Wenn jemand ein Werk (z.B. ein Musikstück) eines Autors, der schon seit sagen wir mal 1900 tot ist, erstmals veröffentlicht ("erscheinen" lässt), also ein Werk das zuvor noch nicht veröffentlicht wurde, erhält der Herausgeber dann tatsächlich die alleinigen Aufführungsrechte für dieses Werk, wie §71 UrhG auf den ersten Blick vermuten lässt, oder beziehen sich diese Rechte nur auf seine "Ausgabe", also auf das gedruckte Notenmaterial, und nicht auf das Werk, also das Musikstück, selbst?
Beispiel: ein solches Musikstück existiert, und die handschriftlich geschriebenen Noten des seit 1900 verstorbenen Komponisten sind öffentlich zugänglich. Das Stück wird daraus auch aufgeführt. Nun kommt jemand und veröffentlicht eine eigene Ausgabe der Noten, sprich er setzt sie neu und bietet sie zum Kauf (oder zur Leihe) an. Darf man von dem Moment an das Werk nicht mehr ohne weiteres aufführen, oder darf man es nur nicht aus der neu erstellten Ausgabe aufführen, aus der Handschrift aber weiterhin?
Der §71 UrhG macht mir da Kopfzerbrechen. Wenn es so ist, wie ich ihn lese, könnte man alle möglichen "unveröffentlichten" Musikblattsammlungen von Anno Tobak einfach "erscheinen" lassen und hätte somit plötzlich das alleinige Aufführungsrecht?
Bitte helft mir, die Rechtslage besser zu verstehen.
Vielen Dank, Gruß Tommok
Frage zu §71 UrhG
7. Mai 2025
Thema abonnieren
Frage vom 7. Mai 2025 | 16:41
Von
Status: Praktikant (599 Beiträge, 313x hilfreich)
Frage zu §71 UrhG
Abmahnung bekommen?
Abmahnung bekommen?
Ein erfahrener Anwalt im Urheberrecht gibt Ihnen eine vertrauliche kostenlose Einschätzung!
Ein erfahrener Anwalt im Urheberrecht gibt Ihnen eine vertrauliche kostenlose Einschätzung!



#1
Antwort vom 8. Mai 2025 | 09:00
Von
Status: Richter (8967 Beiträge, 1906x hilfreich)
ZitatBeispiel: ein solches Musikstück existiert, und die handschriftlich geschriebenen Noten des seit 1900 verstorbenen Komponisten sind öffentlich zugänglich. Das Stück wird daraus auch aufgeführt. :
Dann wird es auch jemanden geben, der die Aufführungsrechte hat. Muss ja nicht der Komponist sein, kann auch ein Verlag sein
#2
Antwort vom 8. Mai 2025 | 09:10
Von
Status: Praktikant (599 Beiträge, 313x hilfreich)
ZitatDann wird es auch jemanden geben, der die Aufführungsrechte hat. Muss ja nicht der Komponist sein, kann auch ein Verlag sein :
Angenommen die Noten wären in einer Bibliothek öffentlich zugänglich, da sie seit 1910 dort liegen.
Vielen Dank, Gruß Tommok
Noch unsicher oder nicht ganz Ihr Thema?
Auf Frag-einen-Anwalt.de antwortet Ihnen ein Rechtsanwalt innerhalb von 2 Stunden. Sie bestimmen den Preis.
Jetzt zum Thema "Urheberrecht" einen Anwalt fragen
Auf Frag-einen-Anwalt.de antwortet Ihnen ein Rechtsanwalt innerhalb von 2 Stunden. Sie bestimmen den Preis.
#3
Antwort vom 11. Mai 2025 | 13:27
Von
Status: Senior-Partner (6886 Beiträge, 1588x hilfreich)
ZitatAngenommen die Noten wären in einer Bibliothek öffentlich zugänglich, da sie seit 1910 dort liegen. :
Das spricht für die Annahme, daß sie in der Zeit bis 1910 bereits veröffentlicht worden sind; womit ein Widerspruch zur Fallbeschreibung im EP entstünde.
In welcher Form sind die Noten denn in der Bibliothek vorhanden? Als Druck? Als handschriftliches Notenblatt?
#4
Antwort vom 11. Mai 2025 | 20:27
Von
Status: Praktikant (599 Beiträge, 313x hilfreich)
ZitatDas spricht für die Annahme, daß sie in der Zeit bis 1910 bereits veröffentlicht worden sind; womit ein Widerspruch zur Fallbeschreibung im EP entstünde. :
Das sehe ich genau so. Insofern war meine Fallbeschreibung ungenau: es wird eine Erstveröffentlichung um 2010 herum behauptet, aus der sich dann die Rechte nach §71 UrhG herleiten sollen. Ich teile diese Auffassung ebenfalls nicht.
Zitat:In welcher Form sind die Noten denn in der Bibliothek vorhanden? Als Druck? Als handschriftliches Notenblatt?
Handschriftliche Partitur und handschriftliche Stimmen (aus denen damals ohne weiteres gespielt werden konnte und prinzipiell auch heute noch gespielt werden kann.
Ich habe dazu gerade noch ein Urteil des BGH gefunden:
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&nr=46703&linked=pm
Ich würde denken, dies würde sich analog auf diesen hypothetischen Fall anwenden lassen, seht Ihr das ähnlich?
