Vor knapp 4 Jahren kam es in einem Mehrfamilienhaus zu einem Zwischenfall mit der Polizei, in dessen Folge die involvierten Polizeibeamten eine Strafanzeige gegen "Paul" fertigten. Zeitgleich wurde von Amts wegen durch die STA ein EV gegen die beteiligten Polizisten eingeleitet, welches jedoch nach kurzer Zeit wieder eingestellt wurde. Die Zeugenaussagen der beteiligten 8 bis 10 Polizisten wichen in den wichtigsten Punkten extrem vom tatsächlichen Geschehen ab - mit Ausnahme er Aussage eines einzigen beteiligten Polizisten, der "Paul's" Angaben und die Angaben der anwesenden Zeugen aus dem Haus untermauerte. Dennoch wurde Paul schuldig gesprochen und verurteilt. Gegen das Urteil legte "Paul" Berufung ein, womit das Urtel nicht rechtskräftig wurde.
Einige Zeit später wurde gegen Pauls Zeugen ein EV wegen Falschaussage eingeleitet und nun - kurz vor der Berufungsverhandlung von Paul - wurde gegen Pauls Zeugen Anklage wegen Falschaussage erhoben.
Pauls nunmehr angeklagte Zeugen sind jedoch auch für Pauls Berufungsverhandlung als Zeugen geladen. Für diese entsteht nunmehr ein Konflikt. Bleiben sie bei ihrer wahrheitsgemäßen Aussage vom AG und wird Paul erneut verurteilt, weil man ihnen nicht glaubt oder glauben will (weil man eher den vielen Polizisten glaubt), wird der Druck auf sie von der StA mit Fingerzeig auf das gegen sie laufende Verfahren erhöht. Verweigern sie vor diesem Druck die Aussage (wie von ihren Anwälten empfohlen), fallen sie Paul als Zeugen weg und Paul hat keinerlei Chancen mehr, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Einer der Zeugen überlegt sogar seine Aussage im Sinne der StA zu ändern um Milde zu erhaschen, weil er sich einer Zeugen-Übermacht polizeilicher Seits gegenüber sieht und aufgrund der Anklageschrift gegen ihn Angst vor einer Verurteilung wegen Falschaussage hat, wenn Paul verurteilt werden würde.
Ist unter derartigen Umständen die Erhebung der Anklage gegen Zeugen nicht verfrüht? Sollte die StA mit solchen Dingen nicht besser den rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens abwarten? Werden durch solche Dinge nicht Zeugen massiv beeinflusst und unter Druck gesetzt - sogar zu einer Falschaussage genötigt? Bleiben hier Rechtsstaatlichkeit und Fairness im Strafverfahren nicht auf der Strecke? Ist so etwas überhaupt zulässig? Paul werden durch solche Praktiken doch die Zeugen "vernichtet". Und hätte man denn dann nicht auch gegen diesen einzigen Polizisten, der die Angaben der Zeugen bestätigte, nicht auch Anklage erheben müssen?
Zeugenbeeinflussung im Berufungsverfahren
Notfall oder generelle Fragen?
Notfall oder generelle Fragen?
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Ist unter derartigen Umständen die Erhebung der Anklage gegen Zeugen nicht verfrüht?
Nein. Es ist ja bereits seit dem erstinsanzlichen Verfahren klar, dass man den Zeugen nicht glaubt. Würde man sie nun vermeintl. in Sicherheit wiegen, würde man sie ggf. (vorausgesetzt es wäre so) erneut in eine Falschaussage laufen lassen im Berufungsverfahren und "müßte" sie dann wegen 2er tatmehrheitlicher Fälle der Falschaussage anklagen. Aus Sicht der Zeugen ist der Ablauf so völlig in Ordnung.
Letzlich ist es immer schlecht, wenn einem die Wahrheit nicht geglaubt wird, aber in den Fällen wo es so ist, ist es so. Das ist nicht schön, aber Fehlurteile gab es schon immer und wird es immer geben.
Aber davon mal ganz abgesehen ist es ja überhaupt nicht gesagt, dass auch die Kammer den Zeugen nicht glaubt. Die ist ja nicht an die Beweiswürdigung des Amtsgerichts gebunden.
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Ist so etwas überhaupt zulässig?
ja
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Paul werden durch solche Praktiken doch die Zeugen "vernichtet".
Es ist doch die Entscheidung der Zeugen, ob sie aussagen oder nicht. Dass ihre ersten Aussagen nicht geglaubt wurden, ist doch -wie schon gesagt- allerspätestens seit der Urteilsbegründung des erstinstanzlichen Urteils klar. Und somit ist auch klar, dass auch in der Berufung zumindest Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit vorhanden sein werden. Ob da wegen der ersten Aussagen bereits förml. Anklage erhoben würde, oder nicht, ist dabei absolut zweitrangig.
