iPhone beschlagnahmt, icloud, Verdunkelungsgefahr

10. Februar 2024 Thema abonnieren
 Von 
Raptor17
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)
iPhone beschlagnahmt, icloud, Verdunkelungsgefahr

Hallo,

vor ein paar Tagen wurden bei einer Hausdurchsuchung sämtliche elektrische Geräte von mir beschlagnahmt. Die Polizei meinte noch, ich dürfe auf keinen Fall mit einem neuen Handy wieder in die alte iCloud oder Google Drive zugreifen, weil sie dann wohl bald wieder mit einem Haftbefehl vor meiner Tür wären. Ok, war ich erstmal dankbar für die Info. Jetzt nach einigen Tagen habe ich aber gemerkt, dass ich ohne mein Gmail und meine iCloud quasi nichts mehr machen kann. Ich habe keinen Zugriff mehr auf meine Versicherungen (KFZ, Haftpflicht, Hausrat), Hotelbuchungen (Wert 5.000€), mein Bankkonto, Finanzamt, sämtliche Telefonnummern, wichtige Notizen und Passwörter, Kalender bzw. wichtige Termine und auch nicht auf meinen Dienstplan. Ich bin also quasi von einem normalen Leben ausgeschlossen und auch mit neuen Accounts bekomme ich diese wichtigen Daten nicht zurück. Ich kann nicht mal meine Rechnungen bezahlen.

Jetzt meine Frage: Hat der Polizist recht? Ich möchte auf keinen Fall irgendwas löschen. Aber ich möchte wieder Zugriff auf mein digitales Leben und weiter leben können. Mir ist in den 3 Tagen schon ein finanzieller Schaden von knapp 300€ entstanden, weil ich Tickets hatte, die ich nicht nutzen konnte.

Sowas kann doch nicht ernsthaft sein. Auch mein Anwalt meinte, dass er sich das überhaupt nicht vorstellen kann.

Hat hier jemand Erfahrungen was sowas angeht und kann berichten?

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15 Antworten
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#1
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(125184 Beiträge, 40467x hilfreich)

Zitat (von Raptor17):
Auch mein Anwalt meinte, dass er sich das überhaupt nicht vorstellen kann.

Und dieser "Anwalt" mach was genau hauptberuflich?



Zitat (von Raptor17):
weil sie dann wohl bald wieder mit einem Haftbefehl vor meiner Tür wären.

Richtig.
Und dann geht es erst mal in U-Haft, solange bis die Verdunkelungsgefahr gebannt ist. Was meist der Fall ist, wenn die alles ausgewertet und gesichert haben.
Mit etwas Pech sogar bis zum Prozessende.



Zitat (von Raptor17):
Sowas kann doch nicht ernsthaft sein.

Doch. Genau dafür gibt es das Procedere.



Zitat (von Raptor17):
Ich habe keinen Zugriff mehr auf meine Versicherungen (KFZ, Haftpflicht, Hausrat), Hotelbuchungen (Wert 5.000€), mein Bankkonto, Finanzamt, sämtliche Telefonnummern, wichtige Notizen und Passwörter, Kalender bzw. wichtige Termine und auch nicht auf meinen Dienstplan. Ich bin also quasi von einem normalen Leben ausgeschlossen und auch mit neuen Accounts bekomme ich diese wichtigen Daten nicht zurück. Ich kann nicht mal meine Rechnungen bezahlen.

Das ist dann natürlich sehr ungünstig
Aber aus der U-Haft heraus kann man das auch nicht. Und U-Haft reduziert die Probleme nicht wirklich, denn Arbeitsplatz und Wohnung (samt Inhalt) sind dann auch in Gefahr.




-- Editiert von User am 10. Februar 2024 22:38

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Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

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#2
 Von 
Raptor17
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)

Zitat (von Harry van Sell):
Und dann geht es erst mal in U-Haft, solange bis die Verdunkelungsgefahr gebannt ist.


Aber mein Anwalt meinte, dass allein das anmelden bei meinen Accounts unmöglich schon zur Verdunkelungsgefahr führen kann, solange ich nichts lösche.

Meine Frage wäre also, wo liegen da wirklich die Grenzen. Im Gesetz kann man dazu keine genauen Angaben finden.

Und wenn ich google scheint es, als hätte dieses Problem noch nie jemand gehabt.

