Jugendstrafe - Wann muss denn mit dem Haftantritt gerechnet werden?

4. März 2008 Thema abonnieren
 Von 
europe
Status:
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(98 Beiträge, 5x hilfreich)
Jugendstrafe - Wann muss denn mit dem Haftantritt gerechnet werden?

Hallo,

meine Freundin ist total verzweifelt.
Ihr Sohn (17) wurde wegen vielen Straftaten wie Diebstahl, Körperverletzung zu einer Jugendhaft von 16 Monaten verurteilt.
Wir haben jetzt zusammen schon viel im Internet gelesen.
Aber ein paar Fragen bleiben offen. Vielleicht kann uns hier jemand helfen.

Wann muss denn mit dem Haftantritt gerechnet werden?Gibt es hier lange Wartezeiten?

Und wie oder wer entscheidet, in welche Anstalt er kommt, geschlossene (Hameln) oder offene (Göttingen)?

Der Rechtsanwalt hat ja gehofft, es wird Göttingen, aber wie kann man das denn in Erfahrung bringen?

Ich hoffe, Ihr wisst weiter.

Liebe Grüße
Nicki

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5 Antworten
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#1
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9521x hilfreich)

Jugendstrafe soll zügig vollstreckt werden, der Haftantritt wird also nicht mehr lange auf sich warten lassen, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Wenn er das erst Mal einsitzt, wird er mit 16 Monaten (und mit 17 Jahren) die Ladung zum Strafantritt mit zieml. Sicherheit erst mal für die JVA Rosdorf, Abt. offener Jugendvollzug Göttingen-Leineberg bekommen und dort aufgenommen. Dort findet dann eine 'Eignungsprüfung' (8-14 Tage) statt, ob er dafür geeignet ist, ist Göttingen zu bleiben oder in den geschlossenen Vollzug der JA Hameln zu verlegen ist. Jugendliche, die offensichtlich von vorn herein ungeeignet für den offenen Vollzug sind (z.B. agressiv, oder keinerlei Bereitschaft zeigen, am Vollzugsziel mitzuarbeiten) werden noch am Tag der Aufnahme, spätestens am nächsten, nach Hameln in den GV 'verschubt'.

Wie sie schon richtig erkannt haben, steht mit der Entscheidung zwischen Göttingen und Hameln eine ähnliche Entscheidung an, wie zwischen Himmel und naja, jedenfalls nicht Himmel. Der Leineberg ist das Beste, was der niedersächsische Jugendvollzug zu bieten hat. Die JA Hameln (zumindest der geschlossene Vollzug dort - gibt auch eine offene Abteilung) mit das härteste, was der deutsche(!) Jugendvollzug zu bieten hat (größte JA Deutschlands). Es liegt also sehr stark in seinem Interesse bis in die Haarspitzen motiviert, etwas aus seiner HAftzeit zu machen, die Haft anzutreten und jegliches Kleingangstergehabe tunlichst vorher abzulegen. Das fällt sehr, sehr vielen Jugendlichen nicht sonderlich leicht. Ist er vom Amtsgericht Göttingen verurteilt worden? Von dieser netten Jugendrichterin ;) , deren Name mir gerade glatt entfallen ist...?!

Um sich vom AG Göttingen 16 Monate Jugendstrafe ohne Bewährung einzuhandeln ist näml. für Diebstahl und KV nicht ganz so einfach. Er hatte sicherlich vorher schon den einen onder anderen Warnschuss in Form von Arrest und/oder Sozialstunden bekommen(?!), was offenbar nicht gefruchtet hat... Wenn er eine ggf. vorhandene dementsprechende Einstellung nicht schnellstens ablegt, wird er sehr schnell in Hameln landen. denn auch wenn er die Eingangsuntersuchung 'übersteht' und in Göttingen bleiben kann, kann er natürlich jederzeit nach Hameln verlegt werden, wenn er in Göttingen Mist macht. Und das kann sehr schnell gehen, wenn er sich innerhalb der JA die 'falschen Freunde' sucht, bzw. sich nicht von den falschen Leuten abgrenzt. Und erfahrungsgemäß haben die 'falschen Leute' die größte 'Anziehungskraft'. Da Göttingen auch mit 125 Haftplätzen keine so ganz kleine Anstalt ist, besteht da schon 'einige Auswahl'. Und gewarnt wird -wenn überhaupt- nur einmal, bevor es nach Hameln geht.

Kommen Sie aus der Nähe von Göttingen, bzw. Ihre Freundin, oder von weiter weg? Der Einzugsbereich sowohl der JA Göttingen, als auch der JA Hameln erstreckt sich ja auf ganz Niedersachsen. Wobei die JA Hameln auch eine offene Abteilung hat. Evtl. ist die ja auch für ihn zuständig lt. Einweisungs- und Vollstreckungsplan Niedersachsen. Kommt darauf an, von welchem Gericht sein Urteil stammt.

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"<small>da mihi factum, dabo tibi ius-iura novit curia
Gruß,Bob(SozArb. Straffälligen-/Drogenhilfe)"

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#2
 Von 
europe
Status:
Beginner
(98 Beiträge, 5x hilfreich)

Hallo Streetworker,

vielen lieben Dank für diese tolle und ausführliche Antwort.
Natürlich gab es genügend Warnschüsse. Arrest, Sozialstunden, eigentlich das volle Programm.
Gebracht hat alles nichts. Wenn ich mal ganz ehrlich bin wundert mich das auch nicht. Eine Bewährung ist doch irgendwie ein Freispruch zweiter Klasse für viele Jugendliche und die Arbeitsstunden hat er locker abgleistet, er hatte ja auch sehr lange dafür Zeit.
Als die Richterin das Urteil ausgesprochen hat, war er doch sehr geschockt. Damit hatte er nicht gerechnet.
Nun ist das Jammern gross.