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Und hätte man denn dann nicht auch gegen diesen einzigen Polizisten, der die Angaben der Zeugen bestätigte, nicht auch Anklage erheben müssen?
Das kann man von hier aus ohne Akteneinsicht nicht beurteilen, da es dafür auf den genauen Inhalt der Aussagen der einzelnen Zeugen ankommt und was -genau- aus Sicht der StA unwahr sein soll.
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"Bitte um Verständnis,dass ich keine Rechtsfragen per PM beantworte.Das ist nicht Sinn des Forums"
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Es ist doch die Entscheidung der Zeugen, ob sie aussagen oder nicht.
? Solange sie kein Aussageverweigerungsrecht haben, nicht.
Es wäre mir auch neu, daß ein Zeuge die Aussage mit der Begründung verweigern kann "weil sie mir in der ersten Instanz nicht geglaubt wurde, würde mich eine Wiederholung in der 2. Instanz zusätzlicher Strafverfolgung aussetzen".
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quote:<hr size=1 noshade>? Solange sie kein Aussageverweigerungsrecht haben, nicht. <hr size=1 noshade>
In dem geschilderten "Paul-Fall" hier haben sie ja eines, bzw. ein Auskunftsverweigerungsrecht, und auf den "Paul-Fall" bezog ich mich.
quote:<hr size=1 noshade>Es wäre mir auch neu, daß ein Zeuge die Aussage mit der Begründung verweigern kann "weil sie mir in der ersten Instanz nicht geglaubt wurde, würde mich eine Wiederholung in der 2. Instanz zusätzlicher Strafverfolgung aussetzen". <hr size=1 noshade>
Wenn man die Inanspruchnahme des § 55 StPO "offiziell" -so- begründet, ist man natürlich selbst Schuld
Im Übrigen würde...
wenn man denn der Auffassung folgen will, die teilweise in der Lit. vertreten wird, dass die "wahre aber unglaubwürdige/nicht geglaubte Aussage" kein Ausunftsverweigerungsrecht nach sich zieht,
...dann auch die Tatsache der Anklageerhebung wg. der früheren Aussage keine Rolle spielen. Denn eine "wahre Aussage" bliebe eine "wahre Aussage", auch wenn hinsichtlich ihrer wegen vermeintlicher Unwahrheit Anklage wegen Falschuassage erhoben worden ist.
Die Anwälte der Zeugen:
quote:<hr size=1 noshade>Verweigern sie vor diesem Druck die Aussage (wie von ihren Anwälten empfohlen ) <hr size=1 noshade>
wären in dem Fall allesamt grauenhafte Stümper, weil sie ihren Mandanten etwas empfehlen, was rechtlich gar nicht möglich/zulässig ist.
In der Praxis läuft das ganze nämlich um einiges pragmatischer ab. Einem Zeugen in einem Berufungsverfahren, gegen den wegen seiner Aussage in der Vorinstantz hinsichtlich eines Aussagedeliktes ermittelt(!) wird (von Anklage reden wir noch gar nicht), wird im Regelfall das uskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zuzubilligen sein, wenn er sich nicht völlig dusselig anstellt. Es ist ja zu bedenken, dass die ohnehin wischi-waschi-weiche "Glaubhaftmachung" aus § 56 StPO hinsichtlich § 55 StPO noch mal "aufgeweichter" ist, als z.B. hinsichtlich § 52 StPO . Die Glaubhaftmachung hinsichtlich § 55 StPO erstreckt sich nur auf die Befürchtung des Zeugen, dass die Gefahr der Strafverfolgung besteht, wenn er wahrheitsgemäß aussagen würde [vgl. Meyer-Goßner, 51. 205 f., Rn. 2 zu § 56 StPO ]
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"Bitte um Verständnis,dass ich keine Rechtsfragen per PM beantworte.Das ist nicht Sinn des Forums"
Sehr erhellend, danke.
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Vielen Dank für die Meinungen / Ausführungen zur Fragestellung. Es ist eben wie es ist.
So gesehen wirkt der Grundatz:
"Das Recht auf ein faires Verfahren gehört zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens "
in meinen Augen nahezu witzig. Denn würde Paul nach dem erstinstanzlichen Ergebnis eine Strafanzeige wegen Falschaussage gegen die falsch aussagenden Polizeibeamten erstatten, würde das Verfahren gegen die Beamten bis zum Ausgang des Verfahrens gegen Paul vorläufig eingestellt werden. Da die Aussage eines Polizeibeamten jedoch offenbar höher bewertet wird als die eines normalen Bürgers (denn Polizisten lügen ja nicht), kann man gegen Pauls Zeugen vor Ausgang des Verfahrens gegen Paul nicht nur ein Ermittlungsverfahren einleiten, sondern sogar Anklage erheben.