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#3
 Von 
DeusExMachina
Status:
Lehrling
(1562 Beiträge, 338x hilfreich)

Zitat (von Raptor17):
Jetzt meine Frage: Hat der Polizist recht?
Nein. Ermittlungsmaßnahmen - gerade zu Beginn des Strafverfahrens - gehen nicht mit der stillschweigenden Nebenfolge einher, dass die Existenz des Beschuldigten (quasi als vorauseilende Höchststrafe) zum Erliegen kommt. Wenn dem so wäre, so bedürfte es gar keiner weiteren Strafverfolgung, da der Beschuldigte bereits an dieser Stelle in Obdachlosigkeit und Insolvenz geführt würde - das ist auch jedem Ermittlungsrichter begreiflich.

Selbstverständlich können - auf neu anzuschaffenden Endgeräten - Cloud-Backups eingespielt werden, um den Lebensalltag weiterhin zu meistern. Entweder wurden die Cloud-Inhalte ohnehin bereits sichergestellt und/oder die beschlagnahmten Endgeräte vom Netz genommen. Eine Gefahr besteht also lediglich darin, bestehende Inhalte von nun an zu verändern oder zu löschen, was den 112 Abs. 2, Nr. 3 StPO rechtfertigen könnte - selbst wenn die originären Daten bereits sichergestellt wurden. Ein dahingehend dringender Verdacht ist nicht allein dadurch erfüllt, dass der Beschuldigte ein Backup wiederherstellt, um seinem Tagesgeschäft nachzugehen.

Polizeibeamte erteilen Beschuldigten - gerade anlässlich von HDen - nicht selten (und das ist keineswegs despektierlich gemeint) informelle Weisungen, die sie selbst gar nicht nachvollziehen können. Durchsuchungsbeamte geben Beschuldigten rglm. keine "Tipps", sondern freuen sich - rein aus Effizienzgründen - über jeden Fauxpas, der sich der in dieser Situation Überraschte erlaubt. Wenn der Beschuldigte nun angewiesen wird, "nicht mehr auf die Cloud zuzugreifen", so bedeutet das:

1. Die Cloud-Inhalte sind noch nicht sichergestellt und eine Manipulation würde ggf. nachträglich auffallen, was eine Verdunkelungsgefahr rechtfertigen würde.
2. Die Cloud-Inhalte sind sichergestellt und eine Manipulation würde zeitnah auffallen und damit eine Verdunkelungsgefahr rechtfertigen.
3. Da der Durchsuchungsbeamte nicht Freund des Beschuldigten ist: Ein Zugriff auf die Cloud-Inhalte besteht (noch) nicht und eine nachträgliche Manipulation wäre ggf. nicht nachvollziehbar.

All dies hat nichts mit dem Einspielen eines Backups zu tun. Die Aussage des Polizeibeamten ist auf dem Niveau von "Verstecken Sie sich bis zum Urteil am besten unter einer Brücke, wo Sie niemand findet." anzusiedeln.

Signatur:

Wahrheit ist Verhandlungssache.

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#4
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(125184 Beiträge, 40467x hilfreich)

Zitat (von Raptor17):
Meine Frage wäre also, wo liegen da wirklich die Grenzen. Im Gesetz kann man dazu keine genauen Angaben finden.

Das ist seitens des Gerichtes eine objektive Entscheidung im Einzelfall auf Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalles, unter Abwägung der jeweiligen, gegenseitigen Interessen und unter Bewertung der Güte der vorgetragenen Argumente.



Zitat (von Raptor17):
Und wenn ich google scheint es, als hätte dieses Problem noch nie jemand gehabt.

Nun, das Problem hatten schon viele.
Nur hängen die das nicht unbedingt an die große Glocke, was ein auffinden über Google erschwert.

Aber man kann trotz Sicherstellung der Daten direkt wegen Verdunkelungsgefahr verhaftet werden.https://www.iww.de/pstr/praxisfaelle/strafrecht-it-durchsuchung-im-unternehmen-f112891



Zitat (von DeusExMachina):
Wenn dem so wäre, so bedürfte es gar keiner weiteren Strafverfolgung, da der Beschuldigte bereits an dieser Stelle in Obdachlosigkeit und Insolvenz geführt würde ...

Das ist dann eine - mit Verlaub - doch etwas merkwürdige Theorie die ich nicht nachwollziehen kann.
Effektive Ermittlungen gegen Straftäter nicht zu ermöglichen, weil man wirtschaftliche Existenz-Probleme des Straftäters befürchten muss ... das vermag ich nicht nach zu vollziehen.

Das man versäumt hat Backups zu erstellen, ist doch erst mal "selber schuld".