Er wurde vom Amtsgericht Helmstedt verurteilt.
Weißt du welche Anstalt nun für ihn zuständig ist?
Angenommen er kommt nach Göttingen, ist dann sicher dass er in den offenen Vollzug kommt?
Und warum genau ist denn Hameln eigentlich so viel schlimmer?

Viele Fragen, ich weiß....... :augenroll:

Liebe Grüße
Nicki

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#3
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9521x hilfreich)

Angenommen er kommt nach Göttingen, ist dann sicher dass er in den offenen Vollzug kommt?

Göttingen hat nur offenen (Jugend-)vollzug. Wenn er also in Göttingen bleibt, bleibt er auch automatisch im öffenen Vollzug.

Wie ich aber schon sagte, wird er zu 99,99% sowiso auf jeden Fall erst mal nach Göttingen zum Strafantritt geladen, da man mit 16 Monaten als Erstverbüßer 'normalerweise ein Fall für Göttingen ist', wenn man denn 'geeignet für Göttingen' ist. Hätte er mehr als 3,5 Jahre ginge er sofort nach Hameln. Dann wäre Göttingen gar kein Thema.

In seinem Fall wird er also in Göttingen aufgenommen und es wird nach der schon erwähnten 8-14tägigen Informations- und Orientierungsphase entschieden, ob er dort bleibt oder nach Hameln in den geschlossen geht. Wie auch schon gesagt, wäre es auch möglich, dass er sofort am ersten Tag nach Hameln weiterverschickt wird, wenn er sich in Göttingen sofort 'daneben benimmt'.

In der 8-14tägigen Phase hat er dann halt Zeit die Beamten dort zu überzeugen, dass er für sich selbst was aus der Haftzeit herausziehen will, seine Straftaten aufarbeiten will, einen Lebensplan entwerfen will, und vor allem vorhat, nach der Entlassung keine Straftaten mehr zu begehen. Gelingt ihm das (sie zu überzeugen) hat er gute Chancen in Göttingen zu bleiben. Natürlich nur solange, wie er sich benimmt und am Vollzugsziel, dass individuell mit ihm zusammen festgelegt wird, mitarbeitet. Baut er Mist, kann er jederzeit nach HM abgeschoben werden.

Eine Bewährung ist doch irgendwie ein Freispruch zweiter Klasse für viele Jugendliche

Du sprichst mir aus der Seele. ;)

Damit hatte er nicht gerechnet.
Nun ist das Jammern gross.


Ja, dass kenn ich. ;)

Und warum genau ist denn Hameln eigentlich so viel schlimmer?

In Hameln sind zum einen nur Gefangene die ab 3,5 Jahren aufwärts (bis 10 Jahre) zu verbüßen haben, also alleine von den begangenen Straftaten her vielfach ganz andere Kaliber (Sexualtäter, Tötungsdelikte, schwerer Raub usw.) oder Gefangene die zwar unter 3,5 Jahren haben, aber schon mehrfach eingesessen haben, also 'Profigangster' sozusagen. Wer noch nicht als 'richtiger Verbrecher' nach Hameln kommt, hat gute Chancen es dort zu werden. Was man vorher nicht konnte, lernt man da (Straftatenmäßig gesehen). Das ist der objektive Grund, warum Hameln Mist ist.

Der -aus seiner Sicht- subjektive Grund ist, dass man in Hameln oftmals entweder 'Opfer ist', also von älteren, skrupelloseren Gefangenen unterdrückt wird, oder aber sich selbst solch einer Unterdrückergruppe anschliesst, was einem natürlich Ärger im Vollzug bringt (keine Lockerungen, schlechte Chancen auf vorzeitge Entlassung usw.). Den 'goldenen Mittelweg' zu gehen, schaffen die wenigsten.

Zu Hameln gibt es halt keine Steigerung mehr im niedersächsischen Jugendvollzug. Dort kann man nicht (wie in Göttingen) die Jungs damit 'bei der Stange halten', dass man sagt:'Wenn Du DIch hier nicht benimmst, kommt Du nach ..., wo es noch schlechter ist.' Von Hameln aus, geht es nirgends mehr hin, wo es schlechter ist. Hameln ist sozusagen der I-Punkt.

Man muß sicherlich fairerweise auch sagen, dass es auch weit schlechtere Anstalten (auf ganz Deutschland bezogen gesehen!) gibt als Hameln, gegenüber denen Hameln sogar als 'gut' zu bezeichnen wäre. Aber für ihn kommt ja nur Niedersachsen in Frage. Und da gibt es nur die beiden Möglichkeiten Göttingen oder Hameln. Und da ist GÖ ganz eindeutig vorzuziehen. Es liegt jetzt an ihm selber, entweder das Ruder rumzureissen und sein Leben auf die Reihe zu bekommen oder aber richtig abzustürzen, wobei dieser Inhaftierung dann einige mehr folgen werden.

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"<small>da mihi factum, dabo tibi ius-iura novit curia
Gruß,Bob(SozArb. Straffälligen-/Drogenhilfe)"

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#4
 Von 
europe
Status:
Beginner
(98 Beiträge, 5x hilfreich)

Vielen lieben Dank, Streetworker.

Deine Antworten sind wirklich ausführlich.
Du hast uns wirklich weiter geholfen

Danke sööööööön

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9521x hilfreich)

Kein Thema, gerne geschehen.

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