Gruß Tommok
#5
Antwort vom 11. Mai 2025 | 21:09
Von
Status: Senior-Partner (6886 Beiträge, 1588x hilfreich)
ZitatZitat (von eh1960): :
Das spricht für die Annahme, daß sie in der Zeit bis 1910 bereits veröffentlicht worden sind; womit ein Widerspruch zur Fallbeschreibung im EP entstünde.
Das sehe ich genau so. Insofern war meine Fallbeschreibung ungenau: es wird eine Erstveröffentlichung um 2010 herum behauptet, aus der sich dann die Rechte nach §71 UrhG herleiten sollen. Ich teile diese Auffassung ebenfalls nicht.
Das lässt sich ja feststellen. Gab es vor Ablauf der Schutzfrist eine Veröffentlichung? Oder gab es die nicht?
Zitat:Zitat:
In welcher Form sind die Noten denn in der Bibliothek vorhanden? Als Druck? Als handschriftliches Notenblatt?
Handschriftliche Partitur und handschriftliche Stimmen (aus denen damals ohne weiteres gespielt werden konnte und prinzipiell auch heute noch gespielt werden kann.
Das dürfte dann m.E. keine "Veröffentlichung" im Sinne des UrhG sein.
Allerdings kann selbstverständlich jemand "um 2010 herum" das nie veröffentlichte rechtefreie Werk erstveröffentlicht haben. Dann hätte er das ausschließliche Nutzungsrecht.
Hier geht es nicht um Gesetzesinterpretation, sondern um die Frage: wurde veröffentlicht? Von wem? Wann?
Ich habe dazu gerade noch ein Urteil des BGH gefunden:
"Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass derjenige, der als Herausgeber der Erstausgabe ein entsprechendes Verwertungsrecht an einem Werk beansprucht, grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass dieses Werk "nicht erschienen" ist. Da es in aller Regel schwierig ist, das Nichtvorliegen einer Tatsache darzulegen und nachzuweisen - zumal das Nichterschienensein eines jahrhundertealten Werkes - kann der Anspruchsteller sich allerdings zunächst auf die Behauptung beschränken, das Werk sei bislang nicht erschienen. Es ist dann Sache der Gegenseite, die Umstände darzulegen, die dafür sprechen, dass das Werk doch schon erschienen ist. Der Anspruchsteller genügt seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er diese Umstände widerlegt."
Zitat:Ich würde denken, dies würde sich analog auf diesen hypothetischen Fall anwenden lassen, seht Ihr das ähnlich?
Ja.
#6
Antwort vom 11. Mai 2025 | 22:14
Von
Status: Praktikant (599 Beiträge, 313x hilfreich)
ZitatDas dürfte dann m.E. keine "Veröffentlichung" im Sinne des UrhG sein. :
Das sieht der BGH in diesem Urteil im Ergebnis jedoch anders:
Zitat:Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin - so der Bundesgerichtshof - nicht hinreichend dargelegt, dass Vivaldis Komposition zur Oper "Motezuma" "nicht erschienen" ist. Ein Werk ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG erschienen, wenn Vervielfältigungsstücke "in genügender Anzahl" der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind. Das ist der Fall, wenn die Zahl der Kopien ausreicht, um dem interessierten Publikum die Kenntnisnahme des Werkes zu ermöglichen. Danach ist - so der BGH - davon auszugehen, dass die Komposition zur Oper "Motezuma" bereits im Jahre 1733 "erschienen" ist.
Nach dem Urteilstext könne dafür sogar ein einziges Exemplar ausreichen, und eine Hinterlegung in einer Bibliothek würde ausreichen, um der Öffentlichkeit die Kenntnisnahme des Werkes zu ermöglichen. Damit sei das Werk dann "erschienen" und im analogen Falle könne es dann 2010 kein Ersterscheinen mehr geben (so meine Lesart).
Der §71 UrhG ist insgesamt für Musikwerke problematisch. Ursprünglich ging es ja um "Dachbodenfunde", also um Dinge (Schriftrollen, Gedichtsammlungen, Artefakte), von denen vorher niemand wusste oder wissen konnte. Die dann aufzuarbeiten und "erscheinen" zu lassen, soll vom Gesetz mit den Nutzungsrechten am Werk "belohnt" werden. Aber das kann eigentlich nicht für Werke gelten, die eben nicht verborgen, sondern seit langem öffentlich zugänglich sind, oder?
Gruß Tommok
Und jetzt?
Für jeden die richtige Beratung, immer gleich gut.
Schon
289.248
Beratungen
Anwalt online fragen
Ab
30
€
Rechtssichere Antwort in durchschnittlich 2 Stunden
- Keine Terminabsprache
- Antwort vom Anwalt
- Rückfragen möglich
- Serviceorientierter Support
Anwalt vor Ort
Persönlichen Anwalt kontaktieren. In der Nähe oder bundesweit.
- Kompetenz und serviceoriente Anwaltsuche
- mit Empfehlung
- Direkt beauftragen oder unverbindlich anfragen
Alle Preise inkl. MwSt. zzgl. 5€ Einstellgebühr pro Frage.
Jetzt Anwalt dazuholen.
Für 60€ beurteilt einer unserer Partneranwälte diese Sache.
- Antwort vom Anwalt
- Innerhalb 24 Stunden
- Nicht zufrieden? Geld zurück!
- Top Bewertungen
Ähnliche Themen
-
2 Antworten
-
1 Antworten
-
3 Antworten
-
2 Antworten
-
5 Antworten
-
1 Antworten