Strafverfahren bei aktueller Bewährung

22. Oktober 2015 Thema abonnieren
 Von 
pal403492-3
Status:
Frischling
(11 Beiträge, 0x hilfreich)
Strafverfahren bei aktueller Bewährung

Hallo.... Mein Mann ist am 17.08.2015 wegen gewerblichen Betruges zu 1 Jahr Gefägnis auf Bewährung verurteilt worden. Bewährungszeit 3 Jahre. Die Straftaten wurden verübt von 01/2012 bis 10/2014. Am 02.09.2015 gab es in unserer Firma eine Betriebsprüfung ( Mein Mann ist Inhaber). Das Ergebnis steht noch aus. Heute Morgen kam aber ein Schreiben der Finanzverwaltung, dass man ein Strafverfahren wegen des Verdachtes auf Steuerhinterziehung eingeleitet hat.
Hier geht es um USt. Und Est 2013.

Da mein Mann hier einen Jahresgesamtumsatz von 40.000 gemacht hat kann es sich nur meine Summe unterhalb der 40.000 handeln. Der "Tatzeitraum" ist vor Urteilsverkündung...

Wie hoch ist die Gefahr, dass die Bewährung wiederurfen wird? Nach meiner Auffassung heißt doch Bewährung, dass man sich keinerlei weitere Straftaten zu Schulden kommen lassen darf. Das ist doch grundsätzlich zu verstehen oder gibt es für eventuelle Straftaten vor, in diesem Fall, dem 17.08.2015 eine Art Ünergangsregelung?

Vielen Dank im Voraus.

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5 Antworten
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#1
 Von 
Rechtschreibung
Status:
Lehrling
(1107 Beiträge, 1207x hilfreich)

Bewährung bedeutet tatsächlich, dass man sich "bewähren" soll, also ein ordentliches Leben ohne Straftaten führen soll. Das gilt aber nur während der Bewährungszeit. Diese beginnt erst mit der Rechtskraft des Urteils. Und sie endet entsprechend nach der im Urteil genannten Frist.
Nur wenn in dieser Zeit weitere Taten begangen werden, kann (aber muss nicht!) die Bewährung wiederrufen werden. In Ausnahmefällen auch bei Taten nach der Bewährungszeit. Aber nicht bei Taten davor.

Jetzt bin ich mir nicht sicher, wie der genaue Vorwurf lautet und auf welchen Zeitraum der sich erstreckt. Auch nicht, von wann bis wann das erste Verfahren lief.

Ich verstehe es mal so, dass der zweite Vorwurf komplett vor Beginn des ersten Strafverfahren lief. Dann wäre es ja so, dass er auch für diesen Vorwurf in dem gleichen Urteil hätte bestraft werden können, wenn den Behörden die Tat damals schon bekannt gewesen wäre. In gewisser Zeit wurde die Einbeziehung dieser Tat also "vergessen". Das ist für die Staatsanwaltschaft nicht weiter ärgerlich. Denn diese Tat kann nachgeholt werden. Dann wird dieser "Fehler" korrigiert und es gibt für beide Fälle eine einheitliche Strafe.

Das Problem ist nun, dass keiner weiß, wie diese Strafe aussehen würde. Mit aller Wahrscheinlichkeit wird sie ein Stück höher sein. Diese kann wiederum zur Bewährung ausgesetzt werden. Zumindest wenn sie unter 2 Jahren bleibt. Aber das muss sie nicht! Auch eine Strafe von 1-2 Jahren kann ohne Bewährung sofort vollstreckt werden.

Die Frage ware jetzt, wie wahrscheinlich es ist, dass das passiert. Da man beim letzten mal "nur" 1 Jahr verhangen hat, könnte das wiederum gutgehen. Wichtig ist zunächst nal der genaue Vorwurf, also Summe und Vorgehen. Allerdings: Liegt der zweite Fall vollständig vor dem ersten Verfahren und seinen Ermittlungen gegen ihn? Wenn er noch nach Bekanntwerden des ersten Strafverfahrens gegen ihn weiter betrogen hat, dann hätte er damit etwas Sturheit bewiesen. Das käme bestimmt nicht gut an.


Auf jeden Fall:
Ich würde sofort einen Anwalt aufsuchen! Dabei würde ich annehmen, dass es ratsam sein kann, sich an den gleichen Verteidiger wie beim letzten mal zu wenden. Immerhin kennt der den Fall. Und das Risiko ist meiner Meinung nach doch recht groß. Also würde ich es insbesondere unterlassen, selber irgendwie Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen oder gar an den Ermittlungen mitzuwirken.

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#2
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9521x hilfreich)

@Pal403 usw.

In dem beschriebenen Fall ist eine sog. nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden. § 55 StGB . Aus dem neuen -jetzt kommenden Urteil- und dem "alten" Urteil (das dazu wiederum in seine Einzelstrafen aufgelöst wird) wird eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Über deren Aussetzung zur Bewährung wird neu entschieden (dafür darf sie aber nicht höher als 2 Jahre sein). Dies mal vorausgesetzt, ist die Wahrscheinlich auf erneute Aussetzung sehr hoch, da sich die Sozialprognose in den letzen 2 Monaten ja wohl nicht drastisch negativ verändert hat.

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
pal403492-3
Status:
Frischling
(11 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo...

Also seit heute Wissen wir mehr... Der Steuerberater hatte bereits mehr Infos... Mein Mann soll Umsatzsteuer in Höhe von 11.2xx EUR zu unrecht verkürzt haben. Durch nicht einreichen bzw. Unterschlagung von Rechnungen.

Laut Steuerberater müssen deshalb ca. 1900,- € zurückbezahlt werden.

Der Steuerberater meint weiter, dass in einem ähnlich Ihm bekannten Fall das Verfahren gegen Zahlung von weiteren 1000,-€ eingestellt wurde.

