Genauer Ablauf eines Ermittlungsverfahrens

9. September 2017 Thema abonnieren
 Von 
peterk2002
Status:
Frischling
(42 Beiträge, 1x hilfreich)
Genauer Ablauf eines Ermittlungsverfahrens

Hallo,

wie läuft eigentlich ein Ermittlungsverfahren ab? Welche Behörden / Stationen durchläuft es?

Ich kenne es nur wie folgt:

1. Anzeige wird erstattet z.B. bei Polizei
2. Anzeige wird an die Staatsanwaltschaft des Ortes wo Anzeige erstattet wurde abgegeben. Die prüft, ob weiter verfolgt wird oder nicht. Falls ja, gibt sie die Ermittlungen an die ortszuständige Staatsanwaltschaft des Beschuldigten ab.
3. Staatsanwaltschaft am Ort des Beschuldigten, beauftragt die Polizei mit Ermittlungen.
4. Wenn Ermittlungen abgeschlossen wurden, wird der Beschuldigte von Polizei vernommen
5. Polizei gibt Akte an die Staatsanwaltschaft zurück.
6. Staatsanwaltschaft entscheidet über Einstellung oder klagt an.

Wichtig bei obiger Vorgehensweise ist, dass der Beschuldigte erst befragt wird, wenn die Ermittlungen abgeschlossen wurden. Er oder sein Anwalt können dann auch die Akte einsehen. Die Akte ist bereits vollständig, da Ermittlungen abgeschlossen.

Nun ist mir folgende Vorgehensweise zu Ohren gekommen:

Der Beschuldigte bekam eine polizeiliche Vorladung. Er fragte bei der Polizei nach dem Aktenzeichen der Ermittlungsakte bei der Staatsanwaltschaft und bekam die Antwort, dass es keine gibt und die Staatsanwaltschaft wohl noch nicht mal Kenntnis von Ermittlungen gegen ihn hat???

Der Ablauf soll wie folgt gewesen sein:

1. Anzeige wurde erstattet bei einem Anzeige-Onlineportal (NRW, falls das wichtig ist – Beschuldigter ist aber im anderen Bundesland ansässig)
2. Die Anzeige wurde wohl vom Bearbeiter des Onlineportals direkt an die Polizei am Ort des Beschuldigten im anderen Bundesland weitergeleitet.
3. Die Polizei am Ort des Beschuldigten lädt den Beschuldigten zur Vernehmung
4. Polizei wird danach (!) erst mit Ermittlungen beginnen und teilt alle Erkenntnisse + Vernehmungsprotokoll an Staatsanwaltschaft weiter.
5. Staatsanwaltschaft entscheidet über Einstellung oder klagt an.

Bei dieser Konstellation ist das Problem für den Beschuldigten, dass er zum Zeitpunkt der Vernehmung, keine Akte anfordern kann, die mehr als die Niederschrift der erstatteten Strafanzeige enthält. Es gibt kein Aktenzeichen bei der Staatsanwaltschaft, die Staatsanwaltschaft hat nicht mal Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren.

Wie wird ein solches Problem aufgelöst?

Kann der Beschuldigte auf nochmalige Vernehmung drängen, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind?

Soll die Polizei die Sache an die Staatsanwaltschaft ohne Stellungnahme des Beschuldigten abgeben, mit dem Hinweis an die Staatsanwaltschaft, sie solle dem Beschuldigten nach Abschluss der Ermittlungen das Aktenzeichen mitteilen, damit der Beschuldigte/sein Anwalt die Akte anfordern kann und danach eine Stellungnahme zur Sache abgeben kann?

Drängen kann man aber viel. Frage ist, worauf man einen Rechtsanspruch hat?

Problem ist:

Der Beschuldigte möchte eine Stellungnahme zur Sache abgeben, aber er möchte das schriftlich und direkt an die Staatsanwaltschaft tun und nicht an die lokale Polizei. Außerdem möchte er (bzw. sein RA) zuvor die Ermittlungsakte einsehen, wenn diese im Zustand „fertig ermittelt" ist.

Wie wird ein solches Problem in der Praxis aufgelöst?

