Wucher-Stromvertrag

5. Juni 2016 Thema abonnieren
 Von 
knupper123
Status:
Frischling
(6 Beiträge, 0x hilfreich)
Wucher-Stromvertrag

Sehr geehrte Damen und Herren,
meine Mutter, Jahrgang 1939, hatte aufgrund einer „Empfehlung" einen Stromliefervertrag mit einem Lieferanten abgeschlossen, der 2008 oder so in Insolvenz gegangen ist. Daraufhin fiel sie in die Ersatzversorgung von Vattenfall, dem Grundversorger in Berlin.
Etwa zur gleich Zeit nahm sie eine Werbekampagne von E WIE EINFACH wahr, in der ein Energiepreis versprochen wurde, der zu jeder Zeit einen Cent pro kWh unter dem jeweiligen Grundversorgungspreis liegen würde. Das gefiel meiner Mutter; und sie schloss einen entsprechenden Vertrag mit E WIE EINFACH ab.
Damals lebte sie mit einem Partner in ihrer Wohnung und hatte mit diesem zusammen einen Stromverbrauch von höchstens ca. 1.100 kWh pro Jahr (meine Mutter war schon immer ein sehr sparsamer Mensch).
Ich bin nicht genau sicher, in welchen Jahr das war (ich schätze so 2010 oder 2011), jedenfalls machte E WIE EINFACH ihr eines Tages ein Angebot mit einem Tarif, der sich EinPreisTarif nannte. Dieser beinhaltete einen Stromreis von 25,8482 ct/kWh (netto) bei einem Mindestverbrauch von 1.500 kWh/Jahr ohne Grundpreis.
In der Zwischenzeit hatte sich meine Mutter jedoch von ihrem Partner getrennt, wodurch sich ihr Stromverbrauch entscheidend vermindert hatte. Außerdem hat sie die Konditionen des Angebotes nicht im Geringsten verstanden. Damit hat sie es zur Seite gelegt, ohne es weiterer Beachtung zu würdigen.
Der Tarif wurde entsprechend umgestellt. Seitdem zahlt sie pro Jahr 25,8482 ct/kWh, jedoch nicht für ihren tatsächlichen Verbrauch, sondern für den Mindestverbrauch von 1.500 kWh pro Jahr.
Ich hatte bereits erwähnt, dass meine Mutter ein sehr sparsamer Mensch ist. Daher dachte sie, dass sie durch Stromsparen, die Kosten auch minimieren könnte. Seitdem wundert sich sie über ihre seit Jahren gleichbleibenden monatlichen Abschläge in Höhe von 42,00 € (brutto) und darüber, dass sie jährlich ein gleichbleibendes Guthaben in Höhe von 0,61 € zurück bekommt.
Ihren Jahresverbrauch hat sie jährlich heruntergeschraubt in der Hoffnung, ihre Kosten zu minimieren, weil die Frau einfach mal keine Ahnung hat. Im Jahre 2015/2016 (01.02.2015 bis 31.01.2016) betrug ihr Verbrauch nur noch 731 kWh. Sie zahlt jedoch noch immer für einen Verbrauch von 1.500 kWh zu einem Preis von 25,8482 ct/kWh (netto).
Seit 2009 habe ich aufgrund meiner Arbeit eine Ahnung von Strompreisen und -tarifen und dem, was so dahintersteckt bekommen. Erst heute hat mich meine Mutter über ihre Misere informiert und ich bin schockiert. Wenn ich den aktuellen Preis von Vattenfall, Tarif: Berlin Easy Privatstrom zugrunde lege, hätte sie jährlich durchschnittlich ca. 230,00 € gespart. Für eine Frau, die ihre spärliche Rente durch Sozialhilfe aufstocken muss, ein ganz beachtlicher Betrag wie ich finde.
Meine Frage ist, ob man diesen Stromlieferanten, der einen langjährigen treuen aber völlig ahnungslosen Kunden offensichtlich in schamloser Weise über den Tisch gezogen hat, irgendwie vorgehen kann. Und wenn ja, dann wie am besten?
Mit freundlichen Grüßen
Marion Kirschke


-- Editier von knupper123 am 05.06.2016 23:07

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13 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(120242 Beiträge, 39855x hilfreich)

Zitat:
Außerdem hat sie die Konditionen des Angebotes nicht im Geringsten verstanden.

Zitat:
weil die Frau einfach mal keine Ahnung hat.

Wenn der Kunde nichts versteht und keine Ahnung hat und dann die vertraglichen Vereinbarungen einfach zur Seite legt, ist das nicht das Problem des Unternehmens.
Ich nehme an, die Mutter ist voll geschäftsfähig?



Man könnte höchstens prüfen, ob die Klauseln die den Mindestverbrauch betreffen in irgendeiner Weise ungültig wären.

Falls man diese mal hier reinstellt, kann man ja mal drüber diskutieren.



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Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

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#2
 Von 
vundaal76
Status:
Junior-Partner
(5048 Beiträge, 1959x hilfreich)

Zitat:
Außerdem hat sie die Konditionen des Angebotes nicht im Geringsten verstanden. Damit hat sie es zur Seite gelegt, ohne es weiterer Beachtung zu würdigen.


