Landeshundegesetz NRW - Kommunalrecht

3. Dezember 2008 Thema abonnieren
 Von 
drulsto
Status:
Frischling
(12 Beiträge, 6x hilfreich)
Landeshundegesetz NRW - Kommunalrecht

- generelle Anleinpflicht auf der gesamten Gemeindefläche -

Wir wohnen in einer sehr ländlichen Gemeinde in NRW zusammen mit zwei Beauceron-Hündinnen (französische Hütehunde), 3 und 1 Jahr alt direkt an den das Dorf umgebenden Feldern. Beide Hunde besuchen zeit ihres Lebens wöchentlich eine Hundeschule, es besteht eine Haftpflichtversicherung, die Hunde sind mit Mikrochips unverwechselbar gekennzeichnet. Wir - meine Lebensgefährtin und ich - haben seit über 15 Jahren Hunde, besitzen beide den Nachweis der Sachkunde und ein Zwischenfall zwischen Hund(en) und anderen Lebewesen hat sich noch nie ereignet.

Mehr zufällig erfuhr ich vor einigen Wochen davon, dass in unserer Gemeine eine generelle Leinenpflicht für alle Hunde gilt, also nicht nur für die §3-Hunde, Hunde "besonderer Rassen"(§ 10.1 LHundG NRW) , sondern auch für alle 20/40-Hunde (§11.2 LHundG NRW) sowie für kleinere und leichtere Hunde. Also wirklich für ALLE.
Die Gemeinde, flächenmäßig recht groß, verfügt über keinerlei Hundefreilaufflächen.

Nachdem ich Kenntnis von dieser kommunalen Besonderheit erhielt, stellte ich beim zuständigen Ordnungsamt einen "Antrag auf Befreiung von der Anleinpflicht" außerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteile, auf öffentlichen Strassen, Wegen und Plätzen sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln (analog dem § 2.2 des LHundG NRW) nach § 5 Abs. 3, Satz 1 ff. der Verwaltungsverordnung zum Landeshundegesetz NRW (VV LHundG NRW).

Darüber hinaus stellt m.E. eine solche generelle, für die gesamte Fläche der Gemeinde geltende Anleinpflicht für alle Hunde einen Verstoß gegen § 5.2.2 der VV zum LHundG NRW dar:
"Die artgerechte Haltung von - auch gefährlichen - Hunden verlangt, dass diese sich hin und wieder ohne Leine auslaufen können. … "

De facto ist es niemandem möglich, seinen Hund in dieser Gemeinde artgerecht zu halten; weder darf der Hund irgendwo sich frei bewegen noch kann er Sozialkontakte mit anderen Hunden knüpfen.

Unser Antrag wurde negativ beschieden.
Dies geschah übrigens nicht in einem Bescheid inkl. Einspruchsfrist, sondern in einem mehr persönlich gehaltenen Brief durch den Leiters des kommunalen Ordnungsamtes.

Meine dringliche Frage:
Ist es juristisch haltbar, dass eine Kommune derart weite Einschränkungen bzgl. der Hundehaltung trifft, die das Landeshundegesetz und seine Intentionen weit überschreiten?

Ich weiss, dass eine Beantwortung dieser Frage nur Spezialisten in Tierrecht und Kommunalrecht möglich ist - aber auch solche hochspezialisierten Menschen soll es ja geben…
Für sachlich und inhaltlich korrekte Antworten wäre ich mehr als dankbar - vor allem im Interesse unserer Hunde :)

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6 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
braveheartsino
Status:
Beginner
(70 Beiträge, 12x hilfreich)

Also, die Tatsache, dass du lediglich eine Infobeschied erhalten hast ist falsch. Du musst auf einen Verwaltungsakt nach § 35 Verwaltungsverfahrengesetz bestehen. Dagegen kjannst du Widerspruch einlegen. Bei einem Anhilfebescheid zu deinem WS ist alles ok, also zu deinem gunsten. Bei einem Widerspruchsbeschied kannst du klagen.

Wobei ich davon ausgehe, dass die Neuregelung des Vorverfahrens, wo ein WS nicht mehr zuläassig ist, sondern direkt die Klage, beim LHundG zutreffend ist.

Also auf den VA bestehen.

1x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
drulsto
Status:
Frischling
(12 Beiträge, 6x hilfreich)

@ braveheartsino:
vielen Dank für die Antwort, die zumindest die Frage Abhilfebescheid / Widerspruchsbescheid beleuchtet. Mir ist schon klar, daß - wenn es zu keiner anderweitigen Einigung mit der Ordnungsbehörde kommt - lediglich der Klageweg vor dem VG bleibt. Allerdings läuft das auf ein sehr langes Verfahren hinaus, was mir persönlich egal, aber für die Situation der Hunde absolut inakzeptabel ist.

Die zentrale Frage ist also:
"Ist es juristisch haltbar, dass eine Kommune derart weite Einschränkungen bzgl. der Hundehaltung trifft, die das Landeshundegesetz und seine Intentionen weit überschreiten?"

Oder genauer: kennst Du OLG-Entscheide in dieser Sache?
Denn wenn solche Fragen bereits verwaltungsgerichtich geklärt wären, dann würde gegenüber der Kommune der Verweis auf diese bindenden Entscheide eine bedeutende Argumantationshilfe sein.

Für fachlich fundierte Antwort wäre ich wirklich dankbar!

1x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
Ilsa1939
Status:
Bachelor
(3728 Beiträge, 1170x hilfreich)

Die Regelungsbefugnis der Gemeinden ist weitreichend.

