Hallo zusammen,
ich bin seit Ende 2024 selbstständiger IT-Berater und habe bisher primär mit einem Auftraggeber (AG), einer großen öffentlichen Einrichtung, zusammengearbeitet. Die Zusammenarbeit basiert auf Werkverträgen nach VOL/B i.V.m. ZVB/BVB des AG.
Problemstellung:
Ein seit Januar 2025 laufendes Projekt (Fortsetzung aus 2024), für das ich tätig war, wurde vor ein paar Wochen abrupt vom AG abgebrochen. Die formale Bestellung für meine Leistungen, basierend auf meinem Angebot für den Zeitraum 01.01.2025 - 30.06.2025, wurde zuvor intern blockiert und nach dem Projektabbruch offiziell abgelehnt.
Nun vertreten zuständige Stellen beim AG die Auffassung, es bestünde mangels formaler Bestellung kein wirksamer Vertrag für 2025. Gleichzeitig wurde ein "Workaround" vorgeschlagen (evtl. Aufstockung einer alten Beauftragung), um zumindest einen Teil meiner seit Januar erbrachten Leistungen zu vergüten.
Meine Position:
Ich gehe von einem wirksam zustande gekommenen Werkvertrag für den Zeitraum Januar bis Juni 2025 durch konkludentes Handeln des AG aus. Dafür sprechen aus meiner Sicht:
- Wissentliche Duldung der Leistung: Die zuständigen Projektleiter des AG wussten von meinem Arbeitsbeginn am 01.01.25 für das Projekt und duldeten bzw. erwarteten meine Leistungserbringung von diesem Zeitpunkt an.
- Begründetes Vertrauen aus Vorerfahrung: Ich begann die Arbeit im begründeten Vertrauen auf die (bekannt langsame, aber bisher zuverlässige) Nach-Formalisierung der Beauftragung, da dies bei früheren Aufträgen im selben Projekt ebenso gehandhabt wurde.
- Nachgewiesene Beauftragungsabsicht & interne Hürden: Interne E-Mails belegen klar die Absicht der Projektleitung, mich auf Basis meines Angebots zu beauftragen (Bestellprozess Ende Jan. initiiert & verfolgt). Die Formalisierung scheiterte nachweislich an internen administrativen Hürden und nicht an fehlendem Willen der Projektverantwortlichen.
Meine Sorge:
Wenn ich mich auf den vagen "Workaround" zur Bezahlung der bereits erbrachten Leistung (Jan-Apr) einlasse, könnte dies als Zustimmung zu der Auffassung gewertet werden, es gäbe keinen Vertrag für den Gesamtzeitraum. Dieser Werkvertrag ist aber die Grundlage für meinen Anspruch auf die Restvergütung für Mai und Juni 2025 gemäß § 648 BGB nach der vorzeitigen Kündigung durch den AG. Der strittige Betrag für Mai/Juni (abzgl. Ersparnisse etc.) liegt im unteren fünfstelligen Bereich.
Relevante Vertragsklausel (ZVB des AG zur Kündigung):
Die ZVB sehen eine Kündigung aus wichtigem Grund vor:
Zitat:8. Kündigung
(1) Die Vertragsparteien sind zur Kündigung des Vertrages mit sofortiger Wirkung berechtigt, wenn aus einem wichtigen Grund die Fortsetzung des Vertrages nicht zugemutet werden kann. Als wichtiger Grund gilt insbesondere, wenn der AN
a) seine Vertragspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig oder mehrmals leicht fahrlässig verletzt,
b) die Rechte und Pflichten der Rahmenvereinbarung oder den Einzelbeauftragungen ohne Zustimmung des AG an Dritte überträgt.
(2) Schadensersatzansprüche des AN infolge einer Kündigung mit sofortiger Wirkung durch den AG sind ausgeschlossen. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch den AG bleibt hiervon unberührt.
(3) Jede Kündigung bedarf der Schriftform."
(Anm.: Ein Kündigungsgrund aus wichtigem Grund, der mir zuzurechnen wäre, liegt nicht vor. Die Kündigung erfolgte aufgrund einer strategischen Entscheidung des AG nach einer Evaluation.)
Bisherige Schritte:
- Rechnung für die erbrachte und gemäß Zusage bis 30.04. zu vergütende Leistung (Jan-Apr) wurde gestellt.
- Nachdem keine Zahlung erfolgte und der "Workaround"-Vorschlag vage blieb, habe ich gestern eine Mahnung für diese Rechnung versendet und die für den Workaround zuständige Person sowie deren Vorgesetzten in CC gesetzt.
- Den Workaround-Vorschlag selbst habe ich bisher nicht aktiv verfolgt, um meine Position bzgl. des Gesamtvertrags nicht zu schwächen.
Geplanter Fahrplan & Frage:
1. Abwarten der Reaktion auf die Mahnung und (hoffentlich) Eingang der Zahlung für Jan-Apr.
2. Sobald dieser Teil geklärt ist, den Anspruch auf die Restvergütung für Mai-Juni gemäß § 648 BGB separat und formal geltend machen.
Wie bewertet Ihr diesen Fahrplan? Seht Ihr Risiken darin, die (Teil-)Zahlung für Jan-Apr anzunehmen, bevor der Anspruch für Mai-Juni geklärt ist? Gibt es alternative Vorgehensweisen, um meine Ansprüche bestmöglich zu sichern?
Vielen Dank für Eure Einschätzungen!