Diese Aussage sagt mir, dass hier kein wirksamer Vertrag geschlossen wurde.
Zitat:

Der Tarif wurde entsprechend umgestellt.


Woher kommt diese Erkenntnis? Gab es eine schriftliche Auftragsbestätigung?

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#3
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(120242 Beiträge, 39855x hilfreich)

Zitat:
Diese Aussage sagt mir, dass hier kein wirksamer Vertrag geschlossen wurde.

Ignoranz soll jetzt Verträge nicht entstehen lassen?
Da gibt es doch bestimmt schon was aus der Rechtsprechung zu ... ?



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#4
 Von 
muemmel
Status:
Unbeschreiblich
(32889 Beiträge, 17271x hilfreich)

Meine Frage ist, ob man diesen Stromlieferanten, der einen langjährigen treuen aber völlig ahnungslosen Kunden offensichtlich in schamloser Weise über den Tisch gezogen hat, irgendwie vorgehen kann. Und wenn ja, dann wie am besten? Man kündigt ihm so schnell wie möglich und sucht sich einen anderen Anbieter ohne Mindestverbrauch.

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Bei nur einer Ratte im Zimmer handelt es sich nicht um einen Reisemangel ( Amtsgericht Köln).

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#5
 Von 
mepeisen
Status:
Unsterblich
(24959 Beiträge, 16169x hilfreich)

Zitat:
Ignoranz soll jetzt Verträge nicht entstehen lassen?

Vielleicht will er auf eine Anfechtung der Willenserklärung hinaus.
Das kann sogar funktionieren, wenn denn der Mindestverbrauch verschleiert wurde bzw. diese wesentliche Kondition nur versteckt aufzufinden ist im gesamten Vertragswerk und atypisch wäre für solche Verträge.
Ich fürchte aber, dass es durchaus vernünftig dargestellt wurde in Angeboten und im Vertragswerk und ganz so unnormal sind solche Klauseln auch nicht. Womit man wieder beim "Ich habe es einfach nicht verstanden" wären und das ist auch für Verbraucher natürlich kein echter Grund für eine Anfechtung.

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Mitglied im AK Inkassowatch. Anfragen per PM. Meine Beiträge stellen keine Rechtsberatung dar. Siche

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#6
 Von 
cirius32832
Status:
Schlichter
(7236 Beiträge, 1525x hilfreich)

Zitat:
"Ich habe es einfach nicht verstanden"


Ich würde bereits wie vorgeschlagen den Vertrag kündigen und einen neuen günstigen Anbieter suchen. Und das gemeinsam mit der Mutter. Und dann würde ich generell mit der Mutter vereinbaren dass Verträge zusammen besprochen werden. Ich möchte nicht in die Richtung reden, dass die Mutter nicht mehr geschäftsfähig ist, aber vier Augen lesen mehr als zwei und vielleicht fühlt sich die alte Dame dann auch sicherer.

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#7
 Von 
spatenklopper
Status:
Gelehrter
(10701 Beiträge, 4210x hilfreich)

Zitat (von mepeisen):
Vielleicht will er auf eine Anfechtung der Willenserklärung hinaus.


Ich vermute er möchte darauf hinaus, dass überhaupt kein Vertrag abgeschlossen bzw. keine Willenserklärung abgegeben wurde.

Zitat:
Außerdem hat sie die Konditionen des Angebotes nicht im Geringsten verstanden. Damit hat sie es zur Seite gelegt, ohne es weiterer Beachtung zu würdigen.



Durch die bloße Zusendung von Angebotsunterlagen entsteht eben kein Vertrag wenn man diese einfach ignoriert und zur Seite legt, dazu bedarf es schon der Annahme des Angebots, wovon ich bisher noch nichts gelesen habe.

-- Editiert von spatenklopper am 09.06.2016 16:20

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#8
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(120242 Beiträge, 39855x hilfreich)

Zitat:
dazu bedarf es schon der Annahme des Angebots, wovon ich bisher noch nichts gelesen habe.

Naja, es gibt da so etwas wie konkludenten Vertragsschluss ...

Den Strom hat man wohl verbraucht und nicht zurück geschickt?


Man sollte auch prüfen, welcher Tarif denn gelten würde, wenn der Vertrag zu den Konditionen gar nicht geschlossen wurde. Wäre nicht das erste Mal das dieLeute dann dumm schauen weil der dann geltende Basistarif so gar nicht niedrig ist.



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#9
 Von 
TheSilence
Status:
Lehrling
(1650 Beiträge, 1045x hilfreich)

Zitat:
Naja, es gibt da so etwas wie konkludenten Vertragsschluss ...


Aber eine konkludente Vertragsänderung bedarf auch konkludenten Handelns. Ein bloßes Weiternutzen des Angebots nach Zusendung eines Änderungsangebots stellt keine konkludente Annahme der Änderung dar.

Der Betreiber dieses Forums schickt dir eine Mail "wir bieten Ihnen einen Änderung des Nutzungsvertrags an, nach der Sie 1000 EUR pro Posting bezahlen". Du postest fröhlich weiter, hast du damit das Angebot angenommen? :P

Zitat:
Den Strom hat man wohl verbraucht und nicht zurück geschickt?


