Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung // Sekundärer Darlegungslast sei nicht genügt worden

25. August 2020 Thema abonnieren
 Von 
1Beate
Status:
Frischling
(9 Beiträge, 0x hilfreich)
Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung // Sekundärer Darlegungslast sei nicht genügt worden

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Auftrag meiner Mutter bitte ich in folgender Angelegenheit um Ihren Ratschlag:

Am 06.08.20 sowie 07.08.20 erhielt meine Mutter zwei Abmahnungsschreiben der Kanzlei Waldorf Frommer, in denen ihr als Internetanschlussinhaberin Urheberrechtsverletzungen vorgeworfen werden und sie diesbezüglich – mit Frist zum 15.08.20 – zur Stellungnahme aufgefordert wurde. Nach Beschäftigung mit einhergehender Rechtssprechung sowie der von uns daraufhin angestellten Nachforschungsbemühungen, entschlossen wir uns dazu, ohne Anwalt auf die Schreiben wie folgt zu reagieren:

Meine Mutter hat die ihr vorgeworfenen Tatvorgänge nicht begangen. Sie befindet sich im Ruhestand und besitzt seit ihrer Pensionierung keinen Laptop mehr, darüber hinaus verfügt sie nicht über die er- forderlichen Kenntnisse, um einen derartigen Vorgang überhaupt auszuführen.
Um der ihr als Anschlussinhaberin obliegenden sekundären Darlegungslast nachzukommen, bitte ich folgendes zur Kenntnis zu nehmen:
Zum Nutzerkreis des Internetanschlusses gehört als zweite Person noch mein Bruder, Herr … Da dieser ohnehin über einen Netflix-Account verfügt, mit welchem er sich die betreffenden Filme hätte kostenlos angucken können, schließt dies auch ihn als Täter aus.
Er gab jedoch an, dass er im betreffenden Tatzeitraum (27.07., ab ca. 18 Uhr bis 28.07., ca. 8 Uhr) Besuch von einer Bekannten hatte und er dieser auch Zugang zum WPA2-gesicherten Heimnetzwerk gewährt hatte. Aus beigefügtem System-Ereignisbericht der FritzBox wird die Anmeldung ihres Smart- phones ("LG Mobile K40S"), am 27.07. um 18:20 Uhr – d.h. unmittelbar vor der ersten protokollierten Download-Angebotszeit – ersichtlich.
Weitere Angaben zu den Vorgängen kann mein Bruder nicht machen, da er an jenem Abend bereits früh eingeschlafen war und erst am Morgen, als sich seine Bekannte verabschiedete, aufwachte. Da er selber aufgrund dessen nicht zu 100 % ausschließen konnte, dass nicht sogar sein Laptop benutzt wurde, durchsuchten wir gemeinsam den Browser-Verlauf seines Laptops. Die Nachforschungsbemühung ergab jedoch keinerlei Hinweise auf einen Besuch einschlägiger Internetseiten. Ebenso wenig war eine Filesharing-Software auf dem Gerät installiert.
Hinzukommt, dass die Bekannte – im Gegensatz zu meiner Mutter und meinem Bruder – keine Kenntnis über die Möglichkeit der Nutzung von Netflix auf dem Fernsehgerät zum Schauen betreffender Spiel- filme hatte.
Somit existiert hinsichtlich der Täterschaft vorgeworfener Urheberrechtsverletzungen die ernsthafte Möglichkeit eines tatsächlich abweichenden Geschehensablaufs.
Damit verweisen wir an der Stelle nicht nur pauschal auf die bloße theoretische Möglichkeit eines Zugriffs durch Dritte, sondern zeigen auf, dass zum Tatzeitpunkt die reale Möglichkeit bestand, dass eine dritte Person, die nachweislich Zugriff auf das Internet hatte, Filesharing über den Anschluss meiner Mutter begangen hat. Dies berücksichtigend wäre die Täterschaftsvermutung meiner Mutter gegenüber bereits als erschüttert anzusehen, was im Falle eines gerichtlichen Verfahrens, u.a. laut Rechtsprechung des AG Düsseldorf vom 15.12.2016, zu einer Abweisung der Klage führen würde (Urteil Az. 13 C 13/15).
Auch eine Heranziehung im Wege der Störerhaftung aus § 97 Abs. 1 UrhG ist zu widersprechen, da meine Mutter als Anschlussinhaberin den Besuch von Familienangehörigen weder belehren, noch über- wachen braucht und es sich sowohl bei meinem Bruder, als auch bei der Besucherin, um eigenverant- wortlich handelnde Erwachsene handelt.
Eine Verletzung von Prüfpflichten der Anschlussinhaberin als Voraussetzung der Störerhaftung liegt demnach nicht vor.
Die geltenden Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, sind von uns mit diesem Schreiben – der diesbezüglich ergangenen Konkretisierung des BGH mit Urteil vom 6. Oktober 2016 (Az. I ZR 154/15 "Afterlife") folgend – mehr als hinreichend erfüllt worden. Wir haben dargelegt, welche Personen außer dem Anschlussinhaber zum behaupteten Zeitpunkt noch Zugriff aufs WLAN gehabt haben. Es ist jedoch "nicht Sache des Anschlussinhabers, die gegen ein Eingreifen der tatsächli- chen Vermutung für die Haftung sprechenden Umstände zu beweisen". Folglich ist ein Anschlussinhaber nicht dazu verpflichtet, den Täter selbst oder An- und Abwesenheitszeiten aller Mitbenutzer zu ermitteln. Der BGH erteilte außerdem der primären Vermutung der Kläger eine Absage, ein Anschlussinhaber sei per se als Täter in Haftung zu nehmen: „Es besteht keine generelle Vermutung, dass der Anschlussin- haber Täter einer Urheberrechtsverletzung ist, die er widerlegen oder erschüttern müsste, nur weil er Inhaber des Anschlusses ist." Dies käme dann in Betracht, wenn ein Anscheinsbeweis dafürspreche. Bei unter mehreren Familienmitgliedern geteilten Anschlüssen bzw. zur Tatzeit in Frage kommenden Dritten sei das aber eben nicht möglich.
Da eine Durchsetzung Ihrer Ansprüche auf dem Rechtsweg aus dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hätte, bitten wir höflichst darum, die Ansprüche gegen meine Mutter fallen zu lassen.


