OLG wertet Antrag auf Widereinseitzung als Rechtsbeschwerde

16. Januar 2021 Thema abonnieren
 Von 
DasBesteAmNorden
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)
OLG wertet Antrag auf Widereinseitzung als Rechtsbeschwerde

Hallo, ich bin neu hier und habe gleich mal eine Frage zu einem fiktiven Fall.

Gegen einen Beschuldigten wird wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Der Beschuldigte äußert sich schriftlich hierzu. Ein Bußgeldbescheid wird erlassen. Ein begründeter Widerspruch hiergegen wird vom Beschuldigten eingereicht. In diesem wird bereits angemerkt, dass er ggf. um die Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung bittet. Verfahren geht von der Bußgeldstelle an die Staatsanwaltschaft und dann an das zuständige Amtsgericht. Dieses fragt bei dem Beschuldigten schriftlich an, ob dieser einer Entscheidung im Beschlusswege zustimmt. Dies verneint der Beschuldigte in einem fristgerecht abgesandten und empfangenen Fax an das AG und bittet zeitgleich um Einsicht in die Akte. Das AG entscheidet trotzdem durch Beschluss, auf die beantragte Akteneinsicht wird nicht geantwortet. Der Beschuldigte reagiert darauf mit einem Antrag auf Widereinsetzung in den vorherigen Stand und verweist darauf, dass er einer Entscheidung im Beschlusswege mehrfach wiedersprochen hat. Eine Empfangsbestätigung des Faxes wird beigefügt. Zusätzlich verweist der Beschuldigte darauf, dass erbei einer Weigerung des Gerichts seinem Antrag auf Widereinsetzung stattzugeben, mit einer Rechtsbeschwerde reagieren werde. Abermals wird um Akteneinsicht gebeten. Eine Rechtsbeschwerde wird nicht eingelegt. Eine Antwort des AG bleibt aus. Nach mehr als einem halben Jahr bekommt der Beschuldigte einen Beschluss des zuständigen OLG zugesandt. Es wird ausgeführt, dass das Schreiben mit dem Antrag auf Widereinsetzung des Beschuldigten als Rechtsbeschwerde zu werten sei. In der Sache wird dem Beschuldigten Recht gegeben (das AG hätte nicht durch Beschluss entscheiden dürfen). Die Rechtsbeschwerde wird aber als unzulässig zurückgewiesen, da sie nicht formwirksam sei (nicht durch RA oder zu Protokoll eingereicht).

Der Beschuldigte begründet, dass er den Verweis auf die drohende Rechtsbeschwerde ausschließlich als Druckmittel in das Schreiben mit dem Antrag auf Widereinsetzung eingefügt hat. Tatsächlich wollte er diese jedoch ganz bewusst nicht einreichen, da ihm bereits zuvor bewusst war, dass das Prozesskostenrisiko (speziell durch die Anwaltspflicht am OLG) wesentlich steigen würde.

Hat der Beschuldigte noch eine Möglichkeit gegen den Beschluss des OLG anzugehen?

Vielen Dank für eure Antworten in Voraus!

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15 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16518 Beiträge, 9303x hilfreich)

Meines Wissens: Nein

Signatur:

Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB.

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#2
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38447 Beiträge, 14006x hilfreich)

Wiedereinsetzung oder Beschwerde, das sind verschiedene Rechtsbehelfe, die auch verschiedene Voraussetzungen haben. Eine (vermeintlich) fehlerhafte Entscheidung ist in diesem Fall durch eine Rechtsbeschwerde anzugehen.

Das OLG hat das richtige gemacht, nämlich den unzulässigen Rechtsbehelf in einen zulässigen umgedeutet. Der wirklich geäußerte Wille war ja klar: ich will mich wehren. Und gegen die Entscheidung der unteren Instanz ist nun nur mal die Rechtsbeschwerde möglich.

wirdwerden

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#3
 Von 
DasBesteAmNorden
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)

Danke für die Antworten!

Zitat (von wirdwerden):
Das OLG hat das richtige gemacht, nämlich den unzulässigen Rechtsbehelf in einen zulässigen umgedeutet.

Der Rechtsbehelf war doch ein ausdrücklich als solcher bezeichneter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Die Rechtsbeschwerde wurde sich für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten und letztendlich auch nicht eingereicht. Führt also ein abgelehnter Antrag auf Wiedereinsetzung automatisch zu einer Rechtsbeschwerde?

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#4
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(120121 Beiträge, 39831x hilfreich)

Zitat (von DasBesteAmNorden):
Der Rechtsbehelf war doch ein ausdrücklich als solcher bezeichneter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.

Und man hat nicht reingeschrieben das das Gericht das nicht umdeuten darf?

Wenn man das falsche Rechtsmittel wählt, gibt es 2 Möglichkeiten:
1. das Gericht ignoriert es, weil es falsch ist
2. das Gericht deutet es um in ein geeignetes Rechtsmittel

Der Gesetzgeber hat den Gerichten den 2. Weg ermöglicht, diese nutzen den auch.