Viele Grüße
Peter

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7 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(128687 Beiträge, 41022x hilfreich)

Zitat (von peterk2002):
Wenn Ermittlungen abgeschlossen wurden, wird der Beschuldigte von Polizei vernommen

Unlogisch, denn wenn die Ermittlungen abgeschlossen wurden, warum dann noch jemanden vernehmen?


Beschuldigte und Zeugen können während der Ermittlungen jederzeit vernommen werden, auch mehrmals.
Es kann sogar noch Nachermittlungen geben, obwohl die Ermittlungsakte bereits abgeschlossen wiide



Zitat (von peterk2002):
Polizei wird danach (!) erst mit Ermittlungen beginnen

Die Vernehmung von Beschuldigten ist Teil der Ermittlungen



Zitat (von peterk2002):
Wie wird ein solches Problem aufgelöst?

In dem der Beschuldigte von seinem Schweigerecht entsprechend Gebrauch macht.



Zitat (von peterk2002):
Der Beschuldigte möchte eine Stellungnahme zur Sache abgeben, aber er möchte das schriftlich und direkt an die Staatsanwaltschaft tun und nicht an die lokale Polizei.

Kann er ja machen.
Die Staatsanwaltschaft leitet das dann unverzüglich an die lokale Polizei weiter.



Zitat (von peterk2002):
Außerdem möchte er (bzw. sein RA) zuvor die Ermittlungsakte einsehen, wenn diese im Zustand „fertig ermittelt" ist.

Dann teilt man das eben so mit.



Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

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#2
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30223 Beiträge, 9557x hilfreich)

Zitat:
Wichtig bei obiger Vorgehensweise ist, dass der Beschuldigte erst befragt wird, wenn die Ermittlungen abgeschlossen wurden.


Das ist nicht wichtig, weil es falsch ist. Der Beschuldigte ist vor(!) Abschluss der Ermittlungen zu vernehmen (bzw. ihm ist Gelegenheit zur Aussage zu geben). Das kann unmittelbar vor Abschluss sein, aber auch bereits ganz am Anfang.

Zitat:
2. Anzeige wird an die Staatsanwaltschaft des Ortes wo Anzeige erstattet wurde abgegeben. Die prüft, ob weiter verfolgt wird oder nicht. Falls ja, gibt sie die Ermittlungen an die ortszuständige Staatsanwaltschaft des Beschuldigten ab.


Auch das ist so nicht richtig. In erster Linie ist die StA des Tatortes zuständig, nicht die des Wohnortes des Beschuldigten.

Zitat:
Der Ablauf soll wie folgt gewesen sein:

1. Anzeige wurde erstattet bei einem Anzeige-Onlineportal (NRW, falls das wichtig ist – Beschuldigter ist aber im anderen Bundesland ansässig)
2. Die Anzeige wurde wohl vom Bearbeiter des Onlineportals direkt an die Polizei am Ort des Beschuldigten im anderen Bundesland weitergeleitet.
3. Die Polizei am Ort des Beschuldigten lädt den Beschuldigten zur Vernehmung
4. Polizei wird danach (!) erst mit Ermittlungen beginnen und teilt alle Erkenntnisse + Vernehmungsprotokoll an Staatsanwaltschaft weiter.
5. Staatsanwaltschaft entscheidet über Einstellung oder klagt an.


Völlig korrekte Vorgehensalternative.

Zitat:
Bei dieser Konstellation ist das Problem für den Beschuldigten, dass er zum Zeitpunkt der Vernehmung, keine Akte anfordern kann, die mehr als die Niederschrift der erstatteten Strafanzeige (123recht.net Tipp: Strafanzeige stellen ) enthält. Es gibt kein Aktenzeichen bei der Staatsanwaltschaft, die Staatsanwaltschaft hat nicht mal Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren.

Wie wird ein solches Problem aufgelöst?


Indem man vorerst keine Angaben zur Sache macht.

Zitat:
Kann der Beschuldigte auf nochmalige Vernehmung drängen, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind?


