Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung - Multiple Sklerose

29. Juli 2007 Thema abonnieren
 Von 
Alarice
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)
Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung - Multiple Sklerose

Hallo,

wer hat diesbezüglich Erfahrung mit entsprechenden Entscheidungen?

Laut § 21 Abs. 5 Nr. 1 SGB II setzt die Gewährung dieses Mehrbedarfes einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung voraus.

Laut § 21 Abs. 5 Nr. 2 SGB II können die Krankheiten, bei denen die Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge (DV) anerkannt sind, der Anlage entnommen werden.


http://www.borken.de/fileadmin/civserv/5554012/forms/Antrag_kostenaufw_Ernaehrung_02.pdf

http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2004/ALG_II_Durchfuerhungshinweise/hw21.pdf

Meine Neurologin hat mir wegen meiner seit über einem Vierteljahrhundert bestehenden und bis heute unheilbaren Muliplen Sklerose o.g. Bescheinigung ausgestellt, die zu einem Mehrbedarfsanspruch nach SGB II von 25,56 € pro Monat führen müsste.

Die ARGE hat ein Gutachten des Gesundheitsamtes beauftragt, das ohne mich zu kontaktieren, zu dem Ergebnis kam, dass eine spezielle Diät nicht eingehalten werden müsse, sondern ausgewogene Vollwertkost empfohlen sei. Mehrkosten entstünden dabei nicht.

Ausgewogene Vollwertkost ist schon richtig, aber wie soll man diese bei Alg II finanzieren, wenn lt. Gesetz nur Minimalanforderungen ans Überleben als notwendig erachtet werden, sprich bei Ernährung das Sattmachen mit Grundnahrungsmitteln wie Kartoffeln, Nudeln, Reis und Brot hinreichend sein muss?

Eine ausgewogene Vollwertkost setzt jedoch die tägliche Versorgung mit frischem Gemüse, Obst, Salat etc. voraus. Solch eine "luxuriöse" Ernährung kann sich jedoch kein Alg II Empfänger unter normalen Umständen leisten.

Gerade deswegen hat der Gesetzgeber den Mehrbedarf auch bei einer erforderlichen Vollwertkost anerkannt.

Laut § 21 Abs. 5 Nr. 3 wird der Mehrbedarf nur gewährt, wenn die Notwendigkeit der kostenaufwändigen Ernährung aus medizinischen Gründen nachweislich belegt ist.
Der Nachweis soll durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes erbracht werden. Die Bescheinigung muss die genaue Bezeichnung der Erkrankung und die sich daraus ergebende Kostform enthalten.

Für die Erstellung der Bescheinigung kann der Vordruck BA -Alg II - 2s21-1 verwandt werden.

Laut § 21 Abs. 5 Nr. 5 ist eine Stellungnahme bzw. ein ärztliches Gutachten durch den medizinischen Dienst des Leistungsträgers (ärztlicher Deinst, Gesundheitsamt o.ä.) zu erstellen, wenn für ein Krankheitsbild, welches in der Anlage nicht aufgeführt ist, eine kostenaufwändigere Ernährung geltend gemacht wird.
Des Weiteren soll der medizinische Dienst eingeschaltet werden, wenn die voraussichtliche Dauer des Mehrbedarfs von vornherein 12 Monate übersteigt.


Die Bescheinigung der behandelnden Ärztin liegt entsprechend o.g. Vorgaben vor und sollte somit ausreichend sein. Jedoch ist die Dauer des Mehrmedarfs durchgängig. Der Amtsärztin war bei ihrer Stellungnahme sicherlich die Gesetzeslage nicht klar (ist ja auch nicht ihr Metier) und die ARGE entscheidet hier grundsätzlich nach den Gutachten der Amtsärzte.

Dass ich gegen den ARGE-Bescheid Widerspruch einlege, versteht sich von selbst, mich interessieren jedoch die Erfahrungen ebenso Betroffener sowie die Verfahrensausgänge.

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8 Antworten
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#1
 Von 
Sunbee 1
Status:
Gelehrter
(10618 Beiträge, 2433x hilfreich)
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#2
 Von 
Alarice
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo Sunbee,

vielen Dank für Deinen Hinweis. Diese beiden Fälle sind zwar nicht unbedingt vergleichbar, da es im Fall der AU um eine individuelle Begutachtung ging, während es bei der kostenaufwändigen Ernährung eher um eine allgemeine Einschätzung geht, aber dennoch werde ich den ein oder anderen Punkt in der Widerspruchsbegründung berücksichtigen.

Ein Satz ist aus dem verlinkten Urteil auch noch zu beachten:

Ob das MDK-Gutachten bereits aus formalen Gründen zurückzuweisen ist, kann letztlich dahingestellt bleiben. Die genannten Bestimmungen schreiben nicht vor, in welcher Weise das Gutachten zu erstellen ist.

Ich kann mir vorstellen, dass an eine fast schon allgemeingültige Einschätzung geringere Anforderungen gestellt werden.

Nun ja, ich werde erstmal Widerspruch einlegen und die Begründung nachliefern, nachdem mir die ARGE bitteschön das über mich in Abwesenheit erstellte Gutachten übersandt hat.

