Hallo,
ich habe nun mir die StPO und das StGB durchgelesen, das meiste wohl behalten und verstanden.
Es interessiert mich aber die Praxis.
Wenn es einen Beschuldigten gibt, der sich selbst im Ermittlungsverfahren verteidigten will, wie läuft da die Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft in der Praxis?
Ich weiß, dass wenn ein Rechtsanwalt involviert ist, dann schlägt, oder regt er bestimmtes bei der Staatsanwaltschaft an. Ist z.B. der Beschuldigte nicht völlig unschuldig, schlägt er z.B. dem Staatsanwalt die Einstellung gegen Auflagen an.
Aber nehmen wir an, der Beschuldigte hat keinen RA und verteidigt sich selbst.
Ist es z.B. denkbar, dass der Beschuldigte eine schriftliche Aussage macht, dann die Einstellung des Verfahrens, freundlich anregt, da er keine Schuld sieht.
Er weist aber darauf hin, falls die Staatsanwaltschaft Fragen hätte, die er nicht beantwortet haben sollte, soll sie bitte nochmals auf ihn zukommen und fragen. Wird das die Staatsanwaltschaft in der Praxis tun?
Wenn er z.B. schreibt, dass wenn der Staatsanwalt die Sachlage anders beurteilt, als er selbst, so dass der Beschuldigte doch eine kleine Schuld tragen sollte, möchte er in dem Falle eine Einstellung gegen Auflage anregen.
Worum es mir geht:
Werden solche Bitten von der Staatsanwaltschaft normalerweise auch dann befolgt, wenn sie Sinn machen, wenn sie aus dem Mund des Beschuldigten kommen?
Oder ist bei den Staatsanwaltschaften eher die Einstellung vertreten: Der Beschuldigte hätte sich einen Anwalt holen können, da er das nicht hat, Pech gehabt. Ich als Staatsanwalt rede nicht oder ungern mit Beschuldigten, sondern nur mit Verteidigern.
So würde das obige bitten des Beschuldigten um Kommunikation, nur in einer Klage oder Strafbefehl münden, statt in einer Einstellung gegen Auflagen, auch wenn das rechtlich möglich wäre.
Hat der Beschuldigte bei der Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft in dieser Hinsicht Nachteile, weil die Staatsanwaltschaft sich ungern mit Beschuldigten unterhält?
Natürlich werden sich viele Beschuldigte sicher wie Asoziale in ihren Schriftsätzen äußern. Aber die Frage bezieht sich auf einen Beschuldigten, der freundlich ist und sich gewählt ausdrückt – vielleicht eine Seltenheit heut zu Tage.
Viele Grüße
Peter
Kommunikation des Beschuldigten mit Staatsanwaltschaft in der Praxis
Notfall oder generelle Fragen?
Notfall oder generelle Fragen?
Ob sich ein Beschuldiger freundlich und gewählt ausdrückt oder aber aus einer benachteiligten Bevölkerungsschicht kommt, das ist dem StA einerlei. Bei 150-200 neuen Verfahren in einem Jahr kann er sich da keine Unterscheidung leisten.
Er wird immer alle schriftlichen Eingänge lesen und beurteilen. Aber, er wird keinen Debattierklub für adrett gekleidete nicht Assis eröffnen.
wirdwerden
Ihrer Logik nach gibt es also nie Verfahrenseinstellungen bei unverteidigten Angeklagten? Kompletter Unfug - natürlich gibt es die. Und da der Staatsanwalt sowieso Ihre Zustimmung braucht, wenn er nach § 153a StPO einstellen will, kann man die natürlich auch vorab erteilen. Ob er es wirklich macht, muß sich dann eben zeigen...
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ZitatEr wird immer alle schriftlichen Eingänge lesen und beurteilen. Aber, er wird keinen Debattierklub für adrett gekleidete nicht Assis eröffnen. :
Das war nicht so gemeint. Ich habe nur gelesen, dass es durchaus Beschuldigte gibt, die den Staatsanwalt anschreiben und ihm gegenüber unverschämt werden, teilweise auch beleidigend.