Im übrigen kann auf substantiierten Antrag hin, begrenzter Zugriff gewährt werden oder entsprechende Mails weitergeleitet werden, insofern ist die befürchtete Obdachlosigkeit und Insolvenz dann auch wieder durch falsche Handlungen selbstverschuldet.

Wundert mich das der Anwalt dahingehend noch keine zielführende Kommunikation eingeleitet hat.
Seine bisherigen Aktivitäten diesbezüglich lassen eher befürchten, das es grob gefasst auf "hab ich noch nie gehört, das glaube ich nicht" und "mach doch, wird schon nix passieren" hinausläuft.
Ist dann halt dumm gelaufen, wenn der Mandant dann doch in U-Haft landet. Aber immerhin hat der Anwalt dann wenigstens davon schon mal gehört ... auch wenn es dem Mandanten nichts mehr hilft.



Zitat (von DeusExMachina):
Selbstverständlich können - auf neu anzuschaffenden Endgeräten - Cloud-Backups eingespielt werden,

Er hat offenbar nie ein Backup seiner Cloud-Daten erstellt
Zitat (von Raptor17):
Jetzt nach einigen Tagen habe ich aber gemerkt, dass ich ohne mein Gmail und meine iCloud quasi nichts mehr machen kann.

Sonst hätte er das ja schon längst getan.




-- Editiert von User am 11. Februar 2024 00:00

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#5
 Von 
Raptor17
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)

Zitat (von Harry van Sell):
Er hat offenbar nie ein Backup seiner Cloud-Daten erstellt


Doch ich kann auf ein neues iPhone alles identisch wieder so runterladen wie es auf dem
alten war. Muss nur bei der einrichtung mich mit meiner icloud adresse anmelden. Dann hab ich wieder alles. Aber alles was ich dann mache, verändert sich natürlich in der iCloud. Mache ich ein Foto, ist das ein paar min später in der Cloud. ebenso wenn ich eine Notiz ändere oder einen Termin in meinen Kalender eintrage usw.

Genau das meinte der Polizist ja. wir haben sogar meine Frau aus der Familienfreigabe gelöscht und sie hat jetzt alle ihre music-playlists verloren und wir zahlen aktuell 25€ im
Monat für Apple Music, Apple TV usw. für nichts, da wir nicht drauf zugreifen können.

Wenn ich die synchronisierung deaktiviere, wird aber auch alles wieder vom neuen iPhone gelöscht.

Ich könnte also schon, traue mich eben nur nicht.

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#6
 Von 
Raptor17
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)

Aber ohne iCloud könnte ich ja noch leben. Das große Problem
ist, dass ich sämtliche Accounts die ich irgendwo habe, mit Google registriert habe. So zB booking.de, huk24, elster uvm. Und jedes Mal wenn ich mich dort auf einem
neuen Gerät anmelden will, verlangt google,
dass ich auf meinem (beschlagnahmten) Handy bestätige, dass ich es bin, der sich auf einem
anderen Gerät anmelden möchte. Heißt ohne Zugriff auf mein Google-Mail zu haben, komme ich in sämtliche Accounts nicht mehr rein. Und gerade bei booking.de habe ich 2 Reservierungen im Wert von 5.000€ die ich weder benutzen noch stornieren kann ohne Zugriff auf meine Mails.

Meine SIM-Karte haben sie auch, wodurch ich die Bannking-App von meinem
Konto nicht auf einem
neuen Gerät anmelden kann, weil die TANs auf die Nummer dieser SIM-Karte gehen.

Ich könnte natürlich eine neue SIM-Karte beim Anbieter holen und dann wieder per SMS-Code auf mein Gmail zugreifen sowie meine Apple-ID wiederherstellen. Vermutlich wird dadurch aber der Zugang auf dem beschlagnahmten iPhone getrennt und es sieht so aus, als hätte ich was zu verbergen.

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#7
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(125184 Beiträge, 40467x hilfreich)

Zitat (von Raptor17):
Muss nur bei der einrichtung mich mit meiner icloud adresse anmelden.

Wenn ich die synchronisierung deaktiviere, wird aber auch alles wieder vom neuen iPhone gelöscht.

Ich habe das offenbar missverständlich formuliert.

Ein Cloud-Backup funktioniert völlig unabhängig von dem Zugriff auf die Cloud.
Denn es ist ja gerade der Sinn dieses Cloud-Backups, das man die Daten gerade dann wiederherstellen kann, wenn man keinen Zugriff auf diese Cloud mehr hat.


Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
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#8
 Von 
Raptor17
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)

Zitat (von Harry van Sell):
Denn es ist ja gerade der Sinn dieses Cloud-Backups, das man die Daten gerade dann wiederherstellen kann, wenn man keinen Zugriff auf diese Cloud mehr hat.


Achso du meinst nicht, ein Backup vom
iPhone in der Cloud, sondern die gesamte Cloud als Backup irgendwo? Ich wüsste garnicht wie das geht bzw. wo man das Backup dann genau hat.

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#9
 Von 
Raptor17
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)

Außerdem frage ich mich gerade auch, wie die Polizei überhaupt merken soll, dass ich die iCloud oder Google Drive wieder verwende. Soweit ich weiß, werden Smartphones sofort in den Flugmodus versetzt,
damit sie nicht ferngelöscht werden können. Heiß natürlich gleichzeitig, dass die das Handy nie mehr mit dem Internet verwenden dürfen. Da ich aber sowohl bei Google als auch Apple die Zwei-Faktor-Identifizierung nutze muss die Anmeldung auf einem neuen Gerät immer erst auf dem Handy bestätigt werden, dass sie ja nicht mehr ans Netz lassen dürfen. Somit können sie also trotz Zugangsdaten nicht auf meinen Google oder Apple Account zugreifen. Oder vergesse ich hier was?

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#10
 Von 
vacantum
Status:
Lehrling
(1489 Beiträge, 271x hilfreich)

Zitat (von Raptor17):
Außerdem frage ich mich gerade auch, wie die Polizei überhaupt merken soll, dass ich die iCloud oder Google Drive wieder verwende. Soweit ich weiß, werden Smartphones sofort in den Flugmodus versetzt,
damit sie nicht ferngelöscht werden können. Heiß natürlich gleichzeitig, dass die das Handy nie mehr mit dem Internet verwenden dürfen. Da ich aber sowohl bei Google als auch Apple die Zwei-Faktor-Identifizierung nutze muss die Anmeldung auf einem neuen Gerät immer erst auf dem Handy bestätigt werden, dass sie ja nicht mehr ans Netz lassen dürfen. Somit können sie also trotz Zugangsdaten nicht auf meinen Google oder Apple Account zugreifen. Oder vergesse ich hier was?
Solche Anleitungen wirst Du hier nicht erhalten.

0x Hilfreiche Antwort

#11
 Von 
DeusExMachina
Status:
Lehrling
(1562 Beiträge, 338x hilfreich)

Zitat (von Harry van Sell):
Das ist dann eine - mit Verlaub - doch etwas merkwürdige Theorie die ich nicht nachwollziehen kann.
Wenn Du (später z.T. freigesprochene) Beschuldigte erlebt hättest, denen ein hochbegabter Durchungsbeamter kurz nach deren Nachtschicht um 6:04 Uhr morgens verklickert hat, sich am besten in einer Scheune zu verstecken, damit diese nicht am nächsten Tage direkt abgeholt würden, verstündest Du es wenigstens im Ansatz.

Zitat (von Harry van Sell):
Das man versäumt hat Backups zu erstellen, ist doch erst mal "selber schuld".
Das habe ich so absolut nicht verstanden. Das Backup ist da, es wurden einem m.E. allerdings Folgen angedroht, auf dieses zuzugreifen, was bereits die Dienstaufsichtsbeschwerde rechtfertigen würde.

Zitat (von Harry van Sell):
Wundert mich das der Anwalt dahingehend noch keine zielführende Kommunikation eingeleitet hat.
Vielleicht wurde dieser auch schlichtweg missverstanden, da für ihn die o.a. Androhung offensichtlich vernachlässigbar ist (s. #3).

Zitat (von vacantum):
Solche Anleitungen wirst Du hier nicht erhalten.
Doch, wird er. Aus höchst bescheidener Erfahrung weiß ich, aus welchen objektiv grenzwertigen Verdachtsfällen heraus HDen angeordnet werden und welche Folgen diese für Beschuldigte haben können - gerade für jene, die sich am Ende als unschuldig herausstellen, während auch für jeden Dursuchten zunächst einmal die Unschuldsvermutung gilt, was einige geschätzte Forenkollegen in letzter Zeit häufiger zu vergessen scheinen.