Das Angebot war eine Tarifänderung bei bestehendem Vertrag. Was soll der Kunde denn machen, keinen Strom mehr abnehmen, wenn er ein Änderungsangebot ablehnen will? :crazy:

-- Editiert von TheSilence am 10.06.2016 11:06

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#10
 Von 
-Laie-
Status:
Weiser
(16994 Beiträge, 5896x hilfreich)

Zitat (von knupper123):
Der Tarif wurde entsprechend umgestellt.

Was bedeutet das? Hat die Mutter der Umstellung zugestimmt oder nicht? Wurde sie über die Umstellung informiert?
Einen Wucher stellt dieser Vertrag allerdings in keinster Weise dar.

-- Editiert von micbu am 10.06.2016 11:24

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#11
 Von 
mepeisen
Status:
Unsterblich
(24959 Beiträge, 16169x hilfreich)

Zitat:
Ein bloßes Weiternutzen des Angebots nach Zusendung eines Änderungsangebots stellt keine konkludente Annahme der Änderung dar

Richtig, denn das würde bestenfalls ein Weiternutzen zum ursprünglichen Tarif bedeuten können.
Einseitge Tarifumstellungen muss man weder dulden noch sind sie wirksam.

Zitat:
Den Strom hat man wohl verbraucht und nicht zurück geschickt?

Man muss zwischen Weiternutzen eines bestehenden Vertrages und einem konkludenten Vertragsschluss durch Entnahme in Form eines neuen Vertrages unterscheiden. Zumal sich auf konkludenten Vertragsschluss durch Entnahme laut Gesetz nur der Grundversorger (!) berufen darf.

Interessant ist daher durchaus, ob nun die Tarifumstellung irgendwie von der Mutter veranlasst wurde oder nicht. Wenn die Mutter was unterschrieben hat, dann hat sie es unterschrieben und dann wird man schwer bis gar nicht dagegen ankommen. Nehmen wir mal an, sie hat nichts unterschrieben.

Die Frage ist nun aber, was mit der Duldung ist. Ich würde mich zunächst mal dumm stellen, würde die Stromrechnungen seit der Tarifumstellung reklamieren und eine Korrektur verlangen und dass man auch über keine Strompreiserhöhung informiert wurde. Ich würde mich dabei auf den ursprünglichen Vertrag berufen und mit keinem Wort erwähnen, dass man von dem zwischenzeitlichen Angebot weiß.
Rückforderungen aus 2011 und 2012 könnten verjährt sein.
Sobald der Anbieter mit der Tarifumstellung daher kommt, würde ich mich unwissend stellen. "Keine Ahnung, was das war. Ich habe damals schon nie so viel verbraucht, habe kontinuierlich weniger verbraucht, das ergibt keinen Sinn. Weisen sie mir doch mal nach, wo ich die Tarifumstellung veranlasst und unterschrieben habe."

Dann würde ich erst mal schauen, wie der Anbieter reagiert. Wenn er sich taub stellt, würde ich an die Geschäftsleitung schreiben, ob sie wirklich wollen, dass die Mutter die Medien unterrichtet, dass ein Stromanbieter die Gutgläubigkeit einer älteren Frau so betrügerisch ausnutzt. Ggf. kommen die dann ins Grübeln. So ein Fall eignet sich eigentlich gut, da mal eine Sau durchs mediale Dorf zu treiben.

-- Editiert von mepeisen am 10.06.2016 11:35

-- Editiert von mepeisen am 10.06.2016 11:36

Signatur:

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2x Hilfreiche Antwort

#12
 Von 
knupper123
Status:
Frischling
(6 Beiträge, 0x hilfreich)

Zunächst einmal vielen Dank für die zahlreichen Antworten. Ich bin erst heute dazu gekommen, hier wieder reinzuschauen, nachdem ich den Beitrag gepostet hatte, und bin sehr erfreut über die rege Anteilnahme. Die Antwort mepeisen finde ich am hilfreichsten. Meine Mutter hat mir versichert, dass sie keine Vertragsänderung unterschrieben und zurückgesandt hat. Wir werden also zunächst die Stromrechnungen seit der Vertragsumstellung reklamieren. Auch die Idee, die Medien über den Fall zu unterrichten, gefällt mir ausgesprochen gut.
Schönes sonniges Wochenende
knupper123

0x Hilfreiche Antwort

#13
 Von 
mepeisen
Status:
Unsterblich
(24959 Beiträge, 16169x hilfreich)

Bedenke bitte, dass, sollten all die Versuche nichts bringen, ein risikoreicher Weg vor Gericht der einzig noch mögliche ist. Wie das da ausgeht, ist schwierig vorher zu sagen. Manche Richter sind grundsätzlich sehr verbraucherbezogen eingestellt, manche sind der Meinung, man müsse sich immer sofort beschweren und nicht erst nach Jahren.
Ich drücke die Daumen, dass es dem Stromanbieter zu risikoreich ist und man mit irgendeinem "kulanten" Angebot da raus kommt.

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