Ist Forensische Psychiatrie immer so das man gehen darf sobald man gesund ist?

16. September 2023 Thema abonnieren
 Von 
Catfish123
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 0x hilfreich)
Ist Forensische Psychiatrie immer so das man gehen darf sobald man gesund ist?

Ich habe gelesen das die Forensische Psychiatrie unbefristet ist. Das heißt man darf gehen wenn man wieder gesund ist. Ich habe mich genauer dazu informiert. Man kann anscheinend Glück oder Pech haben wenn man Schuldunfähig ist… Anscheinend gibt es es welche die für vierfachen Mord nur 2 Jahre in der Forensik bleiben müssen während andere für Vierfachen Diebstahl schon 30 Jahre dort festsitzen und vermutlich nie wieder raus kommen werden.

Aber heißt Forensische Psychiatrie wirklich immer das man gehen darf wenn man gesund ist? Weil 2 Jahre für Vierfachen Mord ist ja schon wenig. Und 30 Jahre und vermutlich nie wieder raus kommen für Vierfachen Diebstahl ist sehr übertrieben.

Mal angenommen ein Terrorist zündet eine Bombe im Bahnhof. Bei diesem Terroranschlag sterben 100 Menschen. Der Terrorist wird für Schuldunfähig erklärt und kommt nicht regulär ins Gefängnis sondern in die Forensische Psychiatrie. Nach 2 Jahren Forensische Psychiatrie ist er wieder gesund.

Dürfte in diesem Fall der Terrorist für Hundertfachen Mord nach nur zwei Jahren gehen? Ich kann mir das irgendwie kaum vorstellen.

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8 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(115990 Beiträge, 39196x hilfreich)

Zitat (von Catfish123):
Ich habe gelesen das die Forensische Psychiatrie unbefristet ist.

Und ich las das die Erde eine Scheibe sei ...



Zitat (von Catfish123):
Das heißt man darf gehen wenn man wieder gesund ist.

Nö, das heißt das genaue Gegenteil.



Zitat (von Catfish123):
Aber heißt Forensische Psychiatrie wirklich immer das man gehen darf wenn man gesund ist?

Nö.



Zitat (von Catfish123):
Dürfte in diesem Fall der Terrorist für Hundertfachen Mord nach nur zwei Jahren gehen?

Ja, und zwar direkt in die JVA zum verbüßen der Haftstrafe.


Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

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#2
 Von 
Dirrly
Status:
Lehrling
(1999 Beiträge, 528x hilfreich)

Zitat (von Harry van Sell):
Ja, und zwar direkt in die JVA zum verbüßen der Haftstrafe.


Es gibt keine Haftstrafe bei Schuldunfähigkeit. Da solltest du dich weiter informieren, bevor du falsche Antworten gibst.

Wenn es direkt ein Unterbringungsverfahren war, wird er nur untergebracht. War es ein Strafverfahren, wird er freigesprochen und untergebracht.

Oft ist eine Heilung der Krankheit bei Schuldunfähigkeit nicht möglich, aber eine Therapie und medikamentöse Einstellung.

-- Editiert von User am 16. September 2023 22:16

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#3
 Von 
DeusExMachina
Status:
Lehrling
(1183 Beiträge, 221x hilfreich)

Zitat (von Catfish123):
Mal angenommen ein Terrorist zündet eine Bombe im Bahnhof. Bei diesem Terroranschlag sterben 100 Menschen. Der Terrorist wird für Schuldunfähig erklärt und kommt nicht regulär ins Gefängnis sondern in die Forensische Psychiatrie.
Angesichts dieses Beispiels gehe ich davon aus, dass die Frage des TE (neben mehreren Möglichkeiten) auf den gemeinhin "populären" 63 StGB abzielt.

Zunächst einmal gebe ich dem geschätzten Vorredner insofern recht als dass sich ein "gesunder" Verurteilter im MRV vor erheblichen Herausforderungen wiederfinden würde. Man möge sich bitte nur einmal bewusst machen, dass keine Klinik davon ausgehen kann oder wird, dass der Patient bspw. gesund oder gar "unschuldig" wäre - dies wäre auch paradox und würde den Behandlungsauftrag per se ad absurdum führen.

Zitat (von Catfish123):
Dürfte in diesem Fall der Terrorist für Hundertfachen Mord nach nur zwei Jahren gehen? Ich kann mir das irgendwie kaum vorstellen.
Es gibt hier eine Gemengelage:

1. Zunächst einmal sollte man Verhältnismäßigkeiten, die auf dem Sühnegedanken beruhen, loslassen. Eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit wird im Sinne des Verletzten, seiner Angehörigen oder der Öffentlichkeit nicht gesühnt. Wir gehen davon aus (einfach ausgedrückt), dass wenn ein Täter in der Sache mangels Einsichts- und Steuerungsfähigkeit gar keine Schuld auf sich laden kann, dieser aufgrund der Abwesenheit eben jener Fähigkeiten auch nicht bestraft werden darf, da wiederum ihm damit ein Unrecht widerfahren, eine Sühneerfolg aber gar nicht eintreten könnte. Das ist durchaus schwierig zu verstehen, vielleicht liest man es einfach erneut.