Zitat (von DasBesteAmNorden):
Führt also ein abgelehnter Antrag auf Wiedereinsetzung automatisch zu einer Rechtsbeschwerde?

Das ist eine Rechtsbeschwerde.


Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

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#5
 Von 
DasBesteAmNorden
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)

Ich verstehe es leider noch immer nicht. § 52 OwiG (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) ist doch etwas anderes als § 79 OwiG (Rechtsbeschwerde). Bei einer Wiedereinsetzung entscheidet das AG selbst. Bei einer Rechtsbeschwerde das OLG. Beides kann kombiniert werden, aber das war hier ja eben nicht der Fall.
Ist es denn nun wirklich so, dass bei einer Wiedereinsetzung explizit eine Umdeutung ausgeschlossen werden muss?

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#6
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16518 Beiträge, 9303x hilfreich)

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war doch gar nicht möglich - denn da wäre die Voraussetzung, dass eine Frist unverschuldet verpasst wurde.
Außerdem kann nach(!) einem Urteil nicht mehr in den vorherigen Stand eingesetzt werden, auch nicht wenn das Urteil im schriftlichen Verfahren zustande gekommen ist.
Das AG hätte Ihren Antrag also einfach als "aus formalen Gründen unzulässig" ablehnen können.

Sie haben aber offenbar zum Ausdruck gebracht, dass Sie mit dem Urteil des AG durch Beschluss nicht einverstanden waren.
Da bleibt soch eigentlich keine andere Wahl als die Umdeutung in eine Rechtsbeschwerde.

Signatur:

Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB.

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#7
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38447 Beiträge, 14006x hilfreich)

Diese Ansicht habe ich ja auch versucht, rüberzubringen. Das Gericht ist in so Fällen verpflichtet, den wirklich geäußerten Willen umzusetzen. Wie man dann den Rechtsbehelf/das Rechtsmittel nennt, das ist einerlei.

Der hier geäußerte Wille war, sich gegen eine Entscheidung zu wehren. Das ging nur mit der Rechtsbeschwerde. Also absolut korrektes Verhalten der Justiz.

wirdwerden

1x Hilfreiche Antwort

#8
 Von 
DasBesteAmNorden
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)

Vielen Dank an alle! Nun kann ich die Sichtweise des Gerichts zumindest nachvollziehen.

Ein Antrag auf Wiedereinsetzung geht nur bei einem unverschuldeten Fristversäumnis. Darauf hat sich der Beschuldigte hier meiner Meinung nach auch berufen, da er ja (mehrfach) Fristgerecht einem Beschlussverfahren widersprochen hatte, dieser Widerspruch aber offenbar nicht beim Richter gelandet ist, denn sonst hätte es ja eine Hauptverhandlung geben müssen.

Das AG hat die Widersprüche jedoch einfach ignoriert. Das wusste das AG offenbar auch und der Widerspruch muss dann ja offenbar auch fristgerecht eingegangen sein. Gegen diese Ignoranz des AG ist nur Rechtsbeschwerde zulässig und der Antrag wurde daraufhin umgedeutet.

Was mich dabei immer noch stört ist die Tatsache, dass dem AG ja von vornherein bewusst gewesen ist, dass der Antrag nach der Umdeutung nicht Formwirksam sein kann. Die Möglichkeit der Umdeutung wurde doch geschaffen, um einem Antragsteller zu seinem Recht zu verhelfen. Hier wird aber die Formunwirksamkeit erst durch die Umdeutung erzeugt, wodurch dem Antragsteller zusätzliche Kosten und dem OLG unnötige Arbeit entstehen. Ist ein solches Vorgehen (Umdeutung trotz daraus hervorgehender Formunwirksamkeit) gängig?

0x Hilfreiche Antwort

#9
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38447 Beiträge, 14006x hilfreich)

Das siehst Du immer noch falsch. Du hast Stellung genommen. Nur das Gericht hat diese Stellungnahme offensichtlich als unerheblich angesehen. Die Wiedereinsetzung ist für Fälle gedacht, in welchem der Betroffene nicht Stellung nehmen konnte, etwa weil er nach einem Unfall im Koma lag. Nicht für den Fall, dass das Gericht nicht den Vorstellungen des Betroffenen entsprechend reagiert.