Nun erhalten wir heute eine Antwort der Anwälte, in der sie behaupten, dass der sekundären Darlegungslast mit unserem Vortrag nicht genügt worden wäre.

„Ihre Tochter gibt an, Sie hätten die Rechtsverletzung nicht selbst begangen. Neben Ihnen sollen auch weitere Personen Zugriff auf den Internetanschluss haben. Ob eine dieser Personen als Verursacher in Betracht kommt, bleibt jedoch offen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Sie im Rahmen der sekundären Darlegungslast zur Mitteilung der näheren Umstände der Rechtsverletzung verpflichtet. Sie müssen somit nachvollziehbar vortragen, wer konkret im Tatzeitpunkt Zugriff auf den Internetanschluss hatte und aus welchen Gründen an Ihrer Stelle ernsthaft als Täter in Betracht kommt.

[color=#ff0000]Die Rechtsprechung fordert dafür eine konkrete Recherche bei den in Betracht kommenden Per- sonen. Diese Recherche erfordert die Ermittlung und Mitteilung von konkreten Tatsachen und Umständen, die darauf schließen lassen, dass ein bestimmter Dritter aus dem Kreise der in Betracht kommenden Personen die Rechtsverletzung mit alleiniger Tatherrschaft begangen hat und damit ernsthaft als Täter in Betracht kommt.

Der derzeitige Vortrag genügt den o.g. Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht. Die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufes hinsichtlich der Täterschaft einer dritten Person vermögen wir bei dem derzeitigen Sachstand noch nicht zu sehen. Insbesondere wurden keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, die die Täterschaft der – nicht näher benannten – Besucherin als ernsthaft in Betracht kommend erscheinen lassen. Wir sind nicht in der Lage die Aussagekraft und den Wahrheitsgehalt des überlassenen Systems – Ereignisberichts zu überprüfen. Es entzieht sich unserer Kenntnissphäre welche Endgeräte im Tatzeitraum auf Ihren Internetanschluss Zugriff gehabt haben sollen und welcher konkreten Person diese zuzuordnen wären.

Damit ist nach unserem Dafürhalten die sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt. Wenn Sie sich dagegen entscheiden, die konkreten Umstände innerhalb Ihres Haushalts aufzuklären bzw. durch entsprechenden Vortrag Ihrer sekundären Darlegungslast nachzukommen, dann müssen Sie gegebenenfalls selbst die Konsequenzen tragen."
[/color]


Unserer Erachtens haben wir Auskunft über alle Nutzer des Internetanschlusses gegeben und mittels Systembericht auch nachweisen können, dass zum Tatzeitpunkt, ein nicht im eigenen Besitz befindendes Smartphone (als einziges Gerät) im Netzwerk angemeldet war. Zusätzlich wurde im Laptop meines Bruders nachgeforscht und dort keinerlei Hinweise auf die Nutzung von Filesharing-Software auf seinem Gerät finden können.

Für Ihre zeitnahe Einschätzung, inwieweit es hier also der Fall ist, dass von uns nicht alle möglichen Informationen in Bezug auf die sekundäre Darlegungslast beigebracht wurden, die einen abweichenden Geschehensablauf als wahrscheinlich machen und somit eine Haftung meiner Mutter auszuschließen ist, bedanken wir uns im Voraus und verbleiben

Mit freundlichen Grüßen

A.H.

-- Editiert von 1Beate am 25.08.2020 14:48

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2 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(119575 Beiträge, 39744x hilfreich)

Ich würde hier zu einem (Fach-)Anwalt raten.



Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

0x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
BigiBigiBigi
Status:
Junior-Partner
(5398 Beiträge, 1813x hilfreich)

Zitat:
Sie müssen somit nachvollziehbar vortragen, wer konkret im Tatzeitpunkt Zugriff auf den Internetanschluss hatte


In die Falle ist ein Freund von mir auch mal getappt - er hatte in seiner Klageerwiderung zwar die Personen benannt, mit denen er den Anschluß teilte, jedoch keine Stellung dazu genommen, daß die Personen *zum konkreten Tatzeitpunkt* Zugriff auf den Anschluß hatten. Damit war nach Ansicht des AG-Richters nicht so wie vom BGH verlangt "konkret" dargelegt, wer noch als Täter in Frage kam. Für den Laien kaum zu unterscheiden, für den Fachmann leider wichtig.
Genau deswegen läßt man das lieber einen Anwalt machen. :)

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