Hallo,
ich bin neu hier im Forum und hätte eine Frage.
Angenommen es kommt zwischen zwei Parteien über mehrere Jahre zu mehreren zivil- und familienrechtlichen Verfahren. Die Gegenpartei beantragt in all diesen Verfahren Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe und bekommt diese auch. Nun stellt sich heraus, dass ihr diese in allen Verfahren zu unrecht bewilligt wurde, da sie über ein Vermögen von mehr als 50.000€ verfügte, welches sie in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht angegeben hat. Der Anwalt der Gegenseite wusste von diesem Vermögen und hat die falschen Erklärungen dennoch bei Gericht eingereicht. (Alles nachweisbar) Möglicherweise hat der Anwalt seiner Mandantin sogar dazu geraten, falsche Erklärungen abzugeben. (Spekulation). Es handelt sich insgesamt um 18 Fälle, in denen auf diese Weise Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe betrügerisch ergaunert wurde. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Gegenpartei selber wegen Betrug in 18 Fällen (ich gehe davon aus, diese Fälle sind tatmehrheitlich zu bewerten). Gegen den Rechtsanwalt der Gegenseite wird wegen schwerem Betrug (da gewerblich begangen) in 18 Fällen ermittelt.
Meine Frage lautet nun, mit welchem Gesamtstrafmaß muss die Gegenpartei bei Verurteilung in etwa rechnen?
Mit welchem Gesamtstrafmaß muss der Rechtsanwalt der Gegenpartei bei Verurteilung in etwa rechnen? Darf man davon ausgehen, dass es gerade bei dem Anwalt der ja hochgradig vorsätzlich und unter schwerem Verstoß gegen seine Berufsordnung handelt, dass Strafmaß entsprechend höher ausfällt?
Beide sind nicht vorbestraft.
Gesamtschdenssumme dürfte bei irgendwo zwischen 15.000 und 20.000€ liegen.
Ich habe mich bzgl. der Bildung von Gesamtstrafen zu informieren versucht werde aber nicht aus allem schlau. So konnte ich in Erfahrung bringen, dass die Gesamtstrafe höher sein muss, als die höchste Einzelstrafe, aber nicht die Summer der Einzelstrafen erreichen darf. In einem Beispiel konnte ich lesen, wenn jemand zu 1 Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wird und nochmal zu 6 Monaten, dann liegt die Gesamtstrafe irgendwo zwischen 13 und 17 Monaten. Wie ist das aber bei 18 Einzeltaten. Angenommen in obigem Beispiel würde jede Einzelstrafe mit 3 Monaten Freiheitsstrafe bewertet. Liegt das Strafmaß dann irgendwo im Bereich von 4 (höher als Einzelstrafe) und 53 Monaten (18 x 3 Monate - 1 Monat) oder wird auf die 3 Monate (höchste Einzelstrafe) für jeden weiteren Fall mindestens ein Monat drauf gerechnet, als Mindeststrafe 3+17x1=20 Monate, Höchststrafe nach wie vor 53 Monate. Wie ist die obige Situation zu werten, wenn der Anwalt verurteilt wird. Schwerer Betrug und damit Mindeststrafe pro Fall von 6 Monaten ist mir klar. Allerdings bin ich der Meinung, dass ein Anwalt hier eigentlich besonders hart bestraft werden müsste, da er massiv gegen seine Berufsordnung verstößt und die Berufsethik (sofern existent) erheblich verletzt. Kann ein Anwalt in dem geschilderten Fall, falls es zu einer Verurteilung käme noch mit einer Bewährungsstrafe rechnen?
Vielen Dank für alle Antworten.
-- Editiert Tarakas am 29.03.2012 14:06
Mehrfacher Prozessbetrug - zu erwartendes Strafmaß
29. März 2012
Thema abonnieren
Frage vom 29. März 2012 | 14:00
Von
Status: Frischling (4 Beiträge, 0x hilfreich)
Mehrfacher Prozessbetrug - zu erwartendes Strafmaß
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#1
Antwort vom 29. März 2012 | 15:01
Von
Status: Unbeschreiblich (30226 Beiträge, 9522x hilfreich)
quote:<hr size=1 noshade>Meine Frage lautet nun, mit welchem Gesamtstrafmaß muss die Gegenpartei bei Verurteilung in etwa rechnen?
