Ratenzahlung bei Geldstrafe oder Ersatzhaft

10. September 2010 Thema abonnieren
 Von 
guest-12321.09.2010 21:26:09
Status:
Frischling
(21 Beiträge, 3x hilfreich)
Ratenzahlung bei Geldstrafe oder Ersatzhaft

Hallo zusammen,

folgender fiktiver Sachverhalt:

Ein 70-jähriger Straftäter (S) wurde mittels Strafbefehl zu einer Geldstrafe i.H.v. 30 Tagessätzen à 40,00 EUR = 1.200,00 EUR verurteilt.

Als Hartz IV Empfänger verfügt der S leider lediglich über ein Einkommen von 359,00 EUR monatlich. Rentenansprüche bestehen nicht. Außerdem wurde über ihn vor zwei Jahren das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet; Vermögen besitzt der S keines.

Durch einen Einspruch des S gegen den Strafbefehl wird es zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht kommen. In wie weit könnte sich erfahrungsgemäß das Amtsgericht auf eine Ratenzahlung der Geldstrafe einlassen? 1,00 Euro monatlich über eine Laufzeit von 100 Jahren oder eher 10,00 EUR über eine Laufzeit von 10 Jahren?

Bitte die Frage nicht als provokativ interpretieren; tatsächlich geht es dem S lediglich um eine erste Einschätzung bezüglich der möglichen Laufzeit der Tilgung der Strafbefehlsverbindlichkeiten - und somit möglichst kleinen Raten - seitens des zuständigen Amtsgerichts.

Natürlich wäre es im Bereich des Möglichen, dass sich das Amtsgericht auf keine Ratenzahlung einlässt oder der S die angebotene Ratenzahlung der Höhe nach nicht erbingen kann.

Eine Vollstreckung der Geldstrafe wird in der Praxis negativ ausfallen, da der S neben seinem Einkommen i.H.v. 359,00 EUR monatlich über keine Vermögens- und/oder Besitzmassen verfügt - tatsächlich haust er in seiner Wohnung quasi auf Apfelsinenkisten.

Zur Strafheranziehung könnte ersatzweise Haft verhängt werden und der S würde somit einen Monat lang eine Haftsstrafe verbüßen können. Aufgrund einer schlimmen Diabetes- und Arterienerkrankung sowie diversen anderen Gebrechen könnte der S ggf. in einer JVA eher schlecht aufgehoben sein. Kann der S hier aufgrund dieser Tatsachen auf Vollzugsuntauglichkeit plädieren?

Falls ja, kommt eine Haftaufschiebung allerdings nicht in Betracht da sich der Gesundheitszustand zu Lebzeiten des S nicht mehr verbessern wird.

Der S ist sich seines Fehlverhaltens im Rahmen der Strafsache bewusst. In wie weit wird er nun wahrscheinlich erfahrungsgemäß seine gerechte Strafe bekommen, und in welcher Form?

Beste Grüße
Horst

-- Editiert am 10.09.2010 22:46

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7 Antworten
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#1
 Von 
DoctorWho
Status:
Praktikant
(929 Beiträge, 278x hilfreich)

quote:
1,00 Euro monatlich über eine Laufzeit von 100 Jahren oder eher 10,00 EUR über eine Laufzeit von 10 Jahren?


Weder noch. Eine Strafe soll ja auch eine Strafe sein. Ansonsten könnte der Bestrafte auf die Idee kommen, noch mehr Straftaten zu begehen, weil bei ihm ja weder etwas zu holen sei noch eine Ratenzahlung noch innerhalb seiner Lebensspanne beendet würde.

quote:
Kann der S hier aufgrund dieser Tatsachen auf Vollzugsuntauglichkeit plädieren?


Das könnte nur ein medizinischer Gutachter im Einzelfall seriös einschätzen. Grundsätzlich sind Erkrankungen kein Hafthindernis, es wäre also einzelfallbezogen zu beurteilen, was noch zumutbar ist - und ob das Gericht dann der Ansicht ist, daß es in Relation zu den Kosten für den Steuerzahler sinnvoll ist, wenn jemand wegen 1200 EUR dann 1 Jahr im Bau verbringt, was den Steuerzahler vermutlich das Zwanzigfache kostet.



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#2
 Von 
muemmel
Status:
Unbeschreiblich
(32875 Beiträge, 17266x hilfreich)

Hi,

übrigens ist es völlig sinnfrei, wegen einer Ratenzahlung Einspruch gegen einen SB einzulegen. Über die Ratenzahlung entscheidet NICHT das Gericht, sondern die Staatsanwaltschaft, und zwar NACH Eintritt der Rechtskraft. Allerdings macht der Einspruch insoweit Sinn, als daß 40 Euro Tagessatz für einen Grundsicherungsempfänger deutlich überhöht sind - üblicherweise sind es 10 bis 15 Euro. Und auf die erwähnten Miniraten wird sich die Staatsanwaltschaft in der Tat nicht einlassen - 30 Euro sollten es schon sein.
Was die Frage der Haftfähigkeit anbelangt, so genügt die Haftfähigkeit im Rahmen der Unterbringung in einem Haftkrankenhaus vollkommen. Da die Zahl inhaftierter Senioren steigt, richten übrigens immer mehr JVAen spezielle Seniorenabteilungen ein.

