer eine Sache wegnimmt in der Absicht, sie sich rechtswidirg zuzueignen, hat's schon gemacht. Kein Augenblicksversagen an der Kasse, bitte.

Wem diese Absicht fehlt, der begeht auch keinen Diebstahl - keine fahrlässige Vorsatztat, bitte.

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#23
 Von 
meharis
Status:
Praktikant
(531 Beiträge, 68x hilfreich)

In der Regel ist es doch so, dass ein Käufer nach dem Bezahlen die Sachen einpackt - wenn er dann merkt, dass an der Kasse etwas nicht mitgezählt wurde, dann freut dieser sich doch wie ein Schneekönig, oder ?

Das ist mit Sicherheit schon vielen passiert, und was machte dann der Käufer in der Regel ? Er verschweigt es bewusst.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist der Diebstahl durchaus absichtlich.

0x Hilfreiche Antwort

#24
 Von 
holiday357
Status:
Praktikant
(739 Beiträge, 114x hilfreich)

Solange dann der Laden nicht noch ne Fangprämie verlangt, wenn der Kunde merkt, dass was durchgerutscht ist und es der/dem Kassierer/in sagt... ;)

Gruß Holger

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