Unser Steuerberater weiß aber nichts von der Vorstrafe meines Mannes...

Wie liegt der Fall bei uns... Wird es eine höhere Geldstrafe geben und das Verfahren eingestellt oder heißt so etwas grundsätzlich das eine weitere Gefägnisstrafe hinzukommt und dann eine neu zu bildende Gesamtstrafe ermittelt wird?

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9521x hilfreich)

Zitat:
Wie liegt der Fall bei uns... Wird es eine höhere Geldstrafe geben und das Verfahren eingestellt oder heißt so etwas grundsätzlich das eine weitere Gefägnisstrafe hinzukommt


Hellsehen können wir leider auch nicht :)

Falls eingestellt wird (gegen Geldauflage) bleibt die Freiheitsstrafe so bestehen wie sie jetzt ist.

Möglich ist auch dass als sog. unwesentl. Nebenstrafe nach § 154, Abs. 1, Nr. 1 StPO eingestellt wird. Ohne Auflage. In dem Fall bleibt die Freiheitsstrafe auch so, wie sie jetzt ist.

Wenn das Gericht eine Geldstrafe (also eine Verurteilung) für angemessen hält, wird diese dann zum Zwecke der Gesamtstrafenbildung quasi in eine Freiheitsstrafe umgerechnet (1 Tagessatz Geldstrafe = 1 Tag Freiheitsstrafe) und es wird -wie oben schon erklärt- eine Gesamtfreiheitsstrafe mit der "alten" Strafe gebildet und über die Aussetzung zur Bewährung neu entschieden, wobei man -wie ich schon sagte- davon ausgehen kann, dass die Strafe wieder zur Bewährung ausgesetzt werden wird.

Wenn das Gericht eine Freiheitsstrafe für notwendig hält, passiert das selbe wie bei der Geldstrafe, nur dass es eben vorher keine Umrechnung von Geld- in Freiheitsstrafe gibt.

Alles das ist möglich. Was davon passiert, können wir halt auch nicht vorhersehen. Das einzige was man zieml. sicher sagen kann ist, dass Ihr Mann nicht ins Gefängnis muss.

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
PP9325
Status:
Praktikant
(940 Beiträge, 703x hilfreich)

Hallo,

Zitat:
Diese beginnt erst mit der Rechtskraft des Urteils.


Grundsätzlich richtig, jedoch nur die halbe Wahrheit.

Wird nämlich eine Straftat zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft begangen ist ein Widerruf der Strafaussetzung gem. § 56f I StGB ebenfalls statthaft.
Das bedeutet, jede Straftat die nach dem Zeitpunkt der Verkündung des Urteils in der Hauptverhandlung begangen wird, kann als Grundlage für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung dienen.


Ein Bewährungswiderruf nach § 56f I StGB kommt hier nicht in Betracht, da hier im Falle einer Verurteilung zwingend eine nachträgliche Gesamtstrafe gem. § 55 StGB zu bilden ist. Diese Gesamtstrafe darf das Strafmaß der einzubeziehenden Verurteilung (1 Jahr m. Strafaussetzung zur Bewährung) nicht unterschreiten, jedoch auch nicht die Gesamtsumme der beiden Veruteilungen erreichen. Die große Frage, die sich hier stellt ist, ob die Höhe der Gesamtstrafe noch im bewährungsfähigen Raum (max. 2 Jahre Freiheitsstrafe) bleibt, das Gericht die Auffassung einer positiven Sozialprognose mit dem letzten Tatgericht teilt und auch "besondere Umstände" nach § 56 II StGB vorliegen. Jedoch sind die Gerichte in Deutschland grundsätzlich liberal, was die Zubilligung von "besonderen Umständen" angeht, insbesondere bei Straftaten gegen das Vermögenswerte.

Da der (hoffentlich tatsächliche) Umsatz Ihren Angaben zu Folge um die 40.000,00 EUR lag, dürfte der Steuerschaden sogar noch erheblich niedriger sein.

Ich teile ebenfalls die Einschätzung von Streetworker und Ihr Mann müsste im Falle einer Verurteilung, sofern das alles ist, wohl mit keiner Haftstrafe ohne Bewährung rechnen.

Eine Einstellung nach § 154 I Nr. 1 StPO ist hier zwar, wie erwähnt, möglich, jedoch würde ich mich nicht darauf verlassen. Vor allem, da die Straftaten ja miteinander nicht unbedingt etwas zu tun haben. Ich hatte erst letzens den Fall, bei dem jemand wegen Untreue gem. § 266 StGB im März zu einem Jahr und acht Monaten ausgesetzt zur Bewährung auf 3 Jahre verurteilt wurde und nun vor 6 Wochen flatterte ihm eine Anklageschrift, etwas später der Eröffnungsbeschluss ins Haus wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 AO bei einem Steuerschaden von ca. 500,00 EUR, begangen mit der Steuerklärung 2013. Eine Anfrage bei der zuständigen Staatsanwaltschaft und auch dem zuständigen Gericht hinsichtlich einer Einstellung gem. § 154 I Nr. 1 StPO wurde mit der Begründung abgelehnt, dass sich eine solche im Hinblick auf die notwendige Verteidigung der Rechtsordnung, inbesondere bei Straftaten gegen das Vermögen des Staates und somit der Allgemeinheit, verbietet.

Anscheinend herrscht bei manchen Gerichten und Staatsanwaltschaften eine 0-Toleranz-Grenze was die Einstellung von Steuerstrafverfahren angeht, selbst wenn es, wenn überhaupt, "nur" einen kleinen Aufschlag auf die Gesamtstrafe geben würde, welcher absolut nicht ins Gewicht fallen würde.

Grüße
PP

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