Es ging einfach darum. Wenn ein Beschuldigter sich schriftlich zur Sache äußert, den Sachverhalt aus seiner Sicht erzählt, erklärt, dass nach seiner laienhaften Würdigung der vorgeworfenen Strafnorm, keine Straftat vorliegen dürfte, der Staatsanwalt aber doch als Profi da eine geringe (vernachlässigbare) Schuld des Beschuldigten sieht und eine Einstellung gegen Auflage in Frage käme, wird dann in der Realität der Staatsanwalt eine Einstellung dem Beschuldigten gegen. x EUR vorschlagen?
Oder sollte man als Beschuldigter das von sich aus dem Staatsanwalt vorschlagen? Problem bei einem solchen Vorschlag (einstellung gg. Auflage) ist sicher, dass man damit den Eindruck erwecken könnte, man sehe bei sich eine gewisse Schuld vorhanden.
Es ging keineswegs um Verhandlungen wie auf einem Basar um die Strafhöhe.
Es ging aber auch darum, ob der Staatsanwalt beim Beschuldigten normalerweise nachfragt, falls es seiner Meinung nach Unklarheiten in der Stellungnahme des Beschuldigten geben sollte. Oder wird in der Praxis dann halt die Klage erhoben, um das Problem vor Gericht zu klären, obwohl eine kurze Nachfrage des Staatsanwalts beim Beschuldigten auch gereicht hätte?
Um solche Einzelheiten ging es mir.
-- Editiert von peterk2002 am 10.09.2017 18:55
wird dann in der Realität der Staatsanwalt eine Einstellung dem Beschuldigten gegen. x EUR vorschlagen? Keine Ahnung - es macht schließlich einen Unterschied, ob wir hier von einem Ladendiebstahl sprechen oder davon, jemand in der Kneipe einen Aschenbecher an den Kopf geworfen zu haben. Und übrigens, ich erwähnte es schon - der Staatsanwalt schlägt sowas auch Leuten vor, die sich gar nicht äußern. Und ein weiterer Aspekt - manche Staatsanwälte machen sowas nur bei geständigen Beschuldigten. Und da ist jetzt wieder die Frage, ob unser fiktiver Beschuldigter eigentlich die Tathandlung leugnet oder die böse Absicht oder was auch immer...
ZitatWenn es einen Beschuldigten gibt, der sich selbst im Ermittlungsverfahren verteidigten will, wie läuft da die Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft in der Praxis? :
In der Regel schriftlich.
Bei einer Vorladung auch mündlich.
ZitatWerden solche Bitten von der Staatsanwaltschaft :
ZitatOder ist bei den Staatsanwaltschaften eher die Einstellung vertreten :
Man kann auf beide Typen treffen.
Man wird abwarten müssen, welcher Typ der deinige ist.
ZitatIn der Regel schriftlich. :
Bei einer Vorladung auch mündlich.
Habe die Frage schon in einem anderen Thread gestellt, aber hier passt sie auch rein:
Gibt die ermittelnde Polizei, die den Verdächtigen vernommen hat und dieser sich äußerte, normalerweise eine Empfehlung an die Staatsanwaltschaft ab, ob und wie sie die Ermittlungen einstellen soll, oder ob sie Anklage erheben soll?
Oder macht die Polizei nur den "Job die Ermittlungsakte zu füllen" ohne jegliche Wertung?
Zitat:ich habe nun mir die StPO und das StGB durchgelesen, das meiste wohl behalten und verstanden.
Mit Verlaub - das bezweifele ich, dass sie die gesamte StPO und das gesamte StGB gelesen, behalten und verstanden haben.
Zitat:Es ging einfach darum. Wenn ein Beschuldigter sich schriftlich zur Sache äußert, den Sachverhalt aus seiner Sicht erzählt, erklärt, dass nach seiner laienhaften Würdigung der vorgeworfenen Strafnorm, keine Straftat vorliegen dürfte, der Staatsanwalt aber doch als Profi da eine geringe (vernachlässigbare) Schuld des Beschuldigten sieht und eine Einstellung gegen Auflage in Frage käme, wird dann in der Realität der Staatsanwalt eine Einstellung dem Beschuldigten gegen. x EUR vorschlagen?
Ja, .... das macht er aber auch dann, wenn der Beschuldigte sich nicht geäußert hat, der StA aber dennoch die Voraussetzungen des § 153a, Abs. 1 StPO als vorliegend ansieht.