2. Der MRV zielt auf die Behandlung des Patienten und der Prävention ab. Einfach formuliert: Einerseits soll er irgendwann wieder in die Gesellschaft integriert werden, andererseits darf er dann aber keine Gefahr für die Öffentlichkeit (oder schlichtweg Dritte) mehr darstellen.

3. Aus 2. ergibt sich das große Dilemma der "Forensik". Nicht nur ihre Patienten haben keine Lobby, sondern sie selbst auch nicht. Das Anliegen der Öffentlichkeit dahingehend ist lediglich, dass Patienten möglichst lange weggesperrt bleiben. Und mit jeder weiteren Rationalisierungsmaßnahme wird dieses Ziel auch erreicht. Wenn (um das Eingangsbeispiel aufzugreifen) ein Geisterkranker 100 Menschen mit einer Bombe tötet und dieser im MRV einmal pro Woche für 15 Min. einen Psychiater zu Gesicht bekommt, dann wird der Weg bis zur möglichen Heilung (gemeint ist: ein Geisteszustand, der das Risiko weiterer Straftaten auf das Niveau der gesunden Bevölkerung bringt), sehr lang.

4. Gutachten fallen tendenziell restriktiv aus, was schlichtweg mit der praktischen Erfahrung erklärbar ist. Wenn nur 1 von 200 entlassenen Patienten strafbar wird (selbst wenn nicht einmal einschlägig), hat die entsprechende Klinik ein Problem - je nachdem wie medial aufgeplustert, müssen auch unverzüglich personelle Konsequenzen folgen. Also im Zweifel behält man den Patienten lieber da: Win-Win!

5. Weil selbst der Gesetzgeber erkannt hat, dass das System so nicht funktioniert, hat er vor einigen Jahren mit dem 67d Abs. 6 StGB folgendes bestimmt:

Zitat:
Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.
Eine realistische Aussicht auf Entlassung nach 10 Jahren auf die Situation von Sicherungsverwahrten (67d Abs. 3 StGB) zu pressen, ist nach meinem laienhaften Dafürhalten zwar unsinnig (da Schuldfähige mit Schuldunfähigen in einen Topf geworfen werden), ergibt andererseits aber wieder Sinn, da die Beurteilungen in beiden Fällen rglm. gleichermaßen ungünstig für den Betroffenen ausfallen - aus reinem Selbstschutz.

Statt derart unsinniger Nachbesserungen müsste man Personal und Qualität um ein Vielfaches verbessern und mit der professionell gerechtfertigten Übergabe in die Führungsaufsicht die Verantwortung z.T. übergeben können. Und dann muss eben jemand her, der den Entlassenen im Alltag zunächst begleitet anstelle irgendeiner anonymen Poststelle, die einmal pro Woche ein Formular verschickt.

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#4
 Von 
tobiask21
Status:
Frischling
(11 Beiträge, 0x hilfreich)

Wenn die Gutachten tendenziell restriktiv ausfallen, stellt sich für mich die Frage wo die Kliniken die ganzen Patienten rein logistisch gesehen "hin packen", wenn immer er neue Leute nachkommen, aber so gut wie keine entlassen werden. Bei den durch die Medien verbreitet gefühlt sehr hohen Einweisungszahlen(jeden Tag ein schuldunfähiger Messerstecher) müssten die Bauprojekte für forensische Kliniken wie Pilze aus dem Boden schießen. Statt dessen spart die Ampel bei Bauprojekten wie noch nie. Und letzte Woche noch im Frühstücksfernsehn gab es eine Reportage das Straftäter nicht inhaftiert werden können, weil es in den Gefängnissen so gut keine Zellen mehr gibt. Wenn die Gefängnisse schon solche Probleme haben, obwohl jeder Häftling im Gegensatz zur Forensik einen festen Entlasstermin hat, glaube ich nicht das dieses Prinzip "hauptsächlich restiktive Gutachter" in der Praxis in Hinblick auf Fachkräft- und Klinikplätzemangel funktionieren kann.

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#5
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(115990 Beiträge, 39196x hilfreich)

Zitat (von tobiask21):
Bei den durch die Medien verbreitet gefühlt sehr hohen Einweisungszahlen

Ja, diese "gefühlten" Fakten ...