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#3
 Von 
Sunbee 1
Status:
Gelehrter
(10618 Beiträge, 2433x hilfreich)

@alarice

du hast recht, vergleichbar ist es nicht. allerdings frage ich mich, wieso der ärztliche dienst der arge ein anderes recht hätte als der mdk der krankenkassen.

ich bin auch der ansicht, dass es sicher allgemeingültige einschätzungen zu erkrankungen(die bekannt sind) gibt, dennoch jeder individuell das recht hat, so begutachtet zu werden, wie die entwicklung einer erkrankung individuell ist.

in dem urteil (u. in anderen fällen) wurde festgestellt, dass auch der mdk sich an das gesetz halten muß, nämlich dass untersuchungen (und damit individuell) stattfinden muß.

ich wurde vom ärtzl. dienst der arbagentur als voll arbeitsfähig nach aktenlage begutachtet.

lustig war und das war auch im entsetzten gesicht des sb vor ort zu sehen, welcher mir d. gutachten überreichen mußte, dass ich zu dem zeitpunkt grad mal wieder operiert u. mit krücken (u. anderem hilfsmittel) in der agentur vorgeladen (u. erschienen) war.

die hinzugezogene sb (m. gdb hatte man, trotz einschreiben monate vorher, auch nicht aktenkundig) sagte vollkommen entgeistert, ich müsse dem gutachten widersprechen. die war so sauer auf die kollegen, dass sie einen regelrechten telefonmarathon v. m. ohren veranstaltete.

gesagt getan, wurd dann(auch n. aktenlage) als völlig arb.unfähig eingestuft.
wäre dieses gutachten anders ausgefallen, hätte ich wieder widerspruch u. dann klage eingereicht.

ich bin der meinung, dass präzendenzfälle geschaffen werden müssen, dass ein kranker, mit schwerer chronischer krankheit (und dazu gehört, wie bei dir, ms) grundsätzlich anspruch auf mehrbedarf hat und auch, dass jeder individuell beurteilt werden muß. ein gesunder weiß nicht, wie teuer krank sein ist in unserem gesundheitssystem....
ob es um ernährung, salben die nachweislich helfen oder um hilfsmittel wie anziegriffe etc geht.

ich z. b. habe eine eher selten auftretende erkrankung mit schweren folgen, doch würde ich bei alg 2 kein mehrbedarf bekommen, bei sozialhilfe schon .

sunbee

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
Alarice
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo Sunbee,

was, wie in Deinem Fall, manchmal für Bescheinigungen und Gutachten erstellt werden, die eine Beurteilung einer Akutsituation ohne Untersuchung des Patienten anbelangt, ist sicherlich hanebüchen. Diese sind auch sicherlich recht gut juristisch angreifbar.

Jedoch geht es in Deinem geschilderten Fall wie auch dem mit der AU um eine individuelle und zeitabhängige Einschätzung, die ganz besonders der persönlichen Untersuchung bedarf, im Gegensatz zu einer eher allgemeingültigen Aussage über einen dauerhaften krankheitsbedingten Mehrbedarf, ähnlich wie diese durch die Liste zu § 21 SGB II des Deutschen Vereins manifestiert wurde.

Andernfalls müsste schon - lapidar gesagt - wissenschaftlich untermauert sein, warum bei einem MS-Patienten die Ernährung mit viel frischem Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, Soja- und Walnussöl sowie zwei Seefischmahlzeiten in der Woche gesundheitsfördernd sein soll, während der andere mit Reis, Nudeln, Vodka und Zigaretten länger ohne Rollstuhl auskommen soll. Dieser Nachweis dürfte sicherlich schlechter gelingen.

Wie dem auch sei, Hauptargument des Widerspruches wird sein, dass entsprechend § 21 Abs. 5 SGB II die Liste der Empfehlungen des Dt. Vereins maßgeblich ist, die auch in die Handlungsleitlinien der BA aufgenommen wurde. Die fehlende individuelle Untersuchung durch einen Amtsarzt ist dabei nur ein bisschen Beiwerk.

Sunbee, woraus erschließt sich bei Dir das unterschiedliche Anerkenntnis bei ALG II und Sozialgeld? Meines Erachtens wurde das doch so ziemlich angeglichen?



-- Editiert von Alarice am 01.08.2007 00:34:32

-- Editiert von Alarice am 01.08.2007 00:37:12

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#5
 Von 
Sunbee 1
Status:
Gelehrter
(10618 Beiträge, 2433x hilfreich)

@alarice

nein, es wurde nicht aus/ angeglichen.
ein erwerbsfähiger alg2 empfänger mit z.b. 50& und merkzeichen g erhält keinen mehrbedarf, ein erwerbsunfähiger jedoch schon.
hat nun der erstgenannte mehraufwand?

hier gibt es bereits erste versuche sich zu wehren. schau hier

http://www.elo-forum.org/archive/vorzuege-eines-behindertenausweises-t494.html

sunbee

0x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
Alarice
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo Sunbee,

vielen Dank für den Link. Bist Du auf dem Laufenden, was eine mögliche Klage vor dem BVG nach § 100 GG bzgl. des dem Gleichheitsgrundsatz widersprechenden § 21 SGB II betrifft, von dem Martin Behrsing in seinem Posting schrieb?

LG

Alarice

0x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
Sunbee 1
Status:
Gelehrter
(10618 Beiträge, 2433x hilfreich)

@alarice

nein leider nicht. bin immer wiedr im netz um zu schauen. wenn ich was finde, setz ich es hier rein.

sunbee

0x Hilfreiche Antwort

#8
 Von 
Alarice
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)

Danke, Sunbee! :)

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