Mit welchem Gesamtstrafmaß muss der Rechtsanwalt der Gegenpartei bei Verurteilung in etwa rechnen? Darf man davon ausgehen, dass es gerade bei dem Anwalt der ja hochgradig vorsätzlich und unter schwerem Verstoß gegen seine Berufsordnung handelt, dass Strafmaß entsprechend höher ausfällt? <hr size=1 noshade>
Das läßt sich beides unmöglich seriös vorhersagen. Strafmaßprognosen sind ohnehin immer eine sehr "wackelige Sache", aber wenn es in den Bereich der Gesamtstrafenbildung aus einer so relativ hohen Anzahl von Einzeltaten geht, wird es reine Raterei. Es kann sowohl eine Strafe von 18 oder 24 Monaten zur Bewährung werden, als auch eine oberhalb von 24 Monaten (also z.B. 3, 4 Jahre), welche dann nicht mehr zur Bewährung aussetzbar wäre.
Was denn Anwalt angeht, hat "gewerbsmäßiger Betrug" ja schon einen erhöhten Strafrahmen (6 Monate bis 10 Jahre), der der schwere Tat Rechnung trägt. Die Tatsache dass es sich beim Anwalt um ein Organ der Rechtspflege handelt wird sicherlich auch bei der Strafzumessung berücksichtigt.
quote:<hr size=1 noshade>So konnte ich in Erfahrung bringen, dass die Gesamtstrafe höher sein muss, als die höchste Einzelstrafe, aber nicht die Summer der Einzelstrafen erreichen darf. <hr size=1 noshade>
Genau
quote:<hr size=1 noshade>
In einem Beispiel konnte ich lesen, wenn jemand zu 1 Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wird und nochmal zu 6 Monaten, dann liegt die Gesamtstrafe irgendwo zwischen 13 und 17 Monaten <hr size=1 noshade>
Richtig
quote:<hr size=1 noshade>
Angenommen in obigem Beispiel würde jede Einzelstrafe mit 3 Monaten Freiheitsstrafe bewertet. Liegt das Strafmaß dann irgendwo im Bereich von 4 (höher als Einzelstrafe) und 53 Monaten (18 x 3 Monate - 1 Monat) <hr size=1 noshade>
So ist es.
quote:<hr size=1 noshade>Kann ein Anwalt in dem geschilderten Fall, falls es zu einer Verurteilung käme noch mit einer Bewährungsstrafe rechnen? <hr size=1 noshade>
Theoretisch möglich ist es in jedem Fall, auch wenn es wohl " sehr eng" werden würde.
Die Strafzumessung richtet sich ja nach einigem mehr, als nur nach der Anzahl der Taten und der Schadenshöhe (und dem Maß an Pflichtwidrigkeit)
vgl. § 46 StGB
quote:<hr size=1 noshade>§ 46
Grundsätze der Strafzumessung
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters,
die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,
das Maß der Pflichtwidrigkeit,
die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,
das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie
sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden. <hr size=1 noshade>
Die Gesamtstrafe ist "tat- und schuldangemessen" zu bilden.
-----------------
"Bitte um Verständnis,dass ich keine Rechtsfragen per PM beantworte.Das ist nicht Sinn des Forums"
-- Editiert !!Streetworker!! am 29.03.2012 15:03
#2
Antwort vom 29. März 2012 | 17:29
Von
Status: Richter (8350 Beiträge, 1493x hilfreich)
Es ist praktisch unmöglich, ein Strafmaß vorherzusagen. Dazu kommt es ja nicht nur auf die Taten an, sondern auch auf das Verhalten der Beschuldigten und die Schadenshöhe, die ja hier, dafür dass es so viele Taten sind, nicht so wahnsinnig hoch ist.
Bei der Gesamtstrafenbildung wird die höchste Einzelstrafe, die Einsatzstrafe heißt, angemessen erhöht. Das bedeutet, dass aus 10x3 Monaten nichts werden kann, was an die 30 Mo. herankommt, weil dann nicht eine Erhöhung der Einsatzstrafe erfolgt, sondern eine Vervielfachung.
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