Zitat:normalerweise eine Empfehlung an die Staatsanwaltschaft ab, ob und wie sie die Ermittlungen einstellen soll, oder ob sie Anklage erheben soll?
Nein
Zitat:Oder macht die Polizei nur den "Job die Ermittlungsakte zu füllen" ohne jegliche Wertung?
Sie fast die Ermittlungen in einem sog. "wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen" zusammen, welches der StA als Entscheidungshilfe dient.
ZitatMit Verlaub - das bezweifele ich, dass sie die gesamte StPO und das gesamte StGB gelesen, behalten und verstanden haben. :
Möglicherweise haben Sie recht ;-)
ZitatJa, .... das macht er aber auch dann, wenn der Beschuldigte sich nicht geäußert hat, der StA aber dennoch die Voraussetzungen des :§ 153a, Abs. 1 StPO als vorliegend ansieht.
Wie läuft das dann praktisch ab?
Zufällig so:?
Staatsanwalt liest die Akte und Stellungnahme des Beschuldigten, prüft ob strafbare Handlung vorwerfbar ist und nach welcher Rechtsnorm.
Falls keine strafbare Handlung vorhanden, stellt er z.B. nach 170.2 ein
Falls geringe strafbare Handlung vorhanden, bietet er Einstellung gg. Auflage von sich aus an.
Falls etwas größere strafbare Handlung vorliegt, gibt's Strafbefehl.
Falls von strafbarer Handlung ausgegangen wird, die bewiesen werden kann, oder ein Hauptverfahren erfordert, klagt er an.
Läuft das in etwa in Form einer solchen Liste in der Praxis ab?
Was ich nicht verstanden habe, ist, wann Strafbefehl, wann Klageerhebung. D.h. von was es abhängt, dass es noch ein Strafbefehl werden kann und wann Klage erhoben wird.
Problem bei Klageerhebung ist ja, neben einer Strafe, dass die ganzen Kosten des Verfahrens, Kosten der Zeugen, etc. vom Verurteilten getragen werden müssen, so dass es oft diese Nebenkosten sind, die Jemanden finanziell ruinieren können.
Zitat:Staatsanwalt liest die Akte und Stellungnahme des Beschuldigten, prüft ob strafbare Handlung vorwerfbar ist und nach welcher Rechtsnorm.
Ja, er liest die Akte. Ob da eine Stellungnahme des Beschuldigten drin ist, ist eher zweitrangig.
Zitat:Falls keine strafbare Handlung vorhanden, stellt er z.B. nach 170.2 ein
ja
Zitat:Falls geringe strafbare Handlung vorhanden, bietet er Einstellung gg. Auflage von sich aus an.
Es kommt nicht auf die Geringfügigkeit der Handlung an, sondern auf die Geringfügigkeit der Schuld und darauf, ob öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht (dabei kommt es dann ggf. doch wieder auf die schwere der Tat an). Er kann dann nach § 153 StPO einstellen, oder -wenn er öffentliches Interesse sieht, das aber durch eine Auflage zu beseitigen wäre,- eine Einstellung nach § 153a anbieten.
Zitat:Falls etwas größere strafbare Handlung vorliegt, gibt's Strafbefehl.
Oder eine Anklageschrift. Je nach dem, ob es noch Klärungsbedarf gibt und je nach dem ob ein Strafbefehl im konkreten Fall überhaupt zulässig ist und je nach dem, ob die beabsichtige Strafe überhaupt per Strafbefehl verhängbar ist.
Zitat:Falls von strafbarer Handlung ausgegangen wird,die bewiesen werden kann, oder[bzgl. der hinreichender Tatverdacht besteht] die eine Hauptverfahren[verhandlung] erfordert, klagt er an.
Ja, oder -wenn sie keine Hauptverhandlung erfordert- beantragt einen Strafbefehl, wenn dessen Voraussetzungen im Übrigen vorliegen. Seine Entscheidung.
Zitat:Was ich nicht verstanden habe, ist, wann Strafbefehl, wann Klageerhebung. D.h. von was es abhängt, dass es noch ein Strafbefehl werden kann und wann Klage erhoben wird.