Er kann darum bitten. Aber abgesehen davon kann er auch jederzeit schriftliche Aussagen zur Akte reichen.

Zitat:
Soll die Polizei die Sache an die Staatsanwaltschaft ohne Stellungnahme des Beschuldigten abgeben, mit dem Hinweis an die Staatsanwaltschaft, sie solle dem Beschuldigten nach Abschluss der Ermittlungen das Aktenzeichen mitteilen, damit der Beschuldigte/sein Anwalt die Akte anfordern kann und danach eine Stellungnahme zur Sache abgeben kann?


Völlig überflüssig. Der Antrag auf Akteneinsicht des Verteidigers befindet sich ja bereits in der Akte. Insofern muss die StA kein Aktenzeichen mitteilen, sondern wird schlicht die Akteneinsicht gewähren.

Zitat:
Der Beschuldigte möchte eine Stellungnahme zur Sache abgeben, aber er möchte das schriftlich und direkt an die Staatsanwaltschaft tun


Daran hindert ihn ja auch niemand.

Zitat:
Außerdem möchte er (bzw. sein RA) zuvor die Ermittlungsakte einsehen, wenn diese im Zustand „fertig ermittelt" ist.

Wie wird ein solches Problem in der Praxis aufgelöst?


Indem man einen Antrag auf Akteneinsicht zur Akte reicht, z.B. solange sie noch bei der Polizei liegt. Aber - mit Verlaub- wenn das selbst der Anwalt nicht weiß, sollte man sich dringend einen anderen suchen.

1x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
peterk2002
Status:
Frischling
(42 Beiträge, 1x hilfreich)

Nachtrag: Habe soeben gesehen, dass es einen Absatz 7 im §147 in der StPO gibt.

Scheint neu dazu gekommen zu sein - 2014.

Findet er auch im Ermittlungsverfahren anwendung oder nur ab Klageerhebung und im Prozess?

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#4
 Von 
koivu
Status:
Schüler
(199 Beiträge, 64x hilfreich)

Es ist üblich, dass die Polizei naheliegende Schritte selbständig ermittelt, am Ende einen Bericht verfasst und die Akte an die StA zur weiteren Veranlassung schickt.

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30223 Beiträge, 9557x hilfreich)

Zitat (von peterk2002):
Findet er auch im Ermittlungsverfahren anwendung oder nur ab Klageerhebung und im Prozess?


Auch im Ermittlungsverfahren. Akteneinsicht im Ermittlungsverfahren ist der absolute Regelfall, weil alles andere Blödsinn wäre. Nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2, Satz 1 wird keine Akteneinsicht im Ermittlungsverfahren gewährt.

Der Beschuldigte selbst, bekommt aber nur Auskünfte und Abschriften aus den Akten. Keine komplette Akteneinsicht und auch keine komplette Abschrift der Akte.

0x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
peterk2002
Status:
Frischling
(42 Beiträge, 1x hilfreich)

Zitat (von koivu):
Es ist üblich, dass die Polizei naheliegende Schritte selbständig ermittelt, am Ende einen Bericht verfasst und die Akte an die StA zur weiteren Veranlassung schickt.


Gibt die ermittelnde Polizei normalerweise auch eine Empfehlung an die Staatsanwaltschaft ab, ob und we sie die Ermittlungen einstellen soll, oder ob sie Anklage erheben soll?

Oder macht die Polizei nur den "Job für die Ermittlungsakte" ohne jegliche Wertung?

0x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
drkabo
Status:
Legende
(18157 Beiträge, 9872x hilfreich)

Zitat:
Oder macht die Polizei nur den "Job für die Ermittlungsakte" ohne jegliche Wertung?

Ja.
Eine Wertung bezieht sich (wenn überhaupt) auf die Sinnhaftigkeit weiterer Ermittlungen**, nicht aber auf den Verfahrensaufgang.

** z.B. "Die Ermittlungen sind aus Polizeisicht beendet. Weitere Ermittlungsansätze sind nicht erkennbar." oder "Zeuge X ist nicht zur polizeilichen Vorladung erschienen. Es wird eine Vorladung durch die StA angeregt."

Signatur:

Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB.

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