Zitat (von tobiask21):
aber so gut wie keine entlassen werden

Es werden deutlich mehr entlassen ...


Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

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#6
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(37500 Beiträge, 13791x hilfreich)

Es kann sein, dass jemand später zum Strafantritt geladen wird, einfach weil zellentechnisch eine Überbelegung da ist. Aber, mir ist wirklich kein Fall bekannt, in welchem eine Strafe aus Platzmangel nicht vollstreckt werden konnte. Da sind nämlich auch unabhängig voneinander arbeitende Behörden tätig. Die Behörde/Gericht, was die Aufsicht über die ordnungsgemäße Vollstreckung und das Verhalten des Verurteilten führt, und dann eben die Verwaltungsbehörde, die umsetzt. Und, der Verurteilte hat ja keinen Anspruch auf eine Zuweisung in die nächste JVA. Er muss sich gegebenenfalls auch in einer JVA weiter weg einfinden, zumal es auch noch Einweisungsanstalten gibt, in denen dann entschieden wird, was die richtige JVA ist. Also gerade da können dann die Verurteilten auch mal länger bleiben. Man muss nicht alles glauben, was so im Frühstücksfernsehen erzählt wird. Wirklich nicht.

Dasselbe gilt für psychiatrische Anstalten. Auch in den geschlossenen Abteilungen gibt es Patienten, die nur sehr kurz da sind, etwa zwecks Begutachtung, und andere, die länger da sind bis lebenslang. Auch von da ist mir kein Fall bekannt, in welchem ein gefährlicher Patient wegen Raummangels entlassen werden musste. Und zumindest in meinem Land habe ich da schon einen Überblick.

wirdwerden

0x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
DeusExMachina
Status:
Lehrling
(1183 Beiträge, 221x hilfreich)

Zitat (von tobiask21):
Statt dessen spart die Ampel bei Bauprojekten wie noch nie.
In der Bundespolitik wird seit knapp 30 Jahren konsequent an Justiz und ihren Ablegern gespart.

Zitat (von tobiask21):
Bei den durch die Medien verbreitet gefühlt sehr hohen Einweisungszahlen
Also es ist zwar knapp einer pro Tag und der knappen Hälfte liegen tatsächlich Delikte nach 223 ff. StGB zugrunde, aber..

Zitat (von wirdwerden):
Auch in den geschlossenen Abteilungen gibt es Patienten, die nur sehr kurz da sind
..und..
Zitat (von Harry van Sell):
Es werden deutlich mehr entlassen ...


Verbände wie der LWL - also quasi Interessenvertreter bzw. Betreiber der Kliniken selbst - setzen sich seit langer Zeit (mitunter erfolgreich) für Beschränkungen bei der Verhängung der Maßregel, (weitere) Begrenzungen der Unterbringungsdauer, verkürzte Überprüfungsfristen und die Doppelbegutachtung (mithilfe externer Sachverständiger) ein. Diese Forderungen möchte ich natürlich nicht pauschal goutieren, da sie - wie doch immer - auf den eigenen Vorteil abzielen, jedoch muss man die Aussage in sich einmal zur Kenntnis nehmen, insofern als dass diejenigen, die mit den betroffenen Patienten im Alltag arbeiten, bereitwillig Kompetenzen abtreten würden und in kürzeren Intervallen prüfen zu wollen. Natürlich möchte ich (wenn der TE schon gerne populär schreiben möchte) darauf hinweisen, dass sich ein Fall "Gustl Mollath" auch dadurch nicht verhindern ließe und das Ziel niemals sein darf, Patienten möglichst frühzeitig zu entlassen und sämtliche damit einhergehende Verantwortung auf Dritte zu übertragen.

-- Editiert von User am 18. September 2023 01:07

Signatur:

Wahrheit ist Verhandlungssache.

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#8
 Von 
Zuckerberg
Status:
Lehrling
(1910 Beiträge, 1136x hilfreich)

Zitat:
Bei den durch die Medien verbreitet gefühlt sehr hohen Einweisungszahlen(jeden Tag ein schuldunfähiger Messerstecher) müssten die Bauprojekte für forensische Kliniken wie Pilze aus dem Boden schießen.
Und tatsächlich sind die Hütten voll. Das Problem ist weniger eine restriktive Praxis bei der Entlassung, sondern vielmehr die recht "großzügige" Praxis bei der Unterbringung, insbesondere was die Annahme von (nur) verminderter Schuldfähigkeit betrifft.

Zitat:
Statt dessen spart die Ampel bei Bauprojekten wie noch nie.
Für die Errichtung entsprechender Anstalten sind die Bundesländer zuständig, nicht die Bundesrepublik.

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