Zitat (von Raptor17):
Außerdem frage ich mich gerade auch, wie die Polizei überhaupt merken soll, dass ich die iCloud oder Google Drive wieder verwende.
Man muss die Cloud-Daten verwenden, um am täglichen Leben weiterhin teilzunehmen. Dazu habe ich in #3 doch bereits ausgeführt. Die Verdunkelungsgefahr begründet sich doch nicht in dem Zugriff auf heutzutage existentiell notwendige Daten, sondern frühestens in der Manipulation oder Löschung dergleichen.

Es kann doch nicht, geschätzte Forenkollegen, Euer ernst sein, dass ein Polizeibeamter im Rahmen der Durchsuchung einen Beschuldigten dazu anweist, bis zum Ende der Verfahrens nicht mehr sein Haus zu verlassen, weil sich außerhalb des Hauses schließlich sein bisheriges Leben abgespielt hat. Mit Verlaub!

Signatur:

Wahrheit ist Verhandlungssache.

0x Hilfreiche Antwort

#12
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(125184 Beiträge, 40467x hilfreich)

Zitat (von DeusExMachina):
Euer ernst sein, dass ein Polizeibeamter im Rahmen der Durchsuchung einen Beschuldigten dazu anweist

Ich lese keine Weisung
Zitat (von Raptor17):
Die Polizei meinte noch

Nur den (wohlmeinenden) Rat eine Beamten, der eventuell schon diverse unglückliche Entwicklungen miterlebt hat.



Zitat (von DeusExMachina):
Wenn Du (später z.T. freigesprochene) Beschuldigte erlebt hättest, denen ein hochbegabter Durchungsbeamter kurz nach deren Nachtschicht um 6:04 Uhr morgens verklickert hat, sich am besten in einer Scheune zu verstecken, damit diese nicht am nächsten Tage direkt abgeholt würden, verstündest Du es wenigstens im Ansatz.

Ja, auch so was in der Art habe ich schon erlebt, sogar noch schlimmer.
Da war z.B. der Rat "Fahren sie doch erst mal ins Ausland, am besten außerhalb der EU".



Zitat (von DeusExMachina):
Das Backup ist da

In der "icloud" gibt es wohl kein "Backup", die Speicherung in dieser Cloud ist wohl das Backup für die Inhalte des Gerätes.
Ein echtes Backup kann man einspielen wenn die Cloud "weg" ist (also wie in diesem Falle).


Nun ist es ja durchaus so, das ich im Strafrecht nicht wirklich aktiv bin und der Kollege DeusExMachina da durchaus einen Vorsprung hat. Der Vorsprung dürfte so groß sein, das er - rein metaphorisch betrachtet - als kleiner Punkt erscheint, welcher am Horizont in die Morgensonne reitet.

An den HDen an denen ich durch diverse mehr oder weniger unglückliche Umständen teilnehmen musste bzw. Fälle die ich mitbekam, hat sich bei mir folgendes eingeprägt.

Man kann noch so sehr in Recht sein, wenn man denn erst mal in U-Haft sitzt, weil ein Richter das angeordnet hat, dauert es etwas bis man wieder raus ist, weil man die nächsthöhere Instant bemühen muss (bzw. der Anwalt).

Der Arbeitgeber wird da wohl schon negativ gehandelt haben und ein Arbeitsgericht hilft dann auch nicht unbedingt.
Wohnung und Hab und Gut können eventuell erhalten bleiben, insbesondere wenn man nicht alleine ist.
Allerdings kann es sein, das man dann erst mal in die Wohnung nicht rein kommt, weil der Partner entsprechende Vorbehalte hat und ein Gericht das auch so sieht.
Und bei Kindern hat man dann auch noch ganz schnell das Jugendamt am Hals.

Ist der Anwalt dann auch mal in Urlaub, dann erst recht gute Nacht ...


Dann der zweite Punkt, die Daten in der Cloud sind wohl vom Beschlagnahme Beschluss erfasst, womit sich schon bei einem Zugriff darauf, Verdunkelungsgefahr sehe.
Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr besteht, wenn das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, dass durch bestimmte Handlungen auf sachliche oder persönliche Beweismittel eingewirkt und dadurch die Ermittlung der Wahrheit erschwert werden wird (Lutz Meyer-Gossner, StPO, 54. Auflage § 112 Rn. 26).
Also alleine die Möglichkeit des Zugriffs wird nicht ausreichend sein, der aktive Zugriff sehe ich schon als Gefahr. Da muss nicht erst was geändert / gelöscht werden, denn gerade dem soll ja vorgebeugt werden,



Zitat (von DeusExMachina):
während auch für jeden Dursuchten zunächst einmal die Unschuldsvermutung gilt, was einige geschätzte Forenkollegen in letzter Zeit häufiger zu vergessen scheinen.