Der Satzungsgeber darf bei den von freilaufenden Hunden ausgehenden Gefahren Sachverhalte typisieren und muss nicht nach Größe, Rasse, Sachkunde des Halters, Charakter des Hundes etc. differenzieren. Ein grundsätzlicher Leinenzwang ist zulässig und auch mit höherrangigem Recht, insb. dem Tierschutz, vereinbar. Nach Sinn und Zweck des Tierschutzgesetzes muss nicht jedem Hundehalte eine artgerechte Tierhaltung ermöglichen worden, sondern dem Tierhalte vielmehr notfalls zuzumuten, auf die eine Tierhaltung zu verzichten.

Aber kein Grundsatz ohne Ausnahme: „Eine Rechtsverordnung, die ohne Rücksicht auf Art und Größe der Hunderasse und ohne zeitliche Ausnahme für das gesamte Gemeindegebiet Leinenzwang einführt, ist jedoch unverhältnismäßig und deshalb wegen Verstoßes gegen das Übermaßverbot nichtig“ – OLG Hamm vom 08.04.2001, Az. 5 Ss Owi 1225/00

Aus dem Urteil folgt, dass es „sinnvolle“ Ausnahmen vom Leinenzwang geben soll, um nicht gegen das Übermaßverbot zu verstoßen. Hier aber steht dem Satzungsgeber ein Gestaltungsspielraum offen, den er durch Ausweisung von Freilaufflächen, durch Vorgabe bestimmte Zeiten oder doch durch Differenzierung nach Größe und Rasse ausfüllen kann. Dabei sind die Mindestvorgaben des § 11 Abs. 6 LHundG NRW, der einen Leinenzwang für große Hunde innerhalb geschlossener Bebauung anordnet, zu beachten. Diese Bestimmung dürfte für sich alleine genommen jedenfalls nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen. Der Beauceron gehört zu den dort angesprochenen großen Hunden.
Sollte die Gemeindesatzung darüber hinaus einen allumfassenden Leinenzwang auch außerhalb geschlossener Bebauung ohne Ausnahmen anordnen, könnte aber tatsächlich ein Verstoß vorliegen. Die Ordnungsbehörde wird sich dann mit dem Urt. des OLG Hamm auseinandersetzen müssen.

1x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
drulsto
Status:
Frischling
(12 Beiträge, 6x hilfreich)

@mausi1939
Herzlichen Dank für die m.E. sehr fundierte Antwort; ich werde mich entsprechend verhalten respektive anwaltlich vertreten lassen und auf das (und ein zweites von mir gefundenes) OLG-Urteil berufen, ggf. eine Klage vor dem VG Aachen anstrengen.
Schade, dass man mit solchen "Bagatellen" kostenintensiv die Gerichte bemühen muss.

1x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
Miad
Status:
Lehrling
(1195 Beiträge, 181x hilfreich)

anzumerken ist noch, dass auch ein persönlich gehaltenes schreiben einer behörde durchaus ein Verwaltungsakt sein kann. Fehlt diesem die Rechtsbehelfsbelehrung verlängert sich lediglich die Frist bis zur Bestandskräftigkeit des VA.
Sie müssen und können also keinen "Bescheid" im traditionellen Sinne verlangen. Aber das wird Ihnen Ihr Anwalt sicherlich auch sagen.

Viel Glück. Wie wäre es aber mit einem persönlichen Gespräch mit dem Ordnungsamtleiter ... oder dem Bürgermeister. Sie können ja das Urteil mal ansprechen ...

Außerdem wurde sie doch bisher durch den leinenzwang nicht beeinträchtigt ... warten sie doch erst einmal ab, bis sie irgendwann vielleicht mal ein bußgeld bekommen, weil ihr hund ohne leine rum läuft ... ich glaube so wird es auch von den Gerichtskosten billiger als ein normenkontrollverfahren vor dem OLG.

gruß miad

1x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
drulsto
Status:
Frischling
(12 Beiträge, 6x hilfreich)

@miad:
herzlichen Dank für wohlgemeinte Hinweise. Ein Gespräch mit der örtlichen Behörde hat natürlich bereits stattgefunden, freundschaftlich, angenehm, aber eben auch ohne veränderndes Ergebnis in der Einstellung der hiesigen Ordnungsbehörde.
Was die Beeinträchtigung angeht:
sehe ich ein bisserl anders. Immerhin kann ich meine Hunde nicht mehr in den Feldern, weitab von jeder bebauten Ortschaft, frei laufen lassen. Obschon ich optimal wohne, muss ich mich jeweils in den Wagen setzen und in eine Gegend fahren, wo keine derart restriktive Auslegung des LHundG erfolgt.
Einen Bußgeldbescheid möchte ich erst gar nicht abwarten; es geht nicht um das Geld (ich würde auch schlichtweg 500 Euro p.a. zahlen, wenn's damit gut wäre), aber bei fortgesetzter Mißachtung ornungsbehördlicher Vorschriften erweist sich der Hundehalter als "unzuverlässig". In einem solchen Fall kann die Beschlagnahmung des oder der Hunde erfolgen. Das Risiko ist mir einfach zu hoch.
So bleibt mir also nur der kosten-, nerven- und zeitintensive Weg über das VG.

Sachstand:
Gemeinde/Ordnungsamt muss mit Fristsetzung und Hinweis auf zwei OLG-Entscheide (OLG Hamm) seine rechtlich bedenkliche Auslegung und Anwendung des LHundG überdenken; sollte ein Einlenken nicht erfolgen, so wurde bereits Klage angekündigt.
Mal sehen, wie's ausgeht.
Ich werde berichten.

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