Gruß vom mümmel

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#3
 Von 
Jenso1976
Status:
Schüler
(355 Beiträge, 147x hilfreich)

§ 40 StGB

1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.

(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters . Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.

(3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden.

(4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.


§ 42 StGB

Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen . Das Gericht kann dabei anordnen, daß die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden.


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#4
 Von 
guest-12321.09.2010 21:26:09
Status:
Frischling
(21 Beiträge, 3x hilfreich)

Hallo zusammen,

vielen Dank für Eure Antworten und für die erste Aufklärung.

Zu § 40 II StGB : Da dem S als Hartz4-Empfänger wohl nur 25,67 EUR als Tageseinkommen zur Verfügung stehen (Regelsatz zzgl. angemessene Wohnkosten = ca. 770,EUR dividiert durch 30 Tage), sind mir die 40,00 EUR als Tagessatz tatsächlich schleierhaft. Dies wird die zuständige Richterin am AG aber sicherlich begründen können - jurex non calculate, im Zweifel wird im Rahmen des Sachverhaltes ein Gutachter bestellt werden können da mathematisch mit einer Zahl größer als 3 operiert werden muss...

Kürzlich hat der S einen Besuch vom Gerichtsvollzieher bekommen, welcher natürlich nur eine Leervollstreckung durchführen konnte - das Geld ist halt weder real noch fiktiv vorhanden. Auf Anraten des GV wurde nun ein Beratungsschein für eine erste fachjuristische Beratung eingeholt, welche noch aussteht.

Da der S tatsächlich finanziell aus dem letzten Loch pfeift, und sich auch permanent irgendwo versucht Geld zu leihen, sehe ich die Zahlungsmoral und -bereitschaft des S als eher prekär an. Tatsächlich handelt es sich in der Strafsache um einen Fall der Steuerhinterziehung; es wurde über Jahre unberechtigt Kindergeld, für zwar vorhandene Kinder, kassiert obwohl für diese aber bereits kein Kindergeld mehr hätte kassiert werden dürfen da diese bereits über eigenes Einkommen verfügten. Hier wurden nach Aktenlage die Auskunftsersuchen des Kindergeldträgers ignoriert und diffamiert. Der S vertritt mittlerweile sogar die Attitüde, dass die Kinder an dem ganzen Sachverhalt schuldig wären; tatsächlich sollen die Kinder für Kindergeldzahlungen verantwortlich sein - es heißt ja auch KINDERgeld...

Nun ja, weg von der Psychologie, zurück zur Juristerei welcher der S eher distaniziert gegenüber steht: Mit seiner Einstellung "Alt, krank, arm, behindert - ihr könnt mir nichts" wird er sich nicht einmal kurzfristig vor der Verantwortung drücken können.

Ich gehe gem. des Sachverhalts definitiv von einer Haftsstrafe aus. Hier interessieren mich insbesondere die Aussagen von mümmel. Welche JVA könnte in Frage kommen, wenn die Strafsache vor dem AG Wuppertal verhandelt wird, könnte die JVA Wuppertal in Betracht kommen. Gibt es dort ein Haftkrankenhaus? Wenn nicht, wohin darf der S dann einwandern?

Vielen Dank schonmal für Eure Antworten.

Beste Grüße
Horst





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-- Editiert am 15.09.2010 23:29

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#5
 Von 
Jenso1976
Status:
Schüler
(355 Beiträge, 147x hilfreich)

quote:
sind mir die 40,00 EUR als Tagessatz tatsächlich schleierhaft. Dies wird die zuständige Richterin am AG aber sicherlich begründen können -


Wenn die Richter das Einkommen des Angeklagten nicht kennen, gehen sie von einem durchschnittseinkommen aus. Die Tagesatzhöhe richtet sich immer nach dem Einkommen. Wenn bekannt wird das er ALG 2 Empfänger ist, wird die Tagesatzhöhe natürlich angepasst.

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#6
 Von 
DoctorWho
Status:
Praktikant
(929 Beiträge, 278x hilfreich)

quote:
jurex non calculate


Richtig heißt es natürlich "iudex non calculat". Wie bei Fremdwörtern gilt auch bei lateinischen Sprüchen: nicht benutzen, wenn man sie nicht schreiben kann.
(Was du geschrieben hast, heißt übersetzt: "Ihr Leute von Jurex (eine Firma), rechnet nicht!" - Imperativ Plural.)

Zum Thema Geldstrafe: der S wird ja sowieso die zu Unrecht kassierten Gelder zurückerstatten müssen. Das würde dann die Wahrscheinlichkeit, eine Geldstrafe auch noch bezahlen zu können, weiter reduzieren.

-- Editiert am 16.09.2010 12:19

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#7
 Von 
muemmel
Status:
Unbeschreiblich
(32875 Beiträge, 17266x hilfreich)

@ TE,

den Vollstreckungsplan für NRW findet man auf der Webseite des Justizministeriums. Im vorliegenden Fall wäre die JVA Bielefeld-Senne zuständig. Die JVA Wuppertal wäre nur bei Nichteignung für den offenen Vollzug zuständig, wenn der Herr z. B. seine Strafe auf die Ladung hin nicht antritt. Das einzige Vollzugskrankenhaus in NRW befindet sich in Fröndenberg (Kreis Unna).

Gruß vom mümmel

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