Die Unschuldsvermutung ist unbestritten existent ... zumindest auf dem Papier.
Hilft halt nur nichts, wenn die soziale Umwelt sowie andere Ämter und Behörden das dann ganz anders sehen. (siehe oben). Zumal es bei anderen Ämtern und Behörden mitunter auch um vorbeugenden Schutz geht.
Da kann man dann schön mit Grundgesetz und StGB etc. wedeln, es interessiert erst mal keinen, das Kind fällt immer tiefer in den Brunnen.


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#13
 Von 
Raptor17
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)

Also mal ein kleines Update. Heute hat mich der Polizeibeamte von der Durchsuchung angerufen. Ich darf das iPad und das Handy meiner Frau wieder abholen. Außerdem hat er mir mündlich versichert, dass ich wieder auf meine Google Drive und iCloud zugreifen darf und die Backups am neuen Handy installieren darf. Mir ist zwar klar, dass das rein mündliche jetzt keine wasserfeste Garantie ist, aber ich glaube nicht, dass ich für sowas je was schriftliches bekommen würde.

0x Hilfreiche Antwort

#14
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(125184 Beiträge, 40467x hilfreich)

Zitat (von Raptor17):
Ich darf das iPad und das Handy meiner Frau wieder abholen.

Mit der Freigabe der beschlagnahmten Gegenstände ist dann auch wieder der Zugriff auf die Cloud problemlos möglich.
Also schnell hin und die Geräte abholen.



Zitat (von Raptor17):
ich glaube nicht, dass ich für sowas je was schriftliches bekommen würde.

Da glaubst Du korrekt.


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#15
 Von 
DeusExMachina
Status:
Lehrling
(1562 Beiträge, 338x hilfreich)

Danke für das Update! Auch bin ich völlig bei @Harry van Sell, dass in der Praxis Konstellationen entstehen, die so vom Gesetzgeber gar nicht vorgesehen sind. Ab einem gewissen Grad des Wahnsinns zuungunsten eines Beschuldigten möchte ich aber appellieren, sich auch angemessen zur Wehr zu setzen.

Zitat (von Harry van Sell):
Da war z.B. der Rat "Fahren sie doch erst mal ins Ausland, am besten außerhalb der EU".
Das Zitat kenne ich tatsächlich aus 2-3 Fällen und siedele es auf dem Niveau einer (wenn auch höchst seltenen) Aussage von AVD-Beamten an i.S.v.: "Bereiten Sie Ihren Anus vor, Sie werden hier viel Freude haben!". All dies ist absolut menschenverachtend und unwürdig für einen der fortschrittlichsten Rechtsstaaten und übersteigt nicht nur die Kompetenzen des jeweiligen Beamten, sondern bewegt sich auch in einem disziplinarisch und strafprozessual jenseitigen Bereich.

Nehmen wir den hier vorliegenden Fall: Die IT-Forensik benötigt nicht selten Monate bis Jahre zur Auswertung elektronischer Endgeräte. Der bisweilen unschuldig Beschuldigte erhält rgml. seine Endgeräte zurück zu einem Zeitpunkt, zu dem vielleicht noch die darauf gespeicherten Daten etwas wert sind - die Entschädigung dafür liegt am Ende irgendwo bei 2,40 EUR pro Tag des Nutzungsausfalles. Die gesellschaftliche Ächtung (es kommen hier ja nun auch alle Deliktsfelder in Betracht) wird per se nicht wettgemacht (nach Monaten nimmt doch niemand mehr Kenntnis von Einstellung oder Freispruch), das ist schlichtweg so. Dass bspw. Durchsuchungsbeamte dem rglm. unbedarften und überraschten Beschuldigten Weisungen erteilten, die weit über deren Auftrag hinausgehen (so wie in diesem Fall), erregt mich allerdings weiterhin. Es wurden ja nun zwei Beispiele genannt, die den Lebensalltag des (jetzt und später offensichtlich unschuldigen) Beschuldigten zum Erliegen bringen sollen. Dafür gibt es keine Entschädigung, weder Rechtsgrundlage noch Rechtsmittel - und stellt daher ein Problem dar. Der Amtsperson, die gerade per Anordnung legitimiert tief in meine Grundrechte eingreift, muss ich vertrauen können. Und wenn mich diese in einer Ausnahmesituation anweist, dieses oder jenes zu tun, so folge ich.

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