Was, wenn es auf die Anklage gegen Pauls Zeugen eher zum Prozeß käme, sie dort schuldig gesprochen würden und das Landgericht später in Pauls Berufungsverfahren zu einem anderen Ergebnis käme als das Amtsgericht?
In meinen Augen ist das juristischer Unsinn. Aber das ist meine persönliche Meinung. Ebenso wie mein Gefühl, dass es sich bei solchen Dingen in Sachsen eher um Willkür handelt, weil ein Freispruch von Paul massive Rechtsverletzungen der Polizei belegen würde. Und das darf ja nicht sein.
-- Editiert LeilaLE am 28.07.2014 09:21
quote:<hr size=1 noshade>Denn würde Paul nach dem erstinstanzlichen Ergebnis eine Strafanzeige wegen Falschaussage gegen die falsch aussagenden Polizeibeamten erstatten, würde das Verfahren gegen die Beamten bis zum Ausgang des Verfahrens gegen Paul vorläufig eingestellt werden. <hr size=1 noshade>
Auf welcher Rechtsgrundlage? § 154e StPO gibt das nicht her...
quote:<hr size=1 noshade>
Was, wenn es auf die Anklage gegen Pauls Zeugen eher zum Prozeß käme, sie dort schuldig gesprochen würden und das Landgericht später in Pauls Berufungsverfahren zu einem anderen Ergebnis käme als das Amtsgericht? <hr size=1 noshade>
Dann hätten die Zeugen -insofern das "andere Ergebnis" auf einer gegenteiligen Bewertung von deren Aussagen durch die Kammer fußt- gute Chancen im Wiederaufnahmeverfahren.
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"Bitte um Verständnis,dass ich keine Rechtsfragen per PM beantworte.Das ist nicht Sinn des Forums"
quote:<hr size=1 noshade>Auf welcher Rechtsgrundlage? § 154e StPO gibt das nicht her... <hr size=1 noshade>
Zumindest würde es doch ruhen. Es macht keinen Sinn, daß bei zwei unterschiedlichen Aussagen gegen beide Aussagenden ein Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage läuft. Erst wenn das eine beendet ist (und damit klar ist, ob die Aussage von A überhaupt wahr oder falsch war), macht es Sinn, gegen B wegen der gegenteiligen Aussage zu ermitteln.
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quote:
Es macht keinen Sinn, daß bei zwei unterschiedlichen Aussagen gegen beide Aussagenden ein Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage läuft.
Ich bin bei meiner Antwort von einem anderen Sachverhalt ausgegangen:
quote:
Denn würde Paul nach dem erstinstanzlichen Ergebnis eine Strafanzeige wegen Falschaussage gegen die falsch aussagenden Polizeibeamten erstatten, würde das Verfahren gegen die Beamten bis zum Ausgang des Verfahrens gegen Paul vorläufig eingestellt werden. Da die Aussage eines Polizeibeamten jedoch offenbar höher bewertet wird als die eines normalen Bürgers (denn Polizisten lügen ja nicht), kann man gegen Pauls Zeugen vor Ausgang des Verfahrens gegen Paul nicht nur ein Ermittlungsverfahren einleiten, sondern sogar Anklage erheben.
Meiner Meinung nach meint der T.E. hier, dass das Verfahren gegen die Polizisten grds. vorläufig eingstellt würde, weil es Polizisten sind unabhängig davon , ob Pauls Zeugen im Verdacht stehen falsch ausgesagt zu haben und diesbzgl. Ermittlungen laufen (also auch - wenn das nicht der Fall wäre)
Aber grundsätzlich würden auch parallele Ermittlungen nicht völlig sinnlos sein, denn theo. können auch beide Aussagen falsch sein, selbst wenn sie sich untereinander widersprechen. Kommt auf den genauen Inhalt an. Habe ich im Übrigen selbst vor zig Jahren mal am eigenen Leibe erfahren, als gegen mich -als Entlastungszeuge- ein Strafbefehl wegen uneindlicher Falschaussage erging und gleichzeitig ein Belastungszeuge auch einen bekam. Ich wurde nach Einspruch in der HV freigesprochen, was mit dem Belastungszeugen wurde, weiß ich nicht
Es mag natürlich in bestimmten Konstellationen sinnvoll sein, die Ermittlungen zunächst ruhen zu lassen, dass ist richtig, aber es gibt keine Vorschrift in der StPO die das vorschreibt (oder auch nur explizit vorsieht) und erst Recht keine, die Polizeibeamte diesbezgl. begünstigt.
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