Ja, das merkt man
Um das Thema Strafbefehl muss man sich überhaupt nur Gedanken machen, wenn er im konkreten Fall
a) grds. rechtlich zulässig ist
b) die beabsichtigte Strafe/Strafhöhe per Strafbefehl verhängt werden darf.
Wenn bei einem von beidem die Antwort "nein" lautet, ist der Strafbefehl schon mal aus dem Rennen.
Im Übrigen entscheidet der StA halt nach pflichtgemäßem Ermessen, ob eine Hauptverhandlung notwendig erscheint, um noch Tatumstände oder sonstige Dinge zu klären, ob die -ggf. nochmalige- Vernehmung von Zeugen durch das Gericht notwendig erscheint, oder ob sie notwendig ist, um auf den Anklagten entsprechenden Eindruck zu machen.
Denn eine "Strafe per Brief" ist längst nicht so beeindruckend wie die selbe Strafe in öffentlicher Hauptverhandlung.
Ich hatte schon Menschen vor dem Schreibtisch sitzen, die -mit Anklageschrift in der Hand- bereit waren das 10 oder 20fache der "normalen/üblichen" Geldstrafe zu zahlen, wenn dafür auf eine öffentliche Hauptverhandlung verzichtet werden würde.
Zitat:Problem bei Klageerhebung ist ja, neben einer Strafe, dass die ganzen Kosten des Verfahrens, Kosten der Zeugen, etc. vom Verurteilten getragen werden müssen, so dass es oft diese Nebenkosten sind, die Jemanden finanziell ruinieren können.
Die reinen Gerichtskosten sind bei einer Hauptverhandlung "nur" 70€ höher als beim Strafbefehl. Teuer sind in der Tat Zeugen (Reisekosten, Verdienstausfall) oder irgendwelche Gutachten.
Fälle, wo Zeugen oder Gutachten nötig sind, eignen sich also nicht für einen Strafbefehl. Indirekt ist also Voraussetzung für einen Strafbefehl, dass die Sachlage eindeutig erscheint. Wenn man unbedingt eine Gerichtsverhandlung und die Kosten vermeiden will, kann es also sehr sinnvoll sein, ein schriftliches Geständnis einzureichen - da kann man auch mit dem Zaunpfahl winken und einen Strafbefehl anregen.
ZitatWenn man unbedingt eine Gerichtsverhandlung und die Kosten vermeiden will, kann es also sehr sinnvoll sein, ein schriftliches Geständnis einzureichen - da kann man auch mit dem Zaunpfahl winken und einen Strafbefehl anregen. :
Es ist problematisch, wenn man keine Straftat beging, aber die Sachlage so komplex ist, dass man nicht zu 100% mit einem Freispruch rechnen kann.
Wer hat dann das Geld und die Lust sich durch die Instanzen durchzuklagen, mit ungewissem Ausgang.
Einen Strafbefehl anregen, nur aus wirtschaftlichen Gründen - weiß nicht ob das DIE Lösung ist.
-- Editiert von peterk2002 am 11.09.2017 00:25
Wenn die Sachlage so Komplex ist, dass Klärungsbedarf besteht, dann wird an einer Hauptverhandlung wohl kein Weg vorbeiführen.
Zitat:Problem bei Klageerhebung ist ja, neben einer Strafe, dass die ganzen Kosten des Verfahrens, Kosten der Zeugen, etc. vom Verurteilten getragen werden müssen, so dass es oft diese Nebenkosten sind, die Jemanden finanziell ruinieren können.
Zitat:Einen Strafbefehl anregen, nur aus wirtschaftlichen Gründen - weiß nicht ob das DIE Lösung ist.
Naja, eins geht ja nur (wenn nicht eingestellt wird). Entweder man will es billig und unter der Decke halten (= Strafbefehl) oder man will darüber "debattieren" (= Hauptverhandlung). Wenn man mit einem Strafbefehl nicht "glücklich" ist, aber einer erlassen wird, müßte man ja ohnehin Einspruch einlegen und es damit zur Hauptverhandlung kommen lassen.
Im Übrigen wäre es ganz hilfreich zu wissen, um was es überhaupt geht. Dann könnte man näml. den evtl. Fortgang prognostizieren und -evtl. unberechtigte- Sorgen zerstreuen.
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