Grundsatz "In dubio pro duriore"

10. Januar 2016 Thema abonnieren
 Von 
Jonny2010
Status:
Frischling
(10 Beiträge, 0x hilfreich)
Grundsatz "In dubio pro duriore"

Hallo,

ich wollte mal fragen, ob es eine gerichtliche Entscheidung, Rechtsprechung o.ä. zu in dubio pro duriore gibt, also was klarstellt, wann die StA Anklage zu erheben hat. Ich will mich da ein wenig reinlesen und habe nur etwas aus CH und AT gefunden, brauche dazu mal was aus D.

Bitte nur hilfreiche Beiträge, Unwissenheit anderer interessiert mich nicht.

Danke vorab.

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3 Antworten
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#1
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9517x hilfreich)

OLG Saarbrücken Beschluß vom 17.7.2008, 1 Ws 131/08

Wobei es da bereits um die Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 203 StPO geht. Dafür ist aber ebenso der "hinreichende Tatverdacht" erforderlich, wie er -unter anderem- für die Anklageerhebung nach § 170 I StPO erforderlich ist.

Zitat:
1. Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

a) Hinreichender Verdacht besteht bei vorläufiger Tatbewertung (BGHSt 23, 304 , 306) dann, wenn die Verurteilung des Beschuldigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. A., § 170 Rn. 1; § 203 Rn. 2; Löwe-Rosenberg/ Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 203 Rn. 9 jeweils m.w.N.). Danach muss zunächst die Wahrscheinlichkeit bestehen, dass eine Straftat vom Angeschuldigten begangen wurde und es muss darüber hinaus auch wahrscheinlich sein, dass mit den Beweismitteln und Erkenntnismöglichkeiten der Hauptverhandlung eine Verurteilung wegen der Straftat möglich ist.

Eine gleich hohe Verurteilungs-Wahrscheinlichkeit wie beim dringenden Tatverdacht i.S. der §§ 112 Abs. 1 S. 1 , 126a Abs. 1 StPO wird dabei nicht vorausgesetzt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 203 Rn. 2 m.w.N.). Der unbestimmte Rechtsbegriff „hinreichender Tatverdacht" eröffnet einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum (vgl. BVerfG NStZ 2002, 606 ; BGH NJW 70, 1543 ), zumal es sich um eine Prognoseentscheidung handelt. Der Grundsatz in dubio pro reo gilt dabei jedoch nicht, er kann nur mittelbar eine Rolle spielen (vgl. OLG Bamberg NStZ 1991, 252 ). Die Aufklärung von Widersprüchen zwischen den Angaben des Angeschuldigten und dem vorhandenen Beweisergebnis darf deshalb der Hauptverhandlung überlassen werden.

b) Grundlage für die Entscheidung, ob hinreichender Tatverdacht besteht, sind die Ergebnisse des vorbereiteten Verfahrens, also die gesamten, in den Akten dokumentierten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sowie die Ausführungen des Angeschuldigten in seiner Stellungnahme zur Anklageschrift. Ergibt sich aus diesem Material bei zweifelhafter Verdachtslage noch eine Aufklärungsmöglichkeit, so ist von ihr unter Anwendung des § 202 Gebrauch zu machen.

Mit dem Ausdruck "hinreichend" ist bewusst keine Aussage zum Maß der Verurteilungswahrscheinlichkeit getroffen, da die Entwurfsmotive davon ausgingen, dass sich hierüber spezielle Vorschriften nicht geben ließen; die Verurteilung müsse aber mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Das ist dahin zu präzisieren, dass im Beschlusszeitpunkt, ungeachtet der Unwägbarkeiten einer späteren Hauptverhandlung, aufgrund eines Evidenzurteils nach richterlicher Erfahrung entweder die Verurteilung überwiegend wahrscheinlich erscheinen oder ein Zweifelsfall vorliegen muss, zu dessen Klärung die besonderen Erkenntnismittel der Hauptverhandlung notwendig sind. Diffizile Beweiswürdigungsfragen dürfen nicht im Zuge der nicht-öffentlichen und nicht-unmittelbaren "vorläufigen Tatbewertung" des eröffnenden Gerichts endgültig entschieden werden. Die Eröffnungsentscheidung soll erkennbar aussichtslose Fälle ausfiltern, aber der Hauptverhandlung ansonsten nicht vorgreifen. Erscheint aber trotz Berücksichtigung der besonderen Erkenntnismittel der Hauptverhandlung eine Verurteilung überwiegend unwahrscheinlich, scheidet eine Eröffnung aus (vgl. Löwe-Rosenberg/Stuckenberg, § 203 Rn. 139).


-- Editiert von !!Streetworker!! am 10.01.2016 22:05

1x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
PP9325
Status:
Praktikant
(940 Beiträge, 703x hilfreich)

Hallo,

in Deutschland ist in § 170 StPO festgehalten, wann Anklage erhoben wird und wann nicht. Außerdem besteht die Möglichkeit ein Verfahren nach § 153 oder 153a der StPO einzustellen, ohne gerichtliche Entscheidung.

Eine solche ablehnende Einstellung der Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung kann jedoch durch den Verletzten im Rahmen eines Klageerzwingungsverfahrens nach § 172 StPO angefochten werden.

Wenn ein Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO oder § 153 StPO eingestellt wird, dann hat der Beschuldigte keine Rechtsmittel, da er nicht beschwert ist. Bei einer Einstellung nach § 153a StPO (also unter Auflagen) besteht das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 304 StPO für den Beschuldigten.


Richterliche Entscheidungen, die sich konkret auf Ihre Fragen beziehen, sind mir so nicht bekannt. Vielmehr ergeben sich die von Ihnen erwähnten, ungeschriebenen Rechtsgrundsätze bereits aus den Gesetzen selbst.

In dubio pro duriore ergibt sich daher schon aus dem Grundsatz, dass nach Art. 101 Abs. 1 GVG jeder Anspruch auf einen gesetzlichen Richter hat. Es gibt Sonderregelungen, die es der Staatsanwaltschaft jedoch erlauben, selbst wenn eine Verurteilung wahrscheinlich wäre, gewissen Verfahren eigenständig abzuschließen um die Ökonomie und die Verhältsnismäßigkeit zu wahren.
Vor wird jedoch der Grundsatz in dubio pro duriore bei Anklageentscheidungen bei Verbrechenstatbeständen angewandt. Dort muss, wenn die Ermittlungen genügend Anlass ergeben, Anklage erhoben werden. Die StA darf außer in Fällen des § 170 Abs. 2 StPO das Verfahren nicht einstellen. Die Staatsanwaltschaft wird daher schon Anklage erheben, wenn gewisse Tatsachen für eine Schuld sprechen, jedoch auch solche gegen die Schuld. Dies ist dann in aller Regel in das Ermessen eines Gerichts zu stellen.


Grüße

1x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
Dirrly
Status:
Student
(2021 Beiträge, 531x hilfreich)

Vielleicht das hier?

https://www.jurion.de/Urteile/BGH/1960-09-23/3-StR-28_60

LG

1x Hilfreiche Antwort

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