Im übrigen schau mal in §§ 233 ff ZPO. Hier ist ein Urteil ergangen, Du konntest alle Fristen einhalten, warst durch nichts behindert, die Wiedereinsetzung ist folglich nicht möglich.

wirdwerden

-- Editiert von wirdwerden am 19.01.2021 14:27

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#10
 Von 
DasBesteAmNorden
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)

Vielen Dank, dass Du immer noch nicht die Nerven mit mir verloren hast :-)
Nach dem was ich gelesen habe gibt es eine Wiedereinsetzung auch dann, wenn z.B. das Faxgerät des Gerichts das Fax z.B. nicht richtig ausgedruckt hat. Da wurde dann ja auch eine Stellungnahme fristgerecht eingereicht, hat aber durch innergerichtliche Prozesse nicht dazu geführt, dass dem Wunsch des Antragstellers entsprochen werden konnte. Denn dieser hat es ja eben nicht zu verantworten, wenn seinem Anliegen aufgrund von Unzulänglichkeiten anderer Personen oder Gerätschaften nicht entsprochen wird.
Es ging hier ja schließlich um das Grundrecht auf rechtliches Gehör. Dies wurde nun entweder verletzt weil der Antrag des Betroffenen gar nicht beim Richter gelandet ist, oder weil es diesem einfach vollkommen egal war, denn beim Gericht eingegangen ist das Schreiben nachweislich durch den Übertragungsbericht (und es wurde ja nicht nur in diesem Fax einer Entscheidung durch Beschluss widersprochen).

0x Hilfreiche Antwort

#11
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38447 Beiträge, 14006x hilfreich)

Meine Geduld ist aber auch begrenzt.

Du bist gehört worden. Du konntest Dich äußern, es gab keine Störung eines Faxgerätes, das ist dann im Zweifel aber keine Frage der Wiedereinsetzung, weil ja eine fristgerechte Äußerung da war und die aus Gründen, die nicht dem Betroffenen zurechenbar waren, unlesbar waren. Ganz anderer Fall.

Bei Dir geht es schlicht und ergreifend darum, dass Dir die Entscheidung nicht passt, und dafür ist nur das umgedeutete Rechtsmittel möglich. Du willst ja eben keine Erklärung von Dir, die Du aus unvertretbaren Gründen nicht abgeben konntest, nachholen, sondern eine andere Entscheidung des Gerichts.

wirdwerden

0x Hilfreiche Antwort

#12
 Von 
DasBesteAmNorden
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)

Es geht hier nicht um mich oder meinen Fall.
Über welche Entscheidung des Gerichts reden wir hier eigentlich? Die im Beschluss getroffene Entscheidung ist ja überhaupt nicht Gegenstand meiner Frage. Mir geht es einzig darum, dass das Gericht hier gegen den Willen des Betroffenen überhaupt eine Entscheidung ohne Hauptverhandlung getroffen hat. Nur dagegen richtete sich auch der Antrag und nur darüber hat dann auch letztendlich das OLG entschieden. Ich sehe nicht, dass das AG trotz der eindeutigen Erklärung des Betroffenen überhaupt einen Ermessensspielraum hatte, ob es durch Beschluss oder Hauptverhandlung entscheidet.

Zitat:
§ 72 OwiG: Hält das Gericht eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich, so kann es durch Beschluß entscheiden, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft diesem Verfahren nicht widersprechen
Hier gibt es nach meiner Ansicht keine Möglichkeit für das Gericht, ein Beschlussverfahren bei einem Widerspruch des Betroffenen durchzuführen. Oder irre ich mich etwa wieder einmal?
Beste Grüße und noch einen schönen Abend!

0x Hilfreiche Antwort

#13
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16518 Beiträge, 9303x hilfreich)

Zitat:
Hier gibt es nach meiner Ansicht keine Möglichkeit für das Gericht, ein Beschlussverfahren bei einem Widerspruch des Betroffenen durchzuführen.

Stimmt.
Das AG hat es trotzdem getan - da hätten Sie sich mit einer Rechtsbeschwerde erfolgreich wehren können.
Aber da Sie die Rechtsbeschwerde nicht formwirksam eingelegt haben, ist der (fehlerhaft zustande gekommene) Beschluss des Amtsgerichts rechtskräftig geworden.

Dass das OLG ihren (unzulässigen) Antrag auf Wiedereinsetzung in eine Rechtsbeschwerde umdeutet, und Ihnen dann in einem Atemzug mitteilt, dass die Rechtsbeschwerde erfolgreich gewesen wäre, wenn sie von einem Anwalt eingereicht worden wäre, aber erfloglos bleibt, weil sie eben nicht von einem Anwalt eingereicht wurde - das ist halt juristische Ironie.

Das Amtsgericht hat einen glasklaren Fehler gemacht - aber Sie konnten den Fehler nicht nutzen.

Signatur:

Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB.

1x Hilfreiche Antwort

#14
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16518 Beiträge, 9303x hilfreich)

gelöscht wegen Doppelpost.


-- Editiert von drkabo am 19.01.2021 23:29

Signatur:

Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB.

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#15
 Von 
DasBesteAmNorden
Status:
Frischling
(7 Beiträge, 0x hilfreich)

Ok, danke noch mal!
Als Schluss bleibt für mich: Ein Antrag auf Wiedereinsetzung ist für den Betroffenen wertlos. Bei ignoranten Gerichten kann nur Rechtsbeschwerde (oder deren Kombination) Erfolg versprechen.

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